The Who: Live In Hyde Park (DVD)
Universal/Eagle Vision
VÖ: 20.11.2015
Wertung: 9/12
The Who feiern dieses Jahr ihr 50. Bühnenjubiläum und dies wurde natürlich standesgemäß begangen. Roger Daltrey und Pete Townshend luden dazu in den geschichtsträchtigen Hyde Park ein. 65.000 Menschen pilgerten schließlich bei herrlichem Sommerwetter am 26. Juni 2015 dorthin und huldigten den alten Helden. Die ganze Veranstaltung wurde auch zu einem Treffen der Generationen. Auf der nun vorliegenden Veröffentlichung kann wunderbar sehen, dass ganze Familien diesem Ereignis beiwohnten. Das schaffen auch nicht viele Bands, vom Opa bis zum Enkel alle unter einen Hut zu bringen. „Live In Hyde Park“ gibt es nun – wie es dieser Tage eben so üblich ist – in verschiedenen Konfigurationen zu kaufen. Fans müssen da sowieso zur Deluxe Edition greifen, denn nur dort gibt es noch ein 60-seitiges Hardcover Fotobuch dazu! Schade, dass man es nicht auf die Reihe bekommen hat, die Blu-ray auch noch mit den beiden CDs, die es im Paket mit der DVD zu kaufen gibt, auszustatten. Auch das 3-LP-Set ist nur in Verbindung mit der DVD erhältlich. Da soll wohl der Sammler gleich mehrfach zur Kasse gebeten werden. Nicht schön!
Das Bild macht einen sehr anständigen Eindruck. Da die Veranstaltung im Hellen beginnt und bei Finsternis endet, sind die Lichtverhältnisse sehr unterschiedlicher Natur. Abgesehen davon hat Band auch noch einen amtlichen Screen im Gepäck, mit dem zu später Stunde auch noch rumgespielt wird. Schwankungen in der Qualität des Bilds sind vor diesem Hintergrund erfreulicherweise nicht auszumachen. Der Schwarzwert ist sehr gut und auch die Farben wirken sehr natürlich – auch bei voller Ausleuchtung der Bühne. Verschiedene Kameraperspektiven ermöglichen es, dass man auch mal ganz nahe am Geschehen dran ist und Pete Townshend auch mal länger auf die Finger gucken kann. Der Mann ist uneitel genug, dass auch Schweißflecken auf seinem T-Shirt dafür keinen Hinderungsgrund darstellen. Der Schnitt ist sehr harmonisch und nicht zu hektisch. Der Ton ist gut, wenn auch – für meinen Geschmack – etwas zu frontlastig. Die Höhen sind gut ausgesteuert und insgesamt macht das schon einen amtlichen Eindruck und wenn der gute Pete seine Gitarre wieder schreddert, dann hat das schon ordentlich Dampf auf dem Kessel.
Man bekommt von den gealterten Rockern natürlich einen schönen Streifzug durch den Backkatalog geboten. Direkt zu Beginn wird die Menge mit „I Can´t Explain“ zum Kochen gebracht und auch „The Kids Are Alright“ und „I Can See For Miles“ im ersten Drittel sorgen für freudige Gesichter. Daltrey, der ordentlich arbeiten und pressen muss, kriegt zwischendrin bei den Akustiktracks oder den Gesangsparts, die Townshend übernimmt, immer mal wieder eine Verschnaufpause gegönnt. Sein Tanzstil wird auch im Alter nicht mehr besser und so sieht das immer noch herrlich hölzern aus. Der Mann an der Axt agiert immer noch wie ein Jungspund. Warum auch nicht? Er muss sich ja nicht verstellen, denn wie Townshend auf sein Instrument eindrischt ist schon auf seine Art authentisch. Dies wird bei „Babo O´Riley“ und „Won´t Get Fooled Again“ noch mal durch die eingesetzten Zeitlupen besonders deutlich. Die beiden Herren können es immer noch!
Als Bonus gibt es „The Seeker“, „The Kids Are Alright“, „You Better You Bet“ und „Squeeze Boy“ zu sehen und zu hören Mit Ausnahme des erstgenannten Titels, handelt es sich dabei aber nicht um weitere Konzertausschnitte, sondern um kleine Videos. „The Kids Are Alright“ nimmt dabei sogar – ähnlich wie das Intro zur DVD – die Mod-Ära und die Affinität für den Rollerkult auf und setzt das sehr schön in Szene. Die anderen beiden comichaften Videos sind auch ganz nett anzusehen. Schade, dass es nicht noch weiteres Bonusmaterial gibt, welches sich mit dem Konzert im Hyde Park beschäftigt. Da hätte man besser die O-Töne von Daltrey und Townshend verwendet, als selbige in die Show einfließen zu lassen und das Konzert in dieser Hinsicht immer mal wieder zu unterbrechen. Das ist auf Dauer eher störend!
