Laith Al-Deen - Interview am 28.04.2011

 

Pause, Coveralbum, neue Platte. Zeit für eine Bestandsaufnahme mit dem unglaublich geerdeten Laith Al-Deen.


Hallo Laith vielen Dank für Deine Zeit!

Gerne, ich habe ja eher Dir zu danken.
Dein neues Album „Der Letzte Deiner Art" steht ja in den Startlöchern. Fällt da eine Last von einem ab, wenn die Songs endlich im Kasten sind oder hat man dann immer noch Zweifel, ob man nicht doch noch etwas hätte besser machen können?
Wenn Du jetzt man noch durch ich ersetzt, dann hast du die Antwort.
Wirklich?
(lacht) Ja, im Prinzip schon. Also wenn eine Produktionsphase so knapp war wie unsere - die schob sich zeitlich doch ganz schön nach hinten, wir wollten eigentlich früher fertig sein - ähm, dann ist das nicht unbedingt die spaßigste Sache, hat aber den Vorteil, dass man eine Entscheidung treffen muss. Dadurch war dann auch die Verschnaufpause zwischen Album fertig und Start der Promotion sehr kurz. Das tut mir aber auch ganz gut, denn ich neige da auch ein bisschen zur Lethargie, mich auch so ein bisschen hängen zu lassen. Aber da bin ich momentan eher Nägel am kauen wie es mit der Veröffentlichung laufen wird und viel wichtiger ist noch, wie es in der Zeit danach läuft.
Wann war Dir klar, dass es mit dem Laith-Ding - wie Du es nennst - überhaupt weitergeht? Wenn ich so manches Interview richtig deute, warst Du eine Zeit lang unschlüssig.
Ähm, Mitte 2010 war für mich, auch im Zeichen des Albums „Session" und der Tour - die allerdings nicht ganz so gut besucht war, aber dafür sehr schön - die Frage da, ob es jetzt wieder zurück zu alten Gefilden geht oder vielleicht auch was ganz Neues zu machen. Ich habe dann relativ lange im Kleinen so vor mich hingeschraubt und rumproduziert. Hätte ich da kein gutes Feedback von der Familie und Freunden bekommen, dann hätte ich das auch mal für drei Jahre ganz sein gelassen und wäre nur Motorrad gefahren oder so. Ähm, aber letztendlich kam da relativ viel zurück und ich habe mich dann auch aufgerafft und ein Ohr für die Songs bekommen, an denen ich so rumgeschraubt habe.
Ist der Song „Wieder Tun" Deine Aufarbeitung mit der ganzen Thematik und was Dich und Deine Musik ausmacht? Du beziehst da ja deutlich Stellung.
Da ich die letzten elf Jahre meines Lebens wesentlich mehr mit dem Thema konfrontiert war oder sagen wir mehr konfrontiert war, ähm, mit dem Thema Kommerz und ich viele Versuche gestartet habe zu erklären, dass mir der Mainstream nichts ausmacht, bin ich - also ich bin es nicht leid - aber so im Rückblick war das eine super Zeit mit Höhen und Tiefen, klar, aber alle Entscheidungen die getroffen worden sind waren gute und richtige Entscheidungen. Und ich will jetzt nicht mehr bereuen, denn damit kann man sich ja ein halbes Leben aufhalten.
Würdest Du tatsächlich alles wieder genau so machen oder ist das eher bildlich gesprochen?
Also bis auf die Tatsache, dass ich meinen ersten Plattenvertrag ohne Anwalt verhandelt habe, würde ich alles genauso machen. Dies war der einzige Knackpunkt, der mir in Erinnerung bleibt, aus dem dann zehn Jahre geworden sind. Das war gar nicht so geplant, aber das war auch keine schlechte Zeit, davon mal abgesehen. Ich rate inzwischen jedem, der mich fragt, da nichts anbrennen zu lassen. Aber ansonsten würde ich jede Entscheidung so wieder fällen. Im Umkehrschluss hat jetzt alles so seinen Sinn gehabt.
Bist Du heute gelassener?
