The Cranberries: To The Faithful Departed

The Cranberries: To The Faithful Departed

Universal

VÖ: 13.10.2023

 

Wertung: 11/12

Tipp!

 

The Cranberries waren in der Mitte der 90er ganz oben angekommen. Das Debüt mit Hits wie „Linger“ und „Dreams“ sowie der Nachfolger „No Need To Argue“ (mit „Zombie“) sorgten dafür, dass die Iren nicht nur in der Heimat oder Europa bekannt wurden, nein, auch in den USA waren sie plötzlich eine große Nummer. Das dritte Album wurde also bevor überhaupt ein Ton Musik aufgenommen wurde, schon von einer gewissen Erwartungshaltungshaltung erdrückt. Die Band wollte neue Wege gehen und somit musste Produzent Steven Street weichen. Mit Tim Palmer entstanden in Paris einige Demos, aber letztlich klang das alles schon wieder zu sehr nach Steven Street. Mit Bruce Fairbairn heuerten sie schließlich einen Mann der härteren Gangart an, denn zu seinen Kunden zählten bis dahin Aerosmith, Van Halen und AC/DC.

 

„To The Faithful Departed“ klingt tatsächlich anders. Der Sound ist direkter, wilder und die Band spielt auch härter. Jetzt wird dieses Album von The Cranberries erneut veröffentlicht. Es verkaufte sich in der zweiten Hälfte der 90er zwar wie geschnitten Brot, ist aber mittlerweile wieder in Vergessenheit geraten. Die ganz großen Hits hat das Werk sicher nicht abgeworfen, ist in seiner Gesamtheit allerdings ein Meisterwerk. Die Ausstattung der neuerlichen Veröffentlichung ist mit Liner Notes, O-Tönen der Mitglieder und jeder Menge Bonusmaterial schon ziemlich amtlich. Es finden sich auch bisher unveröffentlichte Demos unter den Songs wieder.

 

Das Album selber hat nichts von seiner Faszination eingebüßt. Schnellen, rockigen Songs wie „Hollywood“, dem ruppigen „Salvation“ oder dem rasenden „I Just Shot John Lennon“ stehen poppige Tracks wie „Intermission“, die ruhigen Trademarksounds von „When You´re Gone“, das traurige und sakrale „Electric Blue“ oder der kleine Hit „Free To Decide“ gegenüber. Titel wie „Warchild“, „The Rebels“ oder „Bosnia“ lassen unschwer erkennen, dass dies auch ein politisches Album ist. Manches ist leider wieder erschreckend aktuell. Ein bisschen Jahrmarkt gibt es mit „Will You Remember?“, während „Joe“ eher in den Süden und das Meer schielt. Der Fleetwood Mac-Heuler „Go Your Own Way“ wird ganz zum Schluss ziemlich toll interpretiert.

 

Die drei Demos aus Paris sind interessant, gleichwohl „When You´re Gone“ noch zu brav klingt. „I Just Shot John Lennon“ kommt dafür noch dringlicher, fast punkig daher. „Free To Decide“ war auch in diesem frühen Stadium ein guter Song, auch wenn noch einiges fehlt. Das Outtake von „The Rebels“ bildet auch mal eine Frühphase ab. Da muss noch einiges erarbeitet werden. Der frühe Mix von „Salvation“ hingegen ist noch nicht ganz so druckvoll, ansonsten aber schon recht nahe an der Endfassung. Die ruhigen Songs wie „When You´re Gone“ oder „Electric Blue“ sind auch im Early Mix ein Hochgenuss für die Ohren.

 

Eine Live-CD rundet die Geschichte hier wunderbar ab. Abgesehen davon fungiert das Teil auch als kleine „Best Of“. „Linger“, „Dreams“, „Zombie“, „Salvation“, „Dreaming My Dreams“ oder „Free To Decide“ – alles dabei. Die Songs sind nicht perfekt gespielt, stammen auch nicht von einem einzigen Konzert, geben aber einen wunderbar authentischen Eindruck wieder. So geht Live-Musik! Die Atmosphäre vor den jeweiligen Zuschauern kommt dabei sehr gut zur Geltung! Macht Laune!

