Rush: Moving Pictures – 40th Anniversary
Universal
VÖ: 15.04.2022
Wertung: 11/12
Tipp!
Von der kanadischen Band Rush erscheint mit „Moving Pictures“ nun das achte Album als große 40th Anniversary Ausgabe in sechs verschiedenen Konfigurationen. Fans können sich hier also eine ganz Menge Geld aus den Taschen ziehen lassen. Es gibt dafür allerdings auch einige schöne Gimmicks und zusätzliche Anreize, die eine Anschaffung durchaus rechtfertigen. Natürlich muss man nicht jede Veröffentlichung von „Moving Pictures“ nach Hause tragen, allerdings sollte für jeden Fan und jeden Geldbeutel etwas dabei sein.
„Moving Pictures“ war ein seinerzeit ein Meilenstein für die Band, aber auch für die Musikgeschichte. In der kanadischen Heimat verkaufte sich die Platte sowieso wie geschnitten Brot, aber auch in den USA war das Album immens erfolgreich und konnte mit Platz der 3 Billboard 200-Charts durchaus ein dickes Ausrufezeichen setzen. 1981 wurden die Charts ja ganz anders gewichtet als heutzutage und waren noch sehr aussagekräftig. „Moving Pictures“ war und ist zudem ein Werk, welches von Fans und Kritikern gleichermaßen geschätzt wurde und immer noch geschätzt wird. Rush waren einst ja nicht gerade Kritikerlieblinge.
Wer nun bei dem neuerlichen Veröffentlichungsreigen zur 3-CD Variante greift, wird bestens bedient werden. Neben dem eigentlichen Album kriegt man noch zwei weitere CDs mit dem bislang unveröffentlichten Konzert von 1981 in Toronto geboten. Ein tolles Booklet mit unveröffentlichten Fotos und einem neuen Artwork von Syme und tollen Liner Notes von Größen wie Kim Thayil von Soundgarden und Les Claypool von Primus runden das sehr schön ab. Neben der Musik kriegt man hier also einige weitere Schmankerl obendrauf. Die Haptik ist mehr als gelungen und gerade für Fans und Sammler eine ganz feine Geschichte geworden.
Bassist, Keyboarder und Sänger Geddy Lee, Drummer Neil Peart und Gitarrist Alex Lifeson schufen mit dem Opener „Tom Sawyer“ einen Bandmeilenstein. Der Rocksong mag an der einen oder anderen Stelle luftig und leicht anmuten, die drei Vollblutmusiker und Genies an ihren Instrumenten lassen aber auch hier ihr Können mehrfach aufblitzen und dann schwingt sich das Stück auch in Proggefilde auf. „Red Barchetta“ breitet sich schon epischer aus, aber ausgerechnet das relativ kurze Instrumentalstück „YYZ“ dürfte endgültig alle Fragen klären, warum die Band oftmals in das Progfach sortiert wird. Und ja, die Grammy-Nominierung gab es dafür nicht umsonst. „Limelight“ knüpft als Rocksong eher wieder an die ersten beiden Tracks an. „The Camera Eye“ hingegen zeigt Rush auf dem Gipfel. Über elf komplexe Minuten unterstreicht das Trio hier, was Genialität gepaart mit Musikalität bedeutet. Besser kann man das Leben in New York und London – und auch die Gegensätze der beiden Metropolen – nicht instrumentieren. Sensationell. „Witch Hunt“ der „Fear“-Trilogie ist eher düster, teilweise sogar bedrohlich und morbide ausgefallen. „Vital Signs“ im Reggae-Gewand ist zum Schluss gewöhnungsbedürftig, aber leicht zugänglich ist bei Rush ja sowieso eher kein Song – und wenn es nur die Stimme von Geddy Lee ist, die links und rechts ausschert.
Glücklich können sich alle schätzen, die Rush in dieser Ära auch live gesehen haben. Das Konzert von 1981 aus Toronto ist schlichtweg herausragend. Man höre sich nur das schmissige „Limelight“ an. Live rockt die Nummer noch mehr und ist an der einen oder anderen Stelle herrlich erdig. „Tom Sawyer“ ist ja sowieso eine Live-Bank, war aber damals noch wesentlich frischer als in späteren Live-Varianten und noch weit weg von der dann eingekehrten Routine. Das schon erwähnte „Vital Signs“ ist live ebenfalls eine feine Geschichte. Erinnert ein bisschen an The Police. „The Camera Eye“ ist sowieso ganz groß. Gerade die vertrackten Passagen sind sensationell und eine Band wie Primus dürfte hier ganz genau hingehört haben. „YYZ“ unterstreicht die Genialität der Live-Musiker! Rush waren einen der wenigen Bands, die im Studio und auf der Bühne gleichermaßen brillieren konnten.