Total! Ich habe zwar immer noch Erwartungen an das Album, klar, gar keine Frage, aber ich bin es inzwischen total leid dieses Downloadgespräch zu führen im Sinne von „früher war alles besser". Es ist inzwischen so, man muss sich damit arrangieren, man kann sich inzwischen auch damit arrangieren wenn man es viel nutzt - was ich zugegebenermaßen nicht so viel tue - aber Musik ist immer noch gut und ein Bestandteil der Gesellschaft. Es gibt da ganz viele Leute, die echte Luxusprobleme am Start haben und ich gehöre glücklicherweise nicht mehr dazu.
Was ist denn zuerst zu „Der Letzte Deiner Art" entstanden? Die Musik oder die Texte? Oder ist das ein Mix?
Diesmal ist das echt ein Mix. Speziell die Nummer „Der Letzte Deiner Art" hat mir der Schreiber einfach mal so vorgespielt, nach ewig langem zögern, ist eben ein sehr zurückhaltender Typ, ja und ich habe die Nummer dann sofort für mich vereinnahmt. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich genau weiß wovon er da spricht und ich das einfach machen muss. Aus solchen Situationen und Schreibgeschichten mit anderen Leuten, hat sich dann das ganze formiert. Eigentlich auch nicht anders, als die letzten zehn Jahren zuvor.
Was hat Dich denn beim Songwritingprozess inspiriert?
Einfach einen Song zu machen. Wie ich eben beschrieben habe, bin ich einfach durch die Gegend gefahren und habe mir dann eine Menge Zeug schicken lassen. Teilweise auch haarsträubendes Zeug, ähm, ich hatte dann ordentlich Songs im Gepäck, wovon viele auch gar nicht auf das Album gekommen sind, weil die während des Produktionsprozesses einfach an Bedeutung verloren haben. Ich habe auch mehr oder weniger nach zwei Monaten einen Überblick dafür bekommen, was da alles zusammengetragen worden ist. Das macht für mich auch so ein bisschen den Reiz des Albums aus.
Das Ttitelstück selber „Der Letzte Deiner Art" beschäftigt sich u.a. textlich mit dem Gefühl zur falschen Zeit geboren zu sein. Am falschen Platz zu sein. Ist der Text auch ein Stück persönlicher Natur?
Definitiv! So eine Mini-Depression oder Eintagesdepression kennen viele. Einfach das Gefühl, dass man nicht zu diesem Leben dazugehört. Das ist kein schönes Gefühle, aber ein Klassiker, den man einfach zulassen muss. Und ähm, wenn ich das nicht hätte so nachvollziehen können, dann hätte mich die Nummer auch nicht so berührt.
„Der Letzte Deiner Art" ist teilweise ja etwas schneller und richtig tanzbar. War diese Richtung von Anfang an klar oder hat sich das nach und nach ergeben?
Ergeben. Mein Co-Produzent ist daran auch nicht ganz unbeteiligt. Es ist quasi dieser eine Teil als Marschroute vorgegeben worden - was ich gut fand - und diese Route war ein bisschen schneller, vielleicht auch, weil einige Schreiberlinge ihre Singleskandidaten unterbringen wollten, aber das hat sich ganz natürlich ausgesiebt und den Rest haben wir dann angepasst.
Du hast ja eben dieses Mainstreamding angesprochen. Kannst Du mit dem Begriff Erwachsenen-Pop in Bezug auf dieses Album etwas anfangen oder fühlst Du Dich und Deine Musik da komplett missverstanden?
Nee, überhaupt nicht. Das passt schon. Ich werde bald 40, ich würde mal behaupten, dass ich ansatzweise erwachsen bin und was da textlich passiert auf der Platte, ist für Leute meiner Alterklasse nachvollziehbar, wie ich glaube. Ich habe jetzt auch schon mit jüngeren Leuten gesprochen, die das alles nachvollziehen können, aber die ganze Musik an sich hat überhaupt nicht den Anspruch irgendwie frisch oder modisch zu sein. Das hört man ja auch. Das war allerdings beim Produzieren auch sehr befreiend.
