Neil McCormick: Killing Bono (Mein Leben im Schatten des Superstars)

Neil McCormick: Killing Bono (Mein Leben im Schatten des Superstars)

Eulenspiegel Verlagsgruppe/Neues Leben

VÖ: 15.03.2012

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: hier wird kein Rockstar (fiktiv) getötet. Das mag die vielen Kritiker von Bono vielleicht enttäuschen und die noch größere Zahl seiner Jünger beruhigen, es geht ja um etwas ganz anderes. Neil McCormick hat ja nicht mal einen Roman geschrieben, gleichwohl der reißerische Titel „Killing Bono“ für einen kleinen Moment dies vermuten ließe. Nein, Neil McCormick hat sein Leben als Rockstar – oder besser den Versuch ein Rockstar zu werden – auf 400 unterhaltsamen Seiten zu Papier gebracht.

 

Der Autor ist der Musikwelt als Kolumnist für den Londoner Daily Telegraph ein Begriff. Zudem ist der Mann auch immer mal wieder als Schreiberling fü GQ, den Observer und die Sunday Times in Erscheinung getreten. Als Jugendlicher verdiente er sich erste Sporen bei der irischen Hot Press und den vielen U2 Fans rund um den Globus ist er nicht zuletzt als Ghostwriter der fabelhaften Band-Autobiografie „U2 by U2“ geläufig. Jetzt tritt er mit seinem literarischen Debüt „Killing Bono“ an die Öffentlichkeit und wenn man es nicht besser wüsste, dann könnte man glatt meinen, dass der Mann schon immer den Beruf des Schriftsteller angepeilt hat.

 

Hat er aber nicht und davon erzählt er nun in „Killing Bono“. Genau genommen ist dieses Buch eine liebevolle Hommage an das Musikgeschäft und den ganzen Rockzirkus. Mit seiner schluffigen und liebenswürdigen Art und Weise kann man das Buch in ein Regal mit „High Fidelity“ von Nick Hornby stellen. Einen eklatanten Unterschied gibt es allerdings, denn hier geht es um ein echtes Leben – das Leben von Neil McCormick. Und selbiges ist zeitweise recht tragisch verlaufen. Man leidet als Leser mit ihm. Warum? Weil irgendwer beschlossen hat, dass er keinen Fuß im Musikgeschäft auf den Boden bekommt und wenn, dann immer nur ganz kurz und dann wurde ihm auch schon gleich wieder das Standbein weggerissen.

 

Eins muss man dem guten Neil und seinem Bruder Ivan zumindest attestieren: Ausdauer! Ohne jetzt zu viel zu verraten, aber wer hält schon zehn Jahre durch um seine allererste Single zu veröffentlichen? Jedenfalls fast, denn auch hier kommt alles wieder anders als man denkt. Immerhin konnten in Deutschland satte 64 Stück davon verkauft werden. Der Leser hat an dieser Stelle übrigens schon gut und gerne 2/3 des Buches hinter sich. Bis dahin schilderte Neil McCormick seinen Versuch der nächste große Rockstar zu werden.

 

Die Reise geht Ende der 70er in Dublin los. Zu jener Zeit ist Neil McCormick ein ganz normaler Schüler und wird von der Punkwelle erfasst. Wie so viele seiner Altersgenossen ist er mit seinem Bruder bereit die Welt zu erobern und die nächste Band von Weltformat zu formen. Diesen Traum haben viele, so auch ein gewisser Paul Hewson – ein Schulfreund. Ab da nimmt der verhängnisvolle Lauf an Fahrt auf. Sein Bruder darf bei der Band, die später als U2 zu Weltruhm kommen sollte, dann doch nicht mitmachen – er sowieso nicht. Das Selbstbewusstsein der beiden ist aber unerschütterlich. Fortan rekrutieren sie immer wieder neue Mitglieder für ihre verschiedenen Projekte. The Undertakers werden geboren und wieder in die ewigen Jagdgründe der Musikgeschichte geschickt. Dann sollen es die Yeah! Yeah!s sein. Klappt aber auch nicht. Was tun? Die Shook Up!s müssen her. Die Band ist dann auch schon ganz nahe am großen Wurf dran. Die poppigen 80er sind genau deren Ding. Es kreuzen jede Menge obskure Gestalten die Szenerie. Neil McCormick ist mittlerweile in der Hot Press Familie gelandet, denn schließlich will man auch etwas Geld verdienen. Hier macht er dann auch erste Erfahrungen mit Koks und obwohl er eigentlich Abstinenzler war, folgt auch sein erster Alkoholabsturz. Songs werden weiter geschrieben und die beiden Brüder halten sich immer noch für die Größten der Welt.

