Rory Gallagher: All Around Man: Live In London
Universal
VÖ: 07.07.2023
Wertung: 10/12
Tipp!
Rory Gallagher hielt sich gerne zurück und im Hintergrund. Dem Iren wird nachgesagt, dass er ein sehr schüchternes Kerlchen war. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel, denn auf der Bühne blühte er auf. Live war der Mann eine Urgewalt. Zu Lebzeiten hat er zwar nicht die ganz großen Massen gezogen, aber sein Einfluss auf die Gitarrenwelt war und ist immer noch immens. Es gibt kaum einen Gitarristen, der nicht Gallagher als Inspiration und Einfluss nennt. Jetzt kann man sich von seinen Live-Qualitäten anhand der neuen Veröffentlichung „All Around Man: Live In London“ noch mal überzeugen lassen.
Während es von seinen Auftritten aus den 70ern genug Live-Material gibt, ist die Spätphase seiner Karriere eher schlecht dokumentiert. Das nun veröffentlichte Live-Album schließt diese Lücke ein bisschen und setzt sich aus zwei Konzerten vom Dezember 1990 zusammen, die im Londoner Town & Country Club stattfanden. Man hört natürlich anhand der Songs, immerhin wurde hier sein damals aktuelles Album „Fresh Evidence" betourt, dass es sich um Live-Aufnahmen aus seiner Spätphase handelt, anhand der Spielfreude kann man das nämlich nicht ausmachen, denn die steht in nichts, aber auch gar nichts jenen Konzerten der 70er nach. Gallagher war nicht nur mit einem großen Talent gesegnet, er hat auch stets sein ganzes Herz in sein Spiel und die Songs gelegt. Der Mann hat die Musik einfach geliebt und das hört man!
Das große Zauberwort ist Leidenschaft. Mit jedem gespielten Ton hört man Gallagher und seinen Musikern selbige an. Man lausche nur mal der Akustiknummer „Ride On Red, Ride On“ und staune. Slide und Mundharmonika sind ein Gedicht. Gallagher spielt sowieso nicht einen Ton zu viel. Jedes Solo ist fein austariert und die pure Freude. Der Auftakt mit „Continetal Op“ stimmt die Zuschauer vor Ort auf das ein, was da kommen soll. Und das ist eine ganze Menge. Rock und Blues mit ganz viel Seele. Das straighte „Shadow Play“ ist da nur ein Beispiel von vielen. „I Wonder Who“ verbeugt sich vor Muddy Waters – er hätte es geliebt. Co-Star des Live-Sets ist übrigens immer wieder die Mundharmonika. „Ghost Blues“ ist einer der Höhepunkte der Veröffentlichung. Das macht schon Laune, wie sich die gesamte Mannschaft durch den Song pflügt. „Messin´ With The Kid“ klingt nach vertonter Party und „All Around Man“ beendet das Set mit einem lauten Knall.
Fazit: Musik mit Herz und Seele gibt es bei Rory Gallagher zu hören. Wer sich dem Mann und seinem Schaffen nähern möchte, sollte das über den Live-Weg tun, denn erst auf der Bühne konnte er seine ganze Leidenschaft entfalten. „All Around Man: Live In London“ ist ein sehr gutes Live-Album seiner Spätphase und sollte in keiner Sammlung fehlen!
Text: Torsten Schlimbach
Rory Gallagher: Deuce – 50th Anniversary Edition
Universal
VÖ: 30.09.2022
Wertung: 10/12
Tipp!
„Deuce“, das zweite Album von Rory Gallagher, wurde 1971 veröffentlicht und feierte letztes Jahr seinen 50. Geburtstag. Jetzt werden auch die Jubiläumseditions dazu in die Läden gestellt. Es gibt für jeden Fan und Geldbeutel sicher die richtige Konfiguration. Von der Deluxe Box bis zur digitalen Version ist alles dabei. Selbstverständlich wurde das Material auch noch mal überarbeitet! Der neue Mix basiert natürlich auf dem Originalalbum. Unveröffentlichte Songs, alternative Tracks oder BBC Radio-Aufnahmen vervollständigen nun das ursprüngliche Werk.
