Noel Gallagher's High Flying Birds: 19.03.2015, Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf

 

Noel Gallagher hat gerade mit seinen High Flying Birds eines der besten Alben des Jahres 2015 veröffentlicht. „Chasing Yesterday“ wird, das kann man jetzt schon sagen, in den Endabrechnungen überall ganz vorne zu finden sein. Die Platte ist so verdammt gut, dass man das auch schon im März kundtun darf. Jetzt ist der Mann mit seiner Band auf Tour und auch da kann man beachtliche Dinge erleben. Kramt man ein bisschen in der Mottenkiste, dann kommt man nicht umhin festzustellen, dass der Mann auch an so manchen miesen Konzerten beteiligt war. Oasis waren auf dem Festland selten brillant. Jetzt liest und hört man von den Noel Solo-Shows wahre Wunderdinge. Kann das sein? Die altehrwürdige Konzertstätte in Düsseldorf ist heute Schauplatz des Geschehens. Hier hat man schon so manches denkwürdige Konzert erleben dürfen. Am Ende des Abends wird man jedenfalls nicht in verfinsterte Minen blicken, Noel hat nämlich zuvor die Sonne aufgehen lassen. Aber von vorne...

 

Betritt man diese Halle, dann fühlt man sich wieder wie in den 70ern/80ern. Hier dürfte sich seit Jahrzehnten kaum etwas verändert haben. Dieser alte und ranzige Laden hat Charme. Das kann zwar nicht mehr mit den Mehrzweckhallen dieser Tage mithalten, besticht aber mit einer Gemütlichkeit, die für eine entspannte und wohltuende Atmosphäre vor Konzertbeginn sorgt. Viele Fans haben sich noch nicht eingefunden und man hat um 19 Uhr schon Angst, dass die ganze Sause vor halbleerer Halle stattfinden wird. Tut es aber nicht und spätestens zu Showbeginn von Noel Gallagher ist der Laden gut gefüllt. Im Vorprogramm darf man der Musik von Paul Newsome lauschen. Ein Einheizer ist der Mann sicher nicht, wie er da mit seinen zwei Mitstreitern sitzt und Songs zwischen Bob Dylan und Neil Young singt. Man sieht vor dem geistigen Auge förmlich die staubigen Highways im Mittleren Westen der USA vorbeifliegen. Paul Newsome macht schöne Musik im Folk- und Singer/Songwritergewand – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

 

Noel Gallagher's High Flying Birds stehen pünktlich um 21 Uhr auf der Bühne. Es muss ja auch alles minutiös geplant werden, denn die Show wird schließlich vom Fernsehen live übertragen. In der Nacht auf den 05.04.2015 um 00.15 Uhr gibt's das Ganze auch nochmal im Fernsehen beim WDR Rockpalast zu bewundern. Wunder gibt es an diesem Abend sehr viele. Noel Gallagher gibt sich extrem aufgeräumt und sympathisch. Der Prollpart gehört ja auch sowieso seinem Bruder. Den jüngeren Gallagher vermisst an diesem Abend keiner. Die obligatorischen Rufer danach gibt es zwar, aber die kontert Noel auf seine bekannt schlagfertige Art und Weise – natürlich nicht ohne den Zwischenrufer vorher ausfindig zu machen und diesem in die Augen zu blicken. Überhaupt ist der Mann heute sehr redselig. Er bedankt sich höflich für den Applaus und geht auf die vielen Wortmeldungen aus dem Publikum ein und fängt da auch gerne mal ein kurzes Gespräch an. „Warum spielst du hier?“ „Du willst wissen, warum ich hier spiele? Nun, als ich eben aus dem Bus gestiegen bin, stand mein Name auf dem Plakat und so stehe ich eben jetzt hier. Wo kommst du denn her?“ „Köln.“ „Köln? Du bist ein sehr glücklicher Mensch.“ Man könnte viele Zeilen mit ähnlichen Unterhaltungen füllen. Auf eine charmante Art ist der Mann jedenfalls sehr schlagfertig – so, wie man ihn aus den Medien eben kennt.