Fazit: „Live In Hyde Park“ hat das wunderbare Konzert von The Who aus dem Juni dieses Jahres zu bieten und macht von Seiten des Bilds und des Tons einen guten bis sehr guten Eindruck. Auch wenn das natürlich nicht die The Who der Vergangenheit sind und Daltrey und Townshend mittlerweil jede Menge helfende Hände auf der Bühne haben und es nicht mehr reicht die Musik von vier Leuten zu reproduzieren, ist das doch sehr amtlich was die älteren Herren da auf der Bühne, eingebettet von Bäumen, bewerkstelligen. Das rockt immer noch und die Klassiker sind einfach unkaputtbar. Für Fans ist das natürlich ein absolutes Muss und wer sich für Rockmusik interessiert, sollte das Ding auch auf jeden Fall auf dem Zettel haben!
Text: Torsten Schlimbach
The Who: Live At Shea Stadium 1982 (SD Blu-ray)
Edel/Eagle Vision
VÖ: 26.06.2015
Wertung: 7,5/12
Die Technik macht heutzutage sehr viel möglich. Im Falle von The Who und „Live At Shea Stadium“ handelt es sich um aufgewertetes Standard-Definition-Originalmaterial – inklusive DTS-HD Master Audio und LPCM Stereo Sound. Das Material ist ja immerhin von 1982 und somit kann man das natürlich nicht mit heutigen Produktionen vergleichen, gleichwohl das Ergebnis absolut verblüffend ist. Die damalige Tour von The Who ist aber auch unter musikhistorischen Aspekten ein wichtiges Zeitdokument der Band, da die Kapelle danach erst wieder 1989 tourte - da war Kenney Jones aber schon nicht mehr dabei.
The Who hatten damals das neue Album „It´s Hard“ im Gepäck. Die Tour dazu fand allerdings nur in Nordamerika statt – sieht man mal von den Aufwärmshows im NEC in Birmingham ab. Das nun vorliegende Konzert wurde am 13. Oktober 1982 aufgezeichnet. Dies war die zweite Show im Shea Stadium. Das Material wurde teilweise zwar schon bei der einen oder anderen Veröffentlichung verwendet, aber als komplettes Konzert liegt das nun in Gänze erstmalig vor. Das alles wurde nun behutsam überarbeitet und restauriert und dazu wurde der Sound neu gemischt.
Der Sound hinterlässt allerdings auch ein etwas zwiespältiges Gefühl. Was man da auf der Bühne hört ist astrein und glasklar. Das hat sogar ordentlich Wumms und auch der Bass von John Entwistle erzeugt ein wohliges Gefühl in der Magengegend. Trotzdem hat man kaum das Gefühl ein Livekonzert zu sehen, da das Publikum derart rausgefiltert und in den Hintergrund gedrängt wurde, dass man die Fans nicht mehr hört. Da das Shea Stadim seinerzeit kaum ausgeleuchtet wurde, sieht man auch kaum etwas von den Fans und die sind so einfach eine große, dunkle Masse. Daran können natürlich die Leute, die jetzt für die Restauration verantwortlich sind, auch nichts ändern. Trotzdem ist es seltsam ein Livekonzert – mehr oder weniger – ohne Publikum zu sehen und hören.
Das Bild ist recht ordentlich und viele Passagen sind glasklar. Da hat man wirklich das Optimum aus dem Material herausgeholt. Die Zeitlupen, die gerade zum Schluss eingebaut wurden, sind allerdings recht nervig und auch von der Umsetzung sehr schwach. Ein paar Kompressionsfehler haben sich da auch eingeschlichen. Der Schwarzwert ist - unter dem Gesichtspunkt des Alters der Aufnahme - gut und die Farben wirken recht natürlich. Daumen hoch dafür!
Natürlich vermisst man Keith Moon hier schmerzlich, auch wenn Kenney Jones seine Sache wirklich gut macht. Ansonsten ist die Performance von The Who nicht sonderlich anders als noch in den 70ern. Optisch ist das allerdings ein Hingucker. Roger Daltrey hätte man so auch für Miami Vice casten können und Pete Townshend gefällt mit einer schönen Buntfaltenhosen und ordentlich Gel in den Haaren. Immerhin hatte er noch Haare. Entwistle ist dagegen zeitlos. So wie er hier aussah, konnte man ihn auch auf späteren Touren noch bewundern.
Überhaupt ist es Entwistle, der so ein bisschen der heimliche Star des Auftritts ist. „The Quiet One“ und besonders die beiden Coversongs „I Saw Her Standing There“ und „Twist And Shout“ singt und rotzt er derart raus, dass da so mancher hauptberuflicher Rocksänger vor Neid erblassen wird. Ansonsten hat die Setlist viele Höhepunkte, aber auch einige Längen zu bieten. Die Band hat aber Spaß und das ist ja auch schon mal die halbe Miete. Der Anfang mit „Substitute“ und „I Can´t Explain“ ist ja schon mal ein schönes Brett. „Baba O´Riley“ geht sowieso immer und „Pinball Wizard“ oder „Love Reign O´er Me“ sprechen dann auch all jene an, die The Who für die Rock-Oper lieben. „Won´t Get Fooled Again“ holt sowieso alle ab – egal ob damals im Stadion oder daheim auf der Couch. Als Bonus gibt es dann noch „Substitute“, „I Can´t Explain“, „My Generation“ in einer launigen Version und „A Man Is A Man“ und „5.15“ vom Vortag zu sehen. Alles in allem eine schöne Sause!
