George Harrison: Living In The Material World (2 CD)
Dark Horse/BMG
VÖ: 15.11.2024
Wertung: 10/12
Tipp!
Um den stillen Beatle war es einst gar nicht mehr so still, denn zur Überraschung vieler überholte er seine Kollegen mit Schallgeschwindigkeit. Zu Beginn der 70er avancierte George Harrison mit dem Triple-Album „All Things Must Pass“ zum zeitweise erfolgreichsten Solisten der Fab Four. Auch künstlerisch unterstrich er, dass er der Mann der Stunde war. Das Format war in dieser Form ebenfalls neu und sprengte komplett den Rahmen. Es sollten allerdings knapp drei Jahre ins Land ziehen, bevor er mit seinem nächsten Werk um die Ecke kam. Für die damalige Zeit eine schier endlos lange Warterei. Allerdings gab es ja noch „Concert For Bangladesh“ und damit war er ja nun auch länger beschäftigt. Im Mai 1973 wurde schließlich „Living In The Material World“ veröffentlicht. Mehr als nur eine Randnotiz: „Give Me Love (Give Me Peace On Earth)“ verdrängte den Wings-Song „My Love“ von Platz 1 der US-Charts. Harrison dürfte sich kaputtgelacht haben. Humor hatte der Mann ja stets.
„Living In The Material World“ wird nun erneut veröffentlicht und dies mit sehr viel Bonusmaterial! Paul Hicks hat das Material neu gemixt. Produziert wurde das von Dhani und Olivia Harrison. Die Super Deluxe Edition hat 2 CDs, 2 LPs und eine Blu-Ray mit Dolby Atmos zu bieten. Ein 60-seitiges Booklet, sowie 12 bislang unveröffentlichte Aufnahmen lassen das zu einem schönen Gesamtpaket werden. Die 2CD-Version kommt im dicken kartonartigen Package. Ein gefaltetes, doppelseitiges Poster und ein umfangreiches Booklet runden den sehr positiven Gesamteindruck ab. Die beiden CDs werden in einem eigenen Schuber sicher aufbewahrt. Die Haptik steht dem guten Sound also in nichts nach.
Harrison hat neben den Gesangsparts auch fast sämtliche Gitarren eingespielt. Unterstützt wurde er von Schlagzeuger Jim Keltner, den Keyboardern Nicky Hopkins und Gary Wright, Bassist Klaus Voormann und Saxophonist/Flötist Jim Horn. Beim fröhlichen „Don't Let Me Wait Too Long“ ist neben Keltner auch noch Ringo Starr dabei. „Give Me Love (Give Me Peace on Earth)“ - seine zentrale Botschaft. Das tolle Klaviermotiv macht aus diesem kleinen Musikstück etwas ganz Großes. Ein sehr emotionaler Einstieg in dieses Werk voller Herz, Seele und Spiritualität. „Sue Me, Sue You Blues“ ist tief in der amerikanischen Musik verwurzelt. Harrison spielt den Blues auf seine ganz besondere Art. „The Light That Has Lighted The World“ schleppt sich auf eine sehr berührende Art sehr nachdenklich daher.
„Who Can See It“ ist ebenfalls in der ruhigen, melancholischen Ecke angesiedelt. „Living in the Material World“ schließt sich schmissig an und rockt auf seine Art ganz und gar wundervoll. „The Lord Loves the One (That Loves the Lord)“ ist von der Grundstimmung, der Instrumentierung und dem Sound eine Art Trademark-Track von George Harrison. „Be Here Now“ als verträumter Akustiksong überzeugt ebenso, wie „Try Some Buy Some“ mit einer Atmosphäre, die man auch von den Beatles kannte. „The Day The Worlds Get `Round“ ist auf der Zielgeraden noch mal ganz groß, bevor „That Is All“ den melancholischen Abschluss gibt. Langsam entschwebt man diesem Werk.