 

Fazit: „To The Faithful Departed“ ist das heimliche Meisterwerk von The Cranberries! Die beiden Vorgänger mögen prominenter und seinerzeit besser besprochen worden sein, aber das Album hier ist vielschichtig, laut, leise, ruppig, politisch, direkt im Sound, toll arrangiert, musikalisch sehr gut umgesetzt worden und immer noch zeitlos. Das üppige Bonusmaterial lohnt sich auf jeden Fall und gewährt noch tiefere Einblicke in dieses tolle Album!

 

https://www.cranberries.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

The Cranberries: No Need To Argue

The Cranberries: No Need To Argue

Universal

VÖ: 13.11.2020

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Damals, als Bands noch von den Absätzen ihrer Alben leben konnten, verkauften The Cranberries von „No Need To Argue“ unglaubliche 17 Millionen Einheiten! Die ausgekoppelte Single „Zombie“ trug maßgeblich dazu bei. Das Video lief den lieben langen Tag auf MTV hoch und runter und natürlich hatte die wütende und krachige Anklage nicht den Anspruch repräsentativ für das gesamte Werk zu sein. Heute rümpfen viele, wenn man „Zombie“ nur erwähnt, die Nase. Das ist natürlich vollkommener Blödsinn. „No Need To Argue“ war aber sowieso vielmehr als die Erfolgssingle. „No Need To Argue“ wird nun schon zum dritten Mal neu aufgelegt.

 

Die Aufmachung des 2CD-Sets ist ganz und gar wunderbar. Das Booklet ist recht üppig ausgefallen. Neben dem bekannten Inhalt, sind noch einige Bilder der Foto-Sessions für das Album dazugekommen. Abgesehen davon gibt es einen recht umfangreichen Text von einem Insider, nämlich dem Archivar der Band. Eoin Devereux geht hier auf die Geschichte des Albums ein und gewährt einem so auch einen kleinen Blick hinter die Kulissen.

 

Diese Neuauflage ist die mit Abstand beste von „No Need To Argue“. Das Album ist klanglich optimal remastert worden. Der klare und fein austarierte Klang kommt diesen wunderbaren, getragenen und teilweise sanften Songs sehr zugute. Direkt an das Album schließen sich die Bonustracks und B-Seiten an. Komplett unveröffentlicht ist „Yersterday´s Gone“, ein Stück, welches 1995 in New York für MTV Unplugged aufgenommen wurde. Übrigens: ein wundervoller Song! Auch das Cover des The Carpenters Songs „(They Long To Be) Close To You“ und besonders die B-Seite „So Cold In Ireland“ sind toll. Speziell bei letztgenannter Nummer fragt man sich, warum selbige nicht auf dem Album war. Der Remix von „Zombie“ ist verzichtbar, wie eigentlich fast alle Remixe in den 90ern. Stört aber auch nicht weiter.

 

Die zweite CD enthält 17(!) bisher unveröffentlichte Songs! „Ode To My Family“ liegt hier beispielsweise noch als „Song To My Family vor“. Auch das überragende „So Cold In Ireland“ und das nicht minder brillante „Ridiculous Thoughts“ stammen aus den Magic Shop Demos. Bis auf das nackte Gerüst reduziert entfalten die Songs eine beachtliche Dringlichkeit! Besonderes Augenmerk sei auch auf das Demo von „Serious“ gelegt. Die Nummer gab es bisher nur in schlechter Qualität als Live-Song auf den einschlägigen Portalen zu hören. Fünf Songs aus dem Liverpooler Royal Court vom 14.10.1994 und drei weitere Live-Tracks aus Milton Keynes vom 30.07.1995 runden das Set sehr schön ab und zeigen, dass The Cranberries auch live eine famose Band waren. Die gute Dolores ist hier übrigens sehr kommunikativ. Das zerbrechliche „No Need To Argue“ und abermals „Ridiculous Thoughts“ stechen bei den Live-Songs besonders hervor.

