Das großartige Album „Replace Why With Funny“ steht kurz vor der Veröffentlichung, Grund genug für ein Interview mit den bezaubernden Dear Reader. Wir trafen uns dazu mit der Band im Cafe des Museums Ludwig in Köln. Ein ungewöhnlicher Ort, besonders da die Band zu später Stunde ein Konzert im Foyer des Museums spielen sollte.
Hallo ihr Drei! Seid ihr im Promostress? Wie ist es für euch zur Zeit so viel unterwegs zu sein?
So viel Stress haben wir bis jetzt gar nicht, Du bist jetzt unser dritter Interviewtermin. Gleich stehen allerdings noch Radiointerviews an. Wir haben sogar eine ganze Menge geschlafen. Es ist für uns das erste Mal, dass wir mit einem Nightliner unterwegs sind. Das ist nicht nur aufregend für uns, sondern während der Fahrt können wir auch nicht so gut schlafen, von daher ist es besser, wenn das Ding steht. Aber es ist eine aufregende Zeit.
Ihr kommt ja aus Südafrika, Johannesburg. Spiegelt sich das Land und die Stadt in eurer Musik wieder, hat das irgendwie Einfluss auf die Songs?
Hmm, ich würde ja und nein sagen. Musik ist natürlich auch sehr personenbezogen. Unsere Musik ist sehr persönlich, wie ich finde. Auf dem Album gibt es z.B. den Song „The Same“. Dieser entstand nicht aus einem politischen Gefühl heraus, sondern aus dem persönlichen Gefühl hier zu leben. Ich weiß nicht, ob die Musik selber reflektiert woher wir kommen. Einflüsse spielen ja auch immer eine Rolle, also was man selber gerne hört. Unsere Heimat ist natürlich weit weg, aber trotzdem bedeutet dies nicht, dass wir nicht auch von Dingen außerhalb beeinflusst werden.
Wie sind denn die Lebensumstände für einen Musiker bei euch?
Ich glaube, die sind nicht mit denen vergleichbar, wie Du sie von hier kennst. Für eine englisch singende Band ist das bei uns sowieso sehr schwierig. Die Möglichkeiten sind sehr beschränkt und der Markt ist sehr klein. Die Szene ist halt sehr überschaubar. Es gibt ja auch nur drei große Städte, wo man auftreten kann. Es gibt dann auch noch ein paar kleinere Städte, wo wir spielen können, aber das ist alles schwierig. Es gibt allerdings ein paar wirklich schöne Festivals. Die finden dann im Busch statt. Ich trete dort sehr, sehr gerne auf und das macht schon sehr viel Spaß.
Aber eine Musikszene gibt es dann schon?
Ja, auf jeden Fall.
Würdet ihr eure Stadt und euer Land denn wirklich als so kriminell und gefährlich beschreiben, wie es in den europäischen Nachrichten rüberkommt?
Definitiv! Das ist leider die schlechte Seite unserer Heimat. Es ist vermutlich sogar noch schlimmer, als ihr es hier in den Nachrichten mitbekommt. In mein Haus wurde schon so oft eingebrochen und Sachen gestohlen, dass ich das schon selber nicht mehr zählen kann. Jetzt habe ich überall elektrische Fenster und ein Sicherheitsdienst bewacht das Haus. Es ist wirklich schlimm. Man muss immer aufpassen und auf der Hut sein, ständig kann etwas passieren.
Zurück zum Album: Welche Musik inspirierte euch zu eurem Album?
Ein ganz großer Einfluss war für uns Menomena. Wir wollten daher auch unbedingt, dass Brent Kopf mit uns das Album produziert. Ein weiterer Einfluss ist auf jeden Fall Fleet Foxes und Arcade Fire. Man könnte auch sagen, alles was in die Richtung Indie-Folk-Pop geht beeinflusst uns in irgendeiner Art und Weise.
Hattet ihr denn ein Konzept? From Indie-Pop to Indie-Classic? Für mich klingt die Scheibe wie ein Brückenschlag von Arcade Fire zu Regina Spektor.
