Robert Plant: Carry Fire

Robert Plant: Carry Fire

Warner

VÖ: 13.10.2017

 

Wertung: 12/12

Tipp!

 

Robert Plant ist in der luxuriösen Lage sich künstlerisch alle Freiheiten nehmen zu können. Das Bankkonto dürfte gut gefüllt sein und die Eingänge reißen aufgrund des beachtlichen Backkatalogs von Led Zeppelin ja auch nie ab. Gerade in der heutigen Zeit, da es immer schwieriger wird mit Musik Geld zu verdienen, ist das nicht zu unterschätzen. Plant kann sich nach seinem Gusto ausdrücken. Allerdings muss man auch ein Label im Rücken haben, welches den Weg dann auch mitgeht. Der Name Plant macht sich aber natürlich auch gut im Label-Portfolio. Jetzt veröffentlicht der Mann mit „Carry Fire“ sein 14. Studioalbum. Und selbstverständlich macht er hier mal wieder, worauf er künstlerisch Lust verspührt – und das ist eine ganze Menge! „Carry Fire“ ist eines der besten Alben, die das Musikjahr 2017 hervorbringen wird!

 

Dieses Album ist nicht so großartig, weil da vorne der Name Robert Plant draufsteht - es ist so großartig, weil die Musik extrem authentisch und ehrlich ist. Hier gibt es keinen Ton, der irgendwie in den Zeitgeist passen würde. Dafür gibt es jede Menge Klänge, die diesem einzigartigen Künstler am Herzen liegen! Plant hat aber auch eine ganz exquisite Band im Rücken. Abermals wird er von The Sensational Space Shifters begleitet. John Baggot, Justin Adams, Dave Smith und Liam Skin Tyson sind Multiinstrumentalisten, die auch ausgefallene Instrumente spielen können. Ich würde jetzt gerne sagen, dass man die sofort heraushört, aber dafür sind die Ohren nicht geschult. Snaretrommel, Bendir, Oud, E-Bow Quartet, Djembe und Dobro sind ja nicht so häufig in der Rockmusik zu finden. Natürlich gibt es auch jede Menge Akustikgitarren, Pedal Steel oder zwölfsaitige Gitarren zu hören. Keyboards, Schlagzeug und Bass selbstverständlich auch. Aber eben auch Moog oder Loops. Plant und seine Band gönnen sich hier jede Freiheit.

 

Chaos und Krach gibt die ganze Armada an Instrumenten trotzdem nicht her. Im Gegenteil. Alle sind hier eher um Zurückhaltung bemüht. Weniger ist mehr. Lieber setzt die Band darauf, auch mal zu verstummen. Dann reicht auch mal ein Sample oder ein Loop. Auch Plant gibt eher den Schamanen, der teilweise am Rande des Flüstern agiert. Dabei legt er eine Ausdrucksstärke an den Tag, die jedem jungen Schreihals von heute völlig abgeht.

 

Wer Led Zeppelin nur mit den testosterongesteuerten Rocksongs in Verbindung bringt, wird vielleicht keine Gemeinsamkeiten zu den Songs von „Carry Fire“ erkennen. Led Zeppelin mögen sich anfänglich vom Blues ernährt haben, sind aber Wege gegangen, die eben andere Rockbands nicht gegangen sind. Und diesen Weg geht Plant auch mit „Carry Fire“. Gerne wird das mit Weltmusik umschrieben. Die arabischen Klänge krallen sich auch oftmals auf den neuen Songs fest. Das vorab veröffentlichte „The Mary Queen“ könnte man sich durchaus auch von seiner alten Band vorstellen. Plant ruft dabei zudem noch ein großes Spektrum seiner Gesangeskunst ab. Ein großartiger Albumeinstieg. Das Titelstück „Carry Fire“ tritt den Weg in den Orient noch konsequenter an und klingt wie aus Tausendundeiner Nacht entsprungen. Wie ein wahrhaftiges Liebesmärchen ist das musikalisch, aber auch textlich angelegt worden. Die arabischen Harmonien ziehen den Zuhörer unweigerlich in ihren Bann. Ein fesselnder Song.

