R.E.M.: New Adventures In Hifi 25th Anniversary Edition

R.E.M.: New Adventures In Hifi 25th Anniversary Edition

Craft Recordings

VÖ: 29.10.2021

 

Wertung: 12/12

Tipp!

 

Das zehnte Album von R.E.M. war seinerzeit in jeglicher Hinsicht beachtlich. Eine ganze Menge an Material ist während der kräfteraubenden Tour zum „Monster“-Album entstanden. Bill Berry brach auf der Bühne zusammen. Ein Aneurysma zwang ihn erstmal zu einer Pause. Mike Mills wurde am Magen operiert und Michael Stipe musste sogar eine Notfall-OP über sich ergehen lassen. Sobald die Tour wieder fortgesetzt werden konnte, hatte die Band ein mobiles Studio dabei um an den Songs zu arbeiten, die letztlich in dem Meisterwerk „New Adventures In Hifi“ mündeten. Danach war Bill Berry nicht mehr dabei. Nun wird dieses Album als 25th Anniversary Edition in verschiedenen Konfigurationen neu aufgelegt.

 

Hier ist jeder Song ein Kleinod. Schon das verhuschte, stolpernde „How The West Was Won And Where It Got Us“ mit dem dissonanten Klavierpart in der Mitte, ist ein überragender Auftakt in dieses Album. Danach wird es ruppig. „The Wake-up Bomb“ lässt die Gitarren ordentlich jaulen und das Schlagzeug scheppern wie in der schönsten Indiegarage. „New Test Leper“ ist die ruhige Seite von R.E.M., welche gerne mit Akustikgitarren untermalt wird. „Undertow“ lässt gitarrentechnisch ebenfalls nichts anbrennen und lärmt wie wild. Der Backroundgesang von Mills gibt der Nummer die richtige Würze.

 

„E-Bow The Letter“ hat die ganz und gar großartige und wundervolle Patti Smith als Duettpartnerin dabei. Zum Niederknien. Die feine Box hat übrigens auch eine richtig, richtig schönes Poster mit den Herren von R.E.M. und Patti Smith zu bieten. Vier Postkarten von jeweils einem Bandmitglied, plus ein Booklet mit neuem Material, runden das sehr schön ab. Zurück zur Musik und da kommt es jetzt mit dem epischen wie sehr düsteren „Leave“ zu überragenden sieben Minuten im R.E.M.-Backkatalog. Gänsehaut! Immer noch! Mit „Departure“ sprechsingt sich Stipe durch dieses wütende, kleine Stück. „Bittersweet Me“ ist eine typische R.E.M.-Hymne, wie es sie im Grunde auf jedem ihrer Alben gibt.

 

Wie toll ist denn bitte „Be Mine“?! Immer noch. Nach all den Jahren. Es sind die kleinen, unscheinbaren Songs, die bei R.E.M. oftmals zu etwas ganz Großem werden. „Binky The Doormat“ ist sicher auch dazuzuzählen. „Zither“ ist ein kleines, instrumentales Zwischenspiel vor dem großen Finale, welches mit dem lässigen „So Fast, So Numb“ eingeleitet wird. „Low Desert“ rockt und bellt sich noch mal dem Ziel entgegen. „Electrolite“, diese holpernde Ballade, ist zum Schluss ganz und gar noch mal ein wunderschönes Musikstück!

 

Mit dem instrumentalen „Tricycle“ wird die zweite CD noch gemächlich eröffnet. Der Soundcheck von „Departure“ aus Rom weckt dann aber wieder alle aus ihrer Lethargie auf. „Wall Of Death“ ist ein nettes Akustikstück für den nächsten Country-Schuppen. Danach gibt es einen Reigen an Live-Songs zu hören. „Undertow“ sticht dabei heraus, aber auch das rockige „The Wake-up Bomb“ knallt ordentlich. „King Of Comedy“ gibt es in einem treibenden 808 State Remix auf die Ohren. „Be Mine (Mike On Bus Version)“ lässt einen ein bisschen am damaligen Arbeitsprozess teilhaben. „Love Is All Around“ wird in dieser Coverversion glatt zu einem waschechten R.E.M.-Stück. Mit „Sponge“ gibt es noch eine weitere, düstere Nummer (mit schräger Gitarre), bevor eine alternative Version von „Leave“ das Set verschwurbelt beendet.

 

Fazit: „New Adventures In Hifi“ ist eines der besten Alben von R.E.M.! Jetzt wird dieses Meisterwerk noch mal in wundervoller Haptik neu aufgelegt. Das Album ist zur Gänze immer noch eine Wucht und nicht nur gut gealtert, sondern auch noch sehr rockig – zumindest für R.E.M.-Verhältnisse. Die zweite CD enthält nette Zugaben, die man sicherlich auch noch öfters hören wird.

 

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Text: Torsten Schlimbach

R.E.M.: Monster 25th Anniversary Edition

R.E.M.: Monster 25th Anniversary Edition

Universal

VÖ: 01.11.2019

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Die 90er brachten jede Menge hervorragende Alben hervor, die mittlerweile längst Klassikerstatus innehaben. Es gibt allerdings auch Alben von den ganz großen Bands, die sträflich unterschätzt werden und ungeliebt blieben. „One Hot Minute“ der Red Hot Chili Peppers fällt in diese Kategorie, aber auch „Monster“ von R.E.M.! Beides sind großartige Platten, die vor 25 Jahren einfach völlig falsch eingeschätzt wurden. „Monster“ wird nun erneut veröffentlicht. Fans greifen natürlich zur großen Box mit 5 CDs und einer Blu-ray. Demoaufnahmen, Videos, ein Konzertmitschnitt und umfangreiche Liner Notes dürften kaum Wünsche offen lassen. Die Doppel-CD hat aber auch schon einiges zu bieten. In der bekannten Box, die auch schon andere Widerveröffentlichungen von R.E.M. begleiteten, gibt es das Album als Remaster und als neuen Remix von Scott Litt zu hören.

 

„Monster“ nimmt immer noch eine Ausnahmestellung im Backkatalog der Band aus Athens ein. Nach den Mandolinen, der Melancholie, der Traurigkeit und dem Erfolgsdruck, grollten sich R.E.M. zurück in ein Musikerleben, welches nun aus Rockmusik bestand. Nie zuvor und auch nicht mehr danach wurden die Gitarren so verzerrt und laut gespielt. Es mussten nun auch mal die einfachen Dinge herhalten. Scott Litt wollte während der letzten 25 Jahre trotzdem immer mal wieder Hand an die Songs anlegen – sofern ihn die Band lassen würde. Jetzt hat man Litt endlich gelassen.

 

Der Remix von „Monster“ ist nun teilweise schon ein ganzes Stück anders ausgefallen und man kann das Album nun noch mal neu entdecken. Es dröhnt weniger und offenbart an der einen oder anderen Stelle noch mehr Kante. Bei „What´s The Frequency, Kenneth“ ist man so noch näher dran. Das Bassspiel offenbart ganz neue Nuancen. An anderer Stelle meint man es mit einer ganz neuen Version zu tun zu haben. Das ist auch nicht ganz falsch, denn Litt hat mitunter eine völlig andere Gesangsspur genommen. „Crush With Eyeliner“ klingt dann zunächst auch recht ungewöhnlich. Der Gesang von Stipe ist zwischen sexy, monoton und überkandidelt angesiedelt. Ein paar neue Instrumentenspuren wurden ebenfalls aufgefahren. „King Of Comedy“ hört sich ebenfalls stark verändert an. Das macht tatsächlich richtig Spaß, sich dem Album aus einer neuen Perspektive zu nähern. Bei „Strange Currencies“ steht die Stimme von Stipe etwas mehr mittig im Mix, was dem Song durchaus gut zu Gesicht steht und erahnen lässt, wohin es mit dem nächsten Album gehen sollte. „Tongue“ ist – egal in welchem Mix – immer noch etwas ungewöhnlich. Der Background lässt so aber sogar Assoziationen zum Gospel zu. „Bang And Blame“ hat auf dem eigentlichen Album mehr Wucht. Dafür kommt die Gitarre von Buck bei „I Took Your Name“ noch mehr zum Lärmen. Auch hier wurde wohl eine andere Gesangsspur verwendet. Insgesamt ist dieses Remix-Album eine wirklich schöne Sache, da man „Monster“ noch mal gänzlich neu entdecken kann.

