Arctic Monkeys: Tranquility Base Hotel & Casino
Domino/Rough Trade
VÖ: 11.05.2018
Wertung: 5,5/12
Ist das Kunst oder kann das weg? Ist das ein Solo- oder Bandalbum? Fragen, die in Bezug auf das neue Werk der Arctic Monkeys durchaus eine Berechtigung haben. „Tranquility Base Hotel & Casino“ ist schon ein ganz schwerer Brocken und wüsste man nicht, dass es von der Kapelle aus Sheffield ist, dann würde man es glatt nicht glauben. Es liegt natürlich immer in den Augen und Ohren des Betrachters und Hörers, ob das Kunst ist. Da man auf das Booklet Arctic Monkeys und eben nicht Alex Turner geschrieben hat, wäre die Frage nach dem Bandalbum dann auch beantwortet. Auf dem Papier.
Alex Turner hat jetzt ein Klavier. Und einen Synthesizer. Darauf komponiert er nun auch gerne. Die Gitarre steht traurig in der Ecke. Für das sechste Album bedeutet dies nun, dass es im Grunde nichts mehr mit den übrigen Platten der Diskografie zu tun hat. Eigentlich ist das sowieso ein Soloalbum. Turner hat soweit alles geschrieben und vorbereitet und dann seinen Gitarristen Jamie Cook einfliegen lassen um mal auszuloten, ob er was mit dem Material anfangen kann. Konnte er anscheinend. Was sollte er auch machen?! Irgendwann letztes Jahr kamen dann alle zusammen und brachten innerhalb von fünf Wochen diese elf Songs auf den Weg.
Das Album klingt immerhin wie aus einem Guss. Das ist aber auch gleichzeitig das Problem, denn die Tracks wirken wie ein einziger langer und langweiliger nichtssagender Song. Das zieht sich wie Kaugummi. Refrains gibt es im Grunde auch nicht. Gute Hooklines? Fehlanzeige. „Star Treatment“ hört sich nach Loung Pop an. Böse Zunge würden auch von Fahrstuhlmusik sprechen. „One Point Perspective“ groovt ein bisschen besser und irgendwo gibt es auch eine Gitarre. Theatralisch wird es mit „American Sports“, aber das Glamkorsett passt überhaupt nicht, das konnten Roxy Music besser. Von Bowie wollen wir gar nicht erst sprechen. Beim Titeltrack „Tranquility Base Hotel + Casino“ versucht sich Herr Turner auch noch ein bisschen als Crooner und scheitert grandios.
Spätestens ab „Golden Trunks“ fängt es an zu nerven. Die Atmosphäre ändert sich kein Stück, alles mäandert so dahin. So stellt man sich die Musik eines Großstadt-Pornokinos vor. Immerhin kann der Bass bei „Four Out Of Five“ noch etwas retten. „The World´s First Ever Monster Truck Front Flip“ hört sich an, als würde Lotto King Karl ein englisches Liedchen trällern. „Science Fiction“ und „She Looks Like Fun“ nerven weiter, bevor sich Turner mit „Batphone“ im Bowie-Metier versucht. „The Ultracheese“ ist als Rausschmeißer noch ganz annehmbar.
Fazit: Die Arctic Monkeys haben mit dem sechsten Album einen komplett neuen Weg beschritten. Das ist im Grunde ein Soloalbum von Turner und von der einstigen Gitarrenband ist nichts mehr übrig geblieben. Das ist ja nicht schlimm, schlimm ist allerdings, dass da selbst beim zehnten Durchlauf nichts hängen bleibt und sich das wie ein einziger zähflüssiger Song anhört.
Text: Torsten Schlimbach
Arctic Monkeys: Suck It And See
Domino/Rough Trade
VÖ: 03.06.2011
Wertung: 8,5/12
Die Arctic Monkeys sind eine der wandelbarsten Bands im Popzirkus. Mit der neuen Platte „Suck It And See“ passt dies sogar begrifflich. Ja, die einstigen Britpunker sind nun mit anderthalb Beinen im Pop angekommen. Da behaupte noch mal einer, dass viele Bands einfach nicht vielseitig wären. Auf die Arctic Monkeys trifft dies jedenfalls nicht zu. Von Punk über den mehr als angedeuteten Stoner Rock der letzten Platte bis hin zum aktuellen Popwerk ist die Bandbreite extrem vielfältig. Gut so! Wer den Anfängen nachtrauert, wird mit „Suck It And See“ sicher nicht glücklich werden! Wer allerdings Spaß an dem Vorankommen einer Band hat, ist hier bestens aufgehoben. Das Songwriting ist nämlich auch mal wieder gut.