Rory Gallagher war bekanntlich nicht ganz mit seinem Debüt zufrieden. „Deuce“ erschien schon sechs Monate später. Gallagher war ein hoch angesehener Live-Musiker und entsprechend versuchte er auch genau dies auf Platte zu bannen. Eine Produktion fand praktisch nicht statt. Mit dem Tangerine Studio entschied er sich zudem für eine relativ kleine Klitsche. Gerry McAvoy spielte Bass, während Wilgar Campbell hinter dem Schlagzeug saß. Robin Sylvester nahm die Songs auf, Gallagher produzierte selber.
„Don't Know Where I'm Going“ und „Out of My Mind“ sind die heimlichen Höhepunkte. Es wird ja gemeinhin gerne übersehen, dass Rory Gallagher ein absolut fantastischer Gitarrist auf der Akustikgitarre war. Was der Mann bei diesen beiden Stücken spielt und anbietet ist höchst bemerkenswert. Die Mundharmonika ist da das Zückerchen obendrauf. Der Auftakt mit dem Bluesrock von „Used To Be“ ist ebenfalls sehr gelungen. „In Your Town“ entwickelte sich schnell zu einem Live-Favoriten. „Whole Lot Of People“ kommt überraschend groovig daher. Das ist ein Boogie im Gallagher-Style.
„There´s A Light“ erinnert ein bisschen an Santana und das keltische „I´m Not Awake Yet“ weiß ebenfalls zu gefallen. Gallagher zeigt auf diesem Album viele Facetten und spielt variantenreich und virtuos auf. Auf einer zweiten CD sind Auszüge aus der großen Box enthalten. Hier gibt es jede Menge alternative Takes zu hören. Es macht Spaß sich von „Used To Be“ oder „Whole Lot Of People“ bis hin zum tollen Take von „Out Of Time“ durchzuwühlen. Wer nicht vollends zu den Hardcore-Fans zählt und nicht alles im Schrein stehen haben muss, wird mit diesem schönen Limited Edition 2 CD-Set bestens bedient werden, denn wenn man sich durch zu viele Takes von einem Stück hören muss, ist das mitunter auch ermüdend und die Unterschiede sind dann sowieso nur marginal.
Fazit: „Deuce“ von Rory Gallagher ist ein tolles Zweitlingswerk. Die Songs auf der Akustikgitarre sind bemerkenswert und der Rest sehr vielfältig, direkt und virtuos gespielt. Toll, dass dieses Album auch nur minimal produziert wurde, denn so sind die Tracks sehr erdig und transportieren auch sehr gut, was den Livekünstler Rory Gallagher stets auszeichnete. Eine zweite CD gewährt einen Einblick in den Entstehungsprozess. Alles in allem eine schöne und sehr gelungene Veröffentlichung!
https://www.rorygallagher.com/
Text: Torsten Schlimbach
Rory Gallagher: dito
Universal
VÖ: 03.09.2021
Wertung: 10/12
Tipp!
Rory Gallagher hat unzählige Gitarristen und Musiker beeinflusst. Es ist mittlerweile unglaubliche 50 Jahre her, dass der Mann sein Debüt veröffentlicht hat. Das muss natürlich gefeiert werden, schon alleine, damit der Musiker nicht in Vergessenheit gerät. Dazu werden nun wieder verschiedene Konfigurationen angeboten, die einem das Album mit jeder Menge Bonusmaterial präsentieren. Das Deluxe Boxset dürfte kaum noch Fanwünsche offenlassen. 4CDs und 1DVD haben jede Menge Material zu bieten. 40 unveröffentlichte Outtakes, alternative Versionen, ein BBC Radio John Peel Sonntagskonzert mit sechs Tracks, sowie sein allererstes(!) Solokonzert, welches in Paris für die TV-Show „Pop Deux“ aufgezeichnet wurde, sind schon ein Hammerbrett. Es gibt aber auch die abgespeckte Version auf 2CDs oder 3LPs. Die John Peel-Sause kann man auch noch extra auf farbigem Vinyl erwerben. Die abgespeckte, kleine Version ist aber auch schon toll!
Das Digipack der 2CD-Variante ist klasse! Das Covermotiv kommt auch hier voll und ganz zur Geltung. Übrigens ein sensationell gutes Cover! Es mag schlicht anmuten, aber aufgrund der Lichtverhältnisse, des Porträts von Gallagher und dem glänzenden Schwarz, verfehlt das nicht seine intensive Wirkung. Das Booklet hat Fotos und umfassende Liner Notes am Start. So kann auch schon die kleine Ausgabe der neuerlichen Auflage des Debüts ganz fett punkten.