 

Das eigentliche Album wurde selbstverständlich remastert. Das Ergebnis kann sich hören lassen – und zwar ohne, dass das Original verfälscht wurde. Die Songs sind ja größtenteils längst in Vergessenheit geraten. Schade eigentlich, denn das ist mitunter ein richtig gutes Rockalbum. Es mag zwar an der einen oder anderen Stelle etwas dröhnen, wie beispielsweise bei „Crush With Eyeliner“, aber genau das wollte die Band ja auch. „King Of Comedy“ ist einfach ein unglaublich lässiger Track. Die Schwere, die sonst einem R.E.M.-Song anhaftet, ist da einfach mal nicht dabei. Die gibt es ja wieder mit „I Don´t Sleep“. Und wie befreiend die Band doch rocken konnte! Nicht? Bitte „Star 69“ anhören! „Strange Currencies“ müsste sowieso zu den großen Kleinoden der Band zählen. „Bang And Blame“ hätte eigentlich ein Hit werden müssen und „I Took Your Name“ war schon ein schönes alternatives Rockstück. Wenn es an diesem Album etwas zu bemängeln gibt, dann der leicht depressive Abgang mit „You“.

 

Fazit: „Monster“ von R.E.M. erscheint, wie auch schon die anderen Alben der Band aus Athens, in einer sehr schönen Jubiläumsedition. Fans greifen zur üppigen Box, aber auch die 2CD-Box ist haptisch eine wirklich gelungene Sache. Das Album selber liegt als Remaster- und Remix-Version bei. Letztgenannte Variante lässt einen das Werk noch mal gänzlich neu entdecken. „Monster“ ist eines dieser starken Alben aus den 90ern, die etwas in Vergessenheit geraten sind und zum Zeitpunkt des Erscheinens gänzlich unterbewertet waren.

 

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Text: Torsten Schlimbach

R.E.M.: The Best Of At The BBC

R.E.M.: The Best Of At The BBC

Craft Recordings/Universal

VÖ: 19.10.2018

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

R.E.M. pflegten zur BBC eine ganz besondere Beziehung. In den Archiven schlummerten bisher jede Menge großartiger Livemitschnitte, Sessions und Auftritte. Jetzt wird dies der Welt in einer opulenten Box mit 8(!) CDs und 1 DVD – oder in der abgespeckten Variante auf 2 CDs bzw. 2 LPs – zugänglich gemacht. Für Fans ist die Box natürlich ein absoluter Pflichtkauf. Die Doppel-CD oder –LP ist aber auch höchst interessant und selbst für Neueinsteiger geeignet, da sich hier wirklich sehr viel Material befindet, welches man in der Sammlung haben sollte – immerhin satte 34 Songs!

 

Das Set selber ist ein wunderbarer Streifzug durch die Karriere der Band aus Athens. Das fängt mit der ruhigen Akustikversion „World Leader Pretend“ an und hört mit dem druckvollen „Bad Day“ noch lange nicht auf. Das ist eine kleine Schatztruhe, die man da vorfindet. „Half A Word Away“ ist zum Niederknien schön und „What´s The Frequency, Kenneth“ rockt alles in Grund in Boden. Bei der Anordnung hat man darauf geachtet, dass dies in chronologischer Reihenfolge geschieht. Überschneidungen bei den Songs gibt es so natürlich auch. So kann man aber auch eine gewisse Entwicklung der Band nachollziehen. „Losing My Religion“ von 1991 ist dann doch anders als jene Version, die R.E.M. im Jahre 2004 spielte.

 

Selbiges gilt auch für „Man On The Moon“, obwohl zwischen den Aufnahmen nur ein Jahr liegt. Man kann auf diesem Set auch noch wunderbar nachvollziehen, warum R.E.M. wie gemacht für das Unplugged-Format waren und warum selbiges zu einer der Sternstunden zählte. Man kann sich über Stunden damit beschäftigen und immer wieder etwas Neues entdecken. Der Bass bei („Don´t Go Back To) Rockville“ ist beispielsweise ganz grandios abgemischt worden. Überhaupt ist der Sound ganz und gar famos. Jede feine musikalische Nuance lässt sich heraushören. Manches mag unscheinbar sein, aber wenn man genauer hinhört, dann tun sich da schöne Klangwelten auf. „E-Bow The Letter“ hat in dieser Hinsicht einiges zu bieten.

 

Selbst der wunderbare Gitarrenkrach von „Crush Withe Eyeliner“ geht nicht im Klanggewitter unter. Das macht schon Spaß. Und „Drive“ in dieser elektrischen Version ist einfach magisch. Die Erkenntnis ist zwar nicht neu, aber wenn man sich das hier alles noch mal in Gänze zu Gemüte führt, dann muss man festhalten, dass R.E.M. einfach eine tolle Liveband war, die ihre Songs auf der Bühne auf wunderbare Art und Weise weiterentwickelt hat.

 

Fazit: R.E.M. veröffentlichen die große BBC-Sause, die bisher in den Archiven verschwunden war. Das „Best Of“-Set bietet einen tollen Streifzug durch die verschiedenen Zusammenarbeiten, Auftritte oder Sessions. Von ganz leise bis laut reicht das Spektrum. Als Zuhörer kann man noch mal in den Facettenreichtum dieser wunderbaren Band eintauchen. Das Material und die Auswahl sind schlichtweg überragend. Der Sound ist ganz toll und man kann viele Feinheiten heraushören. Wunderbar, dass man sich dazu entschlossen hat dies nun auch den Fans und allen Interessierten zugänglich zu machen!

 

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Text: Torsten Schlimbach

R.E.M.: Automatic For The People 25th Anniversary Edition

R.E.M.: Automatic For The People 25th Anniversary Edition

Universal

VÖ: 10.11.2017

 

Wertung: 12/12

Tipp!

 

R.E.M. haben nie ein schlechtes Album herausgebracht. Nie. Mindestens gut bis sehr gut waren die Studioveröffentlichungen. Ja, auch das ungeliebte „Monster“ ist viel besser wie der Ruf, der dieser Platte vorauseilt. Natürlich musste die Wahrnehmung damals eine andere sein, denn ein Meilenstein im Backkatalog der vier Herren aus Athens war das Album davor - ein Meisterwerk und eines der besten Werke der 90er. Die Rede ist natürlich von „Automatic For The People“. Schon der Vorgänger „Out Of Time“ verkaufte sich unglaubliche 18 Millionen Mal. „Automatic For The People“ sollte das noch übertrumpfen. Was daran so beachtlich ist: R.E.M. waren trotzdem keine dieser typischen Mainstreambands und konnten sich immer ihren guten Ruf bewahren. Den reflexartigen Vorwurf des Ausverkaufs konnte man sich bei R.E.M. immer schenken. Warum das – auch mit den überaus erfolgreichen Alben – so war und ist, kann man nun anhand der 25th Anniversary Edition von „Automatic For The People“ überprüfen. Das Album hat auch nach den ganzen Jahren nichts an Faszination eingebüßt!