Die zwölf neuen Nummern springen einen zwar nicht so an, wie die Hits vom Debüt, haben aber das Potenzial sich nachhaltig festzusetzen, da sich die volle Schönheit erst nach und nach entfaltet. Aufgenommen wurde die ganze Chose im Sound City Studio. Ja, die Arctic Monkeys machten sich erneut in die USA auf. Der Input von Josh Homme ist diesmal aber fast gänzlich vor der Tür geblieben. Seine Stimme ist freilich auch auf „Suck It And See“ zu hören („All My Own Stunts“). Das ist aber eher von untergeordneter Bedeutung.
„She´s Thunderstorms“ ist schon gleich zum Auftakt überraschend. Die Arctic Monkeys sind harmoniesüchtig geworden. Die Beach Boys treffen auf The Smiths. Überhaupt erweisen sich die Jungs mit dieser Platte oftmals als die legitimen Nachfolger von The Smiths. „Black Treacle“ hingegen scheint das Sonnenscheinchen zu sein, welches Oasis zuletzt nicht mehr hinbekommen haben. Der süßliche Refrain geht aber auch runter wie Öl. So geht es aber nicht weiter. Die größte Überraschung dürfte der Rockkracher „Brick By Brick“ sein. Matt Helders glänzt hier als Hauptsänger. Die Idee dazu hatte die Band nach einem Langstreckenflug in Miami. Ob dort „I Wann Be Your Dog“ von Iggy und seinen Stooges lief, ist nicht weiter bekannt – genau so klingt aber „Brick By Brick“. Interessant, interessant. Wie überhaupt die gesamte Platte.
Vielleicht hat das gute Wetter auch zu Songs wie „The Hellcat Spangled Shalalala“ oder „Piledriver Waltz“ beigetragen. Den Nummern scheint die Sonne jedenfalls aus dem Allerwertesten. „Don´t Sit Down ´Cause I´ve Moved Your Chair“ ist gar die wahnwitzige Version der Wickie-Titelmelodie. Ob Alex Turner selbige kennt? Der Torso von „Libray Pictures“ hat nicht nur einige Brüche im Tempo zu verzeichnen, sondern schlägt eine Brücke durch alle Albumphasen der Band. Interessanterweise ist den Briten ein wirkliches Album gelungen. Nach und nach ergibt alles einen Sinn und Füllmaterial sucht man zum Glück vergeblich. Das gilt ebenso für den Höllenritt „All My Own Stunts“ wie auch für das vom Bass dominierte „Reckless Serenade“. Übrigens wurde bei allen Songs sehr viel Wert auf die Arrangements gelegt. Turner ließ im Vorfeld verlauten, dass er viele Stücke nur auf der Akustikgitarre komponiert hätte. Das Titelstück „Suck It And See“ ist in dieser Hinsicht der eindeutigste Arbeitsnachweis. Da sind sie wieder – The Smiths. „That´s Where You´re Young“ bündelt noch mal alle Kräfte und steht für die neue Richtung von „Suck It And See“.
Fazit: Die Arctic Monkeys haben mit „Suck It And See“ schon wieder eine kleine Kurskorrektur vorgenommen. Diesmal geht es noch mehr in Richtung Pop. Die Arrangements und Harmonien erinnern gar an die Anfänge dieser Zeit. Willkommen in den 60ies! Anderes erreicht gar die Qualitäten ganz anderer Helden – The Smiths. Die scharfsinnigen Texte sind mal wieder das Salz in der Suppe. Aber Vorsicht, dieses Album erschließt sich nicht sofort, sondern entfaltet erst nach und nach seine Wirkung. Wer zu früh aufgibt, verpasst mitunter eine weitere gute Platte der Arctic Monkeys.
Text: Torsten Schlimbach