Rory Gallagher wird in erster Linie ja immer aufgrund seiner Künste an und auf der Gitarre gewürdigt. Wenn man sich aber sein Debüt anhört, dann ist da wesentlich mehr. Der Mann spielt hier nicht nur die sechs Saiten, sondern auch Mandoline, Alt-Saxophon und Mundharmonika. Sein intuitiver Gesang wird sowieso viel zu wenig gewürdigt. Gerry McAvoy spielt Bass und Wilgar Campbell Schlagzeug. Bei zwei Songs spielt zudem Vincent Crane Klavier.
Der Stil von Gallagher war unglaublich. Der Mann war sehr breit aufgestellt und scheute keine Grenzen. Trotzdem klang er dabei nie beliebig. Der Auftakt „Landromat“ mutet dabei wie eine Mischung aus Rock und gut abgehangenem Blues an. „Just The Smile“ bringt orientalisches Flair mit und ist ganz weit von der Rockmusik entfernt. „I Fall Apart“ stellt die sechs Saiten im klassischen Sinne wieder mehr in den Vordergrund und da darf dann auch mal ein Solo sein – allerdings völlig anders als es jene Gitarristen machen, für die das eine Sport ist. „Wave Myself Goodbye“ ist eine entspannte Bluesnummer, die Keith Richards ganz sicher schon öfters gehört haben dürfte. „Hands Up“ rockt, während „Sinner Boy“ ein sensationelles Spiel auf verschiedenen Gitarren zu bieten hat. Groß! Besonders die Slide Guitar! „For The Last Time“ ist ein einziges Solo. Die Instrumentalnummer hat aber auch ein tolles Bass- und Schlagzeugspiel als Unterbau am Start. „It´s You“ hat sogar ein bisschen Country-Flair verarbeitet. „I´m Not Surprised“ ist eine Mischung aus Folk und Western/Saloon-Revue. Hier zeigt sich auch, dass Gallagher ein ausdrucksstarker Sänger war. „Can´t Belive It´s True“ beendet das eigentliche Album mit einem melancholischen Grundton.
Auf einer zweiten CD gibt es dann das großartige „Gypsy Woman“ zu hören. Bluesgetränkt bahnt sich das Stück seinen Weg in die Ohren, aber auch die Herzen. „It Takes Time“ und „I Fall Apart“ aus den Tangerine Studios in London entfalten regelrechte Live-Qualitäten. Es gibt hier zudem alternative Takes zu entdecken oder den „Advision Jam“, welcher ein bisschen nach Jimi Hendrix klingt. Toll sind auch die vier Live-Aufnahmen von der BBC Sendung „Sound Off The Seventies“. Unter dem Strich ist das wirklich prima Bonusmaterial.
Fazit: Das Debüt von Rory Gallagher hat nun schon unglaubliche 5 Dekaden auf dem Buckel. Die Feierlichkeiten werden nun mit mehreren Veröffentlichungen begleitet. Die 2CD-Version hat schon einiges zu bieten und kann durchaus empfohlen werden. Wer noch tiefer eintauchen möchte, greift zur 5 Disc starken Box. Das Album selber ist über jeden Zweifel erhaben und von einer Vielfalt geprägt, dass einem auf eine positive Art schwindelig wird. Der Sound ist zudem erstklassig! Eine würdige Veröffentlichung für dieses tolle Debüt!
Text: Torsten Schlimbach
Rory Gallagher: The Best Of
Universal
VÖ: 09.10.2020
Wertung: 10/12
Tipp!
In der ersten Jahreshälfte wurde von Rory Gallagher das sensationelle „Check Shirt Wizard – Live in ´77“ veröffentlicht. Diese Live-Songs machten das Genie von Gallagher hörbar. Für Musikkenner und Fans war das sicherlich eine ganz feine Veröffentlichung. Leider schwebt der Mann aber immer etwas unter dem Radar hindurch, wenn die Rede von den besten Gitarristen ist. Es scheint so, als hätten viele den Iren gar nicht erst auf dem Zettel. Dies ist insofern verblüffend, da sich auf den Mann so ziemlich alle namhaften Gitarristen einigen konnten und immer noch können. Von Hendrix über Clapton bis zu Slash, Johnny Marr und The Edge von U2 versammelt diese Liste seine Bewunderer sämtlicher Genres. Eine „Best Of“ von Gallagher macht somit durchaus Sinn, denn dann können ihn die Leute noch mal ganz neu entdecken und müssen sich nicht direkt den kompletten Backkatalog zulegen.
