Silbermond: Leichtes Gepäck

Silbermond: Leichtes Gepäck

Sony

VÖ: 27.11.2015

 

Wertung: 7,5/12

 

Das fünfte Album von Silbermond ist in gewissem Sinne eine Art Neuanfang. Die Band wagte sich aus der Komfortzone heraus und ging nach Nashville um in den Blackbird Studios diese Platte auf den Weg zu bringen. Das bandeigene Studio in Berlin setzte allerdings auch keine dicke Staubschicht an, denn auch dort arbeiteten die vier Musiker an dem, was nun „Leichtes Gepäck“ geworden ist. Der Titel lässt ja schon erahnen, dass Silbermond da einiges an Ballast über Bord geschmissen haben. Das hört man dem Album mitunter an, denn der Sound ist schon an der einen oder anderen Stelle entschlackt worden. Man sagt an dieser Stelle ja gerne, dass die Musiker erwachsen geworden sind. Stimmt sicher auch. Es muss jetzt aber keiner Angst haben, dass man den Sound nicht wiedererkennen wird. Die Band hat natürlich jetzt keine komplette Kehrtwende vollzogen, aber das hat ja nun auch wirklich keiner erwartet.

 

Silbermond ist eine jener Bands, die auf eine stattliche und treue Anhängerschaft bauen kann. Das ist für die Fans gar nicht so einfach, denn man gewinnt sicher keinen Coolnesspreis, wenn man diese Kapelle mag. Kritische bis böse Stimmen gibt es genug. Da fallen wir doch gleich mal mit der Tür ins Haus: „Leichtes Gepäck“ ist ein völlig unpeinliches Album. So sieht das mal aus. Klar, die Grenze vom Pop zum Schlager mag nicht weit sein und manchmal beschleicht einen das Gefühl, dass dies einfach die jüngere Ausgabe von Pur ist, aber das liegt mitunter an der erschreckend banalen Lyrik. Auf der anderen Seite spricht selbige den Menschen aus dem Herzen. Fakt ist aber auch, dass weder die Band noch dieses Album Häme verdient hat. Man sollte es tunlichst unterlassen eine herablassende und vorgefertigte Meinung in die Welt hinauszujagen.

 

Stefanie Kloß dürfte seit Wochen dafür sorgen, dass die Anhängerschaft von Silbermond noch größer wird. Sind wir mal ehrlich, bei „The Voice“ geht es nicht darum neue Talente zu finden, sondern einzig und alleine um die Selbstvermarktung der Juroren. Die werden das freilich – und besonders die charmante Frau Kloß – anders sehen. Letztlich wird aber auch immer ein Produkt während einer laufenden Staffel veröffentlicht. Hinderlich im Wege stehen dürfte der Jurorenjob „Leichtes Gepäck“ sicher nicht.

 

Hat eigentlich schon einer das neue Coldplay-Album gehört? Warum jetzt an der Stelle diese Frage kommt? Weil Silbermond hier das wesentlich bessere Coldplay-Album aufgenommen haben! Ernsthaft! Denkt man sich mal den Gesang weg, der natürlich die Songs überstrahlt, dann wird man an der einen oder anderen Stelle viele Momente finden, die Chris Martin mit seiner Kapelle auch mal kreieren konnte, das aber nicht mehr auf die Reihe bekommt. Das fängt ja schon mit „Intro (Die Mutigen)“ an. Der Songs baut sich wunderschön auf, hat eine tolle entschlackt Melodie, wird nach hinten raus freilich noch etwas aufgeblasen.  Der Titeltrack „Leichtes Gepäck“ ist musikalisch tatsächlich leicht ausgefallen. Also nicht im Sinne von belanglos, sondern vielmehr mit dem Nötigsten ausgestattet. Der Song hat Luft zum Atmen. Und selbstverständlich schwebt darüber diese Melancholie, die Silbermond immer – Entschuldigung, aber das liegt ja jetzt auf der Hand – im Gepäck haben. Mit „B96“ gibt es dann sogar einen der besten Songs der ganzen Bandgeschichte zu hören. Die B96 ist die Bundestraße, die nahe bei Bautzen zu finden ist. Es ist ein Song, der die Heimat von Stefanie Kloß besingt. Es ist ein rührseliger und berührender Popsong, der wesentlich mehr über ihre Heimat in Sachsen aussagt, wie es jeder Politiksong an dieser Stelle könnte. Ein wirklich schöner Moment.

