Baroness: Stone
ADA/Warner
VÖ: 15.09.2023
Wertung: 10/12
Tipp!
Die Farbpalette scheint erschöpft und somit geben Baroness ihrem Album mit „Stone“ einen gänzlich anderen Titel als gewohnt. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Kapelle nun erstmals ein zweites Album in der Besetzung des Vorgängers aufgenommen hat. Produziert wurde es gleich auch noch in Eigenregie. Dies alles fand irgendwo auf dem amerikanischen Land statt. Und nein, „Stone“ hört sich nicht wie der Vorgänger an, sondern ist gänzlich anders ausgefallen. Die Magie, wenn die Vier in einem Raum stehen, wurde hier gut eingefangen.
Eingerahmt wird das alles von den beiden Akustiksongs „Embers“ und „Bloom“. Und dazwischen? Ist alles knackig auf den Punkt gebracht: klar in der Produktion, fein austariert, kein Schnickschnack. Gina Gleason ist dabei der heimliche Star von „Stone“. Hier können alle Griffbrettwichser mal hinhören wie es geht. Gleason ist aber auch gesanglich stark vertreten. Oft wird mit Baizley im Duett gesungen, wodurch das Album noch mal einen stärkeren Anstrich erhält.
Baroness haben auch wieder Hymnen wie „Last Word“ im Paket. „Beneath The Rose“ bollert so schön, dass einem warm ums Herz wird. So ein bisschen Prog ist bei Baroness ja immer dabei. Das bucht man mit jedem Album. Der Sprechgesang wirkt hier düster, gar bedrohlich. Kann man Sludge Metal auf die Spitze treiben? Mit „Choir“ machen Baroness genau das. Mit „The Dirge“ gib es ein Folkstück mit mehrstimmigem Gesang! Dieses kurze Zwischenspiel wird natürlich mit „Anodyne“ direkt wieder plattgewalzt.
„Shine“ ist auch wieder so ein Ding mit dem Zeug zum neuen Lieblings-Metal-Song! Davon gibt es aber sowieso viele. Insbesondere „Magnolia“ gehört dazu. Hier werden so viele Musikrichtungen vereint, dass einem die Kinnlade runterklappt. Die Emotionalität, die der Song ausstrahlt, ist sowieso derart mitreißend, dass man schon mal ein Tränchen im Knopfloch haben kann. „Under The Wheel“ hat einen Spannungsbogen, der als sensationell bezeichnet werden muss. Puh. Besser geht es nicht.
Fazit: „Stone“ von Baroness ist anders als seine Vorgänger. Es liegt vermutlich daran, dass das Quartett abgeschieden miteinander musiziert und die Songs aufgenommen hat. Die große Stärke des Albums ist seine unglaubliche Vielfalt. Klar, der Sludge Metal-Anteil ist natürlich noch da, aber von Folk bis Prog reicht die weitere, bunte Palette. Emotional holt einen das Album sowieso ab. Gutes Ding!
Text: Torsten Schlimbach
Baroness: Purple
Universal
VÖ: 18.12.2015
Wertung: 10/12
Tipp!
Es ist ja keine neue Erkenntnis, dass Künstler schon immer aus Tragödien Kraft schöpften und nicht selten etwas für die Ewigkeit schufen. Ob das neue Album von Baroness tatsächlich Bestand für alle Zeiten haben wird, muss sich natürlich erst noch zeigen. Man kann aber schon jetzt sagen, dass „Purple“ das bisher beste Album der Band ist und durchaus unter der Kategorie Meisterwerk zu verbuchen ist. Dabei standen Baroness kurz davor, das Bandkapitel beenden zu müssen. Bei dem schrecklichen Unfall und Bus-Crash hatte sich Sänger John Baizley schlimmste Verletzungen zugezogen. Verheilt sind selbige immer noch nicht, denn die Nahtod-Erfahrung stürzte ihn in eine mittelschwere Depression. Schlagzeuger Allen Blickle und Bassist Matt Maggioni mussten gleich ganz die Segel streichen und beendeten für sich das Kapitel Baroness. Mit Nick Jost und Sebastian Thomson fanden Adams und Baizley Ersatz. Die Kapelle berappelte sich wieder und machte sich ein ganzes Jahr auf um eine Tour zu spielen. Danach gingen die vier Herren in Klausur und nahmen sich ein komplettes Jahr Zeit für das Schreiben von neuen Songs. Das Ergebnis ist nun das Monster „Purple“.