Bist Du „Der Letzte Seiner Art"? Gerade in Bezug wie Du mit der deutschen Sprache spielst.
Es gab für mich den Anspruch ein gewisses Sprachniveau nicht zu verlassen. Dadurch, dass immer mehr deutschsprachige Sachen kommen, muss man sich natürlich positionieren und ich bin echt gespannt, was die Veröffentlichung angeht, wo und ob ich meinen Platz da habe. Es gibt aber auch tolle Sachen mit Clueso, Jupiter Jones oder von mir aus auch Frida Gold.
Inwieweit war das Coveralbum für das neue Album wichtig? „Session" ist ja eher das Gegenteil und teilweise sehr ruhig instrumentiert.
Total. Auf der einen Seite hatte ich ein bisschen Ärger mit meiner Plattenfirma zu der Zeit, auf der anderen Seite wollte ich sowas schon immer machen, in zwei Wochen aufnehmen. Mit einer guten Band aufnehmen, dazu noch live mit einer Bandmaschine - das beschäftigt mich eigentlich schon die letzten fünfzehn Jahre - und man hat ja auch nicht immer die Möglichkeit so was umzusetzen. Man gönnt sich das gar nicht, so auf alle Formate und kommerziellen Vorgaben wirklich zu scheißen. Ähm, da sind jetzt Dinge dabei, die klingen vielleicht zu leer, zu schnell, zu langsam, zu dumpf, weil wir eben gesagt haben „wir machen jetzt einfach". Diese Freiheit zu nehmen - das hat verkaufsmäßig ja auch extrem polarisiert - war ziemlich befreiend. Ich hoffe, es war nicht das letzte Mal.
Hat Dich das eigentlich nicht angefixt das neue Album eventuell in englischer Sprache aufzunehmen?
Ja, die Idee gab es sogar schon vorher. Ich fand es nur musikalisch immer so eine Sache. Nicht komplett, aber teilweise fand ich das nur in Kombination mit deutscher Sprache sehr gut. Jetzt könnte ich mir z.B. „Lied für die Welt" auch in englischer Sprache vorstellen. Das ist ein sehr pathetischer, aber auch ernstgemeinter Text, von dem ich das Gefühl habe, dass der sich in einer internationalen Sprache wesentlich besser machen würde. Dafür gibt es auch schon eine Übersetzung. Ich werde das auch ausprobieren und wenn um mich herum noch mehr das Gefühl haben, dass man das mal versuchen könnte, dann werde ich das auf jeden Fall starten.
Wie kam es zu „Sie Träumt"? Für mich das schönste Stück der Platte.
Das freut mich sehr. Der Textschreiberling war ganz, ganz früher mal Bassist in einer Band von mir. Wir haben das große Glück alle fünf Jahre zusammenzukommen. Entweder hat er einen Text und ich eine Melodie - oder umgekehrt - und dann geht das alles ganz schnell. Er kam mit diesem sehr ernstgemeinten Text für seine Frau, ich habe mir die Gitarre gegriffen und original drei Minuten später was das fertig. Was man da hört ist das Demo, mit noch zwei oder drei Schnick-Schnacks dazu, weil wir es auch nicht besser hinbekommen haben. Der Song hat mich einfach berührt.
Bist Du eigentlich ein sehr emotionaler Mensch? Deine Songs klingen so.
Ähm, das klappt bei mir mit der Musik oder auf Papier gepackt immer besser. Das Öffnen fällt da leichter. Ich arbeite da dran. Laut meiner Frau bin ich halbwegs auf Erfolgskurs. Ich gehöre zu den Musikern, die froh über die Bühne als weitere Ausdrucksform sind. Ich habe ja hoffentlich noch ein bisschen Zeit daran zu feilen.
Liest Du eigentlich die Reaktionen im Internet über Dich und Deine Musik nach?