Im Digipack macht das Set auch optisch etwas her. Das Booklet kann mit vielen Fotos aufwarten und hält die notwendigen Informationen zu den Songs für den interessierten Hörer auch zum Lesen bereit. Umfangreiche Liner Notes gibt es, die aus der Feder von Tim Peacock stammen, ebenfalls. Die „Best Of“ reiht sich somit wunderbar in die letzten Veröffentlichungen von Gallagher ein.
Musikalisch kann man sich hier in dreißig Tracks verlieben. Die Stielvielfalt ist immens groß. Es gibt ja kaum ein musikalisches Feld, welches von Rory Gallagher nicht beackert wurde. Der Sound des Sets ist übrigens sensationell. Los geht der Songreigen mit „What´s Going On“ von Taste. Das ist amtlicher Rock, der auch mit „Shadow Play“ von 1978 auf den Hörer losgelassen wird. Die Anordnung der Songs ist übrigens nicht chronologisch, sondern nach der Stilistik. Mit „Follow Me“ folgt nämlich ein weiterer Rocksong. Mit „Tattoo´d Lady“ aus dem Jahre 73 zeigt der Mann, wie man ein feinfühliges Solo spielt. Gallagher war übrigens auch ein beachtlicher Sänger. Er ließ auch seinen Mitmusikern immer genug Raum zur Entfaltung. Das Piano klingt bei dieser Nummer schwer nach Western-Saloon. „All Around Man“ von 1975 ist dann eine Blues-Nummer mit eingebauter Gänsehautgarantie. Lässig, wie das Schlagzeug scheppert und der Bass pumpt. Etwas zärtlicher geht es bei „I Fall Apart“ zu. Das Spiel von Gallagher ist voller Gefühl, im richtigen Augenblick aber auch immer mit ordentlich Dreck angereichert. „Daughter Of The Everglades“ klingt ein bisschen wie Cream, bevor es mit „Calling Card“ zurück in die Sümpfe und zum Blues geht. „I´m Not Awake Yet“ ist auf der Akustikgitarre einfach brillant gespielt. „Just The Smile“ von 71 bleibt diesem Weg treu, ist aber gleichzeitig auch psychedelisch angehaucht. „Out Of My Mind“ - ebenfalls von 71 – ist abermals auf der Akustikgitarre brillant gespielt.
Das Gefühl bei der Ballade „Edged In Blue“ geht den meisten Gitarristen ab. Hier sollte mal Joe Bonamassa genau hinhören. „Philby“ von 79 ist wieder im Rockfach zu finden. Die Nummer hätte eigentlich ein gottverdammter Hit sein müssen! „It´s Happend Before, It´ll Happen Again“ ist gar progressiv. „Crest Of A Wave“ ist ein toller und perfekter Abschluss für die erste CD! War eigentlich „Bad Penny“ ein großer Hit und wenn nein, warum nicht? Übrigens ist das Stück auch gesanglich ziemlich auf den Punkt hingenagelt. „Walk On Hot Coals“ hat ein Gitarrenthema, welches von vielen nachfolgenden Gitarristen adaptiert wurde. „Blister On The Moon“ aus dem Jahre 69 ist nahe am Hardrock zu finden. Darauf folgt mit „Loanshark Blues“ eine Nummer von 87. Auch dieses Gitarrenthema wurde von vielen Bands aufgenommen. „Space Lord“ von Monster Magnet hat - bewusst oder unbewusst - Kleinigkeiten daraus übernommen. „Bought & Sold“ bringt den Blues zurück, bevor „A Million Miles Away“ noch ein bisschen Jazz und Psychedelica dazu holt. „Wheels Within Wheels“ ist eine wunderschöne Ballade aus der „Notes From San Francisco“ LP von 2010. „Seven Days“ von 87 fügt sich wunderbar ein, bevor es mit „Ghost Blues“ in die 90er geht. „Cruise On Out“ ist gesanglich ziemlich kratzig und musikalisch wie ein schneller Ritt. „(I Can´t Get No ) Satisfaction“ ist ein Outtake aus 1973. Die Coverversion hat Gallagher zusammen mit Jerry Lee Lewis eingespielt. Dies ist ein echter Schatz aus den Gallagher-Archiven und dürfte Fans in Verzückung versetzen.
