Kettcar gastieren mal wieder in Köln. Ein neues - übrigens famoses - Album haben sie auch noch im Gepäck. Es gibt also genug zu bereden. Das Interview wird kurzerhand in den Tourbus verlegt und Bassist und Songschreiber Reimer Bustorff steht Rede und Antwort. Schon schnell ist klar, dass man es hier mit einem der sympathischsten Charakterköpfe in der deutschen Musiklandschaft zu tun hat. Eigentlich waren 15 Minuten angesetzt, aber die Zeit verfliegt wie im Fluge und schnell ist eine halbe Stunde um. Erlebt man auch nicht alle Tage, dass der Interviewpartner dabei völlig entspannt bleibt und dafür sogar Abstriche für seine eigene Essenszeit macht. Wer sagt eigentlich immer, dass Dave Grohl der netteste Mensch im Rockzirkus ist? Vielleicht ist es ja auch Reimer von Kettcar!
Reimer, wann stand der Albumtitel „Zwischen den Runden“ fest? Habt ihr keine Angst, dass der falsch gedeutet werden könnte und damit die Platte vielleicht in eine völlig falsche Richtung drängt?
Der Titel stand fest, als die Platte feststand. Na ja und falsch zu deuten, hmm? Also bisher hatten die Leute immer die Assoziation, dieses Bild vom Boxkampf und zwischen den Runden zu sein. In so einer Phase zu sein sich zu sammeln und durchzuatmen. Einfach zu gucken, was hinter einem lag und, ähm, insofern hatten wir überhaupt keine Bedenken, dass das irgendwie falsch gedeutet werden könnte. Ich wüsste jetzt auch gar nicht, wie man das ganz böse und negativ deuten könnte.
Ich meine das nicht unbedingt negativ, sondern das könnte ja auch als Zwischenschritt zwischen „Sylt“ und der übernächsten Platte gedeutet werden. So, als wärt ihr immer noch auf der Suche.
Ah so meinst Du. Aber auch das finde ich gar nicht so eine schlechte Interpretation für uns, da wir von Kettcar von der ersten Platte an den Wunsch hatten, so eine Konstanz da reinzubringen. Wir wollten alle drei Jahre – jetzt waren es vier Jahre – versuchen eine gute Platte abzuliefern und die dann da draußen auch gehört wird. Und natürlich langfristig gehört werden kann und nicht nur den Zahn der Zeit trifft, sondern auch darüber hinaus ein bisschen läuft. Insofern hast Du recht, ist die Platte auch ein zwischen den Runden und es geht irgendwie weiter und da finde ich diese Interpretation gar nicht so falsch und da kann ich auch gut mit leben.
Der Vorgänger „Sylt“ klingt jetzt in der Nachbetrachtung für mich recht düster und gar nach einem Konzeptalbum. Habt ihr euch bei der neuen Platte eigentlich vorher auf eine Grundstimmung geeinigt? Wurde sich hier gar mehr auf das klassische Storytelling eingelassen?
Genau! Wir haben uns bei der „Sylt“ auf eine Grundrichtung geeinigt oder gesagt, lasst uns doch ein düsteres Album machen und eins, was irgendwie so eine Antihaltung hat. So nach dem Motto, dass wir nicht einverstanden sind und lasst uns ein bisschen wütend sein. Jetzt mit der Platte haben wir uns eigentlich gesagt, dass wir einfach mal machen und uns vorher eben nicht festlegen wollen. Ich glaube, deshalb ist die Platte auch so heterogen geworden. Ähm und das ist dann eher die Schwierigkeit gewesen da so ein rundes Album hinzukriegen. Wir haben ja fünfzehn Songs gehabt und zwölf dann für das Album genommen und da lange überlegt, wie wir das jetzt machen und wie wir das Album einigermaßen rund kriegen. Wir haben alle gemerkt, dass das Album keine bestimmte Richtung hat in die es geht. Das war bei „Sylt“ definitiv etwas einfacher.