 

Über das eigentliche Album muss man ja hoffentlich nicht viele Worte verlieren. Dieser wunderbare Einstieg mit „Ode To My Family“ ist immer noch für diese wohlige Schauer gut. Das forsche „I Can´t Be With You“ oder das feinfühlige „Twenty One“ sind einfach überragend. „Empty“ berührt auch nach 26 Jahren immer noch und „Ridiculous Thoughts“ sollte eigentlich so bekannt wie „Zombie“ sein. Es sind starke, aussagekräftige Songs!

 

Fazit: No Need To Argue“ ist ein zeitloses Meisterwerk. Jetzt hat man selbiges schon zum dritten Mal aufgelegt. Es ist die beste Ausgabe! Die Aufmachung ist toll, das eigentliche Album wurde remastert und die zusätzlichen Tracks bereichern das Werk sogar noch! Fans müssen hier tätig werden und wer zu den 17 Millionen Käufern des ursprünglichen Albums gehört, kann hier auch bedenkenlos zugreifen, denn das Sound-Update ist gelungen und das Zusatzmaterial rechtfertigt diese Neuauflage sowieso!

 

https://www.cranberries.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

The Cranberries: In The End

The Cranberries: In The End

BMG

VÖ: 26.04.2019

 

Wertung: 8/12

 

Am 15. Januar 2018 verlor die Musikwelt eine der charismatischsten Stimmen der letzten Dekaden. Egal ob man die Art des Gesanges von Dolores O’Riordan nun mochte oder nicht, der Wiedererkennungswert war (und ist) extrem hoch. O´Riordan ertrank in der Badewanne ihres Hotelzimmers. Es war wohl ein tragischer Unfall. Bei der Obduktion wurde eine Alkoholvergiftung von 3,3 Promille festgestellt. Jetzt erscheint mit „In The End“ das finale Album von The Cranberries. Die drei verbliebenen Bandmitglieder entschieden zusammen mit der Familie von Dolores, dass man das Album, an dem schon gearbeitet wurde, dann auch fertigstellt. Man möchte „In The End“ allerdings nicht als Abschied verstanden wissen, sondern vielmehr als Würdigung.

 

Man kann über die Cranberries sagen was man will, aber einen beliebigen Sound hatten sie nie im Gepäck. Dies wird auch auf „In The End“ noch mal auf sehr eindringliche Art und Weise klar. Und das liegt nicht nur an der Stimme! Nimmt man mal die Musikabteilung Noel Hogan, Mike Hogan und Fergal Lawler und hört sich die Songs nur unter dieser Prämisse an, dann kann und muss man einfach festhalten, dass die drei Herren schon immer einen ganz besonderen Sound kreiert haben, den man unter vielen anderen heraushören kann.

 

Inwieweit „In The End“ nun schon fortgeschritten war und nur noch beendet werden musste, wird man vielleicht nie so ganz erfahren. Ob da teilweise nur Bruchstücke vorlagen oder das schon komplett mit Dolores ausgearbeitet war, sei dann mal dahingestellt. Das Album hat alles, was ein The Cranberries-Album ausmacht. Auch ein paar Längen und eher Songs, die etwas langweilig dahinplätschern. „Summer Song“ ist beispielsweise so eine Nummer, die eher langweilig und ohne Höhepunkt am Zuhörer vorbeirauscht.  Die Platte ist sicher nicht das beste Werk der Band, aber wenn die letzten Akkorde des Songs „In The End“ ganz zum Schluss verklungen sind, dann hat man doch einen dicken Kloß im Hals.

 

Und es gibt hier durchaus auch Material, welches es mit den ganz großen Songs der Band aufnehmen kann. Der treibende Opener „All Over Now“ beispielsweise, der das volle Melancholiebrett liefert und dabei auch noch alle Trademark-Sounds der Band auffährt. Große Nummer. Auch die Ballade „Lost“ ist fantastisch arrangiert und mit all ihrer Schwermut noch mal eine Sternstunde. „Wake Me When It´s Over“ ist die Art Rock, wie er auf jedes Album von The Cranberries gepasst hätte und auch das ruhige „A Place I Know“ wird alle Fans noch mal sehr glücklich machen. Das Klaviermotiv von „Catch Me If You Can“ erinnert an einen Soundtrackbeitrag und ist für eine dicke Gänsepelle gut!

