Herbert Grönemeyer: Live In Bochum

Herbert Grönemeyer: Live In Bochum

Grönland/Universal

VÖ: 25.11.2016

 

Wertung: 7,5/12

 

Die Republik darf Herbert Grönemeyer zum 60. Geburtstag gratulieren. Gibt es eigentlich einen Haushalt, wo nicht mindestens eines seiner Alben zu finden ist? Der Mann hat über die Jahrzehnte wie kaum ein anderer deutscher Künstler die Massen bewegt. Jetzt wird ihm zu Ehren eine ganz besondere Box veröffentlicht. Oder zu Ehren seiner Fans – kommt ja immer auf die Sichtweise an. „Alles“ beinhaltet alle Studioalben, ausgewählte Live-Alben, die zwei Film-Soundtracks zu „The American“ und „A Most Wanted Man“, eine CD mit raren Tracks, eine Remix-CD sowie sein englischsprachiges Album „I Walk“. Das ist ja mal eine Sause. Zeitgleich gibt es „Live In Bochum“ auch als selbstständiges Album zu kaufen. Hierbei handelt es sich um das Bochumer Konzert aus dem Jahr 2015 im Rahmen der „Dauernd jetzt“-Tour.

 

Die Aufmachung von „Live In Bochum“ ist ziemlich ernüchternd. Da hat man sich so gar keine Mühe gegeben. Das Booklet verdient den Namen eigentlich nicht. Das dünne Faltblättchen hat ein paar Fotos zu bieten, die im Grunde unbrauchbar sind, weil man sowieso kaum etwas erkennt. Credits und Danksagung – das war es. Kann man im CD-Format aber sowieso kaum lesen. Schade, da hätte sich auf jeden Fall mehr herausholen lassen!

 

Das Konzert liegt auch nicht komplett vor. Auf der vorliegenden CD finden sich nun 21 Songs wieder. Mit „Roter Mond“ und „Ich Dreh Mich Um Dich“ gibt es zwei Bonustracks, die in Berlin aufgenommen wurden. Grönemeyer ist auch heute noch keine Jukebox und gewährt auch vielen neueren Songs einen festen Platz in seinem Set. Der Auftakt mit „Unter Tage“, „Wunderbare Leere“, „Fang Mich An“ und „Unser Land“ ist dann doch etwas gewöhnungsbedürftig. Danach gibt es die bekannten Töne vom „Steigerlied“, die natürlich alle aus vollem Halse mitsingen. Durch „Bochum“ hetzt der Meister etwas ruhelos und abgehakt. „Stück Vom Himmel“ sitzt da besser. Das Medley aus „Männer“, „Was Soll Das“ und „Vollmond“ ist auch eher unpassend. Dafür rührt einen „Der Weg“ immer noch zu Tränen. Im Stadion ist es selbstverständlich mucksmäuschenstill.

 

„Flugzeuge Im Bauch“ erhält im Jazzgewand die dringend benötigte Frischzellenkur und „Musik, Nur Wenn Sie Laut Ist“ rockt ganz amtlich. Das gilt auch für „Alkohol“, welches aber auch noch eine Spur Düsternis mit auf den Weg bekommt. „Bleibt Alles Anders“ hat live schon ein paar Hardrocktöne zu bieten. Kommt gut. Mit „Morgen“ und „Demo (Letzter Tag)“ wird der Fuß wieder vom Gaspedal genommen. Das wunderschöne „Halt Mich“ dürfte die Zuschauer vor Ort ganz sicher berührt haben. Das schafft die Nummer aber auch aus der Konserve. Danach folgt mit „Der Mond Ist Aufgegangen“ das logische Ende. Die beiden Bonustracks überzeugen natürlich auch, besonders die Ansprache von Grönemeyer vor „Roter Mond“.

 

Fazit: Herbert Grönemeyer feiert Geburtstag und seine Fans kriegen mit „Alles“ eine dicke Box präsentiert, die neben allen Studioalben auch noch ein paar Raritäten zu bieten hat. Selbstlos ist das natürlich nicht, kostet ja auch ein bisschen was. Ist aber sicher ein schönes Ding. Mit „Live In Bochum“ wird zeitgleich das Konzert der letzten Tour in Bochum veröffentlicht. Grönemeyer live ist ja immer ein Ereignis und für Fans ist das natürlich eine unverzichtbare Aufnahme. Die Aufmachung ist allerdings etwas dürftig. Wer Grönemeyer schon mal live erlebt hat, weiß was man hier erwarten kann.