Musik hat mittlerweile ja immer weniger mit Kultur zu tun und wird mehr und mehr zum schnellen Konsumgut. Wer verwendet da noch großartig Zeit auf und für das Artwork? So wie es früher mal Tradition war? Baroness und Baizley sind auch da anders. Das fängt bei der Farbgebung an und hört beim Frontcover noch lange nicht auf. Hier gibt es jede Menge Spielraum für Interpretationen. Schon die Farbe und wie selbige entsteht, lässt ja schon jede Menge Rückschlüsse zu – und doch auch wieder nicht. Auch die vier Frauen auf dem Cover dürften nicht zufällig ihren Weg dorthin gefunden haben. Baizley erklärt sich aber nicht und überlässt dem Betrachter seine eigene Interpretation. Dies gilt auch für die Musik, die aufgrund der Titel den Hörer schon auf die eine oder andere Begebenheit mit der Nase stößt. Der berühmte Wink mit dem Hochhaus und doch ist „Purple“ kein offenes Buch.
„Purple“ ist musikalisch verschachtelt. Das Album hält wunderbar die Balance der Vorgänger. Die Eingängigkeit der grün-gelben Platte wurde nicht zu den Akten gelegt, aber erfreulicherweise hat die Kapelle wieder zu den Sludge-Riffs des roten und zum progressiven Ansatz des blauen Albums zurückgefunden. Diese Mischung macht die neun Songs somit zu einem aufregenden Brocken, der nicht unanspruchsvoll ist. Man kann förmlich in diesem Werk versinken. Für „Shock Me“ gibt es dann den berühmten Satz, dass diese Nummer in einer besseren Welt ein verdammter Hit wäre. Ein Manifest von einem Song. Der emotionale Gesang erinnert da zeitweise an die großartigen Deftones. Der Spagat zwischen eingängigem Melodien und gepflegter Härte gelingt kongenial. Mit „Morningstar“ gehen Baroness zu Beginn richtig brachial zu Werke. Dies ist Metal in seinen schönsten Facetten. Auf den progressiven Auftakt folgt der harte Ausbruch, nur um dann zu den Strophen den Takt und das Tempo zu ändern. Die vielen kleinen und versteckten Tempowechsel sorgen sowieso dafür, dass es immer spannend bleibt. Da steckt sehr viel Liebe zum Detail drin – und eine ganze Menge aufrichtiges Herzblut. „Try To Disappear“ lässt aufhorchen, weil da pluckernde Elektronik auf Gitarren trifft, die jeder Classic Rockband der 70er die Ehre erweisen, nur um im nächsten Moment beim Progrock zu landen. Was sich liest, als wäre es ziemlich anstrengend, ist in Wirklichkeit komplett im Fluss. „Kerosene“ lässt natürlich am ehesten Assoziationen mit dem Unfall zu. Das Gitarrentorso im Mittelteil deutet die tragischen Ereignisse sicher an. Der hymnenhafte Gesang zum Schluss lässt durchaus auf den positiven Ausgang schließen. Mit „Fugue“ gibt es im direkten Anschluss – abgesehen vom Outro „Crossroads Of Infinity“ - den kürzesten und ruhigsten Song des Albums. Zunächst sphärisch schälen sich die Klänge aus den Boxen, gehen dann mal kurz beim Jazz vorbei, um schließlich beim Classicrock mit Progeinschlag zu landen – und das alles in zweieinhalb Minuten!
„Chlorine & Wine“ ist die Single von „Purple“. Mutig, für eine Nummer, bei der der Gesang nach mehr als zwei Minuten einsetzt. Das Stück beginnt sehr ruhig, kriegt aber noch eine Heaviness verpasst, dass man schon mal Bauklötze staunen darf. Und dann fährt ein Solo dazwischen, dass es einem schwindelig wird. Hier passiert künstlerisch derart viel, dass dies wohl der Weg von Baroness zurück aus den dunklen Stunden markiert. Brillant! „The Iron Bell“ fängt verträumt an, dreht nach hinten raus aber komplett ab. Man darf und muss auf diesem Album mit allem rechnen. Auch mit einem Brecher wie „Desperation Blues“, der die Sludge-Metal Fahne im Wind wehen lässt. Man weiß ja, wie sich der Unfall ereignete, da dürfte der Titel von „If I Have To Wake Up (Would You Stop The Rain)“ keine Fragen offen lassen. Programmatisch. Eine Nummer, die sich langsam dahinschleppt, ohne aber an Dynamik vermissen zu lassen.
Fazit: Baroness melden sich mit „Purple“ zurück. Und wie! Das darf man durchaus als ein Meisterwerk bezeichnen. Progrock, Sludge-Metal, Jazz, Elektronik, Hymnen, Heaviness und eine ganze Menge Können und Brillanz lassen das zu dem besten Rockalbum des Jahres werden. Abgesehen davon ist das ein Album der alten Schule - also auch mit einem Cover-Kunstwerk. Großartig, dass es noch solche Bands gibt!
Text: Torsten Schlimbach