 

Mit „Automatic For The People“ war das Quartett auf den Zenit des eigenen Schaffens angekommen. Dies wird einem auch noch mal auf eindringliche Art und Weise auf der beiliegenden Live-CD vor Augen geführt. Hierbei handelt es sich um das einzige Konzert, welches die Band 1992 in Athens für eine Greenpeace-Kampagne gab. Es ist ein grandioses Live-Dokument einer Band, die in brillanter Verfassung war. Man höre sich bitte nur mal den energischen Opener „Drive“ an. Die Gitarre so schneidend, der Bass derart markant und der Beat der Drums schlichtweg simpel und genial zugleich. Der Gesang von Michael Stipe ist da auch endlich mal zu verstehen. So klingt eine Band, die vor Selbstbewusstsein nur so strotzt. Der Sound ist übrigens ganz vorzüglich. „Everybody Hurts“ ist in dieser Live-Version noch mal ein ganzes Stück eindringlicher und „Man On The Moon“ erweist sich in jeglicher Hinsicht als Großtat. „Losing My Religion“ – der Überhit des Vorgängers – holt auch noch mal alles raus was geht. Dazu gesellen sich Perlen wie „Begin The Begin“, „Finest Worksong“ und „Radio Free Europe“. Michael Stipe wird zwischendurch von Nirvana sprechen und zu Beginn erklären, warum gerade dieser Auftritt sein musste. Aufgeräumter hat man den Mann zuvor eher seltener erlebt. R.E.M. waren für den Moment, die größte kleinste Band des Planeten!

 

Man möchte ja fast allen Programmdirektoren mit diesem Album in einem Raum einschließen, damit sie endlich noch mal auf den Trichter kommen, dass Musik so viel mehr als Hintergrunduntermalung sein kann. Musik so viel mehr ist, als glattes Gedudel. Heute würden die Songs von „Automatic For The People“ wohl nicht mehr im Radio laufen. Warum eigentlich nicht? „The Sidewinder Sleeps Tonite“ ist großartige Popmusik. Ja, richtig, Popmusik! Natürlich nicht die Art von Popmusik wie sie heute definiert und vorgegeben wird. Auf diesem Album folgt Volltreffer auf Volltreffer. Auf das elegische „Drive“ folgt die Hymne „Try Not To Breathe“ im Folk-Gewand. Es ist im Grund egal, man könnte jeden Song nennen. Ursprünglich wollten R.E.M. nach dem poppigen „Out Of Time“ ja ein Rockalbum machen, aber während des Entstehungsprozesses merkten sie, dass die Melancholie von „Automatic For The People“ nach ruhigen Arrangements verlangte.

 

Teilweise ist die Atmosphäre beklemmend, aber auf eine ganz andere Art und Weise, wie die Musikrichtung, die damals durch die Decke ging. „Automatic For The People“ ist im Grunde der Gegenentwurf zu Grunge. Die Themen sind allerdings ähnlich: Tod, Schmerz, Leid, Verlust und Depression. Man muss an dieser Stelle auch die Streicher-Arrangements von John Paul Jones erwähnen, denn diese sind zum Hinknien schön. Und ja, „Everybody Hurts“ ist einer der Klassiker der 90er schlechthin. Das kann man auch daran ablesen, dass viele andere Künstler schon so manche fürchterliche Coverversion davon aufgenommen haben. An die Grandezza, mit der R.E.M. diesen Song vortragen, kommt eben kein anderer heran.

 

Mit „Man On The Moon“, „Nightswimming“ und „Find The River“ hebt sich die Band gar die besten Tracks bis zum Schluss auf. Das ist ein Finale, wie es besser nicht sein könnte. So berührend, so anmutig. Dabei spielen Schubladen auch keine Rolle (mehr). Egal ob man das unter Mainstream oder Alternativ-Rock verbucht – dieses Song-Trio ist unschlagbar fantastisch. Slide-Guitar, Piano, Obe, Violine und Cello klingen uncool, R.E.M. lehren einen das Gegenteil. Und mit „Find The River“ gibt es sogar einen positiven Fingerzeig. Es ist eben nicht alles schlecht. Wer den Rock sucht, findet diesen mit „Ignoreland“ aber auch auf diesem Album.

 

Wer jetzt noch tiefer eintauchen will, hört sich die Demos an. Man ist quasi dabei, wie aus ersten Ideen, aus Jamsessions und zum Teil nur Fragmente dieses großartige Album entsteht. Nein, das ist nicht alles toll, aber interessant, weil man hört, wie sich Michael Stipe, Mike Mills, Peter Buck und Bill Berry die Songs erarbeiten. Somit ist man bei der Entstehung eines Meilensteins der Musikgeschichte hautnah dabei.

 

Fazit: Die 25th Anniversary Edition von „Automatic For The People“ ist eine ganz feine Geschichte. Das fängt bei der formidablen Aufmachung an und hört bei den Demos noch lange nicht auf. Die Livesong zeigen R.E.M. auf dem Zenit ihrer Brillanz. Der Sound ist zudem ganz vorzüglich. Ein Stück musikalische Zeitgeschichte. Das Album ist eines der definierenden Werke der 90er! Und wer da noch eine Lücke in der Sammlung hat, sollte die nun schleunigst schließen!

 

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Text: Torsten Schlimbach

R.E.M.: Out Of Time 25th Anniversary Edition

R.E.M.: Out Of Time 25th Anniversary Edition

Universal

VÖ: 18.11.2016

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Mit „Out Of Time“ wird nun jenes Album noch mal veröffentlicht, welches R.E.M. in den Mainstream katapultierte. Die Scheibe verkaufte sich immerhin mehr als 10 Millionen Mal. Ein Vierteljahrhundert ist das nun schon her. Die 25th Anniversary Edition würdigt dieses wichtige Zeitdokument der Musikgeschichte mit sehr viel Bonusmaterial und einer schmucken Aufmachung. „Out Of Time“ erscheint übrigens in drei unterschiedlichen Formaten. Ist dies nun ein weiteres Meisterwerk von R.E.M. oder doch nur die kalkulierte Hinwendung zum Mainstream? Das muss sich beides ja nicht zwangsläufig ausschließen.

 

„Out Of Time“ ist ein Meisterwerk, auch wenn hier vielleicht ein paar verhasste Elemente zu finden sind. Ohne die vorherige Platte „Green“ und die daraus resultierende Mammut-Tour hätte es „Out Of Time“ sicher nicht gegeben. Es erwies sich zudem als überaus geschickter Schachzug, mit dem Nachfolger von „Green“ nicht auf Tour zu gehen. R.E.M. nahmen sich im Studio somit viele Freiheiten und wenn etwas nicht passte, dann wurde das eben wieder verworfen. Nach „Green“ hielt ein ganz neues Selbstbewusstsein Einzug in diese Band. Aber: ohne „Out Of Time“ wäre „Automatic For The People“ vermutlich auch anders ausgefallen.

 

Fakt ist jedenfalls, dass die Texte auf diesem Album erstmals in dieser Fülle in der ersten Person geschrieben sind und Stipe seine liebe Mühe und Not hatte zu erklären, dass die Texte eben nicht autobiografischer Natur sind. Eine weitere Neuerung war, dass sich die Themen oftmals um die Irrungen und Wirrungen der Liebe drehten. Auch dies hatte Stipe in der Vergangenheit stets abgelehnt. Musikalisch wandte sich die Band einer neuen Richtung zu. Das Quartett machte dies aber derart geschickt, dass es kaum auffiel, dass man sich mittlerweile ganz weit vom Sound der Anfangstage entfernt hatte.