Habt ihr euch nach „Sylt“ vielleicht auch nach mehr Ruhe gesehnt?
Das auf jeden Fall! Wenn man so ein Album wie „Sylt“ macht und damit lange Zeit auf Tour ist und die Songs immer wieder spielt, dann entwickelt man auch mal eine Sehnsucht nach was Schönerem, ganz klar!
Was war bei der neuen Platte eigentlich zuerst da – die Musik oder die Texte?
Ähm, das war diesmal ganz unterschiedlich. Das kommt ganz drauf an. Oft ist es so, dass einer, also Marcus und ich jetzt auch vermehrt mit Texten, ähm, mit einer Songidee mit Text in die Band kommt. Es ist aber auch so, dass Eric die Musik im Club geschrieben hat. „Zurück aus Ohlsdorf“ hat er auch die Musik gemacht und wir haben da drauf den Text geschrieben. Es ist also schon relativ unterschiedlich.
Mit Kettcar verbindet man ja immer Texte, die das Leben mit Worten und Sätzen beschreiben, wie man es kaum bei einer anderen deutschsprachigen Band findet. Belastet diese Erwartungshaltung euch beim Schreiben? Ich könnte mir vorstellen, dass man so eine Nummer wie „Der apokalyptische Reiter und das besorgte Pferd“ nicht mal eben im Vorbeigehen schreibt.
Joa, das kommt immer drauf an. Natürlich brauchen auch einige Texte lange oder liegen lange rum. Oder es finden sich einige Ideen wieder, die sich seit Jahren im Notizbuch verloren haben und die man wieder aufgreift. Aber dann gibt es auch wieder Sachen, die fließen auch einfach so. Und dann ist es auch einfach die Geschichte zu erzählen. Es ist eher schwieriger auf die Idee zu kommen. Wenn wir jetzt „Rettung“ als Beispiel nehmen, dann braucht man halt diese Idee einen Song über Liebe und Romantik zu machen und den Inhalt von Liebe in diese Geschichte zu verpacken. Die Worte finden sich dann relativ leicht, eigentlich.
In diesem Zusammenhang: Eure Texte sind ja größtenteils eben nicht autobiografisch - das ist Marcus ja sehr wichtig zu betonen…
ganz genau, ja ja...
- wie kommt es dann zu einem der traurigsten und gleichzeitig gefühlvollsten, deutschsprachigen Songs überhaupt? Ich meine „Zurück aus Ohlsdorf“.
Joa, das habe ich jetzt geschrieben und den habe ich mir eben ausgedacht. Das ist nix, äh, ich finde auch, dass es nicht wichtig ist, ob ich das erlebt habe. Es ist wichtig, dass die Leute das Marcus abkaufen wenn er das singt und sich darin wiederfinden. Was wir versuchen ist eben das Leben zu beschreiben. Die großen Themen eben wie Tod, Liebe, Scheitern und Hoffnung anzugehen und eben in so kleinen Lebenssituationen auftauchen zu lassen. Und, ähm, dann kommt dann so eine Idee und dann schreibt man den Text. Diesen Text z.B. habe ich innerhalb von zwei Tagen so runtergeschrieben – an einem Wochenende. Eric hat mir die Musik geschickt und dann habe ich da noch ein paar Teile verlängert, dass man den Text da reinkriegt und dann ist der Song ruckzuck fertig gewesen – auch, wenn das jetzt so ein bisschen unromantisch klingt. Ja, aber auch da gilt, wenn die Idee einmal da ist, dann geht das auch relativ schnell.
Noch mal zurück zu den Texten: nie überlegt ein englischsprachiges Album aufzunehmen, gerade am Anfang – immerhin lasst ihr in eurer Muttersprache auch ein großes Stück die Hosen runter und die Angriffsfläche ist größer?
