Paul Simon: In The Blue Light

Paul Simon: In The Blue Light

Sony/Legacy

VÖ: 07.09.2018

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Na also, geht doch! Das sind jedenfalls die ersten Gedanken, die einem durch den Kopf gehen können, wenn man an das neue Album „In The Blue Light“ von Paul Simon denkt, dabei aber noch das letzte, furchtbare „Graceland (The Remixes)“ im Kopf hat. Bei seinem vierzehnten Studioalbum handelt es sich übrigens nicht um neue Songs, sondern um solche, die Simon bearbeitet hat. Songs, die bis in das Jahr 1973 zurückgehen. Er hat diese neu arrangiert, die Harmonien ausgearbeitet und teilweise auch in den Lyrics überarbeitet. Ein durchaus spannendes Projekt, bei dem man die einzelnen Lieder völlig neu entdecken kann.

 

Paul Simon zeigt sich in den Statements zu „In The Blue Light“ sehr glücklich darüber, dass er die Gelegenheit bekam sein Frühwerk zu überarbeiten. Er sagt, dass dies in etwas so wäre, als würde man einem alten Wohnhaus einen neuen Anstrich verpassen. In gewisser Weise ist dieser Vergleich durchaus zutreffend. Der Mann hat aber nicht still alleine gewerkelt, sondern sich mit erstklassigen Musikern umgeben. Wer einen Wynton Marsalis in seinen Reihen hat, kann sich sehr glücklich schätzen. Dies gilt sicher auch für Bill Frisell. Jack DeJohnette und Steve Gadd – beides übrigens Schlagzeuger – vervollständigen das Line-up. Ebenso stand Simon das Kammermusiensembles „yMusic“ zur Umsetzung seiner Visionen für diese Songs zur Verfügung. Besser geht es sicher nicht.

 

Die einzelnen Lieder wurden ganz dezent in Szene gesetzt. Hier gibt es reichlich Luft zum Atmen. Es wurden gerade so viel Instrumente wie nötig aufgenommen. Das wunderschön schwebende „Questions For The Angels“ als Schlusspunkt ist da vielleicht sogar das Paradebeispiel. Es wird zwar auch mal das Tempo variiert, aber immer dezent. Und wie locker und leicht sich die Band durch „One Man´s Celling Is Another Man´s Floor“ shuffelt. Das Klavier versprüht eine Leichtigkeit, wie man es nur selten bei diesem Instrument hört. Die Mischung zwischen Saloon, Jazz und Blues ist zudem extrem spannend. „Darling Lorraine“ hat gar etwas von einem Livetrack. Das Stück versprüht jedenfalls eine Live-Atmosphäre. „Love“ schafft den Spagat zwischen einem luftigen Refrain und künstlerischem Anspruch in den Strophen. Man höre sich nur mal das fein austarierte Gitarrenspiel an. Die Leichtigkeit, mit der Paul Simon seinen Gesang variiert ist durchaus beeindruckend. Die Streicher bei „Can´t Run But“ sind angriffslustig und tragen die Nummer fast ganz alleine.

 

Das wunderbar jazzige „How The Heart Approaches What It Yearns“ ist derart entschlackt, dass dies sogar entspannend ist. Musik für die Seele. „Pigs, Sheep And Wolves“ ist disharmonisch und daher so interessant. „René And Georgette Magritte Whith Their Dog After The War“ lädt ja wieder zum Träumen und Weinen ein. „The Teacher“ dürfte in dieser Form auch Sting-Fans gefallen.

 

Fazit: „In The Blue Light“ von Paul Simon ist ein richtig schönes Album geworden. Dies betrifft übrigens auch die Verpackung! Die Songs wurden wunderbar (neu) arrangiert und instrumentiert. So kann man bekanntes Material noch mal ganz neu entdecken. Dies macht auch dieses seltsame Remix-Album von „Graceland“ vergessen. Musikalisch ist das vierzehnte Studioalbum zwischen Jazz, Blues und Storytelling angesiedelt und künstlerisch unglaublich wertvoll – und zwar ohne dabei zu überzeichnen.