 

Fazit: „In The End“ ist nun das letzte Album der Cranberries. Es ist ein gutes Werk. Es hat zwar auch seine Längen, aber überwiegend gibt es diesen tollen Cranberries-Sound, für den das Quartett so geliebt wird. Warum diese kleine irische Kapelle in den 90ern die Welt eroberte, kann man auf „In The End“ noch mal nachhören. Ein würdiger Abschluss der Bandgeschichte. Dolores O’Riordan wird fehlen!

 

https://www.cranberries.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

The Cranberries: Everybody Else Is Doing It, So Why Can´t We? - 25th Anniversary (2CDs)

The Cranberries: Everybody Else Is Doing It, So Why Can´t We? - 25th Anniversary (2CDs)

Universal

VÖ: 19.10.2018

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

The Cranberries war in den 90ern für einen Moment eine der größten Bands des Planeten. Schon mit dem Debüt „Everybody Else Is Doing It, So Why Can´t We?“ wurden die Iren über Nacht zu Superstars. Alleine in den USA verkaufte sich das Album mehr als 5 Millionen Mal. Eine Zahl, die heute undenkbar ist. Vielleicht glaubten die drei Freunde Noel und Mike Hogan, sowie Fergal Lawler, als sie die Band gründeten, selbst nicht daran. Da musste erst Dolores O´Riordan kommen, um den Jungs das nötige Selbstvertrauen einzutrichtern. Dieses introvertierte Mädchen glaubtE immer daran. Die Jungs eiferten The Smiths nach. Diese Mischung macht das Debüt aus. Das Album wird nun als Boxset oder 2CDs/2LPs-Version neu aufgelegt.

 

Nein, hierbei handelt es sich keineswegs um den den großen Ausverkauf. Diese 25th Anniversary Edition war sowieso vorgesehen und Dolores war noch vor ihrem Tod in den Prozess involviert. Die verbliebenen Bandmitglieder entschlossen sich dann, dass das Projekt nicht begraben wird und man weiter daran arbeiten möchte. Eine Veröffentlichung der Band war also schon seit Längerem geplant.

 

Die Neuauflage erscheint – zumindest in der 2CD-Version – im zweckmäßigen Digipack. Das kennt man ja schon von anderen Anlässen ähnlicher Art. Beim Booklet hat man sich nicht auf Experimente eingelassen und es so belassen, wie es ursprünglich war. Dies bedeutet allerdings auch, dass es keine darüberhinausgehenden Informationen gibt. Das kennt man auch anders. Optisch reiht sich das im Regal aber sehr schön zwischen den anderen Anniversary Editions anderer Künstler ein.

 

Die Musik auf diesem Album darf – nein, eigentlich sogar muss – man als zeitlos bezeichnen. Der Sound ist nicht unbedingt repräsentativ für sein Entstehungsjahrzehnt und klingt auch heute noch erstaunlich frisch. Stephen Street hat mit den Cranberries da etwas ganz Tolles hingezaubert. Die drei Herren geben The Smiths ja immer wieder als Referenz an. Das hört man durchaus und doch stehen die Songs für sich alleine. Die Stimme von Dolores ist außergewöhnlich – man mag sie oder eben nicht – und auch die teilweise sehr langsame Instrumentierung ist ganz speziell. Luftig und leicht kommt das oftmals daher. Auch, wenn die Texte manchmal gar nicht so positiv sind. „Sunday“ ist beispielsweise ein ganz tolles, verspieltes Popstück. Zugegeben, die Art des Gesangs muss man sich hin und wieder erarbeiten. Es ist aber eben auch keines dieser glattgebügelten Popwerke. Nicht? Nein! Man höre sich nur das sich dahinschleppende „Waltzing Back“ an. „Dreams“ war seinerzeit einer der großen Hits. Die Nummer ist einfach wunderschön, klar, aber es gibt auf diesem Album so viel mehr zu entdecken. „Not Sorry“ gehört dazu. Ein sehr vielfältiger Song, der mit sehr viel Liebe zum Detail ausgearbeitet wurde. Der gehauchte Gesang, das fein austarierte Bassspiel und das nette Gitarrenmotiv sind schon sehr edel. „Linger“ ist der andere große Hit des Albums. Eine großartige Popmelodie, die durchaus auch mal kitschig ist. Kitschig sein darf. Und melancholisch! Man achte bitte auf den Text! Diesen Song hatte die Band übrigens schon sehr früh geschrieben und im Repertoire. Ein Glücksgriff! „Wanted“ ist einer der wenigen Tracks, der auch mal etwas forscher zur Sache geht. „Still Can´t...“ auch. Da kann man noch am ehesten hören, dass The Cure und The Smiths durchaus Einflüsse für die Musiker waren. Das (größtenteils) akustisch instrumentierte „I Will Always“ kommt anschließend wieder auf leisen Sohlen daher. „How“ drückt noch mal ein bisschen das Gaspedal durch, bevor das schwelgerische „Put Me Down“ das Album beendet. Nicht ein einziger Ausfall ist unter den Songs zu finden!

