Nickelback: Here And Now

Nickelback: Here And Now

Roadrunner Records/Warner

VÖ: 18.11.2011

 

Wertung: 6/12

 

Nickelback spaltet die Musikwelt wie kaum eine andere Band mit diesem Status. Auf der einen Seite gibt es 50 Millionen Albumkäufer und auf der anderen all jene, die bei dem Namen schon kalte Schweißausbrüche kriegen und schreiend weglaufen. Der Erfolg scheint Chad Kroeger und seinen Mannen schließlich in die Karten zu spielen und lässt die Kritiker ins Leere laufen. Unter dem Strich war aber Quantität noch nie ein Beleg für Qualität. Es lässt sich jedenfalls nicht von der Hand weisen, dass die mit Preisen dekorierte Band den musikalischen Nerv vieler Menschen trifft und anspricht.

 

Der Musikgott hat also beschlossen, dass Nickelback mit „Here And Now“ nun schon das siebte Studioalbum aufnehmen durften. Man fand sich in den Mountain View Studios in Vancouver ein um den Nachfolger des 2008er Albums „Dark Horse“ einzuzimmern. Es gibt wieder Nickelback wie man sie kennt – und hasst oder liebt! Die Band macht wieder alles, aber macht sie auch alles richtig? Für jeden Geschmack ist eben wieder etwas dabei und genau das ist die Krux an der Sache und diese Tatsache wird wieder alle Kritiker auf den Plan rufen. Das klingt dann in seiner Gesamtheit gesehen nicht echt! Wohin will die Band denn? Links und rechts die Mainstreamhörer einsammeln, Kaufhäuser, Fahrstühle und Bügelstationen beschallen? Oder doch eher auch mal beim Wacken die Bühne abreißen und sich beim Metal- und Rockpublikum den Segen abholen?

 

Und diesen Vorwurf muss man Nickelback einfach immer wieder machen. Es klingt wie am Reißbrett entworfen. Nach der ersten Alternativ- und Grunge Welle der 90er hatten ja schon Bands wie die Stone Temple Pilots und Bush mit den Klonvorwürfen zu kämpfen. Später gesellten sich dann noch 3 Doors Down oder Creed dazu und für manche lief das Fass dann mit Nickelback über. Betrachtet man es mal aus objektiver Sicht, dann kann man den Kanadiern für „Here And Now“ nicht für alles ans Bein pinkeln. Die Band erfindet das Rockrad natürlich nicht neu und so manches Riff, manchen Basslauf und Melodie kennt man auch von zuvor genannten Bands. Dies kann man Nickelback aber sicher nicht zum Vorwurf machen!

 

Auch der oftmals belächelte Chad Kroeger macht gerade bei den härteren Nummern gar keine schlechte Figur. Und mal ehrlich, wer ein Faible für den Rock der 90er hat, der wird hier unweigerlich mitwippen. Schon der Einstieg mit „This Means War“ knallt ordentlich rein und erinnert an den Nu Metal von Linkin Park in deren Anfangstagen. „Bottoms Up“ tritt das Gaspedal weiter durch und kann unter zeitgemäßer Rocknummer und Produktion verbucht werden. Wer bisher noch völlig unbeleckt von einem Nickelback-Album ist, wird vermutlich die berühmten Bauklötze staunen. Danach folgt mit „When We Stand Together“ aber die fürchterliche Radioseite der Band. Malen nach Zahlen? Ja! Das ist einzig und alleine für die Radiostationen dieser Welt geschrieben worden. Da wird auch der Letzte noch mit ins Boot geholt und zur bierseligen Stunde beim nächsten Schützenfest kann man sich dazu in den Armen liegen und noch Wochen später davon erzählen, dass man so richtig die Sau raus gelassen hat. Wer es härter mag kriegt mit „Gotta Get Me Some“ noch etwas von der Rockstange im 08/15 Format geboten. Gibt es bei „Lullaby“ etwa Synthies? Ohne den Backstreet Boys jetzt zu nahe treten zu wollen: dies könnte auch durchaus von der Boyband sein! „Kiss It Goodbye“ ist – na? - richtig, wieder als harter und straighter Rocker konzipiert worden. Mit „Trying Not To Love You“ schieben sie aber noch mal schnell eine Ballade nach. Durch „Holding On To Heaven“ und „Everything I Wanna Do“ liefern sie noch mal solides, aber eben auch belangloses Material ab. Mit der letzten Nummer „Don´t Ever Let It End“ kuscheln sie sich noch mal ganz nah an die zahlreichen weiblichen Anhänger. Nun denn...für jeden ist eben was dabei.

 

Fazit: Nickelback machen mit „Here And Now“ genau die Musik, die man erwarten konnte. So ziemlich jeder soll irgendwie und irgendwo mit ins Boot geholt werden. Gerade bei den härteren Songs besteht kaum Anlass zur Meckerei. Nimmt man das gesamte Album aber genauer unter die Lupe, dann stellt sich schon die Frage wofür die Band überhaupt steht! Handwerklich geht das alles mehr als in Ordnung. Der Musik fehlt aber eine ganz elementare Eigenschaft: die Seele! So bleibt ein fader Beigeschmack und das klingt unecht und es mangelt einfach an Authentizität! Man kann es sich ja auch positiv schönreden: eignet sich für das Bierzelt ebenso wie für die Bügelwäsche, den nächsten Mallorca-Urlaub oder eben die Rockparty...nein, zu Letzterem greift man dann doch lieber zu den Originalen, die Musik mit Herz und Seele raus schmettern. Fans werden „Here And Now“ allerdings lieben und somit wird diese Musik hier wieder eine ganze Menge Leute glücklich machen. Gibt es dagegen was zu sagen? Wohl kaum. Übrigens ergreift Chris Martin ja neuerdings Partei pro Nickelback – passt!

 

http://nickelback.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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