 

http://www.paulsimon.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Paul Simon: Graceland (The Remixes)

Paul Simon: Graceland (The Remixes)

Sony

VÖ: 01.06.2018

 

„Graceland“ von Paul Simon ist wohl über jeden Zweifel erhaben. Das Album von 1986 ist so etwas wie die Blaupause für die Weltmusik. Simon schaffte nicht nur eine sensationelle Verbindung zwischen Pop und Rock, sondern ließ auch die traditionellen Gesänge der Zulu (Isicathamiya) und den modernen südafrikanischen Musikstil Mbaqanga einfließen. Selbstverständlich wurde das Werk auch mit dem Grammy ausgezeichnet. Jetzt wird das Album erneut veröffentlicht, allerdings komplett mit Remixen versehen.

 

Das „Graceland“-Remix-Projekt besteht aus zwölf Beiträgen unterschiedlichster Künstler wie zum Beispiel MK & KC Lights, Richy Ahmed, Paul Oakenfold, Thievery Corporation oder Groove Armada und präsentiert eine große Palette an Stilen. Die Bandbreite ist extrem groß und so darf man hier Deep House, Afro House, DnB oder Tech House lauschen. Natürlich stand hinter dem Projekt auch eine Art Mastermind. Projektleiter Michael Gaiman, auch bekannt als The Duke of New York, beaufsichtigte die ganze Geschichte.

 

Vieles auf dem Album ist allerdings absolut verzichtbar und teilweise sogar ein Ärgernis. Immerhin kann man „You Can Call Me Al“ noch ein bisschen was abgewinnen. Groove Armada haben daraus zwar einen minimalistischen Track gebastelt, der seine Längen hat, im Club aber sicher durch seine Monotonie gut funktioniert. Das Original ist immerhin an manchen Stellen zu erkennen. Auch „Crazy Love, Vol. II“ im Paul Oakenfold-Gewand hat seine Momente und teilweise sogar Ohrwurmqualitäten. „Under African Skies“ oder das düstere „Diamonds On The Sole Of Her Shoes“ lassen den Originalsound durchaus Luft zum Atmen, sind aber doch gänzlich anders und verlangen Fans von Paul Simon und „Graceland“ alles ab.

 

Fazit: „Graceland (The Remixes)“ hat mit dem genialen Meisterwerk von Paul Simon fast nichts zu tun. Dieses Album hier richtet sich vielmehr an Liebhaber der Dancemusic. Vermutlich werden Fans von Paul Simon sich mit Grauen abwenden. Eine Wertung entfällt an dieser Stelle, da diese Art von Musik nicht zur Kernkompetenz des Dreamoutloudmagazins gehört.

 

http://www.paulsimon.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Paul Simon: Original Album Classics (5 CDs)

Paul Simon: Original Album Classics (5 CDs)

Sony

VÖ: 04.09.2015

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Die „Original Album Classics“-Reihe von Sony hat auch dieses Jahr wieder einige Schmankerl zu bieten. Dies ist immer eine schöne Möglichkeit die eine oder andere Lücke in der Sammlung zu schließen und dies für recht kleines Geld. Alle enthaltenen Alben werden in so genannten „Cardboard-Sleeves“ als Mini Vinyl Replicas mit den Originalcovern angeboten. Von dem großartigen Paul Simon erscheint jetzt gleich eine Box mit 5 CDs! Da kann man gleich auf einen Schlag sich ganz viel tolles Material des Künstlers anschaffen!

 

Den Anfang dieser Box macht das selbstbetitelte Werk, welches mit dem Folk von Simon & Garfunkel nicht viel zu tun hat und sich teilweise sehr deutlich davon entfernt hat. Paul Simon kommt zwar immer wieder auch darauf zurück und doch sind diese Songs auf eine sehr schöne und dezente Art und Weise in das breite Feld der Weltmusik eingebettet. Folklore spart er sich dabei glücklicherweise und so ist dieses Album etwas für Liebhaber. Schon der Auftakt mit „Mother And Child Reunion“ hat sich ein ganzes Stück von seiner musikalischen Vergangenheit entfernt. Das Gospelstück lässt direkt aufhorchen und nimmt den Hörer mit auf die musikalische Reise in die Welt von Paul Simon. Diese darf auch durchaus mal sehr komplex sein. „Run That Body Down“ ist beispielsweise ein Mischmasch aus Blues, Folk und Jazz. „Me And Julio Down By The Schoolyard“ widmet sich Latino-Klängen, auf die der Musiker im weiteren Verlaufe seiner Karriere immer wieder zurückkommt. „Papa Hobo“ ist dann gar reinster Blues. Und dann wäre da ja auch noch „Duncan“, jener Song, der Simon eine ganz neue Hörerschaft bescherte. Es ist ein tolles Werk – hier um einige Demoversionen angereichert.