 

Die zweite CD gleicht einer kleinen Schatztruhe. Zunächst findet man da die Album Outtakes vor. Das tieftraurige „Iosa“ ist ganz groß! Da stellen sich alle Härchen auf! Gänsehaut. Es ist nicht alles super auf dieser CD, aber das liegt ja bei Demos, Outtakes und alternativen Mixen ja in der Natur der Sache. Das Demo von „What You Were“ ist aber hörenswert. Man hat das Gefühl, dass Dolores nur für einen selber singt und ganz nahe an das Mikrofon gerückt ist. Der Dave Bascombe Mix von „Linger“ ist sogar gut. Die alternative Version von „How“ ist angriffslustig. Kann man machen. Die Single B-Seiten sind eben genau das. Nice To Have, aber natürlich sind „Liar“, „Reason“ oder der Radical Mix von „How“ oder der Movie Remix von „Pretty“ nichts für das eigentliche Album. Nett eben. Schön, dass man die Debüt EP mit den Songs „Uncertain“, „Nothing Left At All“, „Pathetic Senses“ und „Them“ hier auf mit drauf gepackt hat. Interessant ist „Dreams“ in einer ungemischten Variante. Die Early Demos lassen einen als Zuhörer ein kleines Stückchen am Entstehungsprozess teilhaben. Selbiges gilt auch für „Linger“. Es ist zwar schon alles da und angelegt, aber eben noch ein Demo. Der Pop Mix von „Dreams“ ist allerdings furchtbar. Weitere Songs der Early Demos sind „Chrome Paint“, „Fast One“ oder „Shine Down“.

 

Fazit: „Everybody Else Is Doing It, So Why Can´t We?“ ist ein tolles Album. Gehört das in jede Sammlung? Das kann man nicht so leicht beantworten. Dafür ist das auch zu speziell, zu getragen, zu ruhig. Es sind aber schöne Kleinode, die den Test der Zeit erstaunlich gut bestanden haben. Auf dem Album gibt es nicht einen schlechten Song! Die 25th Anniversary Edition hat nun noch sehr viel weiteres Material zu bieten – von den Demos über Outtakes bis zu den Single B-Seiten. So hat man noch mal einen tollen Einblick in diese Phase der Cranberries!

 

http://www.cranberries.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

The Cranberries: Something Else

The Cranberries: Something Else

BMG

VÖ: 28.04.2017

 

Wertung: 8,5/12

 

Es gibt nicht viele irische Bands, die in den USA zum Millonenseller avancierten. U2 fallen einem da natürlich ein. The Cranberries gelang in den 90ern aber auch dieses Kunststück. Dieser wohlige Indiefolkpop mit Mainstreamambitionen traf den Nerv der Zuhörer – und zwar weltweit. Dolores Mary Eileen O’Riordan wurde gar vor den Karren einer ganzen Frauenbewegung gespannt. Zumindest die ersten vier Alben konnten sich in den obersten Regionen der Charts platzieren. Die Singles „Dreams“, „Linger“ und - in unseren Breitengraden besonders - „Zombie“ liefen rauf und runter. In den 00er Jahren wurde es merklich ruhiger um die Band. Die zwischenzeitliche Auflösung war das Ende vom Lied. Mittlerweile ist die Band wieder aktiv, das letzte Album „Roses“ von 2012 war aber nur leidlich spannend. Jetzt wärmt die Band noch mal die großen Klassiker auf. In neuen Schläuchen.