Oh, das ist ja mal cool, Danke! Um ehrlich zu sein, gab es da keinen Plan oder Konzept. Ich bin natürlich auch mit Klassik aufgewachsen und vielleicht hört man das der Scheibe sogar an und es klingt ein bisschen wie ein Mix von Indie und Klassik. Wir mixen aber immer sehr viel Sachen wild durcheinander und gucken einfach was passiert. Dies ist wohl unsere Arbeitsweise. Aber das funktioniert einfach für uns am besten. Manchmal sind wir dann selber überrascht, was da wieder herausgekommen ist.
Sind eure Texte eigentlich reine Fiktion oder persönliche Erlebnisse und Geschichten?
Nein, die sind natürlich genau so passiert. Nein, war nur Spaß. Aber natürlich sind die von meiner persönlichen Situation inspiriert worden und reflektieren das wieder, wie ich mich da gerade gefühlt habe. Als mich mein Freund verlassen hat, war ich sehr traurig und schrieb dann auch entsprechende Songs. „Dearheart“ ist ein gutes Beispiel dafür. Es gibt davon sogar noch zwei oder drei andere auf dem Album. Für mich sind Songs auch immer eine Therapie. Songs sind für mich immer was sehr persönliches. Manchmal hilft es.
Schreibt ihr denn zusammen?
Die meisten Songs schreibe ich. Darryl ist mehr für den musikalischen Part und den ganzen Technikkram zuständig. Auch für die Arrangements. Michael ist ganz neu in unserer Band. Wir haben sehr viele Drums auf der Scheibe und singen wird er zusätzlich auch.
Südafrika ist ja gerade für die relevanten Musikmärkte USA, Europa und Asien sehr weit weg. Könnte das für euch ein Grund sein mal umzusiedeln?
Ja, die Distanz ist schon ein
großes Problem. Wir ziehen schon die Möglichkeit in Betracht irgendwann nach Europa zu ziehen. Wir werden sehen, ausgeschlossen ist es aber nicht.
Ja, gerade die Indieszene in Europa - speziell in Deutschland und UK – wird euch lieben.
Oh, Danke das hören wir natürlich gerne.
Ist es für euch als Band eigentlich schwer einen eigenen Musikstil zu finden, wo doch scheinbar alles schon da gewesen ist?
Definitiv! Alles was heute neu ist, war im Grunde
schon mal da. Fleet Foxes wird ja immer als was Neues hingestellt, aber in Wirklichkeit ist das natürlich nicht so, diese Art von Musik gab es auch schon in der Vergangenheit. Die 70er kommen zurück,
gerade aktuell hört man viele Einflüsse aus den 80ern. Ich finde es allerdings sehr frustrierend, wenn Musik nur noch kopiert wird und wie die Vergangenheit klingt. Es ist natürlich schwer, heute
einzigartig zu sein. Man muss seine eigene Stimme und Weg finden. Viele Musiker starten aber und kopieren andere. Das ist natürlich und so fangen alle an. Es hat ja auch jeder seine Einflüsse und das
hört man dann auch. Man muss einfach offen sein – für das Leben wie auch die Musik im Speziellen. Man darf nicht stehen bleiben, das wäre schlecht. Vieles kommt auch aus einem Bauchgefühl und einer
Intention heraus.
Was denkt ihr denn über das Internet? Hat das wirklich die Musikwelt verändert?
Für uns in Südafrika auf jeden Fall. Wir würden niemals so viele Bands hören und wahrnehmen, wie wir es jetzt können. Es gibt zwar eine extrem kommerzielle Seite des Musikgeschäfts, aber wir haben jetzt die Möglichkeit auch andere Sachen zu entdecken und hören. Jetzt kann jeder fünf Songs im Schlafzimmer aufnehmen und die ganze Welt kann das hören. Das kann ja ein ganz hervorragender Songschreiber sein und das ohne Plattenvertrag. Jetzt hat jeder die Möglichkeit genau diese Songs über das Internet zu hören. Das ist doch eine tolle Errungenschaft. Zudem hat man jetzt wesentlich mehr Einflüsse über und durch das Internet. Die Musikindustrie kann zwar auch einen Hype schnell verbreiten, aber wir wären heute nicht hier, wenn es das Internet nicht geben würde. MySpace ist für uns ganz wichtig, dies ist der Link zur Welt für uns.