 

Sein zweites Album - „There Goes Rhymin´ Simon“ - zeigt dann, wie vielfältig er ist. Und dies auf eine sehr eindrucksvolle Art! Vieles auf dieser Platte ist im R&B zu verorten. Er scheut sich dann auch nicht davor ein paar schmalzige Klänge - wie bei „American Tune“ - anklingen zu lassen. „Tenderness“ erinnert gar an die Beatles. „Take Me To The Mardi Gras“ ist der Hit des Albums und wenn man den Song hört, weiß man auch warum. Diese Harmonien kann nur Paul Simon. Die Bläser von „Learn How To Fall“ wurden ganz toll arrangiert und selbst „Was A Sunny Day“, mit seinem eingebauten Sonneschein, kann da überzeugen. „Loves Me Like A Rock“ ist dann ganz zum Schluss noch mal ein toller Gospelsong. Auch das zweite Soloalbum ist über alle Maßen gelungen. Auch hier gibt es ein paar Demos zu hören.

 

Das dritte hier enthaltene Album ist „Hearts And Bones“, ein Werk aus den 80ern. Eigentlich war das als ein Simon & Garfunkel Album geplant. Eingetütet war die Geschichte auch schon, aber man weiß ja, dass die beiden Streithähne dann doch wieder nicht zueinander fanden. Aufgrund der sehr persönlichen Texte entschied sich Paul Simon dann „Hearts And Bones“ alleine zu veröffentlichen. Promotion gab es fast keine und somit avancierte das auch nicht gerade zum Verkaufsschlager. Villeicht kommt die Platte jetzt noch mal ein bisschen zu neuen Ehren, denn verdient hätte es das Songmaterial auf alle Fälle. Schon „Allergies“ ist den Kauf wert. Das Solo von Al DeMeola ist ja zum Niederknien. „The Song About The Moon“ ist ein weiterer Höhepunkt im Schaffen von Simon. Das gefühlvoll gesungene „Rene And Georgette Margritte With Their Dog After The War“ zählt sogar mit zum Besten, was der Mann je gemacht hat! „Think To Much“ gibt es gleich zweimal (B) und (A). Mit „Cars And Cars“ hat er dann allerdings auch einen nur netten Song auf das Album gepackt. Insgesamt ist das aber ein weiteres Meisterwerk von Paul Simon, abermals mit Demos.

 

„Songs From The Capeman“ ist ein weiteres, ungewöhnliches Werk. Paul Simon hat hier ein Musical aufgenommen, welches im Grunde aber nichts mit den herkömmlichen Musicals zu schaffen hat. Angeblich hat er gar sechs Jahre an der Umsetzung, den Songs und dem Album gearbeitet. Ein sehr langer Zeitraum und doch hat er es geschafft die Musik nicht zu überladen. Die Geschichte wurde zwar 1997 am Broadway aufgeführt, aber schon kurze Zeit später wegen Erfolgslosigkeit wieder gestrichen. Musikalisch hat er seine Musik an die 50er und 60er angelehnt, was bei der Story nur logisch ist. A-Capella-Gesang war damals neu im Simon-Kosmos. Bei „Adios Hermanos“ ist dann auch nicht nur der Gesang von ihm zu hören, auch die Musical-Darsteller dürfen sich einbringen. „Virgil“ geht gar als Rock durch, was ja nicht unbedingt die Kernkompetenz von Simon ist. Latino-Klänge oder Doo-Woop wie bei „Satin Summer Nights“ oder der Jazz mit Afro-Cuban-Einschlag wie bei „The Vampires“ schon eher. Insgesamt ist das ein sehr vielfältiges Werk. Schade, dass „Songs From The Capeman“ so unterschätzt wurde.