 

http://www.groenemeyer.de/

 

Text: Torsten Schlimbach

Herbert Grönemeyer: Dauernd Jetzt – Extended (CD/DVD/Blu-ray)

Herbert Grönemeyer: Dauernd Jetzt – Extended (CD/DVD/Blu-ray)

Grönland/Universal

VÖ: 27.03.2015

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Es war wohl wenig überraschend, dass das letzte Grönemeyer-Album „Dauernd Jetzt“ aus dem Stand auf den ersten Platz der Charts in Deutschland, Österreich und der Schweiz ging. Dafür gibt es ja quasi eine Garantie. Der Mann hat sich über die Jahrzehnte diesen Status durch sehr viel gute Musik einfach verdient. Enttäuscht hat er seine Fans und Zuhörer sowieso ganz selten. „Dauernd Jetzt“ war dann aber doch irgendwie überraschend, mit einem derart guten Werk hatten wohl die Wenigsten gerechnet. Kritiker und Fans waren begeistert. Jetzt wird noch mal eine erweiterte Version nachgeschoben. Diese Unart hat sich im Musikgeschäft ja mittlerweile eingebürgert. Es ist kaum noch lohnend sich zum Erscheinungstermin ein Album zu kaufen, denn man muss ja damit rechnen, dass nach ein paar Monaten eine neue Version auf den Markt geschmissen wird.

 

Im vorliegenden Fall ist das Paket natürlich sehr, sehr stimmig. Neben dem Album – im festen Schuber – gibt es nun auch noch ein dickes Büchlein dazu. Das 48-seitige-Booklet ist schon sehr gelungen. Dazu gibt es die Platte der Deluxe Edition, sprich 16 Songs. Richtig fett ist das weitere Material, welches sowohl auf DVD wie auch Blu-ray vorliegt. Dies alles gibt es schon für knapp 15 Euro, was mitunter eben auch dem Preis einer Einzel-CD entspricht. Da kann man dann aufgrund der Fülle schon nicht meckern, zudem man die 74 Minuten der DVD/Blu-ray auch einzeln auf iTunes erwerben kann.

 

Zum Album ist weiter unten ja schon alles gesagt. Das neue Konzert von Grönemeyer steht natürlich auch ganz im Zeichen von „Dauernd Jetzt“. Grönemeyer traf sich mit seiner Band zur Veröffentlichung im November in einem kleinen Studio in Hamburg-Altona. Einem ganz kleinen Teil seiner Fans wurde das große Glück zuteil daran teilhaben zu dürfen. 300 Zuschauer passten auch noch mit in das Studio. Grönemeyer in Club-Atmosphäre erlebt man ja auch nicht mehr allzu häufig. Die neuen Songs wurden an diesem denkwürdigen Abend zum ersten Mal überhaupt vor Zuschauern gespielt. Entsprechend groß war die Aufregung vor und auf der Bühne. Von „Dauernd Jetzt“ wurden gleich neun Songs gespielt, dazu wurden noch sechs seiner Hits und Klassiker dargeboten. Es war ein besonderer Abend und daran lässt einen Grönemeyer nun – zumindest ein kleines Stück – teilhaben, auch wenn es nur aus der Konserve ist.

 

Es ist ja nicht das erste Grönemeyer Konzert, welches man sich auf DVD oder Blu-ray angucken kann. Es wird vermutlich auch nicht das letzte sein, aber so nahe kommt man dem Herbert vermutlich nicht mehr. Die Intimität und die Nähe des Künstlers zu seinem Publikum wurde von den Kameras kongenial eingefangen. Man kriegt nicht nur einen kleinen Eindruck von diesem kleinen Rahmen, man wähnt sich gar mittendrin. Der Sänger, aber auch die Musiker seiner Band sind immer wieder greifbar nah im Bild. In diesem Ausmaß ist das bei derartigen Veröffentlichungen eigentlich die Ausnahme. Erfrischend uneitel ist das. So nah dran kriegt man einen Eindruck von den Gefühlswelten, die die Herrschaften da während des Konzerts durchleben. Mal ist das unglaublich konzentriert und angespannt und dann macht sicher wiederum unbändige Freude breit. Ehrliche Freude. Auch das Publikum – und man hat wirklich das Gefühl, dass man jeden Einzelnen tatsächlich einmal im Bild gesehen hat – wird bei dieser Produktion sehr schön eingebunden.

