Bruce Springsteen E-Street Band: The Legendary 1979 No Nukes Concerts

Bruce Springsteen E-Street Band: The Legendary 1979 No Nukes Concerts

Legacy/Sony

VÖ: 19.11.2021

 

Wertung: 12/12

Tipp!

 

Es ist ja hinlänglich bekannt, dass Bruce Springsteen und seine E-Street Band während ihrer legendären Live-Darbietungen einen Orkan entfachen können. Die Musiker waren und sind eine Urgewalt, die jeden Zuschauer sofort mitreißt. Das war auch in den 70ern schon so. Umso erstaunlicher ist eigentlich, dass es aus dieser Karrierephase kaum bewegtes Material gibt. Zusammenhängende Konzerte sind sowieso Mangelware und meist kann man das Bildmaterial komplett vergessen. Umso schöner, dass jetzt eine Zusammenstellung aus zwei Auftritten während der mehrtägigen „No Nukes Concerts“ veröffentlicht wird. Man konnte hier auf die originalen 16mm-Filmaufnahmen zurückgreifen.

 

„No Nukes“ war im Grunde das, was man heute unter Charity-Konzerte und Events versteht. Seinerzeit ereignete sich an der amerikanischen Ostküste fast ein Atomunglück. Jackson Browne, Bonnie Riatt und Graham Nash gründeten Musicians For Safe Energy. Weitere Künstler folgten. Die Thematik ist im Hier und Jetzt ja aktueller denn je. Springsteen wurde von Browne damals überzeugt seine Tournee bzw. die Aufnahmen für sein nächstes Album für die „No Nukes Concerts“ zu unterbrechen. Man kann dem Mann nicht genug dafür danken!

 

Bruce Springsteen und seine Mitstreiter drehten damals den Madison Square Garden von rechts nach links und wieder zurück. Ein Springsteen Konzert ist auch immer eine sehr körperliche Angelegenheit. Zu Konzertbeginn weiß er bei „Prove It All Night“ ja gar nicht wohin mit seiner Energie. Er dreht und windet sich, springt, rennt und benutzt seine Gitarre als verlängerten Arm. Clarence Clemons ist nicht weniger beeindruckend. Max Weinberg ist dazu der Taktgeber, der wie ein Uhrwerk fungiert. Garry Talent hält den ganzen Laden irgendwie stoisch zusammen, während Steve Van Zandt den Feingeist gibt. Roy Britan am Piano und Danny Federici an der Orgel bestimmten den Sound auf mitreißende Art und Weise mit.

 

Bei „Badlands“ sucht Springsteen am Bühnenrand den Kontakt mit den Fans. Damals gab es keine Gräben, keine Wellenbrecher, kein Abstand – alles war näher und enger. Auch bei diesem Song kriegt Springsteen seine Energie kaum gebändigt. Bei „The Promised Land“ packt er die Mundharmonika aus. Selbige kommt natürlich auch bei einem seiner besten Songs – „The River“ – zum Einsatz. Der damals noch unveröffentlichte Song wurde zum ersten Mal live gespielt. Berührende Version.

 

Da es sich hier um einen Zusammenschnitt von zwei Abenden handelt, ist das Outfit der Musiker dann auch schon mal mittendrin anders als beim vorherigen Song. Das ist aber egal, denn die Performance war an beiden Abenden mitreißend. Das Publikum hat sich davon anstecken lassen, denn wie selbiges die Passagen von „Thunder Road“ teilweise – animiert von Springsteen – alleine singt, macht schon Laune. Überhaupt ist die Laune bei allen bestens. Hat man Musiker jemals derart wie Honigkuchenpferde auf der Bühne so intensiv grinsen sehen? „Jungleland“ sorgt dann noch für die entsprechende Gänsehaut. „Born To Run“ war damals quasi schon ein Klassiker. Die Band spielte eine sehr mitreißende Version.

 

Zum Schluss haut die Kapelle noch ein paar schöne Coverversionen heraus. Höhepunkt ist da sicher „Stay“ mit Rosemary Butler, Jackson Browne und Tom Petty mit Kippe im Mundwinkel. Alle haben Spaß und feiern im Grunde eine riesengroße Party. Was für ein Fest!