Fazit: „Moving Pictures“ von Rush ist ein Meilenstein für die Kanadier, aber auch für die Musikgeschichte. Hier kommen Anhänger der härteren Klänge, aber auch des Progrocks gleichermaßen auf ihre Kosten. Die Anniversary Edition in verschiedenen Konfigurationen hat nun noch eine ganze Menge an Mehrwert zu bieten. Gerade die Live-Aufnahmen unterstreichen noch mal, welch brillante Band Rush doch waren. Das Album sollte sowieso in keiner vernünftigen Musiksammlung fehlen! Prädikat: besonders Empfehlenswert!
Text: Torsten Schlimbach
Rush: Permanent Waves (40th Anniversary Edition)
Universal
VÖ: 29.05.2020
Wertung: 9/12
Das siebte Studioalbum von Rush –„Permanent Waves“ – feiert dieser Tage seinen vierzigsten Geburtstag. Dies ist Anlass genug eine Anniversary Edition zu veröffentlichen. Das Original-Album wird nun in einem schönen Digipack - angereichert um eine zusätzliche CD mit unveröffentlichten Songs der Welttournee aus dem Jahre 1980 - herausgegeben. Vielleicht stößt nun noch mal eine ganz neue Hörerschaft auf Rush. Das Album stellte damals ja eine Art Übergang dar und die Hinwendung zu zugänglicheren Klängen bescherte dem Trio ja auch eine größere Aufmerksamkeit – und höhere Verkaufszahlen.
„Permanent Waves“ markierte 1980 den Wendpunkt in der Karriere von Rush und spülte die Band auf die großen Bühnen dieser Welt. Der progressive Ansatz verschwand aber nicht gänzlich. Das wollte die Band ja auch nicht. Eine Öffnung für den Mainstream war nur zu den Konditionen des Trios möglich, kein anderer sollte in die Suppe spucken. Der musikalische Anspruch blieb nicht auf der Strecke. Die Songs wurden zwar kürzer, aber nicht so, dass es nicht noch für die eine oder andere Ausarbeitung und um die Ecke gedachte Rhythmen und Sounds reichte.
Das Album startet mit dem Live-Klassiker „The Radio Of Eden“. Es gibt den einen oder anderen vertrackten Part, aber letztlich ist die Nummer derart eingängig, dass es schon in Richtung AOR geht. „Freewill“ ist eine ganze Ecke verschwurbelter und die Rhythmen wirken teilweise disharmonisch. Der Refrain ist das genaue Gegenteil und setzt sich sofort in den Gehörgängen fest. „Jacob´s Ladder“ ist wieder progressiver. Das Bassspiel von Geddy Lee ist sensationell. An seinem Gesang scheiden sich von jeher die Geister. Alex Lifeson zeigt, was er auf den sechs Saiten zu leisten vermag und Neil Peart ist ja eh eine Naturgewalt.
„Entre Nous“ und „Different Strings“ sind wieder in einem passenden Radioformat gehalten und umschmeicheln den Zuhörer. Mit „Natural Science“ gibt es als letzten Song den kompletten Ritt auf der Rasierklinge zu hören. Die Richtung wird mehrfach gewechselt, ebenso Rhythmen und Tempo.
Mit „Beneath, Between & Behind“ wird die zweite CD eröffnet. Der Live-Song aus Manchester klingt wie ein Punkmanifest, Lee singt noch höher als eh schon und letztlich wird hier in kompakten zweieinhalb Minuten mal kurz gezeigt wo der technische Hammer hängt. Das geht natürlich auch über zwölf Minuten, wie das beeindruckende „Xanadu“ unter Beweis stellt. Mit Rockmusik hat das sowieso nur noch am Rande zu tun. Gut, dass danach mit „The Spirit Of Radio“ ein zugänglicher Klassiker folgt. Mit „Cygnus X-1“ entschweben Rush in ganz andere Sphären. Der Klang ist übrigens herausragend und so kann man beispielsweise „Jacob´s Ladder“ oder „Freewill“ in der Live-Version noch mehr genießen. Diese CD ist mehr als nur „nice to have“.
Fazit: „Permanent Waves“ ist das Album, welches die erste Karrierehälfte von Rush mit allem, was nachfolgen sollte, verbindet. Das Werk hat nun schon vier Jahrzehnte auf dem Buckel, hat sich aber gut gehalten. Technisch ist das brillant und den vielen vertrackten Rhythmen steht die, damals neue, Rush-Eingängigkeit gegenüber. Die Live-CD ist mehr als nur das berühmte Sahnehäubchen und der hochwertige Sound macht das Ganze zu einem Genuss!
Text: Torsten Schlimbach