Auf der zweiten CD gibt es verschiedene Takes der Stücke zu hören, die den Entstehungsprozess ein bisschen anschaulicher machen. „Give Me Love (Give Me Peace on Earth)“ ist schon nahe an der Albumversion, verbreitet allerdings eine Live-Atmosphäre, da Harrison hier nur mit seiner Akustikgitarre zu hören ist. Wobei es Songs gibt, die anscheinend ewig brauchen. „Don't Let Me Wait Too Long“ ist schon Take 49. Harrison abermals nur mit Unterstützung der Akustikgitarre und dezenter Begleitung im Hintergrund singt voller Inbrunst. „Who Can See It“ ist Take 93! Richtig gelesen, 93! Unglaublich! Eine alternative Version von „Try Some By Some“ und der ziemlich lässige 2024 Mix von „Miss O´Dell“ (dieses Lachen von Harrison!) mit einer tollen Mundharmonika flankieren die ganzen Takes.
Fazit: „Living In The Material World“ ist ein tolles Soloalbum von George Harrison. Nun wird dieses Album noch mal neu aufgelegt und hat dazu noch jede Menge famoses Bonusmaterial zu bieten. Sound, Haptik und Optik sind sehr gelungen! Da ständig eine neue Generation die Beatles für sich entdeckt, sollte selbige auch den Solowerken der vier Herren Gehör schenken! Dieses Album hier hat es definitiv verdient. Übrigens: in gut einem Monat ist Weihnachten – nur mal so!
Link zur bisher unveröffentlichte Aufnahme (nur auf dem Box Set zu finden)
“Sunshine Life For Me (Sail Away Raymond)“
https://georgeharrison.lnk.to/SunshineLifeForMe
Text: Torsten Schlimbach
George Harrison: All Things Must Pass (50th Anniversary)
Universal
VÖ: 06.08.2021
Wertung: 12/12
Tipp!
Kurz nach der Auflösung der Beatles nahm George Harrison sein vermutlich berühmtestes Soloalbum auf. „All Things Must Pass“ hat schon 50 Jahre auf dem Buckel – unglaublich. Jetzt wird das Werk mit einer umfassenden Veröffentlichungsreihe geehrt und runderneuert in den Laden gestellt. Die Super Deluxe Edition fährt insgesamt 70 Songs auf 5 CDs oder 8 LPs auf. Satte 42 Songs sind bisher gänzlich unveröffentlicht. Wie es so üblich ist, gibt es noch jede Menge Klimbim dazu. Die streng limitierte Uber Deluxe Box hält das alles in einer speziellen Holzkiste bereit und hat ein erweitertes Jubiläumsbuch zu bieten. Ein besonderes Schmankerl dürften Laser-Cut-Specials aus Eichenholz (aus Georges Garten!) sein. Nachbildungen der Gartenzwerge und noch ein paar weitere Extras runden das ab.
Das allererste Triple-Album der Musikgeschichte war seinerzeit vielleicht etwas überfrachtet. Schon zum 30. Geburtstag gab es eine Überarbeitung des Albums und selbiges wurde digital remastert. Harrison merkte aber schon damals an, dass er die Stücke gerne von dieser alles einnehmenden Produktion befreien würde. 1970 hatte sich das noch richtig angefühlt, als Harrison und Spector die Produktion übernahmen. Jetzt hat sich die Familie Harrsion der Sache noch mal angenommen. „All Things Must Pass“ wurde nun komplett neu von den Originaltapes abgemischt.
Liebe Leute, wenn man sich „All Things Must Pass“ in dieser Fassung hier anhört, dann kann einem schon ein kleines Freudentränchen kommen. So hatte Harrison den Sound sicher ursprünglich im Ohr, bevor Phil Spector seinen Wall Of Sound hinzufügte. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass er wegen Paranoia die Arbeiten nicht mehr fortführen konnte. Was der Harrison Spross nun hier herausgeholt hat, ist sensationell. Der ohrenbetäubende Lärm ist weg und man hört jetzt endlich mal die feinen Nuancen und Konturen. Zudem ist der Mix wesentlich voller. Auch die Dynamik ist nun besser. Dies kommt dann besonders einer Nummer wie „Wah-Wah“ zugute, die von der Ausrichtung ja sowieso schon etwas lauter und voluminöser ist.
„My Sweet Lord“ ist nun fast schon ein ruhiger Song, der aber links und rechts sehr viele Feinheiten in diesem Mix zu bieten hat. Eine Wohltat für die Ohren und eine völlig neue Hörerfahrung. Man kann das Album quasi völlig neu entdecken. Wie schön doch „Isn´t It A Pity“ nun dahin dengelt und auch die Stimme von Harrison klarer erscheinen lässt. Die zweite Gitarre bei „What´s Life“ hat man noch nie derart direkt wahrgenommen. Eine schöne Komposition wie „If Not For You“ erstrahlt so in ganz neuem Glanz. Soundmäßig entschlackt lässt das jetzt auch das Klavier prominent im Mix erklingen. „Let It Down“ ist natürlich immer noch bombastisch aufgeladen. Das geht bei der Nummer aber auch gar nicht anders.