 

Nach dem Reinfall mit „Songs From The Capeman“ besann sich Paul Simon mit „You´re The One“ wieder auf seine Wurzeln zurück. Ein folkiger Unterbau macht diese Platte aus. Selbstverständlich basiert vieles auch auf der Weltmusik und Ethno-Sounds, die er in seiner Solokarriere immer wieder aufgenommen hat. An vielen Stellen zitiert sich der Meister auch gleich selbst. „You´re The One“ könnte auch auf einem früheren Album vertreten sein. „Love“ lässt auch ein paar Takte aus seinem früheren Schaffen erklingen. Akkordeon, Cello und Percussion sorgen dafür, dass die Platte einen erdigen Anstrich verliehen bekommt. Das Tempo wird insgesamt sehr schön variiert und dass der Mann ein Händchen für Melodien hat, muss ja nicht weiter erwähnt werden. Ein weiteres, gutes Album im umfangreichen Schaffen von Paul Simon – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

 

Fazit: Die „Original Album Classics Reihe“ hat auch dieses Jahr wieder ein paar schöne Geschichten zu bieten, allen voran die Paul Simon-Box. Hier hat man fünf Alben ausgewählt, die das Schaffen des Ausnahmekünstlers sehr gut abbilden und seine ganze musikalische Vielfalt und Genialität widerspiegeln. Im Grunde gehören diese Werke in jede anständige Musiksammlung, auch die seinerzeit weniger gut rezensierten Alben, die bei den Kritikern nicht sonderlich gut ankamen!

 

http://www.paulsimon.com/us/home

 

Text: Torsten Schlimbach

Paul Simon: Over The Bridge Of Time (Retrospective 1964-2011)

Paul Simon: Over The Bridge Of Time (Retrospective 1964-2011)

Sony

VÖ: 11.10.2013

 

Wertung: 7/12

 

Es geht wieder los, die alljährliche und unnötige Flut der „Best Of“ Zusammenstellungen für das Weihnachtsgeschäft rollt an. Paul Simon wird dabei auch mal wieder mit einer Kollektion bedacht. Mittlerweile gibt es von dem Mann unzählige Alben dieser Machart. Manche sind durchaus sehr gelungen. Man erinnert sich da sehr gerne an „Songwriter“ von vor zwei Jahren, übrigens auch im Oktober veröffentlicht, andere wiederum sind verzichtbar bis ärgerlich. Immerhin spannt nun „Over The Bridge Of Time“ den Bogen von 1964 bis ins Jahr 2011. Erstmals liegt auf einer Einzel-CD sowohl Material von Simon & Garfunkel sowie seiner Solosachen vor.

 

Über Sinn und Unsinn lässt sich da natürlich trefflich streiten, klar. Paul Simon hat im Verlaufe seiner langen Karriere aber derart viele und herausragende Songs aufgenommen, dass man diese knapp fünf Jahrzehnte sicher nicht mit zwanzig Songs abspeisen kann. Dies wird dem Mann und seinem Gesamtwerk keinesfalls gerecht werden und da hilft es auch wenig, dass man hier nur von Hits spricht. Ist der Erfolgsgrad da alleine ausschlaggebend, fehlt da mitunter nicht trotzdem noch jede Menge Material? Vieles findet sich auch schon auf anderen Zusammenstellungen wieder.

 

Was „Over The Bridge Of Time“ allerdings dann doch wieder interessant werden lässt, ist das frische Mastering. Die zwanzig Tracks wurden in diesem Jahr in New York nämlich in den Battery Studios von Vic Anesini noch mal überarbeitet. Die Originalproduktion wird dabei keinesfalls verfälscht, aber gerade das ältere Material wirkt so doch noch mal um einiges frischer und klarer. Immerhin hat man sich hier Mühe gegeben und das alte Material wurde nicht nur lieblos aneinander geklatscht.

 

Der Songreigen startet mit Songs von Simon & Garfunkel. Der Auftakt mit „Sound Of Silence“ ist natürlich standesgemäß, aber auch das herausragende „The Boxer“ darf da nicht fehlen. Diese Phase wird – wie könnte es auch anders sein – mit „Bridge Over Troubled Water“ beendet. Selbstverständlich gehören diese Tracks allesamt in jede Musiksammlung und sind mittlerweile ein Stück Kulturgut der Menschheit. „Mother And Child Reunion“ mit leichtem Reggae-Einschlag und unglaublich viel Hitpotenzial, der Folk von „American Tune“, das melancholische „50 Ways To Leave Your Lover“ oder „Slip Slidin´ Away“ dürfen natürlich auch nicht fehlen. Die Songs gab es allerdings auch schon alle auf der „Greatest Hits“ aus dem Jahre 2000.