„They Don´t Make Them Like You Anymore“ vereint gleich ganz viele Gitarrenstile aus ganz vielen Ländern. „Moonchild“ geht auch als Blaupause für vieles, was da in den 80ern als Heavy Metal(-Solo) kommen sollte, durch. „Jinxed“ von 82 wäre eigentlich ziemlich ereignislos, wenn da nicht diese sensationelle Gitarrenarbeit wäre. Das Set endet wie es angefangen hat: mit einem Track von Taste. „Catfish“ aus dem Jahre 69 zieht sich dabei über epische acht Minuten.
Fazit: Rory Gallagher war schlicht und ergreifend ein Genie. Der Mann hat sein Gitarrenspiel aber nie als Sport begriffen, sondern stets mit sehr viel Herz und auf eine ganz feinfühlige Art und Weise gespielt. Er war einer der besten seiner Zunft und hat ganze Generationen beeinflusst. Als Songschreiber und Sänger wird er zudem sträflich unterschätzt. Das „Best Of“-Set kommt da nun genau richtig um einen Überblick über diese einzigartige Karriere zu verschaffen, denn der Mann war keinesfalls nur auf ein Genre festgelegt. Jeder, der sich ernsthaft für Musik interessiert, sollte zumindest dieses Set in der Sammlung haben!
Test: Torsten Schlimbach
Rory Gallagher: Check Shirt Wizard – Live In ´77
Universal
VÖ: 06.03.2020
Wertung: 12/12
Tipp!
Es gibt Musiker, die haben Studioalben immer als notwendiges Übel angesehen, um ihre Songs unter die Leute zu bringen. Rory Gallagher muss einer von dieser Sorte gewesen sein. Der Mann, der 1995 viel zu früh mit 47 Jahren verstarb, blühte hörbar auf den Brettern, die die Welt bedeuteten, auf und hob seine Musik live noch mal auf ein gänzlich anderes Level. Selbst aus der Konserve ist spür- und hörbar, dass der Mann sich erst auf seinen Konzerten so richtig wohlfühlte. Jetzt kann man das anhand der neuen Veröffentlichung „Check Shirt Wizard – Live In ´77“ überprüfen. Die 20 bisher unveröffentlichten Songs sind aus vier Konzerten in London, Brighton, Sheffield und Newcastle zusammengestellt worden.
Die Eröffnung macht hier „Do You Read Me“ aus Brighton aus dem Januar 1977. Man kann erahnen, welche Bedeutung der Mann schon damals hatte. Die Leute holen ihren Helden mit lauten „Rory, Rory-Rufen“ auf die Bühne. Er lässt sich nicht lumpen und gibt Vollgas. Der brillante Klang und die famos aufspielende Band sorgen dafür, dass man Bauklötze staunt. Ja, der Mann hatte eine ganz besondere Gabe und konnte mittels der sechs Saiten mit seinem Publikum kommunizieren. Das klingt zudem, wie bei „Moonchild“ – übrigens ebenfalls aus Brighton – alles so spielerisch leicht.
„Calling Card“ aus dem Hammersmith Odeon ist ein Irrsinnsritt auf den sechs Saiten. Zunächst lockt einen der gute Rory auf die falsche Fährte und man wähnt sich im entspannten Bluesland – und dann bricht doch noch die Hölle los. Er spielt sich in einen irrsinnigen Rausch. „Secret Agent“ aus Sheffield legt noch ein paar Briketts drauf. Ist das noch Blues? Ist das Hard Rock? Heavy? Egal, es ist Rory Gallagher in all seiner Pracht. Auch der Gesang kann sich hören lassen.
Mitgeschnitten wurde das alles übrigens vom Jethro Tull Maison Rouge-Mobilstudio. Das Ergebnis ist wirklich beeindruckend. „Tattoo´d Lady“ bringt schließlich auch noch die Lässigkeit mit, die oftmals den verbissenen Gitarristen abgeht. Gallagher war aber auch nicht verbissen, er spielte ja fast schon intuitiv, wie man dem schwebende „A Million Miles Away“ anhören kann. „I Take What I Want“ rockt wie Sau und „Walk On Hot Coals“ ist eine Sternstunde auf den sechs Saiten.