Das Album selber ist um den einen oder anderen Song zu lang, daran kann auch der neue Mix nichts ändern. Da findet dann auch so ein Spaß wie „Apple Scruffs“ seinen Platz oder das eher dahinplätschernde „Ballad Of Sir Frankie Crisp“. Für die gute Laune sorgt „Awaiting On You All“. „All Things Must Pass“, der Song, ist etwas weiter hinten auf dem Album versteckt, aber das ist natürlich noch mal eine Großtat von Harrison. „Isn´t It A Pity (Version 2)“ zieht seine Faszination immer noch aus der ruhigeren Interpretation, die dann noch mal eine ganz andere Intensität verströmt. „Out Of The Blue“ ist vielleicht sogar einer jener Songs, die auf dem Album sträflich unterschätzt werden. Die Instrumentalnummer mit Jamcharakter ist durchaus musikalisch ein Genuss. „Plug Me In“ rockt wie Hölle, während „I Remember Jeep“ sich über acht Minuten in andere Sphären gniedelt.
Auf einer dritten CD gibt es in der kleinen Box jede Menge Session Outtakes und Jams (28. Mai – 7. Oktober 1970) zu hören. So ist man als Zuhörer ein bisschen im Studio dabei und kann die Entstehungsgeschichte der Songs nachvollziehen. Bei „Art Of Dying“ kann man dann auch hören, wie Harrison Ringo Starr anweist. Von „Isn´t It A Pity“ gibt es dann Take 27 zu hören. Dies lässt auch Rückschlüsse darauf zu, wie lange an einem Track gefeilt wurde. „If Not For You“ war als Take 2 allerdings schon unglaublich fortgeschritten. „What Is Life“ als Take 1 ist auch schon beeindruckend. Mit „Get Beck“ gibt es dann auch einen Beatles-Moment hier zu hören.
Fazit: „All Things Must Pass“ von George Harrison hat nun schon fünf Dekaden auf dem Buckel. Nun hat Dhani Harrison sich endlich ein Herz gefasst und die Songs von dem ganzen Phil Spector Sound befreit – eine Wohltat. Man kann das Album und seine teilweise brillanten Kompositionen neu entdecken! Auf der kleinen Box gibt es auch noch genug Material und die dritte CD hält dann jede Menge Outtakes und Jams für den Hörer bereit. Die Aufmachung ist ähnlich jener zum 30. Geburtstag – also ebenfalls top! Das Album darf in dieser Fassung in keiner vernünftigen Musiksammlung fehlen!
https://www.georgeharrison.com/
Text: Torsten Schlimbach
George Harrison: Dark Horse (Vinyl)
Apple/Universal
VÖ: 24.02.2017
Wertung: 10/12
Tipp!
George Harrsion würde dieses Jahr zwar kein rundes Wiegenfest feiern, aber auch der 74. Geburtstag kann natürlich zum Anlass genommen werden ein Boxset zu veröffentlichen. „The Vinyl Collection“ enthält alle zwölf Studioalben mit den Original-Titellisten und exakten Kopien des Originalartworks. Zusätzlich gibt es noch das Livealbum „Live In Japan“ und zwei 12“-Picture Vinyl Singles obendrauf. Selbstverständlich sind alle Alben auf 180g-Vinyl gepresst worden. Die Platten wurden zudem von den Originalbändern neu gemastert. Für den Schnitt ging man in die Capitol Studios. Alle Alben werden übrigens auch einzeln erhältlich sein. Zur Besprechung aus der Box liegt nun „Dark Horse“ aus dem Jahre 1974 vor.