 

Da man das 25-jährige Bandjubiläum 2014 irgendwie verschlafen hat, muss „Something Else“ nun als verspätete Geburtstagsfeier betrachtet werden. Als Idee schwirrte ein Akustikalbum mit Orchesterbegleitung in den Köpfen von The Cranberries herum. Das ist im Grunde auch naheliegend, denn die Songs des Backkatalogs drängen sich für ein solches Projekt ja förmlich auf. Die Band schlug schließlich für zwei Wochen in der Universität von Limerick auf. Dies ist übrigens das Zuhause des Irish Chamber Orchestra. Es wurden extra kleine Kabinen errichtet um für die Instrumente eine gewisse Live-Atmosphäre zu schaffen.

 

Damit nicht nur die größten Momente der ersten vier Alben auf „Something Else“ enthalten sind, gibt es auch noch drei neue Songs. „The Glory“ passt natürlich in die Atmosphäre rein, ist aber auch etwas brav und unspektakulär. „Rupture“ drückt etwas zu sehr auf die Tränendrüse. Die Single „Why“, die Dolores kurz nach dem Tod ihres Vaters schrieb, ist der nachhaltigste und berührendste Song der drei neuen Tracks.

 

Wie es bei einem solchen Projekt meistens der Fall ist, sind die anderen Songs in diesem akustischen Gewand mit Orchesteruntermalung mal herausragend oder gewöhnungsbedürftig. Der größte Teil macht aber unheimlich Spaß. Man erinnert sich eben auch sehr gerne an die Songs, mit denen der eine oder andere Hörer vermutlich eine ganze Menge verbinden wird. „Linger“ ist überragend. Na klar, die Nummer passt natürlich auch genau in diese Instrumentierung, trotzdem ist die Umsetzung hervorragend. Der Gesang der guten Dolores klingt zudem so frisch – und ja – jugendlich wie schon lange nicht mehr. „Dreams“, der andere Überhit der Frühphase, geht dafür einigermaßen in die Hose. Instrumentierung und Gesang sind völlig windschief. Nicht schön, auch wenn das Original selbstverständlich noch zu erkennen ist. „When You´re Gone“ ist dafür so gut wie eh und je. Das ursprünglich elektrische „Zombie“ gewinnt in diesem Gewand eine ganz neue Dringlichkeit und so kann man sich das ausgelutschte Ding glatt wieder anhören.

 

„Ridiculous Thoughts“ kommt treibend genau auf den Punkt, während „Ode To My Family“ glücklicherweise nicht komplett von der Orchesterbegleitung vereinnahmt wird. Das wäre mitunter ja auch zu befürchten gewesen. So bleibt das doch recht nahe am Original. „Free To Decide“ und „Just My Imagination“ wissen zu gefallen. „Animal Instinct“ und besonders „You & Me“ drücken noch mal auf die Tränendrüse. Das gehört eben bei The Cranberries auch zur Grundausstattung. Das ist auch gut so!

 

Fazit: „Something Else“ mag – bis auf die drei bisher unveröffentlichten Songs – zwar nur auf bekanntes Material zurückgreifen, aber das macht überhaupt nichts. Die akustische Instrumentierung mit Orchesterbegleitung überzeugt. Zudem führt einem dieses Album mal wieder eindrucksvoll vor Augen, dass The Cranberries überragende Songs im Backkatalog haben. Das Album macht über weite Strecken einfach Spaß. Punkt.

 

http://www.cranberries.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

The Cranberries: Roses

The Cranberries: Roses
Universal
VÖ: 24.02.2012

 

Wertung: 6,5/12

 

Wer hätte noch mit einem neuen Album von The Cranberries gerechnet? Die letzte Scheibe hat doch schon einigen Staub angesetzt. Früher oder später scheint aber tatsächlich jede Band eine Reunion zu starten. Als Einzelgänger ist es nicht nur irgendwie langweilig, sondern auch der Erfolg bleibt aus. Selbst für die Stimme und das Gesicht der Gruppe – Dolores O´Riordan – war die Solokarriere kein Selbstläufer und verlief bis dato eher mittelprächtig. Es ist also kein Wunder, dass sie davon spricht, dass es sich jetzt so anfühlt, als hätten The Cranberries nie aufgehört gemeinsam zu musizieren.