 

Dagegen ist das wunderschöne „New World“ fast klassisch angelegt. Eine tolle Melodie umschmeichelt die Gehörgänge. Die Rhythmusgitarre erinnert an ein Tom Petty-Stück. Die feinen Licks bereichern das Klangbild ungemein. Plant singt dazu fast engelsgleich – und zwar ohne sich in irgendwelche akrobatischen Höhen zu schwingen. „Season´s Song“ schwebt sphärisch dahin verbreitet eine wundervolle Atmosphäre, die mit dem ruhigen „Dance With You Tonight“ und diesem formvollendeten Refrain in den vorläufigen Höhepunkt des Albums mündet.

 

„Carving Up The World Again...A Wall And Not A Fence“ geht als klassischer Plant-Song durch. Ist dreckiger und rotziger als der getragene Rest des Albums. Aber auch hier wird eher etwas weggelassen und der Song ist alles andere als überladen. Nach knapp anderthalb Minuten setzt die Gitarre zum Abheben an. Augen schließen und genießen! „A Way With Words“ wurde sehr zurückhaltend instrumentiert und lebt von dieser großartigen Stimme. Ein sehr intimes Lied. Gänsehaut!

 

„Bones Of Saint“ rockt fast in Richtung Desert! Das kann auch nur Plant. „Keep It Hid“ wechselt noch mal die Richtung. Loops und Sampler geben den Ton an. Da sage noch einer, dass Plant nicht auch modern klingen könne. Allerdings nicht auf eine angestrengte Art und Weise, sondern federnd. Das hat Groove, das hat aber auch ein schneidendes Gitarrensolo! „Bluebirds Over The Mountain“ ist ein Duett mit Chrissie Hynde. Eigentlich ist das aber auch eine Klangcollage die groovt, rockt und Soul hat. Plant und seine Band finden auf „Carry Fire“ stets den richtigen Ton! Der schmerzliche Abgesang „Heaven Sent“ sorgt zum Schluss noch mal für eine dicke Gänsehaut! Bar-Jazz in seiner traurigsten Form.

 

Fazit: „Carry Fire“ von Robert Plant ist ein perfektes Album, weil es authentisch und ehrlich ausstaffiert wurde. Lieber weglassen als überladen. Musikalisch ist das natürlich sehr breit aufgestellt und das Weltmusikregal ist das nicht weit entfernt. Das ist Musik mit sehr viel Seele. Besser kann ein Album nicht sein, hier ergibt alles absolut Sinn und von daher kann es dafür auch nur eine Wertung geben, nämlich die Höchstwertung! „Carry Fire“ ist ein ganz tolles Alterswerk von Robert Plant!

 

http://www.robertplant.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Robert Plant: Lullaby and...The Ceaseless Roar

Robert Plant: Lullaby and...The Ceaseless Roar

Warner

VÖ: 05.09.2014

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

So unterschiedlich können die Lebensentwürfe nach dem Erklimmen des Rock-Olymps sein. Während Jimmy Page immer noch in der Vergangenheit festhängt und den vielleicht besten Backkatalog der Rockgeschichte mit leuchtenden Augen grandios verwaltet, hängt John Paul Jones lieber mit Dave Grohl oder Josh Homme rum und dabei fällt dann auch noch ein beachtliches Album für das Hier und Jetzt ab. Und Robert Plant? Robert Plant hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht die Weltmusik in den Rock zu holen. Das kann mal Bluegrass sein, orientalische Klänge oder der Sound Afrikas. Spätestens seit „Kashmir“ dürfte sein Faible für exotische Klänge bekannt sein. Plant mag älter geworden sein, seine äußere Erscheinung lässt aber sein junges Ich immer noch erahnen und doch ist er manchmal meilenweit von diesem übergroßen Frontmann der besten Rockband der 70er entfernt. Wie kaum ein Zweiter ist er in Würde gealtert und legt jetzt mit „Lullaby and...The Ceaseless Roar“ ein beeindruckendes Zeugnis davon ab!

 

Auf dem Cover prangt zwar nur sein Name, der Einfluss seiner Band The Sensational Space Shifters, die sich aus alten und langen, aber auch neuen Weggefährten zusammensetzt, ist aber nicht zu unterschätzen! „Lullaby and...The Ceaseless Roar“ wäre ohne genau diese Musiker nicht möglich gewesen. Aber auch das kennt man von Plant, er braucht immer Menschen um sich an denen er sich reiben und mit denen er sich austauschen kann. Das Songschreiben läuft dann fast wie von Geisterhand. Und auf diesem Album sind tolle Songs. Songs die weit von seiner Vergangenheit bei Led Zeppelin entfernt sind, aber auch welche, die dem ganz nahe sind. Es ist eine abwechslungsreiche Platte und Plant entpuppt sich abermals als Suchender und Visionär in Personalunion.