 

Durch den Einsatz von beweglichen Handkameras sieht man das Geschehen natürlich aus allen möglichen Perspektiven. Eine Schwenkkamera über der Bühne bietet aber auch einen Blick aus der Vogelperspektive. Die fest installierten Kameras sorgen dann für viele weitere Details. Erfreulicherweise hat man sich da beim Schnitt nicht ausgetobt, sondern das zu einem schönen Ganzen geformt. Das Bild ist klar, der Schwarzwert sehr gut und Dinge wie Kompressionsfehler oder Schlieren sind nicht zu erkennen. Auch die Farben wirken sehr natürlich, war aufgrund des Screens hinter der Bühne und der dort eingeblendeten visuellen Bilder nicht selbstverständlich ist. Der sehr gute Ton rundet das positive Gesamtbild ab.

 

Die neuen Songs funktionieren live wunderbar, obwohl man Grönemeyer seine Aufregung zu Beginn deutlich anmerkt. Er spielt Keyboard, Gitarre und tanzt über die Bühne und sucht regelmäßig den Kontakt zu seinen Fans. Der Knoten ist schnell geplatzt und dann merkt man auch, dass alle Beteiligten diesen Abend genießen. „Wunderbare Liebe“, „Roter Mond“ oder beispielsweise „Feuerlicht“ fügen sich sehr schön in die Klassikerriege wie „Mensch“, „Ein Stück Vom Himmel“, „Bleibt Alles Anders“ oder „Was Soll Das“ ein. Alle haben Spaß an den Stücken und hier zeigt sich auch mal wieder, dass Grönemeyer das ist, was man gemeinhin als Rampensau bezeichnet – eine sympathische dazu.

 

Fazit: Da ist dem Herbert noch mal ein dickes Ding gelungen. Eigentlich bietet „Dauernd Jetzt – Extended“ ja genug Angriffsfläche für sehr kritische Worte. So kurz nach der ursprünglichen Veröffentlichung schon wieder eine neue Ausgabe nachzuschieben, ist sicherlich mit einem etwas bitteren Beigeschmack verbunden. Eigentlich! Das Ding gibt es nämlich schon für schlappe 15 Euro und das mit DVD und Blu-ray! Und wer das wiederum nicht möchte kann sich das Konzert auch einfach über iTunes einzeln nachkaufen. So schrumpft die Kritikkeule schon auf ein Minimum zusammen und wenn man sich dann noch dieses intime, toll gefilmte und geschnittene Konzert mit Musikern in ganz großer Spiellaune anguckt, dann ist selbige vollends verflogen.

 

http://www.groenemeyer.de/

 

Text: Torsten Schlimbach

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Herbert Grönemeyer: Dauernd Jetzt (Deluxe Edition)

Herbert Grönemeyer: Dauernd Jetzt (Deluxe Edition)

Grönland/Universal

VÖ: 21.11.2014

 

Wertung: 8/12

 

Man kann Herbert Grönemeyer sicher nicht vorwerfen, dass er nicht immer wieder auf der Suche nach Neuerungen wäre. Der Mann scheint immer noch genug Forscherdrang zu haben um sich und seine Musik stetig weiterzuentwickeln. Jetzt mögen einige kritische Zeitgenossen aber vehement vermelden, dass sich seine Songs doch immer nach Grönemeyer anhören würden. Natürlich ist das so, sie sind ja auch, Überraschung, nun ja, von Grönemeyer. Seine – für die Einen charmante, für die Anderen nervige – Art des Nichtgesangs lässt natürlich keine Fragen offen wer denn dahinter steckt. Trotzdem hat sich der Mann über die Jahrzehnte musikalisch extrem gewandelt und weiterentwickelt. „Dauernd Jetzt“ ist eine weitere Bestandsaufnahme.

 

Herbert Grönemeyer scheint mit „Dauernd Jetzt“ erstmals angekommen zu sein. Er grübelt nicht über die Zukunft und er lässt auch die Vergangenheit ruhen. Textlich ist dieses Album fest im Hier und Jetzt verankert. Es ist alles gut so wie es ist, Grönemeyer ist „Einverstanden“. Im Oktober 2013 machte sich der Bochumer auf die Reise. Mit im Boot war – wie seit „Bleibt alles Anders“ - Alex Silva. Aufgenommen wurde in den geschichtsträchtigen Berliner Hansa-Studios, den RMV Studios in Stockholm (Betreiber: Ex-ABBA-Mastermind Benny Andersson) und La Fabrique im französischen Saint-Rémy de Provence – ein altes Gutshaus, in dem sich die ganze Grönemeyer-Band im Frühjahr 2014 für zwei Wochen einmietete. Dort wurden übrigens einige Songs unter Live-Bedingungen eingespielt.

