Marcus Mumford: Self-Titled (Vinyl)
Universal
VÖ: 16.09.2022
Wertung: 8/12
Was ist eigentlich so bei Mumford & Sons los? Es ist die letzten Jahre doch ziemlich still geworden. Nicht ganz so still ist nun die Stimme der Band. Marcus Mumford veröffentlicht mit „Self-Titled“ nun sein Debüt-Album. Mit 38 Minuten ist das Werk angenehm kurz ausgefallen. Angenehm deshalb, weil das Album eben nicht – wie so viele andere – überladen wurde. „Self-Titled“ ist zudem an der einen oder anderen Stelle sehr persönlich aufgefallen. Im Bandkontext hätte Marcus Mumford das nicht unterbringen können und vermutlich auch nicht gewollt.
Die Albumeröffnung „Cannibal“ befasst sich beispielweise mit dem sexuellen Missbrauch, den Mumford als sechsjähriges Kind erlebt hat. Er verwendet dazu eine sehr direkte, ausdrucksstarke Sprache. Musikalisch ist das sehr reduziert. So „stripped“ hat man den Mann noch nie gehört. Der Gesang ist sanft, bevor nach drei Minuten der Ausbruch kommt – musikalisch wie gesanglich. Zusammen mit der schweren Thematik ist das schon sehr berührend, teilweise bedrückend. „Grace“ ist der Hit der Platte. Ein bisschen erinnert das an Tom Petty. Der lässige Bass passt perfekt zu den Wörtern, die Mumford teilweise sehr langgezogen singt. Die Gitarren flankieren das sehr schön. Die Drums werden sehr erdig und direkt gespielt – eine tolle Nummer.
„Prior Warning“ ist das genaue Gegenteil des polternden Vorgängers. Die Stimme von Marcus Mumford trägt die Nummer fast komplett alleine, die Gitarre und Soundgeräusche unterstützen das lediglich. Zum Schluss wird die Nummer zwar noch weiter ausgeschmückt, aber letztlich bleibt es ein leises Musikstück. Der Medikamentenmissbrauch, der bei „Better Off High“ thematisiert wird, hat allerlei Spielereien zu bieten. Von leise bis laut wird hier der Folk-Pop-Rock dargeboten. Elektronische Elemente unterstützen dies nicht nur, sondern übernehmen sogar teilweise die knarzende Führung. Die Produktion dazu ist nicht mehr so arschglatt wie noch beim letzten Bandalbum. Überhaupt sind die Arrangements auf „Self-Titled“ sehr gelungen. Das sehr feinfühlige, gar zarte „Only Child“ klingt , als würde der Mann mit seiner Gitarre bei einem auf der Wohnzimmercouch sitzen und live für die Familie spielen.
Die kleinen Dinge überraschen. Die Synthies bei „Dangerous Game“ knallen bisweilen ganz schön rein. Es pluckert, es ist disharmonisch und entspricht nicht alltäglichen Mainstreamsongstrukturen. Mitunter erinnert das an Peter Gabriel. Gaststar Clairo fügt sich dem Soundgewand angenehm ein. „Better Angels“ stolpert ganz nett dahin, hat aber zwischendurch rhythmisch auch immer mal ein paar nette Abwechslungen aufgefahren. „Go In Light“ mit Monica Martin hört sich nach modernen Gospelmusik an. Phoebe Bridgers ist bei „Stonecatcher“ mit von der Partie. Sie agiert aber eher im Hintergrund und vermag dem Stück kaum nennenswerte Akzente zu geben. Die letzte Nummer „Howl“ hat mit Brandi Carlile ein weiteres Feature zu bieten. Musikalisch ist das ein leises Folkstück, die beiden singen sich aber die Seele aus dem Leib, wodurch eine ganz besondere Atmosphäre entsteht und die Nummer eine sehr intensive Dringlichkeit ausstrahlt.
Fazit: „Self-Titled“ hat Songs von Marcus Mumford am Start, die er bei seiner Band weder textlich, noch musikalisch hätte unterbringen können. Die ruhige Grundstimmung wird oftmals von allerlei Synthie-Spielereien unterbrochen und untermalt. Dies ist ein Album, welchem man viel Aufmerksamkeit schenken sollte, denn dann wird man – auch aufgrund der feinen Arrangments – mit sehr vielen schönen Details belohnt. Man sollte die Platte nicht nebenher hören! Die LP ist übrigens sehr sauber gepresst und dreht ganz ruhig ihre Runden auf dem Teller.
https://www.marcusmumford.com/
https://www.mumfordandsons.com/
Text: Torsten Schlimbach