Broilers: Santa Muerte Live Tapes (2CDs)
People Like You Records/EMI
VÖ: 28.09.2012
Wertung: 10/12
Tipp!
Und plötzlich ist man berühmt. So über Nacht. Einst als Punkband in Düsseldorf gestartet und auf einen Schlag kennt einen fast die gesamte Republik. Bei diesen Worten ahnt man sicher schon wer da gemeint ist. Genau, die Broilers. Hat ja auch nur fast zwanzig Jahre gedauert, bis der große Wurf endlich gelang. Das fünfte Studioalbum „Santa Muerte“ landete in den Charts auf einem dritten Platz. Das dürfte die Band selbst am überraschendsten zur Kenntnis genommen haben. Nicht, dass sie nicht von ihren Songs überzeugt gewesen wären, nur wenn man sich über Jahre den Arsch abspielt und dies nur von einem eingeweihten Kern – sprich den Fans – zur Kenntnis genommen wird, dann glaubt man irgendwann sicher nicht mehr daran, dass es doch noch mit einer Karriere im Rampenlicht klappen könnte.
Das Rampenlicht sucht wohl jeder Musiker. Nicht das des Boulevards und der Klatschpresse, aber die Lichter die einen jeden Abend anstrahlen, wenn man auf der Bühne steht. Was könnte schöner sein, als vor einer großen Schar Fans zu spielen? Diese Schar wurde durch „Santa Muerte“ nämlich schlagartig größer, vielleicht sogar verdoppelt. Die Broilers sind die geborenen Rampensäue. Studioalben schön und gut! Diese Band gehört aber auf die Bretter, die die Welt bedeuten, denn erst da entfaltet sich die unbändige Kraft die in dieser Truppe steckt. Mit dem Kauf eines Tickets kriegt man quasi auch eine Partygarantie. Die Konzerte sind im Grunde nämlich nichts anderes.
Dies alles kann man nun auf „Santa Muerte Live Tapes“ nachhören. Wie heißt es da so schön vor „Tanzt Du Noch Einmal Mit Mir? - "das hier definiert das Wort Hexenkessel neu, ohne Scheiß!" Man hört es! Auch aus der Konserve. Der berühmte Funke springt über und man merkt der Band den ehrlichen Spaß an. Aufgesetzt ist anders! Zwischen erdigem Rock, Punk, Ska und hin und wieder Folkeinflüssen kredenzt einem die Band einen feinen Cocktail! Die 31 Songs wurden übrigens an drei Abenden in Leipzig, Dortmund und Bremen aufgezeichnet. Es spricht für die Truppe, dass man da kaum Unterschiede hört.
Unterschiede hört man aber in der musikalischen Ausrichtung. Der Oberbegriff mag Rock sein – mit deutlichem Hang zum Punk. Man höre sich aber nur das Doppel „Alles Was Ich Tat“ und „In Ein Paar Jahren“ an. Vom Ska geht es zum straighten Rock. „Heute Schon Gelebt“ hat gar das Zeug zu einer Hymne und wird aus sämtlichen Kehlen mitgesungen! Überhaupt sind die Fans der Band sehr singfreudig und wenn gerade nichts gegrölt werden kann, dann skandieren eben alle den Bandnamen. Die Stimmung ist jedenfalls bestens und wenn „Held In Unserer Mitte“ dann noch mal den Ska auspackt, gibt es kein Halten mehr. „In 80 Tagen Um die Welt“ ist sowieso die vertonte Party. Die antirassistische(!) Skinhead- und Rudeboyszene lebt wieder – mit Ska und Reggae!
Die Texte der Broilers sind übrigens nie dumm und da sollte man die Lauscher ordentlich aufsperren – egal ob bei „Alle Geht Weiter“, „Ich Sah Kein Licht“ (hallo The Clash) oder „Meine Sache“, zuhören lohnt sich auch mal! Dazwischen darf es dann auch gerne mal „Singe, Seufze & Saufe“ sein. Ach, das ist ja gar keins der üblichen Rauf- und Sauflieder. Wie gesagt, bei den Broilers lohnt es auch immer genau hinzuhören. Deutsche Sprache kann doch so effektiv sein und ohne die üblichen Plattitüden kann die Musik dann auch abseits der Peinlichkeitsgrenzen funktionieren!
Fazit: Die Broilers sind angekommen. Angekommen in der Riege der deutschsprachigen Künstler, die man ernst nimmt und auf dem Schirm hat. Auch, wenn die Zahl der Fans größer geworden ist, so hat sich die Truppe aus Düsseldorf doch nicht vom Mainstream vereinnahmen lassen. Zwischen Punk, Ska, Reggae, Folk und Rockabilly entfaltet die Band erst live die volle Kraft. Dies alles kann man nun auf den beiden wunderbaren CDs von „Santa Muerte Live Tapes“ nachhören! So funktionieren Konzerte! So und nicht anders! Nur über die Sache mit dem Bier und der Domstadt müssten wir uns noch mal unterhalten, liebe Broilers - so geht es ja nun auch nicht!
Text: Torsten Schlimbach