Alanis Morissette: Jagged Little Pill - 20th Anniversary (Deluxe Edition)
Rhino Warner
VÖ: 30.10.2015
Wertung: 9/12
Als Alanis Morissette im Juni 95 ihr Album „Jagged Little Pill“ veröffentlichtet, hat sie vermutlich nicht mal im Traum daran gedacht, dass die Platte eine derartige Lawine lostreten würde. Mit ihrem dritten Werk wurde sie über Nacht in die Riege der Superstars aufgenommen. Mittlerweile dürften annähernd 35 Millionen Einheiten von „Jagged Little Pill“ über die Ladentheke gewandert sein. 1996 durfte sie zudem die Grammy Awards für „das Album des Jahres“ und „bestes Rockalbum“ nach Hause tragen. „Jagged Little Pill“ wurde aber nicht nur im Mainstream dankbar angenommen, auch im Indiebereich wurde zumindest anerkennend mit den Kopf genickt. Dies dürfte mitunter an der Beteiligung von Flea und Dave Navarro der Red Hot Chili Peppers gelegen haben. Jetzt erscheint zum 20-jährigen noch mal eine Neuauflage.
Die Kanadierin war damals gerade mal 20 Jahre jung. Und wütend. Wütend auf einen Ex-Freund, der in dem rotzigen „You Oughta Know“ sein Fett wegbekommt. Die neue Partnerin gleich mit. Eine Hymne für alle verlassenen Frauen. „Jagged Little Pill“ ist auf eine ganz besondere Art ruppig. „Right Through You“ bringt die Quintessenz der Platte auf den Punkt. Da heulen die Gitarren auch schon mal in schönster Indiemanier auf. Die Dame hatte aber damals schon diese zärtlichen Momente zu bieten, die ihrer vibrierenden Stimme mal eine andere Facette abverlangten. Die wunderschöne Ballade „Perfect“ oder das poppige, luftige „You Learn“ unterstreichen diese Seite nachhaltig. Und das eindringliche „Mary Jane“ berührt natürlich immer noch.
„Head Over Feet“ ist das was man einen perfekten Rockpop-Song nennt – inklusive Dylan-Gedächtnismundharmonika. „Ironic“ dürfte nach „You Oughta Know“ der Song sein, der sich längst zu einem modernen Klassiker entwickelt hat. Mit „Not The Doctor“ hat sie auch schon einen musikalischen Blick in die Zukunft geworfen, auch wenn es noch nicht ganz so esoterisch zugeht. „Wake Up“ ist gesanglich leicht drüber, aber das kennt man von der Kanadierin ja, nur hier hat sie sich weitestgehend immer im Griff. „You Oughta Know“ als letzter Song ist der bekannte Remix, der aber auch keine neuen Erkenntnisse liefert. Die A Cappella-Version von „Your House“ - als Hidden Track – ist das komplette Gegenteil vom rotzigen Auftakt „All I Really Want“ und somit der perfekte Abschluss. Es schließt sich ein Kreis.
Alanis Morissette hat an dieser Neuauflage federführend mitgearbeitet. Sie schrieb extra für das Booklet ein paar Liner Notes und gibt so auch Einblicke in die Entstehung der zehn Demos. Einige unbekannte Fotos runden das ganz nett ab, aber natürlich sind diese recht klein, was aufgrund des Formats kein Wunder sein dürfte. Bei der Verpackung hat man auf das bewährte und gängige Digipack-Format gesetzt.
Von den Demos darf man jetzt keine Wunderdinge erwarten. Mit „The Bottom Line“ gibt es einen historisch wichtigen Beitrag, da dies der erste Song ist, den Morissette mit Produzent Glen Ballard innerhalb von einer Stunde im Jahre 94 bei ihrem ersten Treffen schrieb. Die Nummer ist noch recht windschief, aber eben von besonderer Bedeutung für „Jagged Little Pill“. „Superstar Wonderful Weirdos“ kann auch keine Bäume ausreißen und ist mit seinem Folkgewand auch nicht unbedingt repräsentativ für dieses Werk. „Closer Than You Might Believe“ stammt auch aus diesen Sessions und geht schon eher in die Richtung, die das Album letztlich eingeschlagen hat. Hymnenhaft schält sich die Nummer aus den Boxen und hätte mitunter sogar Hitqualitäten zu bieten. Das zerbrechliche „Avalon“ stellt ebenso eine Bereicherung dar, wie die Pianoballade „Comfort“. „Gorgeous“ hingegen ist eher ein Songfragment. Der Gesang ist auch alles andere als rund.
Mit „King Of Intinidation“ und „Death Of Cinderella“ gibt es auch ein paar Nummern, die sie auf Tour schrieb – die also nicht direkt mit der Entstehung von „Jagged Little Pill“ in Zusammenhang stehen. Hört sich dann auch noch an – zumindest erstgenannter Song – als wäre das auf der Toilette irgendeiner Raststätte aufgenommen worden. „London“ wird alle begeistern, die Alanis nur aufgrund ihrer Stimme schätzen. Die Akustikballade ist auf das Wesentliche reduziert worden. Mit „These Are The Thoughts“ baut die Dame sehr viel Atmosphäre auf, nur scheint der Song nicht konsequent bis zum Ende gedacht zu sein – aber nicht vergessen: es ist ein Demo!
Fazit: „Jagged Little Pill“ von Alanis Morissette ist eines der erfolgreichsten Alben der 90er. Jetzt feiert das Album auch schon sein 20-jähriges Jubiläum. Dies ist Anlass genug, um die Platte noch mal richtig zu würdigen. Dies geschieht nun mit neuem und erweitertem Booklet und ein paar persönlichen Eindrücken von Alanis, aber auch mit einer zweiten CD, die unveröffentlichte und rare Demos zu bieten hat. „Jagged Little Pill“ gehört ja sowieso in jeden anständige Musiksammlung und anhand der Demos kann man sich dann auch wunderbar in diese Zeit zurückversetzen lassen. Die Demos sind zwar nicht immer das gelbe vom Ei, aber das versteht sich ja von alleine. Insgesamt ist das aber eine sehr schöne und runde Sache!
Text: Torsten Schlimbach