Ja, aber das wollen wir natürlich auch und das trauen wir uns natürlich auch zu. Ich könnte mir überhaupt nicht vorstellen in Englisch was zu machen. Mein Englisch reicht auch nicht. Wir versuchen natürlich schon wortgewaltig zu sein und mit Metaphern zu arbeiten und das könnte ich in Englisch nicht, dafür reicht es nicht. Für die Aussprache bräuchte man auch noch mal ein Training und dann lässt man es gleich lieber. Das funktioniert so ja auch gut für uns.
Eure bisherigen Platten – vom Debüt bis zur aktuellen – sind ja alle recht unterschiedlich. Trotzdem scheint immer eine gewisse Melancholie über der Musik zu schweben. Wolltet ihr diesen Aspekt, diese Seite nun mittels Streicher, Akustikgitarre noch deutlicher herausstellen?
Ja, das ist unbewusst, aber wir haben natürlich diese Streichertour gemacht. Ich glaube das war 2009 oder 2010 – ich weiß das gar nicht mehr so genau – ähm, und sind da eine Woche mit den Songs von „Sylt“, aber auch älteren Songs, die wir so ein bisschen mit Streichern umarrangiert haben, getourt. Das hat uns sehr gekickt, das war super und hat total Spaß gemacht und war natürlich auch total neu für uns und spannend. Ich glaub, unterbewusst hat uns das schon sehr gereizt in diese Richtung zu gehen. Überhaupt, was du sagst, dass die alten Platten vom ersten bis zum jetzigen relativ unterschiedlich sind, ist für uns natürlich sehr wichtig. Das ist so eine Entwicklung, die Kettcar nimmt und das ist ein Ausprobieren und das macht es für uns natürlich auch so spannend. Wie funktioniert das mit den Bläsern, wie kann man das in die Songs einbetten und trotzdem irgendwie noch so einen Kettcar-Sound hinzubekommen. Der kommt natürlich auch viel durch die Stimme von Marcus, ganz klar, aber wir haben schon Lust immer uns auszuprobieren und neue Wege zu gehen. Wir wissen natürlich auch, dass das nicht bei allen gut ankommt, aber das ist auch in Ordnung so.
Neben Marcus hast Du ja auch viele Songs beigesteuert. Ist das eher Zufall, dass sich das alles so perfekt ineinandergefügt hat oder habt ihr da so lange rumgeschraubt bis es schließlich passt?
Nee, das ist Zufall. Also nicht ganz Zufall, denn ich kenne Marcus seit Anfang der 90er. Wir sehen uns ja fast täglich und wir machen viel. Das geht ja sogar über Musik hinaus, also auch aufgrund des Label und am Wochenende sieht man sich dann noch bei Pauli im Stadion und so, ähm, und dadurch ist es natürlich so, dass ich die Sprache von Marcus für seine Texte auch irgendwie adaptiert habe. Es fällt mir auch relativ leicht zu texten mit Marcus´ Stimme im Kopf. Ich höre dann halt nicht mich im Gesang, sondern ich spüre gleich, ob Marcus den singen kann oder eben nicht. Das hat sich mit der Zeit so ergeben und funktioniert jetzt immer besser. Ich glaube, dadurch habe ich jetzt die Möglichkeit gehabt, jetzt mehr zu machen, da ich das immer besser gelernt habe. Ich glaube, so ein bisschen ist es auch Zufall. Marcus hatte am Anfang ein bisschen weniger Output und da floss es bei mir und so hat sich das halt ergeben.
„Schrilles buntes Hamburg“ kommt thematisch und textlich ja eine ziemliche Ausnahmestellung zu und hätte vielleicht auch auf „Sylt“ gepasst…
Total!
Ihr zeichnet da ja ein bitteres Bild der Künstler nach und wollt einen Zeitgeist schaffen – Stichwort Verwertungslogiken – der die Rolle der Kunst anerkennt. Kann denn in der schönen neuen Medienwelt überhaupt noch Kunst in dem Sinne stattfinden? Kann Politik überhaupt noch einen sinnvollen Beitrag leisten?
