Stevie Nicks: The 24 Karat Gold Tour
BMG
VÖ: 30.10.2020
Wertung: 10/12
Tipp!
2016 kündigte Stevie Nicks eine Tour zusammen mit den Pretenders an. Zunächst standen 27 Shows auf dem Plan. Anlass für die Konzerte war ihr Album aus dem Jahre 2014 „24 Karat Gold – Songs From The Vault“. Letztlich führte sie die Tour durch 67 Städte und dauerte bis zum 24 November 2017, als die Tour ihren Abschluss in Neuseeland fand. Danach war es lange still, obwohl natürlich bekannt war, dass da einiges mitgefilmt wurde. Im Juli dieses Jahres gab es dann erste Gerüchte, dass es möglicherweise sogar einen Konzertfilm für die Kinos geben könnte. Am 21. und 25 Oktober war es dann soweit und in ausgewählten Kinos, Drive-Ins und Ausstellungsräumen wurde der Film präsentiert. Aufgezeichnet wurde das 2017 in Indianapolis und Pittsburgh unter der Regie und Produktion von Joe Thomas.
Zunächst wird das nun auch digital und auf CD veröffentlicht. Ein exklusiver Release auf Vinyl folgt dann am 20. November. Mit diesen Veröffentlichungen soll natürlich das Live-Gefühl der Konzerte eingefangen werden, während der Film auch immer wieder O-Töne zu bieten hat, die hier logischerweise fehlen. Die beiden CDs repräsentieren die Tour mit siebzehn Songs. Die Setlist während der Tour variierte durchaus und bestand eigentlich aus zwanzig Songs. Die Auswahl für das vorliegende Set ist aber sehr stimmig!
Der Sound der Instrumente und des Gesangs ist erstklassig. Es brandet immer mal wieder Applaus oder Glücksschreie der Zuschauer auf. Ob dies tatsächlich bei dem jeweiligen Song in dieser Form der Fall war oder ob das an der einen oder anderen Stelle reingemischt wurde, lässt sich nicht abschließend klären. Fakt ist jedenfalls, dass dies eine schöne Atmosphäre vermittelt. Gerade jetzt, wo COVID-19 dafür sorgt, dass Konzerte nicht stattfinden, vermisst man derartige Gefühlsausbrüche, wie sie hier zu hören sind, ganz extrem.
Stevie Nicks ist ja nicht mehr die Jüngste. Zum Zeitpunkt der Konzerte war sie fast 70 Jahre jung. Die Dame hat immer noch eine sensationelle Ausstrahlung und trotz ihrem bewegten Leben und ihrer überwundenen Drogensucht hat sie immer noch eine sehr ausdrucksstarke und markante Stimme. Wie sie schon zu Beginn „Gold And Braid“ intoniert ist sensationell. Coolness und eine Prise Arroganz stehen ihr immer noch. Was waren das noch für Zeiten, als man Talent haben musste, um in diesem Geschäft zu bestehen. Stevie Nicks steckt die ganzen nichtssagenden jungen Hühner von heute locker in die Tasche.
Übrigens spielt die Band absolut erstklassig auf. „Gypsy“ ist rockig und gleichzeitig feinfühlig wie selten zuvor. „New Orleans“ ist über sechs Minuten ein Kleinod vor dem Musikgott! Da stellen sich alle Nackenhaare ins Achtung! Und rocken kann die Kapelle auch noch. „Starshine“ macht Spaß ohne Ende. Nicks ist bestens bei Stimme und kann der Band nicht nur mit Leichtigkeit folgen, sie führt selbige auch noch. „Moonlight (A Vampire´s Dream)“ ist wunderschön und mit mit „Crying In The Night“ zeigt Nicks, dass sie die pure Lässigkeit in Person ist. Abgesehen davon ist die Nummer ganz toll instrumentiert und arrangiert. Der Longtrack „Gold Dust Woman“ ist episch. Der Aufbau ist sensationell. Die Intensität, die von der düsteren Grundstimmung ausgeht, lässt einem den Mund offenstehen. Selbiges gilt für den Klassiker „Edge Of Seventeen“! Und wer zum Schluss noch „Rhiannon“ und „Landslide“ im Köcher hat, hat in seinem Musikerleben verdammt viel richtig gemacht!