 

Künstlerisch kommt „Out Of Time“ einem Quantensprung gleich. Die eigenen Ansprüche der Band wurden in das genaue Gegenteil umgekehrt. Folk, Country, Barock und sogar Rap drängten die Schrammelgitarren aus der Tür. Und vergessen wir dabei bitte nicht die Mandoline! Wie könnte man auch? „Losing My Religion“ hat diese ja vor 25 Jahren jeden Tag aus dem Radio oder Fernseher in die Wohnzimmer gebracht. „Out Of Time“ ist auf eine angenehme Art schwermütig. Die kleinen Katastrophen des Lebens und ein introvertierter Blickwinkel sind anders wie alles, was die Band bis dahin gemacht hatte.

 

Über die Titelabfolge lässt sich auch heute noch streiten. Peter Buck ist damit wohl immer noch unzufrieden und es gab Zeiten, da hätte Michael Stipe „Out Of Time“ wohl auch gerne auch dem Backkatalog verbannt. Warum eigentlich? Es ist ein tolles, ruhiges, trauriges und melancholisches Werk. Das erhabene und großartige „Country Feedback“ nimmt im Grunde alles vorweg, was danach in der Karriere der Band noch kommen sollte. Die Pedal-Steel ist zudem sensationell. Angeblich sogar improvisiert. Man hört förmlich wie Stipe leidet. Die Liebe ist eben manchmal schon ein Elend. „Me In Honey“ ist da vergleichsweise einfach gestrickt. Trotzdem rockt das Stück auf seine Weise sogar.

 

Die Reise beginnt mit dem schrammeligen „Radio Song“ und den vielleicht albern anmutenden Beiträgen von KRS One. Die Nummer hat aber nicht nur eine krachige Gitarre im Hintergrund, sondern auch schon die ganze Verspieltheit der späten R.E.M. zu bieten. Das Stück ist jedenfalls wesentlich besser als sein Ruf, der ihm vorauseilt. Der Übergang zu „Losing My Religion“ ist zwar hart, aber zu verschmerzen. Das ist einer jener Songs, die auch in hundert Jahren noch gespielt werden. Das minimalistische und düstere „Low“ zieht den Hörer anschließend in einen Gefühlsstrudel, der mit der schönen Melodie von „Near Wild Heaven“ aber noch nicht verlassen wird. Es ist die ganz große Kunst von R.E.M., selbst den schönsten Songs immer noch eine melancholische Note mit auf den Weg zu geben. Die Instrumentalnummer „Endgame“ hätte es vermutlich nicht gebraucht, funktioniert aber prächtig als Überleitung zwischen der Melancholie und diesem verhassten Popsong „Shiny Happy People“. Zusammen mit Kate Pierson von den B-52s wird das ein fröhlicher Überhit. Mag keiner. Will keiner. Schon klar. Singt trotzdem jeder mit, weil das Ding einfach gut ist. Punkt.

 

Das überragende, auf einer Basslinie aufgebaute „Belong“ - mit Sprechgesang - ist danach ja wieder für den intellektuellen Anspruch zuständig. Tränen dürfen bei „Half A World Away“ ja auch wieder reichlich fließen und mit „Texarkana“ hat Mike Mills eine seiner Sternstunden. Stellt sich nun wirklich noch die Frage, ob „Out Of Time“ ein wichtiges Album und ein Meisterwerk ist? Wohl kaum!

 

Die zwei CD-Version wird in einer dicken Schachtel geliefert. Im Inneren befinden sich die beiden CDs – jeweils in einem eigenen, dünnen Sleeve – und ein großes Band-Poster. Ein Booklet gibt es selbstverständlich auch. Die Haptik ist durchaus als gelungen zu bezeichnen.

 

Die zweite CD lässt den Hörer ein bisschen am Entstehungsprozess teilhaben. Wie ein Blick durch das Schlüsselloch der Studiotür wirken diese neunzehn Demos. Es ist harte Arbeit. Auch als Zuhörer zieht sich das und ist manchmal schon eine sehr zähe Angelegenheit. „Losing My Religion 1“ als Instrumental-Demo ist zwar ganz gefällig, verströmt ohne den eindringlichen Gesang aber nicht diese Magie, die das Stück letztlich auszeichnet. Selbiges gilt auch für das noch etwas unrunde „Near My Heaven 1“ oder „Shiny Happy People 1“. Es ist zwar interessant der Band bei der Entwicklung des musikalischen Teils zuzuhören, aber wenn man ehrlich ist, dann wird man das sicher nicht allzu oft auflegen.

 

Spannend wird es immer dann, wenn sich die Stücke nicht eindeutig zuordnen lassen. „Untitled Demo 2“ mäandert roh durch die Prärie. Wirklich toll ist die Akustikversion von „Radio Song“. Anhand des Demos lässt sich die Qualität der Nummer tatsächlich besser abschätzen. „Near Wild Heaven 2“ und „Shiny Happy People 2“ verdeutlichen die Entwicklung der Songs. Hieraus bezieht die zweite CD dann auch ihre Stärke, da man anhand der verschiedenen Demoversionen eines einzelnen Songs dann tatsächlich den Fortschritt erkennen kann und einen ungefähren Eindruck von der Erarbeitung erhält. „Losing My Religion 2“ ist musikalisch schon sehr weit, der Gesang allerdings noch etwas unsicher. „Country Feedback“ lässt auch schon erahnen, dass da eine große Nummer schlummert. Selbiges gilt auch für den Minimalismus bei „Low“. „40 Second Song Demo“ ist eher eine Studiospielerei und „Fretless 1“ von einer morbiden Rohheit durchzogen.

 

Fazit: Ohne „Green“ kein „Out Of Time“. Ohne „Out Of Time“ kein „Automatic For The People“ und ohne alles zusammen kein „New Adventures In Hi-Fi“, das definitive Meisterwerk von R.E.M.! Aber auch „Out Of Time“ muss als solches bezeichnet werden. Die Erzählstruktur, die lyrische Tiefe und die musikalische Umsetzung berühren einen immer noch. Zwar nicht durchgängig, aber wenn, dann geht dieses „Out Of Time“ so richtig unter die Haut. Teile des Entstehungs- und Arbeitsprozesses kann man auf der zweiten CD, die mit Demos vollgepackt ist, nachvollziehen. „Out Of Time“ ist ein sehr wichtiges Album der 90er, daran lässt sich nicht rütteln!

 

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Text: Torsten Schlimbach

R.E.M.: Unplugged 1991/2001 – The Complete Sessions

R.E.M.: Unplugged 1991/2001 – The Complete Sessions

Rhino/Warner

VÖ: 23.05.2014

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

R.E.M. aus Athens ist vorerst Geschichte und doch gibt es in schöner Regelmäßigkeit immer wieder neue Veröffentlichungen oder Neuauflagen eines ihrer Meisterwerke. Für Fans ist das insofern eine schöne Geschichte, denn ab jetzt gibt es im Jahresrhythmus neue und schöne Dinge für den Schrein und die Pausen zwischen den einzelnen Veröffentlichungen sind nicht mehr so lange wie noch zu Lebzeiten der Band. Auf der anderen Seite ist das natürlich auch ein teurer Spaß, aber im Falle von R.E.M. kann man ja davon ausgehen, dass die Anhänger mittlerweile fest im Berufsleben stehen und entsprechend zahlungskräftig sind. Mit „Unplugged 1991/2001 – The Complete Sessions“ wird nun ein ganz besonderes Schmankerl in die Läden gestellt, denn dieses Material wurde noch nie komplett offiziell veröffentlicht. Auf den beiden CDs sind die auf MTV ausgestrahlten Auftritte sowie 11 Songs aus den Sessions, die nie gesendet wurden, zu finden!

