Prince: Die Biografie
Edel
VÖ: 28.04.2017
Wertung: 8/12
Es war ja nur eine Frage der Zeit, bis die ersten findigen Zeitgenossen nach dem Tod von Prince aus der Deckung kommen, um mit zweifelhaften Veröffentlichungen ein paar Taler abzugreifen. Dieses Buch hier ist davon ausdrücklich ausgenommen! Es handelt sich dabei ja auch nur um die deutsche Übersetzung, denn ursprünglich erschien das Buch ja schon 2012. Jetzt wurde es noch um ein postumes Kapitel ergänzt. Der renommierte britische Kritiker Matt Thorne hat nämlich mehr als sieben Jahre an diesem Mammutwerk gearbeitet. Das merkt man diesem Wälzer auch an, denn hier steckt sehr viel Liebe zum Detail drin. Die langjährige Recherche zahlt sich für den Hardcore-Fan definitiv aus. Diese Fleißarbeit beleuchtet nämlich nicht nur alle Phasen der Karriere des Genies, sondern gräbt sich auch ganz tief in den Backkatalog – auch die Fülle der unveröffentlichten Songs werden gewürdigt!
Was leistet „Prince – Die Biografie“ denn nun? Es werden alle musikalischen Phasen unter die Lupe genommen. Dies umschließt auch die letzten Alben und Tourneen. Im Grunde erfüllt dieses Buch die Aufgabe einer Enzyklopädie. Detailreicher und tiefer kann man im Grunde nicht graben. Selbstverständlich lässt Thorne hier und da auch seine persönliche Meinung mit einfließen, aber das bleibt bei mehr als 540 Seiten ja auch nicht aus. Er führte im Vorfeld aber auch sehr viele Interviews mit ehemaligen Wegbegleitern von Prince und somit kriegt man als Leser da schon einen ganz guten Einblick.
Wer jetzt allerdings auf eine große Charakterstudie wert legt und Hintergrundinformationen aus dem Privatleben erwartet, wird mit diesem Buch keine große Freude haben. Natürlich werden diese Themen auch am Rande angerissen, aber da bleibt doch sehr viel an der Oberfläche kleben. Es ist ja auch keine besonders neue Erkenntnis, dass Prince ein schwieriger Zeitgenosse war, der seinen Mitstreitern ein unglaubliches Arbeitspensum abverlangte. Zudem hatte er das Selbstverständnis, dass er der einzige Mensch war, der seine Musik verstand. Journalisten konnte er sowieso nicht ausstehen und daraus machte er auch keinen großen Hehl. Auch das bringt Thorne zu Sprache. Weitestgehend dreht sich hier aber alles um die Musik (oder die Filme) und die einzelnen Songs. Es ist ja bekannt, dass Prince stetig arbeitete und seine Songs nicht unbedingt chronologisch veröffentlichte. Insofern sollte man mit dem Schaffen des Mannes schon vertraut sein, denn sonst ist man hoffnungslos mit diesem Buch überfordert. Man wird sich dann nur schwerlich zurechtfinden und weiß manchmal überhaupt nicht, in welcher Prince-Epoche man sich gerade befindet. Das hat Thorne leider nicht sonderlich gut gelöst. Der Autor hat es nämlich schlicht und ergreifend verpasst, dies anhand von vernünftigen Jahreszahlen zu veranschaulichen. Für den einen oder anderen Leser könnte sich das Buch dann wie Kaugummi ziehen.
Man sollte auch mit den verschiedenen Protagonisten vertraut sein, die Prince jeweils ein Stück des Weges begleitet haben. Thorne bringt die zwar alle akribisch unter, aber teilweise hat man kaum eine Ahnung, wer das nun ist und wie die jeweilige Person zu Prince gekommen ist. Musiker kommen und gehen. Eine Einführung selbiger wäre mitunter schon hilfreich gewesen. Das macht es für das Verständnis schon schwierig. Natürlich kennt man Wendy & Lisa, aber auch hier hätte man etwas tiefer ins Detail gehen können.
Auf der anderen Seite zeichnet dieses Werk aus, dass der Brite sich nicht nur auskennt und sehr fleißig recherchiert hat, sondern auch ein Fan von Prince zu sein scheint. Manchmal verliert er die kritische Distanz, aber genau das ist natürlich auch schön. Wer mit dem Schaffen von Prince vertraut ist, wird die jeweiligen Songs und Alben ja sowieso für sich selber einordnen. Über manche These von Thorne lässt sich natürlich auch trefflich streiten. Ob die Songs von Prince auch jeweils seinen Gemütszustand widergespiegelt haben und – mehr oder weniger – autobiografischer Natur waren und sind, sei mal dahingestellt. Aufschluss darüber geben da sicherlich die vielen O-Töne von Wendy & Lisa.
Wer mehr über das Privatleben oder gar Skandale lesen möchte, ist hier falsch aufgehoben. Diese werden nämlich nur zur Sprache gebracht, wenn auch ein direkter Zusammenhang zur Musik besteht. Das ist Thorne hoch anzurechnen. Dafür beleuchtet er auch viel lieber den Einfluss der Musik von Prince auf andere Künstler und Genres. Man kann nur Vermutungen anstellen, aber das Buch hätte Prince vielleicht sogar gefallen. Endlich mal einer, der sich nur mit der Musik auseinandersetzt – und dies auch noch sehr kenntnisreich.
Fazit: „Pince – Die Biografie“ von Matt Thorne ist ein Fest für alle Fans. Der Autor beschäftigt sich sehr detailliert mit dem umfangreichen Schaffen des Genies. In akribischer Kleinarbeit hat er alle Informationen zusammengetragen - auch mit Hilfe der ehemaligen Weggefährten von Prince - die sich finden ließen und bekannt sind. Dies schließt auch unveröffentlichtes Material mit ein. Hin und wieder hat man Probleme sich zurechtzufinden und wenn man nicht gerade zu den Hardcorefans zu zählen ist, verliert man dann auch schon mal den Überblick, in welcher Prince-Epoche man sich gerade befindet. Auch die vielen Protagonisten, die da namentlich erwähnt werden, lassen sich dann nicht immer so leicht zuordnen. Für Fans stellt das natürlich keine nennenswerte Hürde dar. Voyeuristisch veranlagte Menschen müssen zum Glück draußen bleiben – hier geht es ausnahmsweise mal um den Künstler und seine Musik!
Text: Torsten Schlimbach