Fazit: Gut, dass von den Konzerten von Stevie Nicks der Jahre 2016/17 nun ein Live-Dokument vorliegt. Die Dame ist immer noch sensationell gut bei Stimme und ihre Ausstrahlung wird auch aus der Konserve ohne bewegte Bilder greifbar. Die Band spielt sensationell auf und die Songs sind selbstverständlich über jeden Zweifel erhaben! Stevie Nicks ist sehr würdevoll gealtert und steckt so manche junge Kollegin spielend in die Tasche. Der Film darf dann auch noch gerne auf Blu-ray folgen!
https://www.stevienicksofficial.com/
Text: Torsten Schlimbach
Stevie Nicks: 24 Karat Gold – Songs From The Vault
Warner
VÖ: 03.10.2014
Wertung: 8/12
Stevie Nicks veröffentlicht mal wieder ein neues Album. Der Oktobertermin hätte passender nicht gewählt werden können, denn in den Songs von Nicks war schon immer eine herbstliche Stimmung auszumachen. Die Melancholie war stets ein treuer Begleiter durch ihr Musikerleben. Die Songs sind übrigens alt und haben teilweise Jahrzehnte auf dem Buckel. Sie hat mal ordentlich Hausputz gemacht und dabei so manches Demo und so manche Textzeile wieder zu Tage gefördert. Eigentlich waren diese Stücke für andere Alben gedacht, konnten dort aber kein geeignetes Plätzchen finden. Da sie die ganzen Liebesdramen der einzelnen Tracks teilweise schon ewig lange mit sich herumschleppt und die daraus resultierenden Songs pures Gold sind, musste diese Platte nun endlich mal raus.
Aufgenommen wurde „24 Karat Gold – Songs From The Vault“ innerhalb von zwei Wochen in Nashville. Unterstützt wurde sie dabei gleich von einer ganzen Armada hervorragender Musiker. Produziert wurde das Album schließlich von Waddy Wachtel und Dave Stewart. Letzterer war für die Songs allerdings keine gute Wahl. Es ist und bleibt eines der ungelösten Rätsel der Musikgeschichte, warum man überhaupt auf die Idee kommen kann Dave Stewart für eine – weitestgehend – Rockplatte zu engagieren. Der Mann ist ja nicht gerade für Ecken und Kanten im Sound bekannt, auch wenn eines seiner eigenen Werk - „Greetings From The Gutter“ - natürlich brillant ist. Der Mann hat trotzdem andere Qualitäten und so ist „24 Karat Gold – Songs From The Vault“ teilweise zu poliert, da hätte man gerade aus Nashville einen erdigen Sound erwartet. Stewart hat allerdings auf dem letzten Nicks-Album einen guten Job abgeliefert, von daher ging sie wohl auch garnicht erst Experimente ein.
Das Material ist eine schöne Zeitreise. Fleetwood Mac kommen einem da mehrmals in den Sinn. Dieses dunkel gefärbte Reiben in der Stimme kriegt nur Stevie Nicks hin. Dies macht sie auch so außergewöhnlich. Manchmal fragt man sich aber auch wo sie textlich hin will. Da ist sie dann wieder die sonderbare Elfe aus dem Wunderland. Trotzdem ist das in letzter Konsequenz ein nettes Album geworden. Schon der Opener „Starshine“ rockt, rollt und rumpelt frisch aus der Garage auf den Highway. Selbst das Keyboardsolo passt. Wäre da nicht die Produktion, dann könnte man sich das auch genau so von Tom Petty & The Heartbreakers vorstellen. „The Dealer“ geht es dann etwas entspannter an und offenbart durch das Sounddickicht einige sehr schöne Licks, Riffs und kleine Verspieltheiten. Und dann dieses Stimme!