„Out On The Western Plain“ klingt – genau – nach Saloon, staubigen Straßen und Cowboys. „Barley & Grape Rag“ ist der vertonte Spaß. Wenn die elektrische Gitarre die Ehefrau von Gallagher war, dann war die Akustikgitarre mindestens die Geliebte. „Pistol Slapper Blues“ lässt in dieser Hinsicht keine Fragen offen. „Too Much Alcohol“ ist eine nette Fingerübung, während „Going To My Hometown“ auch noch groovt. Die Menge feiert das hörbar ab. „Jack-Knife Beat“ zeigt, dass es von einem gefühlvollen Spiel bis zur gepflegten Härte nur ein kleiner Weg ist. Wenn die letzten Klänge von „Country Mile“ aus der Newcastle City Hall verklungen sind, weiß man, dass man da gerade einem der besten Live-Gitarristen überhaupt gelauscht hat.
Fazit: Wer auch nur im Ansatz handgemachte Live-Musik schätzt und dabei noch ein besonderes Faible für die Gitarre hat, sollte, nein muss, „Check Shirt Wizard – Live In ´77“ von Rory Gallagher unbedingt in seine Sammlung aufnehmen. Hier wird die ganze Vielfalt, von Blues bis Heavy, von zart bis hart, von elektrisch bis akustisch auf derart brillante Art und Weise gespielt, dass es wie das ultimative Live-Vermächtnis überhaupt wirkt. Essenziell!
Text: Torsten Schlimbach
Rory Gallagher: Blues (Deluxe Edition)
Universal
VÖ: 31.05.2019
Wertung: 10/12
Tipp!
Rory Gallagher ist einer der größten Gitarristen, den die Welt je gehört hat – und leider auch einer der am sträflich unterschätzten Gitarristen. Bei seinen Kollegen wurde und wird er über alle Maßen geschätzt und gelobt, die breite Öffentlichkeit hat seinen Namen aber nicht unbedingt auf dem Schirm. Die Musik von Gallagher ist, so scheint es jedenfalls, etwas für die Nerds, Liebhaber und Spezialisten. Dies könnte auch an der Tatsache liegen, dass er in erster Linie immer dem Blues verpflichtet war und sich bis zu seinem Tod in den 90ern nie um irgendwelche Trends gekümmert hat. Musikstile kamen und gingen, Rory Gallagher blieb stets dem Blues treu.
Nun werden von Gallagher ein paar ganz spezielle Schmankerl veröffentlicht. Das schlicht „Blues“ betitelte Werk hält nämlich jede Menge unveröffentlichtes Material bereit. Selbstverständlich hat das Label verschiedene Konfigurationen geschnürt. Das reicht von der Einzel-CD über eine limitierte blaue Doppel-Vinyl bis hin zur üppigen Deluxe Variante, die 3CDs und 36 Songs zu bieten hat. Selbige liegt hier auf dem Tisch zur Besprechung. Die Haptik und Optik ist schon mal erstklassig. Das Digipack hat auch inhaltlich sehr viel an Mehrwert zu bieten. Das Booklet ist sehr umfangreich ausgefallen. Die Liner Notes von Jas Obrecht sind sehr detailreich und so hat man als Leser noch mal die Möglichkeit, den Werdegang und die Liebe zum Blues von Gallagher nachzuvollziehen. Selbstverständlich gibt es auch ein paar Fotos und die wichtigsten Informationen zu den einzelnen Songs!
Die Anordnung der Songs ist übrigens nicht chronologisch erfolgt. Mit „Don't Start Me Talkin'“ aus der Jinx Album Session von 1982 startet die Sause mit einem allseits bekannten Rhythmus. Die Mundharmonika steht dabei fast gleichberechtigt neben der Gitarre. Gallagher entlockt den sechs Saiten mal wieder Töne, wie nur er es auf seine ureigene Art kann. „Nothin' But The Devil“ ist Blues der alten Schule. Langsam schleppt sich die Musik durch die Sümpfe. Die Aufnahme ist übrigens von 1975. „Off The Handle“ ist aus der BBC Radio 2 Paul Jones Blues Show aus dem Jahre 1986. Dieses großartige Stück ist allerdings nicht die einzige Aufnahme aus einer Radio Session. Beeindruckend ist auch immer wieder die Qualität der einzelnen Tracks was den Klang betrifft. „I Could've Had Religion“ haut einen schier aus den Schuhen. Abgesehen davon ist diese puristische Aufnahme so etwas wie die Essenz eines ganzen Genres! Mit „Drop Down Baby“ gibt es zudem einen tollen Lonnie Donnegan Song. Direkt danach folgt mit „I´m Ready“ der Altmeister Muddy Waters. Gallagher war sich seiner Wurzeln stets bewusst.