Das ist die Frage, was Politik kann und was Politik macht. Das beste Wort in diesem Zusammenhang ist da in der Tat sinnvoll. Hamburg steht dafür natürlich auch nur exemplarisch. Natürlich auch was den Kulturetat betrifft.
Das ist hier ja auch nicht sonderlich anders.
Genau, genau und das höre ich eben überall. Wie sinnvoll ist eine Elbphilharmonie für Künstler? Für die Gestandenen bringt das sicherlich was und für die Stadt bringt das auch ganz viel. Das Problem ist, dass wir als kleine Künstler und auch Aushängeschilder für Hamburg – und da meine ich jetzt nicht nur uns als Kettcar, sondern auch Blumfeld, Tocotronic und die anderen – dann alle abwandern, weil es eben kein Raum gibt. Kunst wird immer in Zusammenhang mit wirtschaftlichen Zusammenhängen gesehen.
Ja, aber geht es denn überhaupt anders?
Es wird von der Stadt einfach nichts getan und das ist es, was wir ankreiden. Wir haben echt überhaupt keine Möglichkeit uns künstlerisch zu entfalten. Es wird irgendwie immer versucht alles zu verwerten und auszubeuten. Es wird nicht irgendwie Raum von der Stadt bereitgestellt. Darum gibt es jetzt in Hamburg so was wie Recht auf Stadt. Wir wollen uns auch breit machen und uns entfalten. Und dann sitzen die Künstler alle im Schanzenviertel und dann wird das Schanzenviertel hipp und dann? Wo sollen die Künstler hin? Da stößt man an Grenzen und das macht es sehr schwierig. Wir dachten, das wäre nur in Hamburg so und hören jetzt immer mehr, dass es fast überall so ist. Wo es tatsächlich wohl klappt ist Leipzig. Da habe ich auch mit vielen gesprochen und wir waren jetzt gerade in Leipzig und da liegt so viel brach, da kannste dich aber richtig entfalten und überall hingehen. Aber naja, ich möchte vielleicht auch nicht nach Leipzig.
Wo wir gerade bei der Medienwelt sind. Wie seht ihr das Internet und den Wandel des Musikgeschäfts?
Joa, wir nutzen es ja auch. Wir hatten als kleines Label ja direkt eine Webseite und da dann wieder so eine kleine Radiosendung gemacht, so ein Quatschkram. Dann haben wir da Songs umsonst reingestellt, unsere erste EP wurde doch umsonst verteilt und ja, wir nutzen das Internet schon in seinen Möglichkeiten. Ich finde halt immer, es muss an uns sein, die jetzt zwei Jahre an dem Album geschrieben haben, welche Vertriebswege wir wählen. Wenn wir jetzt sagen, dass wir die Songs ins Netz stellen, dann ist das in Ordnung, aber wenn das jemand anderes macht eben nicht mehr. Das ist mein Problem, was ich damit habe. Ansonsten bietet das natürlich wahnsinnig viele Möglichkeiten für kleine Künstler sich zu präsentieren und das ist eine tolle Plattform. Als Plattenfirmeninhaber hoffe ich natürlich, dass die Leute auch noch Vinyl und CDs kaufen, klar.
Lebt und erlebt ihr heute bewusster was rund um die Band geschieht – ihr seid ja immerhin schon lange dabei?
Och, wie meinst du das bewusster?
Wir waren ja eben schon bei der neuen Medienwelt. Es ist ja alles recht schnelllebig, anders als in den Anfängen. Da wart ihr natürlich noch jünger.
