Lou Reed & Metallica: Lulu

Lou Reed & Metallica: Lulu

Universal

VÖ: 28.10.2011

 

Wertung: 4/12

 

Als bekannt wurde, dass Lou Reed und Metallica ein gemeinsames Album aufnehmen, war die Verwunderung ziemlich groß. Mit dieser Konstellation hatten wohl nur die Wenigsten gerechnet. Danach gab es jede Menge Spekulationen und als schließlich die ersten Schnipsel auftauchten, war das Entsetzen groß. Die Metal-Gemeinde im Internet drehte kollektiv am Rad und war entgeistert. Das ist ja auch immer eine Frage der Erwartungen. Und da stellt sich natürlich die Frage, was man(n) denn nun von „Rockmusik, die mit intellektuellen Inhalten zu füllen wäre, wie man es eben einst von Romanen oder Filmen kannte“ - so der Ansatz von Reed – erwarten konnte?!

 

Willkommen in der Welt der Avantgarde! Wer hier ein Metallica-Album herbei gesehnt hat, wird bitter enttäuscht werden. „Lulu“ hört sich in letzter Konsequenz genau so an, wie wenn eben Lou Reed und Metallica zusammen ins Studio gehen. Im Hintergrund gibt es das Metalbrett und vorne wütet Reed mit seinem bekannten Sprechgesang mit Stakkatoeinsätzen. „Lulu“ ist aber viel mehr als die Teile seiner musikalischen Summe. Hier werden die Theaterstücke „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandorra“ des deutschen Dramatikers Frank Wedekind vertont. Vor diesem Hintergrund ist die Apokalypse, die Reed mit seiner Backingband hier abbrennt, gar nicht so misslungen. Aber eben auch NUR vor diesem Hintergrund. „The View“ oder „Pumping Blood“ sind allerdings nicht dafür geeignet, dass die Sonne hell am Firmament leuchtet. Man wähnt sich in der Hölle und da wütet eine Feuerbrunst. Eine handfeste Depression ist vorprogrammiert.

 

Wie sollte es auch anders sein? „Lulu“ hat sexuelle Sehnsüchte fällt aber am Ende Jack The Ripper zum Opfer. Dazwischen gibt es jede Menge abstoßende Absonderlichkeiten. Wedekind beschreibt dies lust- aber eben auch qualvoll. Nichts anderes hatte Reed im Sinn. Insofern ist er auch die treibende Kraft hinter diesem Projekt und eben nicht die „größte Metalband der Welt“! Improvisationen und Jams gehen ebenfalls eindeutig auf das Konto des Mannes, der schon öfters mal die Randgebiete der Musik und des Zumutbaren erforscht hat. Fans von Lou Reed könnten diese Platte lieben!

 

Natürlich sind Metallica nicht gänzlich außen vor und es dröhnt und kracht, dass es eine Freude sein könnte. Irgendwie haben es aber alle übertrieben und während Reed im Vordergrund seine teilweise erschreckend banalen Texte auskotzt, hat die Band vergessen den Stöpsel zu ziehen und dann mäandert das doch recht ziellos durch die Gegend und ist deutlich zu lang ausgefallen. Da mögen die Ambitionen und der Ansatz noch so löblich sein, das scheitert dann nämlich genau in diesen Momenten an den eigenen Ansprüchen.

 

Hat man die ersten Hörproben verdaut und wagt sich dann an das komplette Werk, welches sich immerhin über zwei CDs erstreckt, dann wird man so manche Überraschung erleben. Natürlich rollen Metallica auch mal einen schweren Metalteppich aus oder dröhnen sich wie bei „Dragon“ im Stile von Black Sabbath durch die Lande, aber es geht oft genug auch in Richtung Kammermusik. Von Reed konnte man das erwarten, von Metallica sicher nicht. „Frustration“ wird sicher bei einer Vielzahl genau für eine solche sorgen. Als wäre die Grundstimmung nicht schon deprimierend genug, setzen die Herren auch noch Streicher ein, die den bösen Jungs des Metalthrons angeblich im Studio die Tränen in die Augen getrieben haben. So manchem Fan wird vor Wut und Trauer sicher auch das eine oder andere aus dem Auge tropfen. Das Thrashgebolze von „Mistress Dread“ kann da leider auch keine Kastanien mehr aus dem Feuer holen. Mit dem letzten Aufbäumen von „Junior Dad“ schießen alle Beteiligten dann endgültig den Vogel ab. Über zwanzig Minuten zieht sich das Ding, welches zum Schluss gar in Lounge-Gefilde abdriftet. Ein Brocken, der selbst für Progrockgeübte eine nicht zu knackende Nuss sein dürfte.

 

Fazit: „Lulu“ wird die Lager kaum spalten. Es wird gar nur ein Lager geben! „Lulu“ wird als eines der großen Missverständnisse in die Rockmusik eingehen. Die Zusammenarbeit von Lou Reed und Metallica ist gründlich in die Hose gegangen. Vor dem Hintergrund, dass Reed hier eigentlich ein Theaterstück im Sinn hatte, mag die Geschichte von „Lulu“ sogar funktionieren, aber dann sollte es eben auch entsprechend aufgeführt werden. Als Album kann man dieses Experiment nämlich kaum werten. Avantgarde hin oder her, hier passt einfach nicht zusammen, was schon auf dem Papier nicht zusammengehört. Vielleicht werden die Intellektuellen eines Tages aber auch von einem Meisterwerk und einer Wunderplatte sprechen – auch das wäre nicht das erste Mal für Reed und seine „Musik“.

 

http://www.loureed.com/loureedandmetallica/

http://www.metallica.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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