Ich versuche mich immer weitestgehend raus zuhalten. Wir haben für die Single ein kleines Fanclub-Voting gemacht und jetzt könnte man ja denken, wenn man den klassischen Musikkonsumenten fragt ob ihm was gefällt, dann sagt dieser einfach ja oder nein - weit gefehlt. Es wurde analysiert, auf musikalischer Ebene, auf textlicher Ebene und sogar auf soundlicher Ebene. Das fand ich sehr beeindruckend. Letztendlich vergisst man aber, wenn man fünf negative Kritiken liest die zwanzig positiven. Von daher schau ich mir das an, manche Sachen sind lustig, manche Sachen sind wirklich interessante Aspekte, aber ich halte mich da weitestgehend fern.
Das beschäftigt Dich auch nicht ins Privatleben rein?
Ich geb´ dir ein Beispiel. Wir hatten letztes Jahr einen Homepagebesucher - ich glaube, es war eine Frau - der wirklich abstruse und extrem lange Einträge verfasst hat. Das waren DINA4-Seiten. Das jeden Tag. Wüste Behauptungen und Beschimpfungen und da hat sich herausgestellt, dass die Person geistig nicht ganz gesund war. Da gab es Beschimpfungen untereinander, mir gegenüber, meiner Frau gegenüber und ich glaube, wenn man sich darauf einlässt, dann kommt man nirgends an. Ich habe das im Jahre 2000 mal gemacht, als ich eine jüngere Frau nach ihrem Suizid-Versuch begleitete und die Erfahrung derart unschön war, dass ich mir geschworen habe, dass ich das nie wieder mache. Die Entscheidung war auch richtig so.
Du bist ja als Erwachsener - mehr oder weniger - ins Musikgeschäft reingekommen - hattest du trotzdem schmerzhafte Erfahrungen im Musikgeschäft?
Sagen wir mal so. Du hast ja mehr oder weniger feste Vorstellungen und wenn dann jemand von außen kommt und will daran rumschrauben - angefangen vom Namen, da hat sich die Plattenfirma am Anfang doch sehr bemüht den zu ändern, was ich nicht wollte - oder solche Dinge. Die zogen sich einfach durch mein Leben. Man hört sich natürlich ungern Kritik für Dinge an, die man vollkommen gut findet. Auf der anderen Seite hat mich genau diese Kritik unglaublich weiter gebracht. Der schönste Weg ist es aber nicht.
Was kannst Du in Bezug auf Tour und Programm/Show schon sagen?
Den ganzen Sommer über spielen wir in einer klassischen fünfer Besetzung mit teilweise Ersatzmusikern. Meine festen Bandkollegen haben die letzten Jahre nämlich viele Projekte an den Start gebracht und von daher wird es immer ein bisschen anders. Ich bin sehr gespannt. Wenn es irgendwie machbar ist, dann möchte ich ein neues Instrumentarium mitnehmen, weil die neue Platte live gar nicht so einfach umzusetzen ist, wie wir schon festgestellt haben.
Hattest Du nicht auch mal ein Blues-Projekt am Start oder in Planung? Was ist daraus geworden?
Ich hatte im Prinzip ein Album so halb am Start. Das hat sich aus „Session" heraus zerschlagen oder mündete darin. Das ist aber auch noch nicht komplett zu den Akten gelegt. Momentan sitze ich auf einer halben Metalscheibe, was ein lang gehegter Wunsch ist, endlich mal so eine Rockscheibe zu machen - vermutlich eh nur für mich . Es würde mich schon wundern, wenn nicht irgendwann „Session 2" kommt. Dann als klare Bluesansage, das wird dann für alle Zeiten die Musik sein, von der ich eigentlich komme. So ganz bin ich mir aber noch nicht sicher, darum forsche ich da noch ein bisschen.
Ich danke Dir für das Gespräch! Alles Gute für die Platte und viel Spaß auf der Tour!
Ich danke Dir und wir sehen uns dann auf der Tour.

 

(Torsten Schlimbach bedankt sich für die freundliche Unterstützung bei Matthias Drusell von voll:kontakt und natürlich bei Laith Al-Deen!)

 

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