Ganz klar, vor zehn Jahren, als wir als kleine Band anfingen, da kannte uns ja keiner. Da kam so ein erster kleiner zaghafter Ansturm. Als man die ersten Interviews gemacht hat, war das natürlich auch alles noch viel aufregender, ganz klar. Trotzdem hat man heute – ich meine jetzt mal ehrlich: wir spielen heute vor dem ausverkauften E-Werk, was will man mehr? Also, noch bin ich relativ ruhig, aber das wird noch aufregend werden und das ist auch was, was ich mitnehmen werde. Wahrscheinlich für immer. Klar bilden sich Routinen. Man steht immer zur gleichen Zeit auf und ist mit diesem komischen Bus hier unterwegs und pennt da drin und so und ist jeden Tag in einer anderen Stadt. Da kommt so eine Routine wie zu Hause auf, aber da sehnt man sich auch nach und das ist auch ganz gut so wie es ist. Ähm, aber das ist immer noch was Besonderes! Für alle von uns!
Hat euch Erfolg und besonders die Menschen um euch herum verändert? Gab es Enttäuschungen? Das bringt ja leider auch immer wieder Neider hervor.
Joa, so Neider weiß ich jetzt gar nicht. Aber es ist natürlich schon so gewesen, gerade am Anfang mit der Plattenfirma, dass wir geguckt haben, wer die Internetseite programmieren kann, wer da einen Shop auf die Beine stellen kann und so. Man hat dann über drei Ecken Freunde, die das dann für einen so nebenberuflich machen und irgendwann merkst du, dass du jemanden brauchst, der das professionell macht. Und dann stößt du natürlich die Leute vor den Kopf. Bisher war es ja so, dass die Leute das zwei Jahre lang in den Abendstunden nebenher gemacht haben und die Webseite betreut haben und ähm, das auch immer super war. Unsere Ansprüche wurden dann aber andere und das ging dann einfach nicht. So eine Situation ist dann immer ganz schön schwierig. Und das hängt natürlich damit zusammen, dass irgendwas Kleines immer größer wird und man da an Grenzen stößt. Man muss dann gucken, wie es weitergeht und ja, dann auch mit gewissen Leuten auch bricht und dann schlechte Stimmung entsteht oder der Kontakt abrupt abbricht. Das haben wir schon alles erlebt und das ist natürlich nichts Schönes. Es ist natürlich auch nicht so, dass wir da was Böses wollten. Das sind ganz schwierige Geschichten. Aber das ist auch eher Labelsache. Von der Band ist das eher weniger. Der Tross, der jetzt unterwegs ist – da sind sogar noch eher Leute zugekommen – sind die meisten von Anfang an dabei. Da sind siebzehn Leute im Bus und wir kennen uns schon alle ziemlich lange.
Ihr seid ja auch Familienmenschen und Väter, verändert einen das als Musiker und Songschreiber?
Haha, also meine Tochter ist drei jetzt. Hmm, ob mich das verändert hat? Ich glaube nicht. Nee, ich glaube nicht. Also was man natürlich jetzt macht ist diese Kinderlieder auch zu singen. Ich schnall dafür jetzt mehr, wie das funktioniert. Ich bin ja kein gelernter Musiker, sondern ich habe mir das mit fünfzehn selber beigebracht. Jetzt kapier ich so, wie diese Musikalität und diese Kinderlieder funktionieren. Das durchschaue ich vielleicht jetzt mehr, aber das hilft mir auch nicht unbedingt weiter. Ich glaube eher nicht.
Musstet ihr euch als Band eigentlich wieder neu sortieren nachdem Christian als neuer Drummer dazu gestoßen ist?