 

Eigentlich muss man zu MTV-Unplugged ja nicht mehr viel sagen. Eigentlich, denn man darf ja nicht vergessen, dass die jüngeren Musikfans solche TV-Formate ja überhaupt nicht mehr kennen. In Zeiten der vielen Videoportale ist immer alles nur ein Klick entfernt. Und in diesen hektischen Zeiten verweilen die Wenigsten bis zum Schluss und klicken nach kurzer Verweildauer wieder zum nächsten Video. Die Unplugged-Reihe hat jedenfalls vielen namhaften Künstlern eine musikalische Heimat gegeben. Gerade in der ersten Hälfte der 90er war dies ein Schaulaufen der ganz Großen und solchen, die es noch werden wollten. Unvergessen sind die Auftritte von Eric Clapton, Neil Young oder Pearl Jam. R.E.M. reihen sich da nahtlos ein.

 

Der Record Store Day 2014 ist im Grunde die Initialzündung dafür, dass die beiden Konzerte nun doch noch komplett das Licht der Welt erblicken. Zunächst gab es die ganze Geschichte als 4-fach-Vinyl und dann gab die Band auch das OK zur Veröffentlichung als Doppel-CD und digitale Downloads. Wer also kein Glück hatte, sich die begehrten Teile am Record Store Day zu sichern, kann nun zumindest auf die CDs oder die digitalen Versionen zurückgreifen. Immerhin, besser wie komplett in die Röhre zu gucken!

 

Zwischen den beiden Auftritten von R.E.M. mögen nur zehn Jahre gelegen haben, aber dies ist im Musikgeschäft ein unglaublich langer Zeitraum. Man merkt da auch deutlich den Unterschied. 1991 waren R.E.M. auf dem Weg in den Olymp und hatten mit dem Album „Out Of Time“ ein musikalisches Pfund im Rücken, welches die vier Herren an die Spitze der US-Charts katapultierte. 2001 war sich die Band über den eigenen Status völlig im Klaren und natürlich wussten die Herren auch, wie man damit umzugehen hat. 1991 war das noch etwas anders, aber immerhin konnte die Band da auch schon auf die Erfahrungen der Vergangenheit bauen, denn mit jedem Album der 80er steigerten sie ihren Bekanntheitsgrad, was natürlich auch daran lag, dass die Alben immer besser wurden. R.E.M. wurden langsam aufgebaut und der Erfolg stellte sich nicht über Nacht ein. Heute wird einer Band ja überhaupt nicht mehr die Zeit gegeben sich zu entwickeln. Der vorläufige Ritterschlag war der Auftritt bei MTV-Unplugged.

 

Zu R.E.M. passte dieses Format natürlich auch perfekt. Ein Großteil ihrer Songs war ja sowieso so angelegt, dass diese auch wunderbar ohne Stecker funktionieren. Die Qualität der Aufnahme von 1991 ist schon beachtlich. Da ist jede noch so feine Nuance zu hören. Jedes Instrument ist fein austariert und auch der Gesang von Stipe ist zu verstehen, was ja nicht immer der Fall war. Man höre sich nur den schwermütigen Abgesang mit „World Leader Pretend“ an. Hieran lässt sich auch ganz wunderbar nachvollziehen, warum dies die größte Indieband der Welt wurde. Der Auftakt mit „Half A World Away“ bereitet einem gleich zu Beginn eine dicke Gänsehaut. Die grandiose Version von „Radio Song“ ist in dieser reduzierten Form sogar besser wie die eigentliche Studioaufnahme. „Low“ schleicht sich mystisch an und baut eine bedrohliche Spannung auf, die einem wohlige Schauer über den Rücken laufen lässt. Klar, „It´s The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)“ fehlt etwas der Druck, aber dafür entfaltet die Variante ohne Stecker eine ganz neue Faszination. Übrigens erstreckt sich die Auswahl hier auf fünf bis dahin erschienene Alben. „Losing My Religion“ hört sich an, als wäre die Nummer einzig und alleine für diesen Anlass geschrieben worden. Das ist noch Musik mit Seele und R.E.M. spielen das Stück mit voller Hingabe. Mit „Perfect Circle“ gibt es zudem auch einen Song vom Debüt „Murmur“ zu hören. Den Troggs Song „Love Is All Around“ kennt man in unseren Gefilden aufgrund der Interpretation einer Boyband, aber auch R.E.M. hatten das Stück im Programm und bei diesem Unplugged-Konzert dargeboten. Klingt etwas zahnlos, was wiederum nicht sonderlich negativ auffällt, denn das eigene Material der Band ist derart gut, dass man vor Begeisterung in die Hände klatschen möchte.

 

2001 war R.E.M. mit Bill Berry der Drummer abhanden gekommen. Die anderen drei Herren präsentieren sich hier als gereifter Musiker und natürlich unterscheidet sich das Repertoire sehr stark vom ersten Auftritt. „Losing My Religion“ darf natürlich nicht fehlen, klar. Musikalisch hört sich die 01er-Version noch mal ein ganzes Stück ausgereifter an, 91 legten R.E.M. aber noch mehr Hingabe in den Song. Ansonsten konzentriert sich die Band zunächst auf das Spätwerk und folglich eröffnet „All The Way To Reno“ dieses Ereignis. Entspannter kann man nicht starten. „Electrolite“ ist da schon die logische Fortsetzung. Das wunderschön kitschige „At My Most Beautiful“ schließt sich nahtlos an und auch das wundervoll arrangierte „Daysleeper“ fügt sich kongenial in das Set ein. Besonders gut kommt vor Ort übrigens die damalige Single „Imitation Of Life“ an. „Find The River“ beendet das eigentliche Set, aber es geht ja noch weiter. „The One I Love“ - ein weiterer unveröffentlichte Song – wird einem nicht in das Gesicht geschrien, sondern klingt hier wie ein Klagelied. Da werden alle Körperhaare ins Achtung gestellt! Der erhabene Abschluss mit „Sad Professor“ ist das perfekte Ende der beiden CDs! Der Auftritt von 2001 setzt sich insgesamt aus Songs von neun Alben zusammen – eine sehr schöne Zeitreise!

 

Fazit: Klanglich sind die beiden Unplugged CDs absolut erstklassig! Da ist wirklich jede noch so feine Nuance zu hören. Die Abmischung ist einfach herausragend. Die Songauswahl ist jeweils ganz vorzüglich und die Arrangements für die Tracks ebenfalls erstklassig. Besser geht es wohl nicht. Der Auftritt von 91 ist insgesamt etwas besser, da R.E.M. sich in die Songs warfen, als würde die Sonne nie wieder aufgehen. 2001 war die Band wesentlich abgezockter. Selbstverständlich war auch dieser Auftritt brillant, gar keine Frage. Schön, dass man dies nun alles in Gänze genießen kann!