 

Die Aufmachung – mit Ticketnachbildung, einem umfangreichen Booklet und den drei Scheiben, die jeweils in einem eigenen Pappschuber stecken, welche wiederum in einem weiteren Schuber sicher verstaut werden können - ist ebenfalls sehr schön. Die Kameraführung ist toll, da man richtig nahe an den Protagonisten dran ist. Der Sound ist erstklassig und zum Glück hört man auch das Publikum vor Ort. So stellt sich auch auf der heimischen Couch ein Livegefühl ein. In diesen Zeiten ist das zusätzlich sehr schön.

 

Fazit: „The Legendary 1979 No Nukes Concerts“ ist vermutlich das beste Konzert, welches sie, verehrte Leser, 2021 sehen werden. Der Auftritt von Springsteen und seiner E-Street Band aus dem Jahre 1979 ist einfach phänomenal. Diese Energie und Leidenschaft ist schier unglaublich und überträgt sich auch auf den Zuschauer und Zuhörer! Besser geht es nicht! Schön, dass dieser Schatz nun endlich gehoben wurde!

 

https://brucespringsteen.net/

 

Text: Torsten Schlimbach

Bruce Springsteen: Springsteen & I (Blu-ray)

Bruce Springsteen: Springsteen & I (Blu-ray)

Edel/Eagle Vision

VÖ: 25.10.2013

 

Wertung: 7/12

 

Bruce Springsteen ist mittlerweile eine Ikone der Rockmusik und wird von seinen Fans derart geliebt, dass es schon über die normale Verehrung für einen Musiker hinausgeht. Springsteen ist ja kein Teeniestar mehr, sondern zieht vielmehr Leute mittleren Alters bis hin zum Anhänger im Ruhestand. Freilich bringen sie zu den Konzerten mittlerweile auch alle ihre Kinder mit und so hat dies oft etwas von einem Treffen der Generationen. „Springsteen & I“ versucht nun diese Liebe anhand einer Dokumentation einzufangen und scheitert in dieser Hinsicht zwar nicht, aber alles in allem ist diese zusammengewürfelte Aneinanderreihung von Plattitüden eine grandiose Vollkatastrophe! Wohlgemerkt der Film, die Blu-ray hält ja zum Glück noch ein paar weitere Schmankerl bereit.

 

Das in „Springsteen & I“ nicht mal im Ansatz ein bisschen Platz für Zwischentöne oder ein paar kritische Ansätze zu finden sind, geschenkt. Das hat letztlich auch sicher niemand erwartet, denn darauf ist diese Dokumentation schließlich nicht ausgelegt. Fans dürfen hier ihre persönliche Sicht und Erfahrungen mit und über Springsteen kundtun. Ein Film von Fans für Fans und Bruce Springsteen hat das Werk voll und ganz unterstützt. Soweit so gut und von der Ausgangssituation ungemein spannend. Gut, dass man vorab schon herausgestellt hat, dass „Spingsteen & I“ nur für Fans gedacht ist. Wer nur eine „Best Of“ im Schrank stehen hat oder sich für den Live-Künstler Springsteen interessiert, kann dieses Teil getrost im Regal stehen lassen.

 

Hier werden so sensationelle Dinge – übrigens teilweise anhand von Handyfilmchen – erzählt, wie es ist mit dem LKW durch die Wüste zu fahren und dabei Springsteen zu hören. Aha. Da wäre man ja nicht drauf gekommen. Hören sich Springsteen Songs nicht immer so an, als würde man gerade durch die Wüste Amerikas fahren? Immerhin sieht man der Lastwagenfahrerin gerne zu, wie sie davon berichtet. Die Wirkung ohne den O-Ton wäre allerdings noch besser. In dieser Qualität geht es weiter. Da weiß eine Mutter zu berichten, wie sehr sie Springsteen liebt und zerrt dann auch noch ihren Sohn vor die Kamera, der dann auch ähnliche Belanglosigkeiten vom Stapel lassen darf. Immerhin gibt es einen Typen im Auto zu bewundern, der von seinen eigenen Worten über Springsteen derart ergriffen ist, dass er losheulen muss. Die Kamera hält drauf oder besser – man hat auch diesen Fremdschämaugenblick in diesem Film gelassen. In dieser Qualität geht es weiter und man kämpft fast 90 Minuten dagegen an, dass man nicht einschläft – wären da nicht die kleinen Lichtblicke.