„Mabel Normand“ macht es sich zwischen Dylan, MOR-Rock und Americana recht gemütlich, ist aber auch fordernd und bissig. Mit „Blue Water“ schließt sich eine wunderbare Ballade an und „Cathouse Blues“ ist eine schöne kleine jazzige Western-Saloon-Nummer. Der Track „24 Karat Gold“ erinnert ein bisschen an die Dire Straits. „Hard Advice“ ist der typische Nicks-Schwulst, den sie auch immer mal wieder auf ihren Alben unterbringt. Dafür kann man zu „Lady“ schon mal seine Gänsehaut auspacken. Man kann es nicht oft genug sagen: diese Stimme. „I Don´t Care“ wütet sich durch die Sümpfe, während „All The Beautiful Worlds“ einer dieser für Nicks typischen melancholischen Popsongs ist. Die Nummer passt auch gut zu Stewart. „Belle Fleur“ kommt ganz gefällig daher, allerdings ist „If You Were My Love“ der vertonte Kitsch. Das luftig und leichte „Carousel“ lädt zum Träumen ein und ist ein wunderschönes, zeitloses Musikstück. Und zum Schluss zeigt sich dann auch, dass sie einfach nicht von Lindsey Buckingham loskommt. Der Song mag schon alt sein und doch erzählt er eine ganze Menge über die Stevie Nicks von heute, sonst wäre dieser auch kaum auf dem Album gelandet: „She Loves Him Still“
Fazit: Abgesehen von dem üblichen Nicks-Kitschgedöns ist „24 Karat Gold – Songs From The Vault“ ein ausgezeichnetes Album. Man hätte sich da teilweise eine Produktion gewünscht, die etwas erdiger ist. Dies hätte den Songs garantiert nicht geschadet. Das Material stammt aus verschiedenen Dekaden, ergibt als Ganzes aber ein überraschend harmonisches Bild ab. Letztlich wird dieses Platte die Musikwelt nicht auf den Kopf stellen, aber wer dieses Album für sich entdeckt, hat einen treuen Begleiter gefunden. Legt man mit Sicherheit immer mal wieder gerne auf.
Text: Torsten Schlimbach
Stevie Nicks: In Your Dreams
Warner
VÖ: 06.05.2011
Wertung: 8/12
Nicht nur die Generation 2.0 weiß die neuen Medien für sich zu nutzen, sondern mittlerweile auch all´ jene, die seit Jahrzehnten im Musikgeschäft dabei sind. Das neue Album von Stevie Nicks etwa
kommt nicht wie aus heiterem Himmel, sondern ist bestens dokumentiert. Zumindest konnte man schon im Februar 2010 lesen, dass sich in dieser Hinsicht etwas tut. Kein Geringerer wie Dave Stewart
setzte die Nachricht ab, dass man gemeinsam an neuen Songs arbeiten würde. Die Twitter-Meldung weckte natürlich Begehrlichkeiten, da sowohl Stevie Nicks, wie auch Dave Stewart immer noch zu den
Großen zu zählen sind.
Nun liegt das Album „In Your Dreams" in seiner vollen Schönheit und Pracht vor einem. Zugegeben, ein bisschen Angst konnte einem die Verbindung Nicks und Stewart durchaus machen und im Hinterkopf
hatte zumindest ich die leise Vorstellung von einem süßlichen Popalbum. Ein weiterer Blick auf die beteiligten Personen entfaltet da durchaus eine beruhigende Wirkung. Mike Campbell von Tom Pettys
Heartbreakers ist mit von der Partie und schrieb sogar an der einen oder anderen Nummer mit. Ein Hauch von Fleetwood Mack weht ebenfalls durch die Songs, denn Lindsey Buckingham und Mick Fleetwood
haben ebenfalls im Studio vorbeigeschaut. Glen Ballard fungierte zudem als weiterer Produzent und dies alles zusammengefasst ließ dann doch wieder auf ein gutes Album hoffen.