 

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Text: Torsten Schlimbach

 

R.E.M.: Green 25th Anniversary Deluxe Edition

R.E.M.: Green 25th Anniversary Deluxe Edition

Rhino/Warner

VÖ: 10.05.2013

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Wie schön sind doch Geburtstage! Und wie schön sind selbige erst, wenn diese standesgemäß gefeiert werden! Im Falle von „Green“ ist das keine Frage, nein, hier wird ein dickes Ausrufezeichen gesetzt. R.E.M. veröffentlichten vor 25 Jahren ihr letztes Indiealbum, danach wurde aus der kleinen Band aus Athens zeitweise die größte Musikkapelle des Planeten. Auf dem Weg dahin waren sie ja sowieso längst, obwohl das weder geplant noch gewollt war. Nun wird „Green“ in einer schönen Box erneut veröffentlicht. Und wie es sich für ein solches Fest gehört, wird diese Platte auch standesgemäß geehrt und ist optisch und haptisch eine feine Geschichte geworden.

 

Zunächst sticht natürlich die dicke Clamshell-Verpackung ins Auge! Die beiden CDs sind hier gut und sicher aufgehoben. Das beiliegende Booklet enthält zudem noch Liner-Notes von Uncut-Herausgeben Allan Jones. Als weitere Gimmicks gibt es noch vier Postkarten und ein Poster. Jede Postkarte bildet natürlich ein Bandmitglied ab. Wichtiger ist natürlich - um mal die Fußballersprache zu bemühen – auf dem Platz, sprich die Musik. Das eigentliche Album wurde selbstverständlich remastert. Und als Schmankerl obendrauf liegt dann auch noch eine Live-CD in der Box, die bis zum Anschlag gefüllt ist! Mehr kann man von einer solchen Veröffentlichung nicht erwarten.

 

Mit „Green“ betraten R.E.M. seinerzeit in vielerlei Hinsicht Neuland. Diese Platte war nämlich auch gleichzeitig der Einstand bei einem Majorlabel und auch musikalisch wurde der bisherige Kurs korrigiert. R.E.M. waren längst dem College-Radio entwachsen und machten sich nun mit diesen Songs auf sich eine ganz neue Hörerschaft zu erschließen. Wie kaum eine andere Band haben es diese vier Jungs aber stets verstanden den Mainstream zu bedienen, die alten (Indie-)Fans aber trotzdem bei der Stange zu halten. Nicht umsonst gab es mal den Spruch, dass R.E.M. die größte kleinste Band der Welt wären. Darin liegt mitunter mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit. Fakt ist jedenfalls, dass „Green“ schnell durch die Decke ging und US-Doppelplatin erreichte. Die dazugehörige Tour glich einem Triumphzug. Die „Green World Tour“ aus dem Jahre 1989 führte den Tross zu sagenhaften 130 Konzerten!

 

In gewisser Weise ist „Green“ der Brückenschlag von den alten R.E.M. zu den neuen. Die Platte enthält unverkennbar einen Popeinschlag, der den großen Erfolg ausmacht. Das wunderschöne „Hairshirt“ hätte sicher auch einen Platz auf den beiden Alben gefunden, die „Green“ folgen sollten. Mit „Stand“, „Pop Song 89“ und „Orange Crush“ gibt es gleich drei echte Popperlen, die den Mainstream bedienen, aber eben auch die Bandwurzeln nicht vernachlässigen. Das folkige „Your Are The Everything“ nimmt ebenfalls schon viel von dem vorweg, was in den 90ern von dieser Band noch kommen sollte. Mit „Get Up“ gibt es aber auch einen Song, der eben auch noch alle Elemente der Anfangstage enthält. Hüsker Dü sind da nicht weit entfernt. Manchmal vermisst man auf diesem Album aber auch etwas die einheitliche Richtung und mit „The Wrong Child“ hat die Band sogar eine Nummer mit echtem Nervpotenzial aufgenommen. „I Remember California“ mäandert auch fast fünf Minuten ziellos vor sich hin. Mit dem „Hidden Track“ gibt es aber immerhin einen recht versöhnlichen Abschluss. Letztlich ist „Green“ ein Werk mit sehr viel Licht, aber eben auch ein bisschen Schatten. Ein wichtiges Album ist dies aber so oder so, da dies die Geburtsstunde der neuen R.E.M. war.

 

Die Live-CD enthält 21 Songs vom vorletzten Konzert der Tour aus dem Greensboro Coliseum. Der Sound ist klar, druckvoll und teilweise brillant. Die Instrumente sind sauber abgemischt und der Gesang von Stipe ist deutlich wie selten. Diese CD deutet mehr als nur an, dass R.E.M. eine der besten Livebands des Planeten waren, die das Publikum zu jeder Zeit mitreißen konnte. Das Set ist gespickt mit Songs von "Green", vernachlässigt selbstverständlich aber auch die Platten vorher nicht. Übrigens ist hier nicht das gesamte Konzert enthalten, da die Kapazität einer CD sowieso ausgereizt wurde. Zum Record Store Day gibt es noch eine limitierte EP, die weiteres Material enthält. Das Ding ist allerdings auf 2.500 Einheiten beschränkt!

 

Der Auftakt mit „Stand“ und „The One I Love“ ist perfekt gewählt. Das teilweise gesprochene „Belong“ hat sowieso den Charakter einer Hymne und die rockigen „I Believe“ und „Get Up“ bringen jedes Konzertpublikum auf Hochtouren. Da braucht es gar kein „End Of The World...“ mehr, welches selbstverständlich aber auch enthalten ist. Diese Version ist aber reichlich zerschossen und in den Strophen etwas drucklos. Letztlich wird diese Live-CD mit dem großartigen „Finest Worksong“ und „Perfect Circle“ perfekt beendet. Wer nur die Phase ab „Out Of Time“ kennt, dürfte staunen, denn R.E.M. hatten schon in diesem Karriereabschnitt Hits für drei Bands im Gepäck. Übrigens gibt es mit „Low“ und „Belong“ schon zwei Songs zu hören, die erst auf „Out Of Time“ erscheinen sollten. Livetest bestanden!

 

Fazit: Die 25th Anniversary Deluxe Edition von „Green“ dürfte kaum Wünsche offen lassen. Die Aufmachung ist mal wieder großartig. Das Teil macht natürlich in jedem Fan-Schrein einen vorzüglichen Eindruck. Dieses Album ist das Bindeglied zwischen der ersten Phase von R.E.M. und den späteren Superstars. Für die Geschichte dieser Band ist dieses Werk von großer Bedeutung. Die tolle Live-CD ist nur das berühmte i-Tüpfelchen! Hier wurde alles richtig gemacht!

 

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Text: Torsten Schlimbach

R.E.M.: Document 25th Anniversary Edition

R.E.M.: Document 25th Anniversary Edition

EMI

VÖ: 21.09.2012

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Die fünfte Platte von R.E.M. sorgte letztlich dafür, dass die Band nun auch außerhalb des College-Radios gehört wurde. „Document“ erschien zwar noch beim Indie-Label I.R.S. und wird auch noch der ersten Phase zugerechnet, ist aber schon ein deutlicher Fingerzeig in Richtung Superstars. Mit diesem Album konnten sie auch erstmals außerhalb Amerikas punkten. Die Fangemeinde wurde größer und größer und auch live konnte man sich nun auf Europas Bühnen von der Einzigartigkeit und der Magie der Band überzeugen lassen. Nun feiert diese Platte den 25. Geburtstag und dazu gibt es nun ein standesgemäßes Fest!