Ja! Schon! Das war eine ganz schwierige Zeit für uns. Auch das Erkennen, dass es so nicht mehr weitergeht. Man muss sich das wie eine lange Beziehung vorstellen. Marcus kennt und spielte mit Frank ja auch schon seit Anfang der 90er zusammen. Man hat ja auch viel durchgemacht mit ihm – ich kenne Frank ja auch seit Anfang der 90er – das ist schon schwierig. Das ist ja auch ein schleichender Prozess. Wir haben uns schon zusammengesetzt und viel geredet und viel diskutiert. Noch mal probiert und noch mal probiert. Wir sind dann alle zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht mehr geht. Wir haben uns dann getrennt und haben zum Glück mit Christian jemanden gefunden, der menschlich und musikalisch gleich super reinpasste. Ähm, das hat das leichter gemacht. Wir sind mit Frank natürlich auch noch in Kontakt. Im Nachhinein denke ich, dass es für alle auch einfach gut war. Also diese Entscheidung zu treffen. Als es dann letztendlich so weit war, waren auch alle irgendwie erleichtert. Wir gehen leichter durch das Leben und Frank auch. Es ist jetzt auch nicht so, dass Frank gerne hier sitzen würde. Es war auch eine ganz klare Entscheidung von ihm, das nicht mehr zu wollen.
Man sagt den Norddeutschen ja nach, dass sie eher unterkühlt sind und nicht gleich jeder dem anderen in den Arm fällt. Hier in Köln ist ja das genaue Gegenteil der Fall. Kriegt ihr davon etwas mit und fühlt euch dann vielleicht sogar ein Stück unwohl - der berühmte Kölner Klüngel ist ja nicht jedermanns Sache?
Der Hamburger ist natürlich nicht ungesellig, aber man merkt auf jeden Fall den Unterschied ob man in Kiel oder Köln spielt oder auch München, da ist es auch noch mal anders. Ich bin jetzt hier noch nicht in den Arm genommen worden, aber warten wir mal ab, wie es heute Abend so wird.
Habt ihr eigentlich vor den Konzerten noch Lampenfieber oder schleicht sich gar so etwas wie Routine ein?
Nee, das ist schon doll. Auch heute wird es doll werden. Das ist schon fett. Weiß ich nicht, da muss man schon einen Sekt vorher trinken.
Macht es denn einen Unterschied, ob ihr in einer kleinen oder großen Halle spielt?
Genau, das gibt es auch, dass ich bei kleinen Hallen aufgeregter bin wie bei den großen Hallen. Jetzt erleben wir gerade auf dieser Tour die großen Hallen. Und wenn man die Leute dann bis hinten Backstage hört und dann rausgeht, dann ist das schon eine ganz intensive Erfahrung. Ich bevorzuge da aber auch nichts. Ich spiele auch gerne die kleinen Konzerte, auch die Akustikkonzerte wo man dann sitzt und das Publikum sitzt auch und man kann ein bisschen miteinander kommunizieren. Das möchte ich auch nicht missen und das wird es bei Kettcar auch wieder geben, dass wir die kleineren Sachen wieder machen. Da bin ich fest von überzeugt.
Wie seht ihr eure Zukunft und die von Kettcar aus? Gibt es da schon Pläne?
Bei Kettcar ist immer der Plan gewesen, eine Konstante da reinzubringen. Unser Ziel und unser Traum ist alle drei Jahre eine neue Platte zu machen. Jetzt machen wir gerade die Tour und nächstes Jahr dann vielleicht so eine kleine Streichergeschichte – würde sich ja anbieten. Wir haben da drüber aber tatsächlich noch gar nicht geredet, aber ich glaube jeder hat diese Möglichkeit im Hinterkopf und ja, in drei Jahren müsste dann wieder eine neue Platte von uns kommen.
Ihr schreibt aber nicht während der Tour?
Nee, überhaupt nicht. Wenn Tour, dann ist auch nur Tour. Es ist mir auch ein Rätsel, wie andere Bands während einer Tour schon wieder ein komplettes Album schreiben können. Wir gucken da nur auf das Konzert. Ich hätte da überhaupt kein Bock drauf und bin dafür auch viel zu unruhig.
Vielen Dank für das Gespräch, Reimer!
Sehr, sehr gerne!
(Torsten Schlimbach bedankt sich bei Janna Prager von Off The Record und natürlich bei Reimer Bustorff und Kettcar für die freundliche Unterstützung!)