The Rifles: Freedom Run
Right Hook Records/EMI
VÖ: 16.09.2011
Wertung: 9,5/12
Man hatte fast schon nicht mehr mit einem neuen Lebenszeichen von The Rifles gerechnet. Was war eigentlich in den letzten zwei Jahren los? Wobei es genau genommen sogar noch ein paar Monate mehr seit dem guten Zweitlingswerk „Great Escape“ waren. Los war eine ganze Menge, denn von der Urbesetzung ist nicht mehr viel übrig geblieben. Die beiden Köpfe Luke Crowther und Joel Stoker haben ordentlich am Besetzungsrad gedreht. Es wurde sich gesammelt, neu gefunden und in die dritte Platte „Freedom Run“ die neu gewonnene Energie und Euphorie gesteckt.
Fans der ersten Stunde müssen ganz stark sein, denn die neuen dreizehn Songs dürften eine einzige Enttäuschung sein. The Rifles waren irgendwie dafür prädestiniert immer einen Schritt zu spät zu sein. Als britische Indierockhelden gingen sie zwar immer noch gerade so durch, aber letztlich war ihr Retro-Sound auch schon wieder viel zu spät dran. Man kann aber auch einen anderen Schuh draus machen und von zeitlosen Songs sprechen. Das gilt auch für „Freedom Run“. „Freedon Run“ ist übrigens das bisher beste Album der Band! Fans werden trotzdem vergrault werden, denn die Band ersetzt den Rock jetzt oftmals durch Pop.
Wenn eine Band sich sämtliche Patente an Hooks, Harmonien und Melodien eintragen lassen kann, dann sind es The Rifles. Ohne zu sehr auf den Putz zu hauen, muss man einfach mal feststellen, dass sich auf dieser Platte Hymne an Hymne reiht. Man fragt sich, wie die das derart leicht und lässig aus dem Ärmel schütteln können. Die Krux an der ganzen Kiste wird mal wieder sein, dass dies leider viel zu wenig Leute erreichen wird und die alten Fans diesen poppigen Weg nicht mitgehen werden. Sind The Rifles schon wieder zur falschen Zeit am falschen Ort? Mit der richtigen Platte? An diesem Album ist nämlich nichts falsch, und von „Dreamer“ bis „Cry Baby“ eine wirklich tolle Platte und das Ding ist alles andere als langweilig! Bitte Vorurteile über Bord werfen, es gibt auch gute Popsongs!
Hach, ist das herrlich, wie die Beatles Verbeugung „Eveline“ zum Schluss mit einer Dylan Harmonica veredelt wird. Übrigens hat die Band den Lärm jetzt auch nicht gänzlich über Bord geschmissen. „Love Is A Key“ ist astreiner Rock and Roll, das lärmt schon schön durch die Prärie. Man hat sich diesmal eben auch bei der Produktion mehr Mühe gegeben und somit kann man aus dem Krach noch die schönsten Melodien hören. Das Piano scheint zudem zu zerbersten und das Gitarrensolo pustet mal schön die Ohren frei. Die Percussion-Instrumente bitte nicht vergessen und die Ah-Chöre lassen sich auf Konzerten ganz prima aus den vielen Kehlen mit trällern.
Wer sich fragt, wie die Beatles und die Beach Boys geklungen hätten, wenn sie mal gemeinsam ein paar Songs aufgenommen hätten, wird vielleicht mit dem traumhaft schönen „Dreamer“ und „Long Walk Back“ zwei Anhaltspunkte finden. Wer solche Nummern an den Albumanfang setzt muss doch halbwegs bekloppt sein. The Rifles sind es aber nicht, denn das sind ja nicht mal die besten Songs hier. Mit „Falling“ gibt es nämlich weiter hinten den besten britischen Popsong des Jahres 2011. Eine traumhafte Hymne! „Nothing Matters“ ist so ein Grenzfall. Eigentlich wurde hier die Zuckerwatte etwas zu dick aufgetragen, aber letztlich kann man sich auch diesem Track kaum entziehen - so sehr becirct er die Gehörgänge. Dagegen wirken „Coming Home“ und „I Get Low“ fast etwas langweilig, dabei sind die Songs für sich alleine genommen alles andere als dies, aber unter dem Gesamteindruck fallen sie eben etwas ab. In die psychedelische Ecke wagen sie sich mit „Little Boy Blue (Human Needs)" vor und liefern damit auch gleichzeitig den längsten Track ab. Mit dem netten „Cry Baby“ kommen sie anschließend allerdings noch mal ganz gemächlich um die Ecke. Schade, da hätte es zum Schluss noch mal ein dickeres Ausrufezeichen geben können. Trotzdem ist auch diese Nummer wieder ein Ohrwurm.
Fazit: The Rifles haben sich neu formiert und liefern mit „Freedom Run“ ein poppiges Album voller Hits ab. Das werden nicht alle Anhänger gutheißen, man kann der Band aber nicht mangelnde Weiterentwicklung vorwerfen. Die Jungs hauen hier einen Ohrwurm nach dem anderen raus. Das geschieht alles nicht aus Berechnung, denn dafür ist es viel zu sehr geerdet. The Rifles wollten dieses Album genau so machen und keine Erwartungen erfüllen oder gar auf irgendwelche Erfolgschancen schielen. Vielleicht kriegen es diesmal sogar noch weniger Leute wie bisher mit, aber mit dieser Platte liefert die Band eines der besten Popalben von der Insel im Jahre 2011 ab!
Text: Torsten Schlimbach