 

„Langsam“ fängt das Thema des Songs auf wundervolle Art und Weise musikalisch ein. Entschlackung ist da das Zauberwort. „Indigo“ nervt etwas. Erinnert so ein bisschen an Ellie Goulding im Rockgewand. Dafür berührt „Das Leichteste Der Welt“ wieder. Ja, es ist eine Ballade. Ja, es ist eine Ballade aus der Sicht aller Verlassenen. Und ja, es ist eine völlig unpeinliche Ballade. Musik und Text bilden eine perfekte Einheit. Sollte man allerdings nicht auf Liebeskummer hören. „Heut Hab Ich Zeit“ ist gar etwas experimentell ausgefallen. Für Silbermond Verhältnisse. „Lass Mal“ kreist im typischen Gefilden, die die Band in der Vergangenheit schon immer beackert hat. Mit „Fische Im Teich“ gibt es eine bombastische Ballade, die aber auch etwas überladen ist. Im direkten Anschluss folgt – na klar – eine weiter Ballade. „Allzu Menschlich“ lässt einen ab und an zucken, denn textlich ist das reichlich dünn (nett ausgedrückt), aber musikalisch stimmt die Mischung und das Stück ist herrlich luftig arrangiert. Der Rhythmus von „Himmel In Die Stadt“ lädt danach gar zum Mitwippen ein. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Und ganz zum Schluss bleibt auch noch „Zeit Zu Tanzen“. Logisch, dass dies bei Silbermond anders als gedacht ausfällt.

 

Fazit: Wer jetzt von „Leichtes Gepäck“ erwartet, dass Silbermond die  Musik und die Sounds komplett umgekrempelt haben, ist hier falsch. Das konnte man aber auch nicht erwarten. Trotzdem ist dieses fünfte Werk erwachsener, stiller, entschlackter und teilweise so toll arrangiert, dass es eben auch ein völlig unpeinliches und gutes Poprock-Album ist. Die Texte sind – wie auch schon in der Vergangenheit – hin und wieder der Schwachpunkt. Gesanglich und musikalisch ist das aber über weite Strecken sehr schön in Szene gesetzt worden. Wer sich Zeit für diese Platte nimmt, wird nach und nach sehr viele liebevolle Details entdecken können. Die Gitarrenmotive springen einen nicht direkt an, sind aber sehr verspielt und richtig nett ausgefallen. Die ersten drei Songs sind zudem das Beste, was Silbermond bisher aufgenommen haben!

 

http://www.silbermond.de/

 

Text: Torsten Schlimbach

Silbermond: Himmel auf

Silbermond: Himmel Auf

Sony

VÖ: 23.03.2012

 

Wertung: 7,5/12

 

Andreas Nowak, Stefanie Kloß, Thomas und Johannes Stolle sind als Kollektiv im deutschsprachigen Raum für den Popbereich mittlerweile das Nonplusultra. Als Silbermond hatten sie das Glück, aber natürlich auch die richtigen Songs zur richtigen Zeit um gleich mit dem ersten Album auf einer Erfolgswelle zu schwimmen, die sie bisher nicht verlassen haben. Unzählige Preise pflastern ihren Weg und kaum eine Preisverleihung findet ohne sie statt. Bei der diesjährigen Kirmesveranstaltung – auch Echo genannt – waren sie einer der wenigen Lichtblicke.