Stevie Nicks sprach im Vorfeld von verschiedenen Einflüssen. Manches erinnere an Bob Dylan, anderes sei richtig hartes Rockzeug und dann seien da noch die nachdenklichen Songs, mit einer Menge Poesie
in den Texten. Wie im Fußball auch, zählt aber letztlich das Ergebnis und was auf dem Platz passiert. „In Your Dreams" spielt zumindest in der Champions-League! Diese Erkenntnis ist dann doch
einigermaßen überraschend.
Fangen wir gleich mit den kitschigen Dingen an. „Italian Summer" trieft nur so vor Zuckerwatte. Das ist eigentlich die Marke Pop, die einem die letzten Haare ausfallen lässt. Himmel. Stevie Nicks
scheint dieser Song aber viel zu bedeuten und sie spricht gerne darüber, wie das Stück 2009 nach einem Italienaufenthalt entstanden ist. Eigentlich hätte man mehr von diesem Popkitsch erwartet.
Pustekuchen. Das Duett „Cheaper Than Free" von Nicks und Stewart geht auch in eine solche Richtung. Ältere Herrschaften dürfen das aber auch mal! Ist gar nicht böse gemeint.
Der Rest des Albums ist davon aber zum Glück weit entfernt. Natürlich ist „In Your Dreams" keine Anbiederung an den Zeitgeist. Der Auftakt mit „Secret Love" ist in letzter Konsequenz sicher auch
astreiner Pop. Trotzdem sind die vielen kleinen Tempowechsel erfrischend und wenn sich die Gitarre immer wieder bemerkbar macht, freut dies sogar das Rockerherz. Stevie Nicks hat immer noch eine
markante Stimme, worüber sie sich voll und ganz im Klaren ist, denn sonst würde sie nicht so singen. Vom Tempo könnte das sogar einer dieser zeitlosen Roadsongs sein. Wer hat gelacht, als Stevie
Nicks Songs im Dylan-Format erwähnt hat? Bitte „For What It´s Worth" hören und schweigen. Da schlägt das Folkherz doch eine ganze Spur schneller.
Wie auch schon bei den Heartbreakers ist die Beteiligung von Campbell nicht hoch genug einzuschätzen. Bei „Wide Sargasso Sea" wird geschickt mit Blueselementen gespielt, die der Nummer etwas
Geheimnisvolles verleihen. Das simple, aber sehr effektive Pianospiel bei „Moonlight (A Vampire´s Dream)" passt perfekt zur Stimme und sorgt für eine geschlossene Erhabenheit. Nach und nach schält
sich ein zeitloser Popsong heraus. Schade, dass einige Nummern im Mittelmaß stecken bleiben. „Annabel Lee" und „Everybody Loves You" ist netter Standardpop, der aber im Nirgendwo rangiert. Aber hey,
es gilt dreizehn Songs auf „In Your Dreams" zu entdecken und so lange sich mit „Soldier´s Angel" ein Track anschließt, der wie frisch aus den Sümpfen entsprungen zu sein scheint, ja, so lange ist
doch alles gut! Mit der knochentrockenen Rocknummer „Ghosts Are Gone" dreht Stevie Nicks auf der Zielgeraden noch mal richtig auf.
Fazit: „In Your Dreams" von Stevie Nicks (und ein bisschen auch von Dave Stewart) ist ein überraschend gutes Album! Zwar ist es nicht ganz frei von Klischees und ein bisschen Popzuckerwatte träufelt
auch hin und wieder aus den Boxen, aber unter dem Strich überwiegt die Freude über die anderen Songs, die mal mit dem Blues spielen, den Folk satteln oder auch mal erdigen Rock zu bieten haben. In
der Summe ist die Scheibe etwas zu lang geraten, denn dann hätte es sogar für ein Altersmeisterwerk gereicht. Trotzdem ist „In Your Dreams" eine erfreuliche musikalische Rückmeldung von der Dame mit
der markanten Stimme!
Text: Torsten Schlimbach