 

Anwälte kreuzen ihren Weg, A&R Agenten auch (fast jedenfalls), Steuerberater, Models und die ganzen Gestrandeten der Branche. Immer, wenn man als Leser gerade glaubt, dass McCormick jetzt aber wirklich jeden Moment von seinem ganz großen Durchbruch berichtet, kommt es natürlich ganz anders. Im Gegenteil, er muss vielmehr mitansehen, wie alte Weggefährten doch noch irgendwie den Fuß in die Tür bekommen haben und sei es nur als Produzent. Nur für seinen Bruder und ihn scheint alles verschlossen. Für immer?

 

Was das jetzt alles mit U2 und speziell Bono zu tun hat? Eine ganze Menge, denn für seine alten Schulfreunde erfüllten sich all SEINE Träume. Für U2 Fans ist das Buch ein großer Fundus an Anekdoten. Das ist zwar nicht gänzlich neu – wie sollte es auch, die Geschichte ist ja hinlänglich bekannt – aber McCormick arbeitet eben auch die U2 Geschichte mit viel Wortwitz immer wieder auf. So entwickelt sich das unzureichende Bassspiel von Adam Clayton gar als Running Gag des Buches. Eigentlich ist es unglaublich, dass Bono beim ersten Aufeinandertreffen mit Dylan auf der Bühne „Blowin´ in the Wind“ nicht kennt und den Text improvisieren muss. Der goldene Käfig der Band wird dabei ebenso thematisiert, wie auch die zwischenmenschlichen Beziehungen untereinander. Glaube, Gott und Kirche spielt dabei natürlich auch – gerade in den Anfängen – eine Rolle. Es sind aber die vielen kleinen und netten Randnotizen, die dieses Buch so besonders machen. Der größte Augenblick als Star von McCormick dürfte gewesen sein, als er mit Bono unterwegs war und für The Edge gehalten wurde und sein erstes Autogramm schreiben durfte.

 

McCormick ist sich aber nicht schade, sich hier gehörig auf die Schippe zu nehmen und sich teilweise so richtig schön als den kompletten Trottel darzustellen. So referiert er vor den Söhnen von Dylan auch mal darüber, wie furchtbar dieser mittlerweile eigentlich geworden ist – ohne auch nur im Ansatz zu wissen, wer ihm da gegenübersteht. Die versteckten Hinweise und Warnungen von Ali – der Frau von Bono – hat er dabei geflissentlich ignoriert. Das ganze Buch ist mit derart viel Selbstironie überhäuft, dass es eine Freude ist (zu lesen). Schöner hat noch nie einer die eigene Geschichte seines Scheiterns niedergeschrieben.

 

Fazit: Wie die Geschichte von Neil McCormick geendet ist, ist ja hinlänglich bekannt: Rockkritiker. Eigentlich war das so nicht vorgesehen und ein weiter Weg. Elton John sagt, dass er kein besseres Buch über den Versuch im Musikgeschäft Fuss zu fassen, kennen würde. Mit viel Sprachwitz und Selbstironie dröselt McCormick sein Scheitern hier auf. Für U2 Fans ist dieses Buch Pflichtlektüre, da die Band immer wieder den Weg des Autors kreuzt und so manche nette Randnotiz und Anekdote eine Bereicherung darstellte. Ach, und Larry Mullen jr. ist eigentlich der Ehrlichste der Band und Adam Clayton die coolste Sau des Planeten. Man darf gespannt auf die Biografie des U2 Bassisten warten und danach kann man dann auch getrost „The Dirt“ von Mötley Crüe in die Tonne kloppen. Und der gute Neil? Nun, ein Stat ist er ja jetzt – ein kleiner zumindest -, nur eben anders wie geplant. Und wer sich jetzt fragt, warum zum Henker seine Freunde von U2 ihm nicht ins Musikgeschäft geholfen haben: nun, die Band entscheidet mit ihrem Manager alles demokratisch, wenn einer dagegen stimmt, dann tun es eben alle. Tragische Geschichte, passt aber zum Lebenslauf von Neil McCormick. Empfehlenswertes Buch!

 

http://www.neilmccormick.co.uk/

 

Text: Torsten Schlimbach

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