Talking Heads: Chronology (DVD)
Eagle Vision/Edel
VÖ: 13.09.2013
Wertung: 7,5/12
Die Talking Heads waren nie eine Band wie jede andere. Das genaue Gegenteil war der Fall und eine Vielzahl anderer Musiker orientierte sich an deren Stil. Schon in der ersten Hälfte der 80er mutierten die Talking Heads allerdings zu reinen Studiotüftlern. Die letzte Tournee fand bereits 1983 statt. Danach wandte sich die Truppe aber auch vermehrt dem Mainstream zu und verkam zu einer gewöhnlichen Popband. Brian Eno hatte da seinen Produzentenjob längst an den Nagel gehangen. Das Ende war absehbar, aber es dauert noch bis 91 bis David Byrne das Buch mit den Talking Heads für beendet erklärte. Wäre natürlich nett gewesen, wenn er seinen Kollegen auch etwas davon erzählt hätte. Es kam was kommen musste, es folgte ein jahrelanger Streit, der vielleicht erst in der Rock And Roll Hall Of Famge beigelegt wurde, als sie „Life During Wartime“ spielten. Dies ist auch der letzte Mitschnitt von „Chronology“.
„Chronology“ setzt sich aus mehr oder weniger guten Live-Auftritten der Talking Heads zusammen. Von der Ton- und Bildqualität her ist das schon erwähnte „Life During Wartime“ mit Abstand die beste Aufnahme hier. Zwischen dieser und „Burning Down The House“ vom Late Night Auftritt bei Letterman liegen aber ja auch fast zwanzig Jahre. Der Zahn der Zeit hat auch kräftig an den Talking Heads genagt und Byrne ist in der Zwischenzeit auf dem Kopf sogar weiß geworden. Musikalisch hat sich die Band sowieso immer weiterentwickelt. Hier kann man auch noch mal überprüfen, dass „Burning Down The House“ auch mal nichts mit dieser Ballermann-Version von Tom Jones und den Cardigans zu tun hatte. Und Spaß haben sie. Die Talking Heads waren zu dieser Zeit ja längst zu einer amtlichen Truppe mit Backgroundsängern und Gedöns angewachsen. Und Byrne tanzt – irgendwie. Dieses S/W-Video macht schon Laune.
Höhepunkt der DVD ist aber „Crosseyed And Painless“ von 1980 aus dem Capitol Theater in New York. Das ist ein kleines Funkmonster, welches ungemein Laune macht. Die Musiker haben ebenfalls sichtbar Spaß daran. Wenn man mal ganz ehrlich ist, dann kommen „With Our Love“, „I´m Not In Love“ oder „Psycho Killer“ von 1975 aus dem CBGB in New York nicht über den Bootleg-Charakter hinaus. Das Bild ist grottig und der Ton hört sich an, als hätte die ganze Geschichte bei Oscar in der Mülltonne stattgefunden. Darum geht es hier aber auch nicht, denn natürlich hat dieses Material auch dokumentarischen Charakter. Zwischen Punk und New Wave ist das angesiedelt und für Fans und Chronisten höchst interessant.
Beim Bonusmaterial kann man die Band bei den Proben, im Studio und Backstage sehen. Von Chris Frantz, Jerry Harrison, Tina Waymouth und David Byrne gibt es dazu noch ein paar Audikommentare aus dem Off – von 2010! Ein knapp zehnminütiges Interview mit Byrne rundet die Geschichte ab. Byrne sitzt da, als hätte man ihm das Pausenbrot geklaut, während der Interviewer an seinem Kaltgetränk nippt. Wer ist hier nun der Rockstar? Verkehrte Vorzeichen, aber es kommt während der DVD ja sowieso noch zur Sprache, dass Byrne die ganzen Begleiterscheinungen des Geschäfts nicht ganz so prickelnd findet.
Fazit: „Chronology“ ist für Talking Heads Fans eine feine Geschichte, da man hier von den Anfängen bis zum Liveende von 83 einige sehr wichtige Auftritte der Band zu sehen bekommt. Die Qualität ist bisweilen unterirdisch, aber das liegt bei solchen Geschichten in der Natur der Sache. Die ganze Kiste hat eben Chronistenpflicht und ist für die Musikgeschichte ein wichtiges Zeitdokument!
Text: Torsten Schlimbach