Das Talent des guten Rory wird anhand eines Songs wie „Who´s That Coming“ deutlich. Dieser alternative Acoustic Take unterstreicht eindrucksvoll, dass der Mann unfassbar talentiert war und die Musik intuitiv durch ihn durchgeflossen sein muss. Abgesehen davon ist das auch brillant gesungen! „Should've Learnt My Lesson“ geht in die Richtung, wie Eric Clapton den Blues auch spielen würde. „Bankers Blues“ ist der pure Spaß und mehr eine Fingerübung für den Saloon. Die zweite CD ist übrigens so etwas wie der Akustikteil des Sets. „Whole Lot Of People“ und „Walkin´ The Blues“ sind weitere Songs in diesem Gewand. Letztgenannte Nummer ist übrigens von 1987 und somit schon aus der Spätphase von Gallagher. Herausragend ist auch hier mal wieder das Mundharmonikaspiel.
Die dritte CD des Sets widmet sich den Live-Songs. Das schmissige „When My Baby She Left Me“ eröffnet den Reigen aus den verschiedenen Epochen in denen Gallagher live aufgetreten ist. „Comin´ Home Baby“ ist von 1989 und somit jüngeren Datums. „Born Under A Bad Sign“ ist aus dem Rockpalast von 91 und der jüngste Song. Wenn man eine Nummer für das Improvisationstalent von Gallagher aus dem Hut ziehen müsste, dann könnte man „All Around Man“ nehmen, denn hier arbeitet sich der Mann über elf Minuten an den sechs Saiten ab. „Tore Down“ kommt dagegen schnell und hart auf den Punkt. Gallagher war eben auch extrem breit aufgestellt – auch innerhalb eines Genres!
Fazit: Das schlicht „Blues“ betitelte Set von Rory Gallagher speist sich fast zu 90 % aus unveröffentlichtem Material. Hier wird die ganze Bandbreite des Blues abgedeckt. Die Songs unterstreichen, dass der Mann wahrlich ein Virtuose war. Zu empfehlen ist unbedingt die Deluxe Variante, da hier die ganze Spielwiese abgedeckt wird, nämlich von Studioaufnahmen über Akustiktakes bis hin zu den Livesongs. Das ist die Bluesvollbedienung eines Vollblutmusikers!
Text: Torsten Schlimbach
Rory Gallagher: Notes From San Francisco (Limited 2CD Deluxe Legacy Edition)
Sony
VÖ: 03.06.2011
Wertung: 9/12
Rory Gallagher darf man sicher zu den ganz großen Saitenattisten zählen. Er war bis zu seinem Tod 1995 ein wahrer Virtuose und wird von seinen Kollegen immer als einer der prägenden Einflüsse genannt. Seine Musik war stets geprägt vom Blues-Rock oder vom puren Blues in all seinen Farben und Schattierungen. Der Ire hatte allerdings einen ganz entscheidendes Talent, welches ihn letztlich von einer Vielzahl seiner Kollegen abhob: Improvisation! Nicht nur live war das immer wieder ein Ereignis, sondern auch auf einer Vielzahl seiner Studioalben. Nicht selten wehte durch seine Songs auch immer ein gewisser Jam-Charakter. Nicht umsonst wollten die Stones den Mann gerne in ihren Reihen haben, nachdem Mick Taylor ausgeschieden war. Gallagher hatte allerdings ganz andere Ambitionen.
Eine davon war „Notes From San Francisco“. Dieses Album wurde aber nie fertiggestellt. Gallagher war mit der Abmischung einfach nicht zufrieden und somit verschwanden die Songs für Jahrzehnte im Schrank. Nun erscheint das Werk also doch noch. Die heutige Technologie macht es möglich und natürlich haben seine Nachlassverwalter dem ganzen Projekt nun doch zugestimmt. Ein netter Nebeneffekt ist dabei natürlich auch, dass sie auch am Geldsegen partizipieren und somit bleibt natürlich auch ein fader Beigeschmack. Man kann zwar die berechtigte Frage stellen, ob Rory Gallagher „Notes From San Francisco“ nun so veröffentlicht hätte, aber letztlich ist es müßig darüber zu diskutieren. Fakt ist jedenfalls, dass sein Bruder und langjähriger Manager Dónal und dessen Sohn Daniel mit den Mitteln der heutigen Technik das Album nun fertiggestellt haben. Gehen wir einfach mal davon aus, dass sie das ganz im Sinne des Künstlers getan haben und nach seinen damaligen Vorstellungen gehandelt haben.