Zunächst sticht die überragende Haptik hervor. Das ist sehr wertig verarbeitet. Die dicke Hülle macht schon ordentlich was her. Optisch erzielt das Klappcover auch noch mal eine ganz andere Wirkung. Sowohl das eigentliche Covermotiv, wie auch das Bild der Rückseite mit George Harrison auf der Bank, kommen in diesem Großformat erst so richtig zur Geltung. Das Vinyl befindet sich zudem in einer gepolsterten Schutzhülle. Da man sich bei dieser Veröffentlichung aber an der ursprünglichen Version orientiert hat, liegt erfreulicherweise ein Replik der Schutzhülle bei, in der seinerzeit die LP aufbewahrt wurde. Dort sind dann auch die Informationen zu den jeweiligen Songs und den daran beteiligten Künstler enthalten. Ein Textblatt ist selbstverständlich obligatorisch.
Nimmt man das 180g-Vinyl genauer in Augenschein, dann lassen sich keine Wellen oder Verformungen erkennen. Das Teil liegt selbstredend gut in der Hand. Auch auf dem Teller bestätigt sich der gute Eindruck. Ob 140g oder 180g – es löst immer wieder Diskussionen aus. Oftmals wird an den Wiederveröffentlichung die Qualität bemängelt. An der vorliegenden Platte gibt es aber nichts auszusetzen. Die Nadel freut sich über die tiefe Rinne und das feine Teil dreht ganz ruhig seine Runden auf dem Teller. „Dark Horse“ zählt ja nicht gerade zu den ganz großen Favoriten und somit wurde das Album erst recht spät als CD-Remastering erneut veröffentlicht. Mangels Möglichkeiten ist ein Vergleich mit dieser Vinyl-Veröffentlichung hier nicht vorhanden. Trotzdem muss an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass der Klang schon sehr gut ist. Da wurde ganze Arbeit geleistet. Der Sound schält sich sehr warm und authentisch aus den Boxen und ist alles andere als dumpf.
„Dark Horse“ selber ist wesentlich besser wie sein Ruf. Die Songs des dritten Solo-Albums nach dem Ende der Beatles sind nicht so opulent ausgestattet und wesentlich spartanischer instrumentiert als auf den Vorgängern. Es war damals auch eine schwierige Zeit für Harrison, denn die Aufnahmen fielen auch in die Trennungsphase von seiner Ehefrau. Abgesehen davon plagte er sich mit einer Kehlkopfentzündung herum, die sicher nicht dafür sorgte, dass er gesanglich voll auf der Höhe war. „Dark Horse“ kriegt so aber auch eine ganz besondere Note verliehen. Die Melodien sind bluesig bis jazzig. Harrsion kann hier nicht als Sänger, aber als Gitarrist brillieren. Das traurig „Simply Shady“ bringt den ganzen Trennungsschmerz von Harrison zum Vorschein. Die angeschlagene Stimme passt perfekt dazu. „So Sad“ geht in eine ähnliche Richtung und ist kompositorisch erstklassig. „Bye Bye, Love“ greift das Thema natürlich auch erneut auf. Allerdings kann die Coverversion des Everly Brothers Hits nur leidlich überzeugen. Im Grunde ist das die Nummer, auf die man am ehesten verzichten könnte. Das bluesige „Maya Love“ entschädigt dafür umso mehr. „Ding Dong, Ding Dong“ ist eher etwas für die Weihnachtszeit, während der Titeltrack „Dark Horse“ ein weiterer, großer Ohrwurm von Harrsion ist. „Far East Man“ schrieb er zusammen mit Ron Wood, der die Nummer seinerseits wiederum schon veröffentlicht hatte. „It Is 'He' (Jai Sri Krishna)“ nervt zum Schluss wieder mit einem seiner Lieblingsthemen, welches sich ansonsten auf diesem Album glücklicherweise nicht wiederfindet.
Fazit: Wer nicht direkt die komplette „The Vinyl Collection“ von George Harrison erwerben möchte oder wem das nötige Kleingeld dazu fehlt – das Ding ist nämlich schweineteuer – kann sich ausgesuchte Platten daraus auch einzeln kaufen. „Dark Horse“ ist eine davon. Die überragende Haptik und das sehr gute Remastering sind sicherlich schon Kaufanreiz genug. Das Songwriting zeigt Harrison aber auch auf einem Höhepunkt seiner Karriere und die angeschlagene Stimme sorgt für die besondere Note. Das wurde stets an diesem Album kritisiert, ist letztlich aber sicher nicht so gewichtend, dass man „Dark Horse“ als Totalausfall bezeichnen muss. Diese Veröffentlichung als 180g-Vinyl kann jedenfalls vollends überzeugen!
http://www.georgeharrison.com/
Text: Torsten Schlimbach