 

Es gibt nämlich durchaus dieses rührige Material, wovon man sich mehr gewünscht hätte. Da haben wir den Elvis Imitator, der nur einen großen Wunsch in seinem Leben hatte: einmal mit Springsteen auf der Bühne stehen. Der Boss geht während eines Konzerts spontan darauf ein, lässt den Fan auf die Bühne und zusammen gibt es eine Elvis-Performance. Oder der Typ, der am Tag des Springsteen-Konzerts von seiner Freundin verlassen wurde und das unbedingte Bedürfnis verspürte, dies per Schild mitzuteilen. Auch darauf reagiert Springsteen und holt den jungen Mann auf die Bühne und spendet Trost und plaudert noch ein bisschen aus dem Nähkästchen, dass er auch viele Beziehungen hatte, die Damen ihm aber alle den Laufpass gegeben hätten und dann kam der Scheck von der Plattenfirma über seinen ersten Vorschuss, was ihm natürlich auch ungeheure Genugtuung bereitete. Das sind doch die Momente, für die man Springsteen so liebt und davon hätte man hier gerne mehr gesehen. Es gibt noch die junge Dame, die während des Konzerts von Springsteen auf die Bühne geholt wurde. Das alles darf man auch anhand kurzer Videos bewundern und in diesen Momenten weiß dieser Film dann auch zu fesseln. Der Rest setzt sich aber aus Banalitäten zusammen. Euphorische Momente sucht man da fast immer vergeblich, da wären Fans von Silbermond mehr bei der Sache. Stellen sich also ein paar Fragen: Warum dieser Film? Gab es kein besserer Material? Sind die Springsteen-Fans am Ende des Tages doch nicht anders wie der Rest? So hätte es auf jeden Fall ausgereicht „Springsteen & I“ auch auf irgendeinem Kunst- und Musikkanal zu präsentieren.

 

Über Bild und Ton muss man sich da kaum unterhalten, denn das eingesandte Material ist höchst unterschiedlicher Qualität, da findet man auf YT garantiert besseres Videos. Aber wie heißt es so schön? Für Fans von Fans! Allen anderen wird sich der Mythos Bruce Springsteen so jedenfalls kaum erschließen. Schade!

 

Das Bonusmaterial rettet da aber noch einiges. Die Aufnahmen vom „Hard Rock Calling 2012“ - in aller Munde da der Strom abgestellt wurde – sind teilweise brillant. Wie Springsteen da zu Beginn ohne seine Band „Thunder Road“ zelebriert sorgt für eine ganz dicke Gänsepelle. „Because The Night“ hat einen völlig losgelösten Nils Lofgren an den sechs Saiten zu bieten. Und dann wäre da noch die gemeinsame Darbietung von „When I Saw Her Standing There“ und „Twist And Shout“ mit Paul McCartney. Eine Sternstunde! Mehr! Mehr! Mehr! Da bekommt der Mythos Bruce Springsteen endlich ein Gesicht.

 

Zum Schluss gibt es noch einen Film, der alles das einlöst, was man sich von „Springsteen & I“ versprochen hatte. Hier sieht man noch mal einige jener Fans, die im Hauptfilm schon zu Wort kamen. Springsteen hatte wohl um dieses Treffen gebeten nachdem er den Rohfilm gesehen hatte. Ja, Sprinsteen ist immer noch einer von uns und in diesen Momenten wirkt das nicht aufgesetzt, sondern ungemein geerdet und bodenständig. Man nimmt ihm dieses Engagement vollends ab. Der Höhepunkt ist wohl erreicht, als er einem Dänen sein Armband umbindet. Springsteen hat verstanden, Springsteen ist immer noch der junge Musiker, der sich mit seinem Publikum identifiziert. Das, was „Springsteen & I“ im Hauptfilm fast nicht schafft, rücken diese paar Minuten wieder gerade. Bleibt zu hoffen, dass auch alle die Fernbedienung bemühen und nicht schon vorher eingeschlafen sind.

 

Fazit: „Springsteen & I“ lebt größtenteils von dem grandiosen Bonusmaterial. Egal ob es die Konzertausschnitte sind oder das Treffen von Springsteen mit einigen Fans, hier wird einem der Musiker und Mensch Bruce Springsteen sehr schön näher gebracht. Der Hauptfilm setzt sich aus überraschend vielen Banalitäten zusammen, die den Nicht-Hardcore-Fan erstaunlich kalt lassen. Man sollte zuerst die Bonussektion bemühen, den eigentlichen Film kann man sich immer noch als Einschlafhilfe geben. Hardore-Fans brauchen die natürlich nicht!

 

http://brucespringsteen.net/

 

Text: Torsten Schlimbach

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