Roxy Music: Roxy Music (2 CDs)
Universal
VÖ: 02.02.2018
Wertung: 8/12
Das Jahr ist noch recht jung und schon steht die erneute Veröffentlichung eines wegweisenden Albums an. Wenn die Labels mit Albumabverkäufen von neuen Werken schon kein Geld mehr verdienen, müssen eben die etablierten Platten alter Helden herhalten um den mittlerweile solventen Fans das Geld immer und immer wieder aus der Tasche zu ziehen. Überwiegend sind das ja auch immer schöne Geschichten. Man weiß was einen erwartet, die Aufmachung kann sich sehen lassen und das Bonusmaterial lässt einen dann auch noch an der Entstehungsgeschichte das Albums teilhaben. Jetzt erscheint das Debüt von Roxy Musik in verschiedenen Konfigurationen erneut – ein Jubiläum steht allerdings nicht an, denn die Platte erschien im Juni 1972.
Zum 45. Geburtstag hat es also nicht mehr hingehauen. Am Remastering kann es allerdings nicht liegen, denn hier griff man auf die nun auch fast schon zwanzig Jahre alte Version von Bob Ludwig zurück. Das eigentliche Album erfuhr somit also keine Neubearbeitung. Der Rest des verwendeten Materials wurde allerdings von Frank Arkwright in den Abbey Road Studios auf Vordermann gebracht. Die Band war übrigens involviert und wurde vom Label nicht einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.
Das Album ist auch heute noch eine kleine Sensation, denn derart wurde Art-Pop und Glamrock nur ganz selten gekreuzt. David Bowie kommt einem da noch in den Sinn, aber ansonsten sind Roxy Music schon auf weiter Flur damit. „Sea Breezes“ stellt alles in den Schatten. Saxophon-Solos sind ja nicht sonderlich populär in der Rockmusik, hier dekonstruieren diese aber noch den kompletten Song – sofern man überhaupt von einem Song in herkömmlichen Sinne sprechen kann. Ganz zum Schluss schlägt dann auch noch die komplette Traurigkeit durch, die von Bryan Ferry theatralisch vorgetragen wird. „Bitters End“ zum Schluss erinnert dann sogar an die alte Sangeskunst für die man auch die Comedian Harmonists kennt.
Die Sause startet mit „Re-Make/Re-Model wie ein Torso. Einen richtigen Refrain gibt es nicht. Oberflächlich betrachtet hat die Band sämtliche Stilmittel der Rockmusik einfließen lassen – man höre nur die jaulende Gitarre, den pumpenden Bass – es gibt aber eben auch das irrsinnige Piano, das Saxophone und Brian Eno, der die Synthesizer bedient. Sensationelles Ding. „Ladytron“ geht in eine ähnliche Richtung und auch dort werden sämtliche bekannten Muster der Popmusik aufgebrochen. Oboen sind ja in der Populärmusik auch nicht gerade der heißeste Scheiß – nie gewesen – aber Roxy Music waren eben Suchende und Pioniere. „Ladytron“ ist mittlerweile durchaus ein Klassiker. Dies gilt natürlich noch mehr für „Virginia Plain“, ein Trademark-Song der Band, der oftmals Bowie zugerechnet wird.
„It There Is Something“ lebt natürlich von dem exaltierten Gesang. Lediglich „Would You Believe?“ geht als biederer Rocksong durch – die Experimente zu Beginn dienen da nur der Vertuschung. „The Bob“ wiederum spielt auch mit Musicalanleihen, aber auch das kennt man ja von der Band hinlänglich.
Auf der zweiten CD gibt es dann jede Menge Material aus den Peel- und BBC-Sessions zu hören. „If There Is Something“ ist in dieser Live-Form gar wesentlich fesselnder als die Albumvariante. Der erdige Sound überrascht zudem. Das Remastering und die Abmischung sind klanglich topp! Überhaupt ist die erste Peel-Session vom 4.1.72 ein Genuss. „The Bob“ und „Re-Make/Re-Model“ zählen mit zum besten Live-Material der Band. „Sea Breezes“ wird dabei sogar noch etwas epischer als die Studioversion ausgearbeitet.
„2HB“ von der Peel-Session vom 23.5.72 liegt leider nicht komplett vor und wird ausgeblendet. „Virginia Plain“ aus dem Juli 72 rockt, ist vom Sound aber nicht so brillant wie der Rest des Materials. Die BBC-Session mit „The Bob“, „Sea Breezes“, „Virginia Plain“, „Change Meeting“ und besonders Re-Make/Re-Model ist allerdings noch mal bockstark.
Fazit: Das Debüt von Roxy Music wird nun in verschiedenen Konfigurationen – unter Aufsicht der Band – veröffentlicht. Das geschieht freilich nicht zum ersten Mal und somit hat man das eigentliche Album auch nicht remastert, sondern auf die Version von 1999 zurückgegriffen. Interessanter dürfte das Zusatzmaterial sein. Die Peel-Sessions sind schon ziemlich fein und zeigen eine Band, die ihre Songs schon in diesem Karrierestadium weiterentwickeln konnte. Da gilt es ein paar spannende und feine Nuancen zu entdecken. Mit der 2CD-Version wird man in dieser Hinsicht bestens bedient!
Text: Torsten Schlimbach