 

Das gilt auch für das groovige „Late In The Evening“ mit reichlich Percussions. In die Popabteilung geht es mit „You Can Call Me Al“, wobei auch hier die unglaubliche Musikalität von Paul Simon im Vordergrund steht. Und natürlich sein feines Händchen für Arrangements. Bei „Love And Hard Times“ geht einem immer noch das Herz auf. Paul Simon ist einfach einer der ganz großen Songwriter der letzten Jahrzehnte, der sich immer einen Blick über den Tellerrand erlaubt hat.

 

Fazit: Weltmusik, Reggae, Gospel und traditionellen afrikanischen und brasilianischen Rhythmen und natürlich Folk, Pop und sanfter Rock sind alle im Gesamtwerk von Paul Simon zu finden. Auszugsweise gibt es das nun auf „Over The Bridge Of Time“ und natürlich die Simon & Garfunkel Phase. Braucht man dieses Zusammenstellung? Nicht wirklich, denn ähnliche Dinger sind nun wirklich schon genug von Paul Simon vorhanden Die Musik ist natürlich über jeden Zweifel erhaben.

 

http://www.paulsimon.com/us/home

 

Text: Torsten Schlimbach

Paul Simon: Graceland 25th Anniversary Edition (CD/DVD)

Paul Simon: Graceland 25th Anniversary Edition (CD/DVD)

Sony

VÖ: 01.06.2012

 

Wertung: 12/12

Tipp!

 

„Graceland“ von Paul Simon war eines jener großartigen Alben der 80er. Ein zeitloses Werk, welches nicht nur mehr als 14 Millionen Käufer fand, sondern auch den Grammy als „Album Of The Year“ und für den Titelsong als „Song Of The Year“ gewinnen konnte. Jetzt feiert dieses zeitloses Meisterwerk Geburtstag. 25 Jahre haben die Songs schon auf dem Buckel und doch klingen diese immer noch frisch. Ein Klassiker eben. Jetzt kann man diese Platte noch mal ganz neu entdecken. Verschiedene Konfigurationen kommen als Geburtstagsausgabe runderneuert in den Handel.

 

Man sollte hierbei aber mindestens das CD/DVD Set im Auge haben. In Zeiten, wo physischen Tonträgern immer weniger Bedeutung beigemessen wird, ist dieses feine Teil eine Augenweide. Gut, dieses Format passt in kein CD-Regal, aber wer stellt sich das Ding auch dort rein? Dieses im Buchstil gehaltene Set sprengt jeden Rahmen und gehört ganz nach vorne in den Schrein. Die edle Optik ist eine Hommage an die Artwork- und Coverkunst und hebt auch das Booklet auf wundervolle Art und Weise hervor. Verschiedene Liner Notes - beispielsweise von Paul Simon von 1986 -, Fotos dieser Zeit und selbstverständlich die Texte machen „Graceland“ in dieser Aufmachung zu einem kleinen Schmuckstück!

 

Herzstück dieser neuerlichen Ausgabe ist die DVD „Under African Skies“ von Joe Berlinger. Dies ist eine Zeitreise, als Paul Simon in den 80ern nach Südafrika reiste, aber eben auch aus der heutigen Perspektive aufgenommen. Zu sehen gibt es viele bewegte Auftritte von damals. „Graceland“ wurde ja auch kontrovers aufgenommen und diskutiert. Dies kommt sehr gut zur Geltung und wird noch mal besonders herausgearbeitet. Die schwierige politische Lage der 80er wird mit teilweise erschütternden Bildern nachhaltig ins Gedächtnis zurückgerufen.

 

Man erhält als Zuschauer während der 140 Minuten aber auch viele Einblicke in den Produktionsprozess und die damaligen schwierigen Umstände, unter denen diese Platte entstand. Die Suche nach den richtigen Lyriks war nur einer der vielen Hürden, die umschifft werden mussten. Viele schöne Momente gibt es aber auch. Beispielsweise die Aufnahmen der Grammy-Verleihung und natürlich jene Aufnahmen, wenn Paul Simon wieder auf seine afrikanischen, musikalischen Mitstreiter trifft und die älteren Herrschaften noch mal versuchen den Spirit von damals einzufangen und einfach drauflos spielen.