 

„Lullaby and...The Ceaseless Roar“ ist ein Ritt durch den Nebel. Wie in Trance schält sich ein Stück wie „Arbaden (Maggie´s Babby)“ aus den Boxen. Da wird gekoppelt, da hört man einen rauschhaften Loop, da schwebt eine U2-Gitarre und Plant singt die Wortfetzen wie ein aufgekratzter Teufel. Dies ist aber nicht immer der Fall. Meist agiert er sehr songdienlich und zurückhaltend. In gewisser Weise setzt er seine Stimme als weiteres Instrument ein, spielt sich dabei aber keineswegs in den Vordergrund. Die Rhythmen kommen aus Afrika, der Folk und der Blues aus Amerika und über all dem schwebt eine Art Wüsten-Trance. Eine Platte im Rausch.

 

„Little Maggie“ ist eigentlich ein Traditional, welches Plant hier wieder zu Tage gefördert hat. Was die Musiker da veranstalten ist herausragend. Als Zuhörer wird man in diesen faszinierenden Strudel gerissen. Man unternimmt gar nicht erst den Versuch sich dagegen zu wehren, denn Perkussion-Ekstase, die Gypsy-Elemente und die afrikanische Aura, die dazu in ein fernöstlich Gewand getaucht wird, sind derart spannend und mitreißend, dass einem da schon mal die Kinnlade auf den Tisch klappen kann. „Rainbow“ ist auf seine sensible Art wunderschön und ein Zwischenstopp auf diesem aufregenden Tripp. Mit „Pocketful Of Golden“ lässt er textlich zunächst liebevoll seine Vergangenheit bei Led Zeppelin aufleben. Zwischen Trip-Hop und den Sound-Flächen und einer dynamischen Rhythmik hebt dieses Stück wieder bravourös in sphärische Welten ab. „Embrace Another Fall“ ist sogar ein Stück in eine New Age-Ecke zu verorten, lässt dann aber die Gitarren aufheulen als gilt es in Knebworth eine halbe Millionen Menschen zu unterhalten. Die vielen kleinen Brüche halten den Spannungsbogen immens hoch. Und dann fällt Julie Murphy auch noch mit diesem tieftraurigen Gesang ein – berührend.

 

„Turn It Up“ kommt anschließend mit einer Loopschleife daher, ist aber im Grunde ein sattes Rockstück mit bluesigen Wurzeln. Die Klavierballade „A Stolen Kiss“ ist auf seine erhabene Weise frei von jeglichem Kitsch und einfach nur schön. „Somebody There“ packt dann noch mal die Gitarren aus, geht aber schnell in die Singer/Songwriterschiene über, erinnert in seiner Grundstruktur aber am ehesten an den alten Plant. Die Nummer hat einen schönen Refrain und somit gar Hitpotenzial. Natürlich läuft so etwas heutzutage nicht mehr im Radio. Das Leadbelly-Cover „Poor Howard“ ist selbstredend großartig. Da hat Plant mal wieder einen Schatz gehoben und aufbereitet. „House Of Love“ ist der erste Song, der zwar recht gefällig und nett ist, einem aber auch nicht mehr als ein Schulterzucken entlockt. „Up On The Hollow Hill (Understanding Arthur)“ schwingt sich dann aber noch mal in neue Welten auf und scheint zwischen Raum und Zeit zu schweben.

 

Fazit: „Lullaby and...The Ceaseless Roar“ wird sicher weniger Aufmerksamkeit wie die letzten Plant Alben bekommen. Dies liegt aber keineswegs an der Qualität. Diese elf Songs sind eben auf ein sehr spezielles Fundament erbaut worden. Hier wird mit afrikanischen Rhythmen gearbeitet, sanft elektronische Klänge verbreitet, sphärische Welten erbaut und dies alles auf Folk, Blues und Rock gestellt. The Sensational Space Shifters legen Plant hier einen musikalischen Teppich aus, der brillant ist. Plant fühlt sich innerhalb eines Bandkorsetts eben doch am wohlsten, auch wenn er seinen Kopf alleine dafür hinhält.

 

http://robertplant.warnerreprise.com/eu/

 

Text: Torsten Schlimbach

 

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