 

Erfolg hin oder her, die Gefahr des Stillstands ist natürlich groß. Den wollten Silbermond unbedingt vermeiden. So karrte die Band allerlei Gedöns ins Studio welches bisher eher verschmäht wurde. Andreas Nowak erfreute sich daran, dass man den Schlagzeugsound mittels Mikrofon sogar auf der Damentoilette aufgenommen hat. Kacheln sorgen eben für den nötigen Hall. Alles was Eingefahrenes aufbricht kann da nur gut sein. Über ein richtiges Gitarrensolo von Thomas Stolle wurde ebenfalls diskutiert und die vielen Fans konnten sich über Facebook dazu äußern. Überhaupt weiß die Band die neuen Medien geschickt zu nutzen und so gab es reichlich Material aus dem Studio für die treue Fanschar.

 

Loops, Beats und Klimbim schön und gut, aber Silbermond scheinen in letzter Zeit auch viel Coldplay gehört zu haben. Das fiel schon bei der ersten Single auf, die sich vom sperrigen Indiesound zum Bombast aufschwingt. „Irgendwo in der Mitte“ packt ebenfalls den Coldplay-Sound obendrauf. „Für dich schlägt mein Herz“ geht in eine ähnliche Richtung. An dieser Stelle könnte man auch gleich noch untersuchen, wen denn die gute Stefanie hier wohl meint. Dies ist ja die erste Pärchenplatte von Silbermond – zumindest seit bekannt wurde, dass sie und Thomas Stolle ein Paar sind. Das Leben findet aber bekanntlich nicht im Konjunktiv statt und von daher ist das auch relativ egal – der Text spricht ja sowieso für sich.

 

Insgesamt wurden 25 Songs geschrieben, davon haben es schließlich 14 auf dieses Album geschafft. Hört sich viel an, aber man muss auch sagen, dass so ein Kitsch wie „Das Gute gewinnt“ besser nicht das Licht der Welt erblickt hätte. Ein Song wie Zuckerwatte. „Ja“ trieft nur so vor Pathos und insgesamt lässt sich die altbekannte Weisheit, dass weniger manchmal doch mehr ist, hier durchaus anwenden. Das macht aus dieser Platte jetzt aber wahrlich keine schlechte.

 

„Gegen“ ist beispielsweise die Mischung aus den rockigen Silbermond, wie man sie auf den vergangenen Alben immer wieder vorgefunden hat und den neuen Studiospielereien. Passt erstaunlich gut zusammen. Das Thema haben allerdings die Ärzte auch schon abgearbeitet und das mitunter sogar besser. „Teile von mir“ ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Bautzener immer noch wissen wie man rockt. Das gilt insbesondere auch für „Waffen“. Was noch auffällt sind die verstärkt in den Vordergrund tretenden politischen Themen. „Irgendwo in der Mitte“ und „Weiße Fahnen“, welches das Schicksal afrikanischer Kindersoldaten thematisiert, beziehen klar und deutlich Stellung. Wer den Werdegang der Band verfolgt hat wird auch wissen, dass diese Themen tatsächlich ein ernstes Anliegen der Vier sind.

 

Fazit: „Himmel auf“ wirkt ein bisschen wie eine Übergangsplatte. Die Band ist auf der Suche nach Neuem und hat schon einen erstaunlichen Schritt in diese Richtung gemacht. Die Musik klingt nun deutlich gereift und erwachsener. Über weite Strecken ist dies eine ruhige Platte mit ernsten Tönen und erstaunlich deutlichen, politischen Stellungsnahmen. Die Band versteckt sich nicht und geht mit offenem Visier und ohne Deckung und doppelten Boden zu Werke. Die neuen Schuhe passen noch nicht auf Anhieb und müssen erst eingelaufen werden, auf den neuen Pfaden funktionieren sie aber schon erstaunlich gut.

 

http://www.silbermond.de/

 

Text: Torsten Schlimbach

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