Korn: Original Album Classics (5 CDs)
Sony
VÖ: 12.09.2014
Wertung: 9/12
Eigentlich müsste man das „Original Album Classics“-Set von Korn kritisch betrachten. Vor vier Jahren gab es in dieser Reihe immerhin schon mal eine solche Veröffentlichung, die allerdings nur drei CDs enthielt. Jetzt folgt das dicke Paket und nun darf man gleich fünf Alben in den Händen halten. Will man bei einem Kaufpreis von 13 Euro aber tatsächlich noch nach einem Haar in der Suppe suchen? Die Fans haben die Alben eh längst mehrfach im Schrank stehen und alle, die die Band erst jetzt für sich entdecken, kriegen hier zu einem guten Kurs gleich ein tolles Einsteigerpaket geboten.
Bakersfield in Kalifornien war einst das heißeste Pflaster im Musikgeschäft. Damals in den 90ern. Zu verdanken hat man das Korn, jene Band, die direkt von der Schulbank in diesem Business nach ganz oben gespült wurde. Crossover wurde gerade erst begraben, da kam dieser durchgeknallte Haufen schon wieder mit einer neuen Variante um die Ecke, nur diesmal wurde das Nu Metal genannt. Was die Herren da ablieferten war auf seine Weise sogar neu. Die Gitarren wurden runtergestimmt und das Slap-Bassspiel trat einem in Zusammenspiel mit dem Schlagzeug ordentlich in den Arsch. Hinzu kam ein Sänger, der erstaunlich variabel agieren konnte. James „Munky“ Shaffer, Brian „Head“ Welch, Jonathan Davies, David Silveria und Reginald „Fieldy“ Arvizu waren Freaks. Ausgekotzt von der feinen Gesellschaft machten sie sich auf den ganzen Dreck nach oben zu schaufeln. Korn sprachen den Kids in Amerika aus dem Herzen. Die depressiven Texte passten da nur allzu gut ins Bild.
Die grandiosen Anfänge kann man nun noch mal auf den hier vorliegenden fünf CDs nachvollziehen. Mit dem selbstbetitelten Debüt hoben Korn 1994 auch den Nu Metal aus der Taufe. Wie die Pilze schossen ähnliche Bands aus dem Boden, aber keine konnte auch nur ansatzweise an die Klasse von Korn und eben „Korn“ heranreichen. Insofern ist der Einstieg mit dieser Platte auch goldrichtig und „Blind“, Fake“ und besonders „Shoots And Ladders“ zählen längst zu den Genre-Klassikern. Mit Anlauf geht es da in die Fresse. Es tut weh, es ist faszinierend und es ist eigenständig.
„Live Is Peachy“ dreht noch etwas mehr an den Stellschrauben und justiert den Sound noch mal ein bisschen neu. Korn sind noch wütender, noch selbstbewusster, noch depressiver. „Twist“, „Lost“ oder „Kill You“ lassen keine Fragen mehr offen. Dieses Album stellte letztlich aber nur den Aufgalopp zu „Follow The Leader“ dar. Dies dürfte das unumstrittene Meisterwerk der Band sein. Ein Album für die Ewigkeit! Eine Platte, die in keiner Sammlung fehlen darf. Ursprünglich begann „Follow The Leader“ erst bei Track 13, dies hat man sich nun gespart und es geht direkt in die Vollen. Direkt? Nun, zunächst steht da der Dudelsack, das Lieblingsspielzeug von Davis. „Freak On A Leash“ ist die Blaupause für ein komplettes Genre. Ein völlig kaputter Song, der aber auf eine unheimliche Art auch noch Hitpotenzial hat. Immer noch. Und die Ausbrüche von Davis sind immer noch beängstigend. Wie man auf die Idee kommen konnte „B.B.K“ auszukoppeln ist noch ein weiteres Rätsel. Immerhin: Fred Durst hat auch seinen Auftritt, aber keine Chance gegen Davis. „All In The Family“. „Children Of The Korn“ lockt den Altmeister Ice Cube aus seiner Deckung. Korn waren eben der heißeste Scheiß der zweiten Hälfte der 90er. Keiner kann besser Hip-Hop mit Metal-Riffs kombinieren. Keiner. „Got The Life“ ist sehr melodisch und harmonisch. Bei dem Song luden Korn sogar noch die Disco-Beats zum Mitmachen ein. „My Gift To You“ ist gar ein äußerst intelligentes Stück. Abgedreht, keine Frage, aber was Davis, „Head“ und „Munky“ da veranstalten hebt den gesamten Metal aus seinem bräsigen Schlaf.
Das zu toppen geht nicht, aber mit „Issues“ legten Korn einen amtlichen Nachfolger hin. Der Wahnsinn geht weiter. Immer schön am Abgrund lang und das bei voller Fahrt. Die siebensaitigen Gitarren sind wieder extrem tief gestimmt und legen alles in Schutt und Asche, was auch nur den Anflug eines Schönklangs hat. Wie mit einem Sog wird man in diese Platte gezogen. Und doch ist man fast versucht „Trash“ mitzusingen. Unter all dieser Wut, unter den gesammelten Depressionen dieser Welt, haben Korn auch immer ein bisschen Schönheit versteckt. Die Single „Falling Away From Me“ ist immer noch ein Hammerbrett und auch „Beg For Me“ walzt alles platt. Allerdings muss man auch zugeben, dass „Wake Up“ oder „No Way“ stagnieren, auf hohem Niveau zwar, aber ansonsten können Korn keinen Innovationspreis mehr gewinnen. „Untouchables“ knüpft nahtlos daran an. Der Hass wird aus den Boxen geschrien und Korn pflegen ihre Depressionen weiter. Die Geschichte ist mittlerweile aber ausgelutscht und zu Ende erzählt. Der Bass ist immer noch im Keller zu finden und die Gitarren scheinen direkt aus der Hölle zu kommen. Der starke Auftakt mit „Here To Stay“ verpufft aber schnell und dann ist irgendwie alles wie immer im Korn-Universum. Davis rappt „Wake Up Hate“ solide über die Ziellinie und „I´m Hiding“ drückt noch mal ordentlich auf die Melancholietube. Mehr oder weniger ist das Stillstand auf hohem Niveau, allerdings zu einem teuren Preis, denn die Produktion verschlang wohl mehrere Millionen. Mittlerweile haben Korn die elektrische Schiene für sich entdeckt, aber das ist eine andere Geschichte und es interessiert auch – bis auf die Hardcorefans – keinen mehr.
Fazit: Die ersten fünf Alben von Korn waren zum Teil wegweisend. Gerade die ersten drei Platten holten den Metal in die Neuzeit. Korn waren einst die Vorreiter für eine ganze Bewegung. Die „Original Album Classics“ bietet nun gerade Einsteigern die Möglichkeit die geballte Ladung der Anfangszeit zu einem sehr erschwinglichen Kurs zu erwerben. Abgesehen davon ist mit „Follow The Leader“ auch das Meisterwerk von Korn hier enthalten. Die Aufmachung dürfte bekannt sein, aber mehr kann man von diesem Box-Set und dem aufgerufenen Kaufpreis auch nicht erwarten.
Text: Torsten Schlimbach