 

Die Jubiläumsausgabe ist schon optisch ein Leckerbissen. Die Lift-Top-Box macht in jedem Fanschrein eine gute Figur. Im Inneren offenbaren sich dann jede Menge Gimmicks. Von jedem Bandmitglied liegt ein Reprofoto bei. Ein Riesenposter gibt es noch obendrauf. Die Papierqualität ist zwar nicht sonderlich hochwertig, dafür das abgebildete Foto eine ziemliche haarige Angelegenheit. Das Booklet enthält zudem neue Liner Notes von David Daley. Für Hardcorefans gibt es da sicher keine Neuigkeiten und es werden auch keine Geheimnisse gelüftet, macht aber trotzdem Spaß den umfangreichen Text zu studieren. Die beiden CDs liegen jeweils in einem eigenen Pappschuber bei. Insgesamt eine wirklich schöne Verpackung, denn das Auge isst ja bekanntlich mit.

 

Das Originalalbum liegt in der digital optimierten Version vor. Die Produktion von Scott Litt ist sowieso ein Kunstgriff. Die alten Fans, die noch auf den Schrammelsound stehen, werden ebenso bedient wie eben auch der Mainstream. Es wurde ein bisschen geschliffen und poliert und siehe da, plötzlich war das auch für die großen Radiostationen geeignet und dies ohne dabei die Glaubwürdigkeit einzubüßen. Natürlich gibt dies auch das Songmaterial her und der Weg scheint vorgegeben zu sein. So eine Karriere wie die von R.E.M. wäre heute gar nicht mehr möglich. Man darf ja nicht vergessen, dass „Document“ immerhin schon das fünfte Album war, diese Zeit hat heute kein Künstler mehr und da die Indielabelkultur fast gänzlich ausgestorben ist, darf man darauf auch nicht mehr hoffen.

 

„Document“ enthält mit „It´s The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)“ und „The One I Love“ die zwei größten Hits der Frühphase, die auch immer wieder auf den Konzerten abgefeiert wurden. „The One I Love“ wird ja oft als wunderschöne Liebesballade eingeordnet. Man müsste da schon fälschlicherweise sagen, denn der Text ist einer der bösesten, die Stipe je geschrieben hat. „Document“ ist aber auch ein politisches Album und setzt sich mit dem Amerika dieser Zeit auseinander. „Finest Worksong“ gibt hymnenhaft die Richtung vor. „Exhuming McCarthy“ reißt gar immer noch mit und musikalisch ist das der Brückenschlag von der versponnenen Anfängen zum Mainstream. Es wird noch geschrammelt, aber eben auch strukturierter. „Disturbance at the Heron House“ könnte auch auf jedem späteren Album einen Platz finden. Was bei „Document“ aber immer wieder auffällt, ist der fast gänzlich fehlende Pathos. Glücklicherweise hat Stipe den hier noch vor der Tür gelassen. „Lightnin´ Hopkins“ hat gar den Biss eines Iggy Pop und das düstere „Oddfellows Local 151“ ist zum Schluss noch mal eine kleine, epische Meisterleistung! Der Sound ist übrigens hervorragend.

 

Das gilt überraschenderweise auch für die zweite CD! Die Liveaufnahme vom 14.9.1987 aus Utrecht ist wirklich gelungen. Oftmals haben solche Aufnahmen ja Bootlegcharakter, diese hier nicht! Mit „Finest Worksong“ schleppen sich R.E.M. ganz langsam in ihr Set, aber schon „These Days“ rockt fast punkig drauf los. „Lightnin´ Hopkins“ fängt mit Mundharmonika an und dann setzt der leicht schräge Gesang von Mills und Stipe ein. Live bleibt dieser Song einfach eine seltsame Angelegenheit und klingt, als würde die Band den selber nicht gebändigt kriegen. Welche Kraft schon damals in „The One I Love“ steckte, wird bei dieser Liveaufnahme mehr als deutlich und auch das Publikum feiert diese Nummer frenetisch. Der große Wurf zeichnete sich nicht nur ab, sondern war schon da. Ansonsten gleicht das noch keiner Messe, sondern tatsächlich einem Rockkonzert. Da sitzt auch nicht jeder Ton, bei „Wolves, Lower“ haut Stipe mehrmals daneben – live eben. „It´s The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)“ ist schon hier die Konzerthymne schlechthin, gleichwohl das Timing über die Jahre natürlich besser wurde. Dafür weht bei dieser Aufnahme noch das Ungestüme der jungen Jahre mit. Das schöne „So. Central Rain“ setzt ganz zum Schluss ein dickes Ausrufezeichen. Vom dramaturgischen Ende ganz zu schweigen. Groß!

 

Fazit: Die Jubiläumsausgabe von „Document“ ist in allen Belangen eine liebevolle Aufarbeitung dieser tollen Platte. Die Aufmachung ist sehr stimmig und auch die Live-CD ist eine sehr schöne Zeitreise in die Vergangenheit von R.E.M. - auch, wenn nicht jeder Ton sitzt. Das eigentliche Album ist klanglich topp und zeigt eine Band auf der Schwelle zu den absoluten Superstars. „Document“ wird leider immer noch unterschätzt, dabei ist es ein sehr gutes und wichtiges Album im R.E.M. Backkatalog. Vielleicht kommt das Album nun in neuem Glanz auch zu neuen Ehren!

 

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Text: Torsten Schlimbach

R.E.M.: Best Of: Part Lies Part Heart Part Truth Part Garbage 1982 – 2011

R.E.M.: Best Of: Part Lies Part Heart Part Truth Part Garbage 1982 – 2011

Warner

VÖ: 11.11.2011

 

Wertung: 8/12

 

Die Messe ist einstweilen gelesen und eines der erfolgreichsten Kapitel der Musikgeschichte beendet. R.E.M. sind Geschichte. Spekulationen und Wetten um und auf eine Reunion haben ab jetzt Hochkonjunktur. Warum gerade jetzt das Ende gekommen ist kann man nach den letzten beiden guten Alben nicht unbedingt verstehen, aber so tritt man wenigstens mit hoch erhobenem Haupt ab. Die vielen Fans versuchen gerade das Tal der Tränen wieder zu verlassen, da hauen R.E.M. zum Abschied noch mal ein ordentliches Paket raus. Es war natürlich nur eine Frage der Zeit bis eine weitere „Best Of“ in die Läden gelegt wird, aber dass es diesmal tatsächlich eine Retrospektive der Jahre 1982 bis 2011 wurde, ist dann schon mal eine feine Sache und da haben sich die Rechteinhaber wohl endlich mal an einen Tisch gesetzt.

 

Den längsten Albumtitel können Berry, Buck, Mills und Stipe nun vermutlich unter der Bandgeschichte verbuchen. „Best Of: Part Lies Part Heart Part Truth Part Garbage“ fasst dann diese Karriere auch noch mal treffend zusammen. Wäre ja auch wirklich ein eher trauriger Umstand, wenn zum Ende nur der schnöde Titel „Best Of“ da gestanden hätte. Vierzig Songs hat man kompiliert. Logischerweise bleiben dabei einige Perlen auf der Strecke, denn dafür gibt der Backkatalog einfach zu viel her. Trotzdem kann man sich schon mal am Kopf kratzen und die Frage stellen, warum „Drive“, „E-Bow The Letter“, „Leave“ oder „Lotus“ nicht den Weg auf diese Zusammenstellung – die immerhin auch ein „Best Of“ im Titel trägt – gefunden hat. Ein einziger Song von „Monster“ dafür aber drei von „Collapse Into Now“ verzerren das Bild ziemlich. Immerhin ist „Green“ reichlich vertreten. Diskutabel bleibt die Angelegenheit aber auf alle Fälle.