„Notes From San Francisco“ ist aber noch viel mehr als Musik. Der Gitarrist schickte auch regelmäßig seine Notizen per Postkarte nach Irland. Dem wird mit der Deluxe Edition ganz besonders gehuldigt. Wer sich dieses Album zulegen möchte, der sollte bitte gleich zu dieser limitierten Ausgabe greifen. Die Aufmachung als Digibook ist ein Traum. Das Cover kommt hier sowieso besser zur Geltung, aber auch der Rest rechtfertigt den Kauf der Deluxe Edition. Ebenso sind im Innenteil originalgetreue Faksimile der handschriftlichen Songtexte zu finden. Viele Fotos und weitere Gimmicks lassen das Fanherz sowieso höher schlagen. Als besonderes Schmankerl liegen noch vier Postkarten mit Rory Gallagher Briefmarken bei. Die Gestaltung ist schon mal zum Niederknien!
„Notes From San Francisco“ besteht aus zwei Teilen. Zunächst wäre da das Studio-Album und dann liegt auch noch eine Live-CD bei. Das eigentliche Album selber wurde aber anscheinend als zu kurz befunden und somit hat man noch drei Bonus Tracks hinzugefügt. Das Studio-Werk ist eine komische Angelegenheit. Zunächst lief das Teil in Dauerschleife, aber so richtig packen konnte es einen nicht. Ein paar Tage auf Seite gelegt und dann schlägt es teilweise wie ein Blitz ein.
Der fulminante Einstieg mit „Rue The Day“ knallt gleich ordentlich rein. Rory Gallagher klingt rotzig wie selten und das Honky Tonk Piano übernimmt überraschenderweise die Führung der Nummer. „Persuasion“ kommt ebenfalls recht schmissig rüber und Gallagher lässt sein Können an der Axt mehrfach aufblitzen. Das gilt auch für die versponnen Licks und Solos von „B Girl“. Der Rest der Nummer langweilt allerdings auch ein bisschen. Dies gilt ganz und garnicht für den Bluesstampfer „Mississippi Sheiks“. So hat man Gallagher kennen und lieben gelernt. Mit der Ballade „Wheels Within Wheels“ ist er nahe an Clapton-Gefilden dran. Mr. Slowhand hat auch unüberhörbaren Einfluss auf das Gitarrenspiel gehabt – oder umgekehrt, gibt da ja immer wieder unterschiedliche Meinungen. Als Bonus Track wurde auch noch eine alternative Version auf die Scheibe gepackt. Ist aber nicht sonderlich anders ausgefallen. Auch die Rolling Stones haben ihre Duftmarken bei „Brute Force & Ignorance“ hinterlassen. „Fuel To The Fire“ beendet die ursprüngliche Version fast traditionell. Austoben darf sich Gallagher dann bei „Cut A Dash“, bevor er sich bei „Out On The Tiles“ bei Hendrix bedient und verbeugt. Insgesamt klingt das Album sehr druckvoll und wenn man so will, dann ist das auch sehr gut abgemischt.
Die Live-CD zeigt dann das ganze Spektrum von Gallagher. Wie ein Derwisch pflügt er sich durch die Songs von „Follow Me“ über „I´m Leavin´“ bis hin zu „Sea Cruise“. Daneben wird auch immer wieder dem guten, alten Blues gehuldigt und wie bei „Bought And Sold“ ordentlich die Bühne nieder gestampft. Gallagher bezeichnete das als Rückkehr zu „Meat & Potatoes Rock & Roll“. Das kann man so stehen lassen. Die Live-CD ist insofern fast die eigentliche Sensation, denn hier wird sehr gut eingefangen, was Gallagher auch für eine Bühnenpräsenz hatte.
Fazit: Es wäre wirklich eine Schande gewesen, wenn „Notes From San Francisco“ nicht doch noch das offizielle Licht der Welt erblickt hätte. Hier gibt es die Rory Gallagher Vollbedienung. Man sollte gleich zur Limited Deluxe Legacy Edition greifen. Diese wundervolle Aufmachung und Gestaltung sollte man sich einfach nicht entgehen lassen. Die Live-CD ist ebenfalls sehr gelungen und zeigt, dass der Mann zwischen Blues und Rock & Roll zu den ganz Großen gehörte.
Text: Torsten Schlimbach