 

Wer hätte gedacht, dass Travis-Sänger Fran Healy mal auf einem Grönemeyer-Album zu hören ist? Nicht als Sänger, sondern wie auf „Morgen“ an der Gitarre? Die Metal-Streicher von Apocalyptica sind auf „Uniform“ zu hören und das weltbekannte Duo Amadou und Mariam aus Mali hat er auch noch für eine Zusammenarbeit gewinnen können. Was 2006 mit dem Fußball-WM-Song „Zeit, dass sich was dreht“ begann, wird nun fortgesetzt. Es ist trotzdem natürlich durch und durch ein Herbert Grönemeyer-Album.

 

So oft Grönemeyer schon auf neuen Pfaden gewandelt ist, so sehr ist „Dauernd Jetzt“ auf gewisse Art und Weise eine Bestandsaufnahme, auch das unterstreicht den Gegenwartsansatz. Ein „Best Of“, nur eben mit neuen Liedern. Er hat auch wieder was zu sagen. Über „Unser Land“ und Flüchtlinge und so. Über die Liebe, gleich mehrmals. Über das Glücklichsein im Allgemeinen und das Akzeptieren der Gegebenheiten. Musikalisch ist das mal Deutschrock - ohne dabei zu sehr in diese Tümmelei zu verfallen - es ist aber hin und wieder auch ein Balladenalbum. „Ich liebe mich durch“ ist vielleicht sogar sein schönstes, akustisches Liebeslied. Feinstes Fingerpicking und dazu singt er fast schon zurückhaltend. Und ja, er singt! Verständlich gar. „Verloren“ ist auch so ein großer Pianoballaden-Moment. Im Bonusteil gibt es mit „Pilot“ gar noch einen weiteren Song dieser Machart. Da ist er wieder der Herbert, der mal laut und dann wieder ganz leise wird, ganze Silben verschluckt oder in seinen üblichen Stakkato-Gesang ausbricht. „Wunderbare Leere“ ist derart typischer Deutschrock, dass Maffay, Kunze und Wolf Maahn vor Freude in die Hände klatschen werden. „Uniform“ bringt dann noch ein bisschen theatralisches Soundtrack-Flair mit, lässt urplötzlich aber auch ein paar klangliche Reminiszenzen an The Doors zu. Das unterscheidet den Mann eben von einer Vielzahl seiner Kollegen. „Der Löw“ ist dann etwas zu viel mit Pathos überschüttet worden, aber schließlich sind WIR alle ja Weltmeister. Irgendwie. „Unter Tage“ ist dann keine neue Ruhrpotthymne, nein, eine karge Bestandsaufnahme. Musikalisch ist das aber etwas bedeutungsschwanger. Und dann setzt er mal eben „Feuerlicht“ an das Ende der regulären CD. Zum Niederknien ist das. Wunderschön und großartig instrumentiert. Auch das ist Grönemeyer und dann kommen ja noch die fantastischen Bonustracks. Das Instrumentalstück „Annäherung“ schwebt durch Raum und Zeit und ist der perfekte Vorbote zum Remix von „Fang Mich An“.

 

Fazit: „Dauernd Jetzt“ ist nicht die Neuerfindung von Herbert Grönemeyer. Die Platte bietet dafür einen Streifzug durch seine musikalische Bandbreite. Da der Mann aber stets ein Suchender ist, hat er natürlich auch wieder etwas Neues entdeckt: die Gegenwart und das Wir! „Dauernd Jetzt“ steht mit beiden Beinen im Hier und Jetzt und mit „Unser Land“ hat er das Wir-Gefühl zu Papier gebracht. Nicht das Du, nicht das Ich, sondern das Wir und das ist für Grönemeyer neu. Es ist schon bezeichnend, dass dieses Album just an dem Tag veröffentlicht wird, wo der Rest der deutschen Sangesbarden diese Woche für die deutsche Auflage von Band Aid im Studio stand, die ebenfalls heute veröffentlicht wird. Grönemeyer fehlt da und hat mal wieder alles richtig gemacht!

 

http://www.groenemeyer.de/

 

Text: Torsten Schlimbach

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