 

Kritiker kommen in dieser Dokumentation ebenso zu Wort und ebenfalls viele O-Töne aus dem Off aus der damaligen Zeit. Zudem gibt es alte Coverabbildungen der beteiligten Musiker zu sehen – so einen alten Rolling Stone. An anderer Stelle sieht man noch mal den jungen Paul Simon, wie er sich vor der afrikanischen Presse für „Graceland“ wie auf der Anklagebank rechtfertigen muss. Whoopi Goldberg, Oprah Winfrey oder Harry Belafonte erzählen zudem aus ihrer Sicht, was ihnen „Graceland“ bedeutet und wie sie dieses Album aufgenommen haben. Sir Paul McCartney kommt ebenfalls zu Wort und berichtet, wie er die Songs erstmals gehört hat. Vier Musikvideos runden die DVD sehr schön ab. Insgesamt ist die Dokumentation mit den hervorragenden politischen Zwischentönen eine herausragende Vermischung der damaligen Ereignisse und den Erinnerungen aus heutiger Sicht. Eine Geschichtsstunde, die viel mehr als „nur“ Musik zu bieten hat. Prädikat: Besonders Wertvoll!

 

Erstaunlich ist der klare Klang von „Graceland“. Und natürlich die Tatsache, dass die Platte derart zeitlos und so rein gar nicht nach den 80ern klingt. Das Grundgerüst ist das immer wieder eingesetzte Akkordeon, ein fein austariertes und klares Gitarrenspiel und natürlich die vielen afrikanischen, musikalischen Anleihen bis hin zu den Backingchören. Auf diesem Fundament steht der Blues und Folk sehr gut. Weltmusik ist das nur am Rande. Im Grunde ist diese Platte sogar Pop, nur eben mit anderen Stilmitteln. Das geht alles beschwingt ins Ohr und setzt sich dort auch schnell fest. Und wenn man so will, dann ist „I Know What I Know“ oder „Gumboots“ (stimmlich erinnert das gar an Dylan) einfach beschwingte Musik, die gute Laune verbreitet. Dem gegenüber stehen zweifelsohne das nachdenkliche „Graceland“ oder das gospelartige „Diamonds on the Soles of Her Shoes“. Bei den Bonustracks finden sich mit „You Can Call Me Al“ und „Crazy Love“ zwei unveröffentlichte Demoversionen wieder. Zudem gibt es noch einen neunminütigen Track, bei dem Paul Simon die Geschichte hinter „Graceland“ noch mal kurz anreißt. Die restlichen drei Bonustracks sind bekannt, gewähren aber immer noch einen erhellenden Einblick in den Entstehungsprozess von „Graceland“ und zeigen, dass die Reise musikalisch eigentlich in den 60ern begann.

 

Fazit: Die Geburtstagsausgabe von „Graceland“ ist in jeglicher Hinsicht ein Leckerbissen. Da dieses Album bereits als remasterte Version veröffentlicht wurde, macht es wenig Sinn die simple CD-Ausgabe erneut zu erwerben. Selbst, wer dieses Meisterwerk noch nicht im Regal stehen hat, sollte nun mindestens auf das CD/DVD Set setzen. Hier erhält man einen tiefen Einblick in die Entstehungsgeschichte, aber eben auch in die politisches Situation von Südafrika in den 80ern. Optisch ist „Graceland“ ebenfalls ganz toll in Szene gesetzt und verpackt worden!

 

www.paulsimon.com/us/home

 

Text: Torsten Schlimbach

Paul Simon: Songwriter (2 CD)

Paul Simon: Songwriter (2 CD)

Sony

VÖ: 21.10.2011

 

Wertung: 11/12

Tipp!

 

Paul Simon gehört unstrittig zu den den größten Songwritern der letzten Dekaden. Der Mann war an so vielen schönen und herausragenden Musikstücken beteiligt, dass er gar für zwei Karrieren reichen könnte. Simon & Garfunkel gilt als das Gesangs-Duo schlechthin und doch ist auch dies fast nur eine Randnotiz in der langen Karriere von Simon. Der Mann ist mittlerweile 70 Jahre jung und somit ist die Zeit mal reif sich einen Überblick zu verschaffen! Das Album wurde ganz schlicht mit „Songwriter“ betitelt. Treffender hätte die Wahl aber gar nicht ausfallen können und bringt es damit treffend auf den Punkt.