 

Die Aufmachung und Gestaltung ist im Grunde ausgefallen, wie man es erwarten konnte. Hochglanzfotos gibt es zum Glück nicht. Dafür kann das Booklet mit etwas ganz anderem punkten! Zu jedem Song gibt es mal mehr, mal weniger aufschlussreiche Erklärungen der Band. Macht Spaß dies alles in dieser geballten Form noch mal zu lesen. Dadurch kriegt man eine schöne geraffte Zeitschiene der musikalischen Entwicklung von R.E.M..

 

Die erste CD zeigt dann noch mal eindrucksvoll den Aufstieg der kleinen Band aus Athens. Von „Gardening At Night“ der ersten EP über „Radio Free Europe“, „Sitting Still“ bis hin zu „The One I Love“, „Orange Crush“ und dem ungeliebten „Shiny Happy People“ reicht der Reigen. Der Überhit „Losing My Religion“ fehlt natürlich nicht. Die Bandbreite der Band war schon extrem groß. Vom unbedeutenden Act, der noch auf der Suche nach der musikalischen Ausrichtung und der Sprache und Wörter ist, bis hin zum hell scheinenden Stern am College-Radio Himmel, zu den neuen Stars der Indieszene bis hin zum Mainstream kann man anhand dieser CD den Aufstieg dieser kleinen, größten Band nachvollziehen.

 

Die zweite CD eröffnet mit den drei brillanten Nummern „Everybody Hurts“, „Man On The Moon“ und „Nightswimming“. Andere Bands würden dafür Haus, Hof und die Oma verkaufen. Hiermit waren R.E.M. auf dem Olymp angekommen. Den Olymp sollten sie so schnell nicht verlassen, denn mit „New Adventures in Hi-Fi“ lieferten sie ein Meisterwerk ab. Somit ist es absolut unverständlich, dass man davon nur „New Test Leper“ und „Electrolite“ hier untergebracht hat. Danach fing der Stern von R.E.M. langsam an zu sinken. Die Fangemeinde war natürlich immer da und stand treu zu ihren Helden, auch nach dem Ausstieg von Berry. Zum Schluss wurde ja noch mal alles gut. Nun gibt es mit „A Month Of Saturdays“, „We All Go Back To Where We Belong“ und „Hallelujah“ noch drei Abschiedsgeschenke dieser chronologischen Geschichte! Sensationen darf man dabei nicht erwarten. „A Month Of Saturdays“ plätschert so dahin. „We All Go Back To Where We Belong“ ist ganz nett, dürfte Fans aber freuen, denn hier sind alle Zutaten eines typischen R.E.M. Songs enthalten. Mit „Hallelujah“ gibt es aber den krönenden Abschluss und den Deckel auf diese tolle Karriere.

 

Fazit: Es gibt ja schon reichlich Zusammenstellungen von R.E.M.. Soweit nichts Neues, allerdings hat man es diesmal geschafft eine wirkliche Retrospektive auf die Beine zu stellen und alle Phasen der Band zu beleuchten. Hier kriegt man in komprimierter Form – was immerhin vierzig(!) Songs bedeutet – die Karriere auf dem Silbertablett serviert. Die Tracklist ist zwar diskutabel, aber das liegt ja in der Natur der Sache. Ein paar wirkliche Kracher sind leider aber auch auf der Strecke geblieben. Die drei neuen Nummern runden das schön ab, setzen aber auch kein wirkliches Ausrufezeichen zum Schluss. Macht ja nichts, irgendwann kommt bestimmt die Reunion...

 

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Text: Torsten Schlimbach

R.E.M.: Collapse Into Now

 

R.E.M.: Collapse Into Now
Warner

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Das neue R.E.M. Album wurde in New Orleans, Nashville und Berlin aufgenommen. Die Vielseitigkeit und die Möglichkeiten der verschiedenen Aufnahmeorte hört man „Collapse Into Now" an. Die Band existiert ja nun auch schon gut und gerne seit dreißig Jahren. Auch das hört man diesem Werk an. Nein, die zwölf Songs klingen nicht altbacken, aber wie eine Art „Best Of". Es scheint gar so, als wären sie noch mal Album für Album durchgegangen und hätten jede einzelne Stärke daraus destilliert und in „Collapse Into Now" eingebaut.

 

Was bedeutet dies nun? Gut? Schlecht? Immer diese Kategorien. Sagen wir mal so, „Collapse Into Now" ist das beste Album seit „New Adventures in Hi-Fi". R.E.M. wurden zwar mit anderen Platten unsterblich und zu Superstars, aber „New Adventures in Hi-Fi" war und ist ein gottverdammtes Meisterwerk! „Collapse Into Now" kann damit nicht ganz Schritt halten und diese Dringlichkeit ist auch nicht vorhanden, aber nahe dran ist dieses feine Album schon.

 

Wenn Buck bei „Discover" gleich bollert und Stipe bellt wie ein läufiger Hund, dann darf man hier schon wieder das Wort Rock in den Mund nehmen. Das kommt ja nicht ständig in der langen Karriere von R.E.M. vor. Auch der zweite Track haut noch auf die Pauke. „All The Best" unterscheidet sich aber doch ein ganzes Stück von „Accelerate", obwohl die Vergleiche natürlich auf der Hand liegen. Eine neue Leichtigkeit macht sich da breit und die Band weiß ganz genau, wohin sie diesmal möchte. Besonders Buck kommt hier auf seine Kosten und darf sich endlich mal wieder befreit austoben. Mills kommt bei anderen Songs zum Zuge, z.B. bei „It Happend Today" wo er beim Refrain sich in seiner typischen Art und Weise geben darf. Und ja, Eddie Vedder ist auch dabei.

 

Mit „Überlin" kommt man dann fast schon traditionell daher. Diese Songs beherrscht diese Band wie kaum eine andere im Schlaf und aus dem Effeff. Augen schließen und genießen! Referenzen an die Vergangenheit gibt es viele, aber gleichzeitig ist R.E.M. auch im Hier und Jetzt verankert. Wenn einer die Essenz dieser Band sucht, sollte sich „Oh My Heart" anhören. Neben dem großen Zampano Stipe und dem kreativen Ungestümen Buck sollte man den Anteil von Mills nicht unterschätzen. Seine Arrangements sind das Salz in der Suppe. Man muss ja nicht immer lärmend in der ersten Reihe stehen. Natürlich gibt es auch immer mal wieder diese Momente, die langweilen. „Every Day Us Yours To Win" mögen andere als wunderschöne bezeichnen, aber es wird auch welche geben, wo sämtliche Körperfunktionen einschlafen, wenn diese Nummer läuft. Da kommt doch das lärmende „Mine Smell Like Honey" goldrichtig. Dass R.E.M. die ruhigen, melancholischen Songs ansonsten beherrschen wie kaum eine andere Band, sei geschenkt und wird mit „Walk It Back" natürlich auch auf diesem Album wieder unter Beweis gestellt. Die Trefferquote diese Songs betreffend ist bei kaum einer anderen Formation derart hoch. Zum Schluss gibt es mit „Blue" ein neues „E-Bow The Letter". Patti Smith ist wieder dabei. Noch Fragen?

 

Fazit: „Collapse Into Now" ist kein Album, welches die Welt in den Grundfesten erschüttern wird. Dafür sind aber auch die jungen Wilden zuständig. Darf man bei R.E.M. jetzt schon von Alterswerken sprechen? Warum eigentlich nicht, lange genug dabei sind sie schließlich und diese feine Scheibe hier ist ein formidables Werk. Alles Gute der Karriere wurde verarbeitet und das Schlechte fast komplett vor der Tür gelassen. R.E.M. erleben definitiv ihren zweiten oder dritten Frühling!

 

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Text: Torsten Schlimbach

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