 

Noel Gallagher ist sicher nicht der beste Sänger des Planeten, das weiß er aber auch selber. Trotzdem vermisst man die Phrasierung von Liam Gallagher zu keiner Zeit. Sein älterer Bruder beherrscht sein Handwerk nämlich ganz gut. Dafür lässt er einige Gitarrenparts eben von seinem Mi(e)tmusiker erledigen und er konzentriert sich da lieber auf die wesentlichen Dinge. Er wechselt zwischen Akustik- und E-Gitarre hin und her und gibt auch auf seinen Instrumenten eine gute Figur ab. Seine Band ist klasse. Da sitzt jeder Ton, jede Note! Der Sound in der Halle ist fein austariert und erstklassig. Kein Brei und jede Nuance ist herauszuhören. Dies ist für seine vielschichtigen Solosongs von immenser Bedeutung und selbst die Bläsersektion ist am heutigen Tag ein Hochgenuss.

 

Im Vorfeld konnte man ja Zweifel haben, ob sich die neuen Songs live so einfach umsetzen und reproduzieren lassen. Tun sie. Und wie! Man darf von Noel Gallagher live natürlich keine Experimente erwarten, aber es ist schon beeindruckend wie punktgenau seine Solosachen umgesetzt werden. Die Oasis- Nummern hat er aber umarrangiert und so kann man „Fade Away“, „Digsy´s Diner“ und das ruppige „The Masterplan“ als Rauswerfer noch mal ganz neu entdecken. „Champagne Supernova“ und „Don´t Look Back In Anger“ werden in reduzierten Versionen gespielt und aus Tausenden Kehlen lauthals mitgesungen. Klassiker eben – und das nicht nur auf der Insel.

 

Beeindruckend sind aber die Songs von „Chasing Yesterday“. „You Know We Can´t Go Back“ rockt sich mit einer famosen Hookline durch die Prärie und „Ballad Of The Mighty I“ ist schon jetzt ein Song, der in seiner Erhabenheit alles andere dieses Jahr überstrahlen wird. Die Liveumsetzung ist auch ohne Johnny Marr ein Gedicht. „Riverman“, dieses nachdenkliche Kleinod, unterstreicht, dass Gallagher zur Zeit wieder formidable Songs schreibt. Nimmt man alles zusammen, dann sogar die reifsten seines Musikerlebens. Wer braucht da noch Oasis? Eben! Auch das Material des Vorgängers wie „AKA... Broken Arrow“ oder „Everybody's on the Run“ und „AKA... What a Life!“ fügen sich hervorragend in das Set ein.

 

Was bleibt von diesem Abend? Eine ganze Menge: Noel Gallagher ist in der Form seines Lebens, so aufgeräumt wie lange nicht mehr, seine Solosachen funktionieren live prächtig und eine Oasis-Reunion braucht nun wirklich kein Mensch mehr. Die seltsamste Begebenheit des gesamten Abends werden die beiden Frauen bleiben, die sich ein kurzes Scharmützel geliefert haben, weil die eine die andere beim Tanzen berührt hat. Da war er doch, der Oasis-Konzert-Moment. Wer auch immer die Chance hat Noel Gallagher's High Flying Birds auf dieser Tour zu sehen, sollte diese nutzen!

 

Fotos gibt es hier

 

Text u. Fotos: Torsten Schlimbach

 

(Torsten Schlimbach bedankt sich bei Vivien von Verstärker Promotion und natürlich bei Noel Gallagher für die freundliche Unterstützung!)

 

Setlist:

  1. Do the Damage

  2. (Stranded On) The Wrong Beach

  3. Everybody's on the Run

  4. Fade Away

  5. In the Heat of the Moment

  6. Lock All the Doors

  7. Riverman

  8. The Death of You and Me

  9. You Know We Can't Go Back

  10. Champagne Supernova

  11. Ballad of the Mighty I

  12. Dream On

  13. The Dying of the Light

  14. The Mexican

  15. AKA... Broken Arrow

  16. Digsy's Dinner

  17. If I Had a Gun...

  18. Encore:

  19. Don't Look Back in Anger

  20. AKA... What a Life!

  21. The Masterplan

Empfehlen Sie diese Seite auf:

Druckversion | Sitemap
Dream Out Loud Magazin: © Torsten Schlimbach / Header: © Kai Knobloch