Nun liegt also „Roses“ vor und es bleibt abzuwarten ob damit noch mal an die ganz großen Erfolge angeknüpft werden kann. Die Band konnte bisher nämlich über 30 Millionen Alben an die Frau und den Mann bringen. Besonders das Debüt und der Nachfolger waren und sind immens erfolgreich. Das wissen natürlich auch The Cranberries und so schließen sie mit den neuen Songs nahtlos daran an. Man fühlt sich glatt wieder in die Jahre 93 und 94 zurückversetzt. Reicht das? Die Welt der Musik hat sich immerhin ein ganzes Stück weitergedreht. Da aber sowieso gerade die 90er wieder durch den Fleischwolf gedreht werden, könnte die Geschichte für „Roses“ doch noch eine gute Wendung nehmen.

Auch, wenn sich das alles anhört wie damals, ist der Band doch etwas ganz Entscheidendes abhanden gekommen. Das Gespür für Hits fehlt. Wer ein „Linger“, „Dreams“, „No Need To Argue“ oder das überspielte „Zombie“ sucht wird enttäuscht werden. Selbst an „Salvation“ reicht nichts von „Roses“ heran. Mit bösem Zungenschlag könnte man das Album unter langweilig verbuchen. Es stellt sich gar die Frage, ob man diese netten und unspektakulären Songs nicht sogar darunter verbuchen muss? Ganz so einfach ist es aber dann doch nicht, denn musikalisch macht die Band ja immer noch das, was sie einst auszeichnete. Hin und wieder blitzt gar die alte Klasse der Kompositionen auf. Leider bleiben sie aber immer auf der Hälfte stehen und machen einen Rückzieher. Es mangelt eben an echten Höhepunkten.

Die Stimme und die Art des Gesanges der guten Dolores war ja schon immer gewöhnungsbedürftig, wenn sie aber derart gezwungen leiert und presst wie in „Conduct“ nervt es. Das schöne „Tomorrow“ ist das genaue Gegenteil. Der Song gefällt mit einer verspielten Leichtigkeit. Müsste man den Song bildlich beschreiben, dann würde man wohl von einer Frühlingswiese sprechen. Der Morgentau schimmert in der aufgehenden Sonne in einer bunten Farbpalette und es riecht schon ganz dezent nach Sommer. „Fire & Soul“ kann das noch einigermaßen weiter tragen, aber spätestens mit „Raining In My Heart“ wird es wieder langatmig. Es fehlt einfach an einer Melodie, einer Idee, die das Stück nachhaltig bereichert. Man freut sich ja schon, wenn das Tempo bei „Losing My Mind“ variiert wird und zumindest der Refrain mal etwas mehr Dampf auf dem Kessel hat. Mit „Show Me“ haben sie sogar noch mal einen Song mit Hitqualitäten im Gepäck. Geht doch! Danach reitet die Platte so ganz langsam und gemächlich dem Ende entgegen. Ist ein bisschen wie bei den Heftenden von Lucky Luke: beim ersten Mal ist man noch interessiert, aber da es sich sowieso immer wiederholt, hat man spätestens beim dritten Mal schon die Klappe zugemacht.

Fazit: „Roses“ erfüllt sicher die Erwartungen der noch immer zahlreichen The Cranberries Fans. Trotzdem klingt die Platte doch arg nach aufgewärmter Soße und die schmeckt bekanntlich nur beim ersten Mal richtig gut. Nichtsdestotrotz knüpft die Band mit diesem Album an die Anfänge an, gleichwohl die Songs hier allesamt nie an die wirklich großen Dinger der Bandgeschichte heranreichen. Für Fans ist das sicher ein Fest, neue dürften mit diesem Album aber nicht hinzukommen.

http://www.cranberries.com/

Text: Torsten Schlimbach

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