Incubus: The Essential (2 CDs)
Sony
VÖ: 19.10.2012
Wertung: 8/12
War es das jetzt mit Incubus? Keiner weiß wie es mit der Band nun wirklich weiter geht. Die grandiose DVD „HQ Live“ sah schon sehr nach Abschiedsgeschenk aus. Die Konzerte, die hier filmisch festgehalten wurden, sowieso. Nun schmeißt Sony auch noch eine Zusammenstellung auf den Markt. Man könnte jetzt fast ein bisschen wehmütig werden, ganz besonders, wenn man noch mal diese grandiosen Songs aus dem Backkkatalog hört! Allerdings ist die letzte Veröffentlichung dieser Art, nämlich „Monumentes And Melodies“, auch erst gut und gerne drei Jahre her. Macht „The Essential“ da überhaupt noch Sinn, zumal es kein neues Material auf die Ohren gibt? Bei der ersten „Best Of“ haute die Band immerhin jede Menge neues Material raus.
Die Aufmachung von „The Essential“ ist recht ordentlich. Den Journalisten Gary Graff ließ man die Liner Notes verfassen und auch sonst enthält das Booklet zumindest die wichtigsten Informationen bereit. Das alles hat man auch schon schlechter angeboten bekommen. Über die Songauswahl kann man natürlich streiten – wie immer bei solchen Geschichten. Die chronologische Reihenfolge lässt den Zuhörer aber noch mal sehr gut die Entwicklung der Band verfolgen. Ein paar rare Sachen von den EPs oder den Soundtrackbeitrag „Make A Move“ gibt es immerhin auch zu hören. Für Fans ist das natürlich alles ein alter Hut! „The Essential“ richtet sich somit an alle, die von der Band schon immer mal was kaufen wollten, sich aber nie entscheiden konnten.
Die Entwicklung, die Incubus über die Jahre genommen hat, ist schon erstaunlich. „Version“ von der EP „Enjoy Incubus“ geht als eine Mischung aus den Deftones, Red Hot Chili Peppers und einer Jazzfunkband in die Geschichtsbücher ein. Nu Metal oder doch Progressiver Metal? Wobei „A Certain Shade Of Green“ natürlich auch eine Art Crossover ist. Hier hatte die ganze Frickelei noch richtig Power im Hintern! „Redfine“ ist immer noch ein Nackenbrecher vor dem Herrn. Mit dem großartigen „Pardon Me“ und dem dazugehörigen Album „Make Yourself“ ging es schon in eine strukturierte Richtung und doch war Incubus zu dieser Zeit auch auf einem ersten Höhepunkt des Schaffens und des Experimentierens. Mit „Drive“ landete die Band einen Superhit, der dafür sorgte, dass sie fortan in die Riege der Superstars aufstieg. Mit „Wish You Were Here“ wurde die ganze Kiste sogar noch mal getoppt. Es gibt nicht wenige Stimmen, die das Album dazu - „Morning View“ - als letzte große Platte von Incubus ansehen. Mit dem rockigen „Nice To Know You“, dem verspielten „Warning“, dem lockeren „Are You In?“ und dem sperrigen Hit „Circles“ findet man auf der ersten CD auch entsprechend viele Songs dieses Meisterwerks.
So ganz kann man die Kritik an den nachfolgenden Alben sowieso nicht nachvollziehen – zumindest, wenn man das auf die hier enthaltenen Songs beschränkt. Auch „A Crow Left“ hat nämlich jede Menge gutes Material abgeworfen. „Megalomaniac“ variiert schön das Tempo und auch den Härtegrad. „Talk Shows On Mute“ ist zugegebenermaßen zu sehr in die belanglose Kitschecke abgedriftet. „Agoraphobia“ kriegt aber wieder die Kurve und die Atmosphäre ist fast schon bedrückend, während die Ballade „Monuments And Melodies“ schon Singer/Songwriterqualitäten an den Tag legt. Aber schon klar, wer die Band von den Anfängen begleitet hat, wird mit einer solchen Nummer natürlich seine liebe Mühe und Not haben. Da passt dann „Pantomime“ von der „Alive At Red Rocks“ EP schon besser ins Konzept. Das Album „Light Grenades“ schipperte etwas unschlüssig dahin. Ballade? Popkitsch? „Dig“ oder „Oil And Water“ sind jedenfalls keine Quelle der Innovation. Die Überballade „Love Hurts“ mag durch die Decke gegangen sein, reißt das Ruder aber auch nicht mehr herum. Irgendwie ist es ein seltsame Angelegenheit, dass mit „Black Heart Inertia“ auch ein Bonussong der ersten „Best Of“ vertreten ist. „Adolescents“, „Promises, Promises“ und „In The Company Of Wolves“ von „If Not Now, When?“ sind dann nur noch zahnlose Versuche irgendwie den Laden zu beleben. Der Wandel einer progressiven Band zum Popmainstream war aber auch schwere Kost. Interessant allemal!
Fazit: Man weiß nicht, wie es mit Incubus weitergeht. Ob es überhaupt noch mal weitergehen wird. „The Essential“ rückt auf zwei CDs die wahnsinnige Entwicklung der Band noch mal schön in den Mittelpunkt – mit zum Teil herausragenden Songs! Wer noch nichts von der Band im Schrank stehen hat wird mit diesen beiden Scheiben bestens bedient. Seltsam bleibt diese Veröffentlichung trotzdem, da es vor nicht allzu langer Zeit schon eine „Best Of“ gab. Die Musik ist natürlich über jeden Zweifel erhaben!
Text: Torsten Schlimbach