 

Die Retrospektive hat es aber auch sonst in sich. Man kann es nicht oft genug wiederholen, das Weihnachtsgeschäft wurde durch die Musikindustrie längst eingeläutet und so manche fragwürdige Werkschau wird nun auf den Markt geschmissen. Das ist im vorliegenden Fall ganz anders. Schon die Aufmachung hebt sich vom ganzen Rest wie ein strahlender Stern ab. Ein Pappschuber umschließt die eigentliche CD-Hülle, die wiederum die beiden Silberlinge sicher aufbewahrt. Das Booklet selber ist recht spartanisch ausgefallen. Ist überhaupt überraschend, dass noch ein Inlay dabei ist. Warum? Na, weil das beiliegende Buch alles in den Schatten stellt. Mit viel Liebe zum Detail wurden viele Fotos ausgewählt, die Songtexte abgedruckt und die Liner Notes bieten das volle Programm. Der Musikjournalist Tim Moon hat auch noch mal den Grundgedanken, der zu „Songwriter“ führte, aufgegriffen. Hier erfährt man eben, dass es nicht nur um eine Hitsammlung geht und dass man den Superhits grundsätzlich eh zu viel Bedeutung beimisst. Das Genie von Simon käme immerhin auch in den nicht so bekannten Songs zum Vorschein. Gut so! Warum wird nicht immer so vorgegangen?

 

Kurz mal nachgezählt, ja, es sind tatsächlich 32 Songs! Man könnte jetzt schreiben, dass hier alle Hits vertreten sind. Sind sie es tatsächlich? Nein! Ganz und gar nicht! Zumindest nicht so, wie man es von einer solchen Zusammenstellungen erwarten konnte. Zwar gibt es hier eine große Bandbreite von 1971 bis eben 2011, aber eben auch nicht die üblichen Verdächtigen. Gut, machen wir uns nichts vor, man weiß ja um die ganz besondere Beziehung zwischen Paul Simon und Art Garfunkel. Rechte spielen dabei sicher auch eine nicht ganz unwesentliche Rolle. Hier geht es eben um die von Simon geschriebenen Songs und da nimmt man auch sehr gerne „The Sound Of Silence“ in einer Liveversion aus der Webster Hall von 2011, die zudem derart intensiv vorgetragen wird, dass es einem die Schuhe auszieht. „The Boxer“ hingegen datiert aus dem Jahre 1991 und wurde live im Central Park mitgeschnitten. „Bridge Over Troubled Water“ liegt dann noch in der Version von Aretha Franklin vor.

 

Danach heißt es aber bitte anschnallen und festhalten. Paul Simon mag mal als Folkmusiker angefangen haben, aber nach und nach hat er sich immer mehr in Richtung Weltmusik geöffnet. Man kriegt so auch eine ungefähre Ahnung, wo sich ein Sting für Ausflüge in dieses Genre hat inspirieren lassen. „Spirit Voices“ ist da sicher nur ein Beispiel. Herausragend ist „Born In Puerto Rico“ welches Simon zusammen mit Derek Walcott geschrieben hat. Die anfängliche Traurigkeit wandelt sich noch in ein großes Freudenfest um. Wie hier mit Stimmungen gespielt wird ist schon sehr beeindruckend. New Orleans grüßt mit „Quality“ oder geht es doch ab in die Karibik? Bei Simon ist alles möglich. Das aktuelle „So Beautiful Or So What“ beendet diese Compilation – hier nimmt er eher die Abfahrt in Richtung Blues.

 

Fazit: Paul Simon unterstreicht mit seiner Werkschau „Songwriter“ sein immens großes Spektrum und seine Extraklasse als Songwriter. Angst verschiedene Stile zu mischen hatte er nie. Insofern ist er nicht nur ein begnadeter Songschreiber, sondern auch ein musikalisches Genie und ein Pionier. Fasst man den Begriff etwas weiter, dann hat Paul Simon sogar dem Crossover gefrönt und dies lange, bevor das Genre überhaupt erfunden wurde!

 

http://www.paulsimon.com/us/home

 

Text: Torsten Schlimbach

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