Ihr spielt ja heute ein Konzert. Ist ein Konzer für euch hier anders als in eurer Heimat?
Ganz anders. In Südafrika sind die Konzertorte sehr klein. Zudem sind die Veranstaltungen nur einem kleinen Teil vorbehalten. Man geht da auch nur aus um die Band zu sehen und zu hören. Manchmal kommen die Leute auch nur, weil sie den Club mögen und ein Bier trinken wollen. Bei euch ist das anders. In Südafrika ist da immer eine Barriere zwischen dem Künstler und den Zuschauern. Interaktion findet da kaum statt. Bei euch sind die Leute viel interessierter.
Letztes Jahr wart ihr ja mit Lambchop auf Tour. Unterscheiden sich eure Singlekonzerte von diesen Auftritten?
Oh ja. Wir spielen anders und manche Songs spielen wird auch
erstmals live. Bei Lambchop waren das auch immer nur kurze Sets, jetzt werden wir das ganze Album spielen.
Gibt es ein spezielles Land, wo ihr mal ein Konzert spielen wollt?
Oh, schwierige Frage. Es gibt so viele. Ich denke ganz oben steht Südamerika. Mexiko.
Wirklich? Irgendwie sagt mir jede Band, dass sie gerne in Südamerika spielen würde. Mando Diao meinten vor zwei Wochen, dass sie auch gerne da spielen möchten.
Oh Mando Diao. Sind das die Jungs auf der Musikzeitung da? Sind die groß bei euch?
Ja, genau die sind es und ja die sind in Europa ziemlich bekannt, morgen erscheint deren neues Album.
Sollte ich da mal reinhören?
Auf jeden Fall!
Ach ja, in Island würden wir übrigens auch gerne mal spielen. Und in Japan gibt es so ein Fuji Festival, da würden wir auch gerne spielen. Ich merke gerade,
wir könnten jetzt stundenlang erzählen.
Was war das Beste, was ihr abseits der Band gemacht habt?
Bungee-Jumping! Ein paar Tage, bevor wir nach Europa kamen, sprangen wir aus dieser unglaublichen Höhe. Wie hoch war das noch mal? Ach ja, 260 Meter, der höchste Bungeeabsprung der Welt. Das war unglaublich. Ansonsten ist das Coolste was wir machen ganz einfach in einer Band zu sein. Ich könnte mich nichts besseres vorstellen. Das ist verrückt, aber toll und es fühlt sich für mich nicht wie Arbeit an.
Wie sehen denn eure Pläne für die Zukunft aus?
Wir kommen im April zurück nach Europa und werden erneut touren. Wir spielen ein paar Sommerfestivals. Dann die Staaten, Asien und Australien. Danach werden wir vermutlich ein neues Album aufnehmen und einfach Musik machen. Wir haben zwar jetzt noch keine großen Zukunftspläne, aber alles was wir wissen ist, dass wir weiter zusammen Musik machen wollen.
Kommt ihr denn auch wieder nach Deutschland?
Ja, Im April und Mai sind wir bei euch wieder auf Tour.
Freut ihr euch auf die Fußballweltmeisterschaft 2010?
Ja und Nein. Das könnte cool werden, aber wir haben auch gemischte Gefühle, wegen den bekannten Sachen. Wir hoffen einfach, dass es kein Desaster wird und jeder Spaß haben wird.
Vielen Dank für das Gespräch und ganz viel Spaß beim Konzert gleich!
Wir danken Dir und wünschen Dir ebenfalls viel Spaß!
http://www.myspace.com/dearreadermusic
(Torsten Schlimbach bedankt sich für die freundliche Unterstützung bei Isabel Sihler und Anne Mueller von City Slang und natürlich bei Dear Reader!)