Fazit: „Live At The Shea Stadium 1982“ von The Who ist optisch und auch vom Sound eine anständige Geschichte geworden. Man hat das Material mit der nötigen Sorgfalt bearbeitet, welches nun erstmals in dieser Form veröffentlicht wird. Es ist zwar etwas schade, dass die Fans im Stadion kaum zu hören und sehen sind, aber daran ließ sich ja nichts ändern. Die Performance der Band ist sehr anständig, gleichwohl man Keith Moone natürlich schmerzlich vermisst. Der 80er-Look ist allerdings gewöhnungsbedürftig. Alles in allem ist das ein schönes Zeitdokument über und von The Who!
Text: Torsten Schlimbach
The Who: Sensation – The Story Of Tommy (Blu-ray)
Edel/Eagle Vision
VÖ: 07.03.2014
Wertung: 10/12
Tipp!
The Who gehörten in den 60ern zu den härteren Vertretern der „British Invasion“. Die Bandmitglieder waren nicht die netten Jungs von nebenan, wie die von so vielen anderen Bands dieser Tage. Nein, The Who waren aggressiv, angriffslustig und laut. Sehr laut sogar. Auf der Bühne mutierte diese Kapelle zu einem wahren Monster und man wusste nie so genau was als Nächstes passieren würde. Keine andere Truppe dürfte einen so hohen Verschleiß an Instrumenten und Equipment gehabt haben. The Who fegten und tobten stets wie ein Orkan durch die Konzertsäle und oftmals wurde dort alles kurz und klein gekloppt. The Who waren aber nicht nur als Liveband oder Teil der Mod-Bewegung wichtig, auch die Musik hat die Rockwelt nachhaltig beeinflusst. Mit „Tommy“ wurde einer der ersten Rockopern auf den Weg gebracht, mit der The Who schließlich den weltweiten Durchbruch feiern konnte. Dieses wichtige Doppelalbum wird nun noch mal mit „The Story Of Tommy“ aufgearbeitet.
Die vorliegende Blu-ray dröselt auf wundervolle Weise noch mal den Weg von „Tommy“ auf. Dabei werden die ersten zaghaften Skizzen ebenso thematisiert wie letztlich das finale Ergebnis. Der lange Weg dorthin wird dabei sehr intensiv nachgezeichnet. Hierzu gibt es auch neue und somit noch nie gezeigte Interviews mit Pete Townshend und Roger Daltrey zu sehen und zu hören. Angereichert wird dies mit älteren Aufnahmen des verstorbenen John Entwistle, der seinerzeit auch ein paar Dinge über dieses epochale Werk zu sagen hatte. Dazu gesellen sich noch einige O-Töne beteiligter Zeitzeugen und einige Journalisten, die damals schon dabei waren, ordnen dieses Werk und seine Bedeutung für die Popgeschichte ein.
Hier wird aber auch noch mal die Geschichte von The Who bis zu „Tommy“ aufgearbeitet. Dies ist insofern wichtig, da The Who am Scheideweg standen. Bis dahin hatten sie zwar einige Hits, aber wie es weitergehen sollte war auch nicht so ganz klar. Dazu gesellten sich noch erheblich finanzielle Probleme und es wäre nicht weiter verwunderlich gewesen, wenn sich die Band aufgelöst hätte und somit nur eine Randnotiz in der Popgeschichte geworden wäre. Daran lässt Pete Townshend auch keine Zweifel aufkommen, dass die Band kurz vor der Auflösung stand. Wie es dann zu „Tommy“ kam ist schon einigermaßen kurios. Auf einem Rückflug aus den USA befand sich Townshend nach eigener Aussage auf einem ganz schlimmen LSD-Trip. Er verließ seinen Körper – O-Ton Townshend – und schwebte über seiner körperlichen Hülle. Zurück in England wollte er sich von diesen Drogen lossagen und suchte die spirituelle Erfahrung und fand diese bei dem Guru Meher Baba. Dieser hatte dann auch inhaltlichen Einfluss auf „Tommy“. Die ersten Ideen für dieses Konzeptalbum hatte Townshend allerdings schon 1966. Die ersten Aufnahmen begannen allerdings erst am 19. September 1968. Townshend hatte freilich in seinem Heimstudio alle Demoversionen aufgenommen und somit wusste die Band ganz genau wohin die Reise gehen sollte.
Hier wird auch noch mal auf die besondere Rolle von Roger Daltrey eingegangen, der eine wahnsinnige Entwicklung als Sänger durchgemacht hatte und die Figur des Tommy mit Leben füllte und ihm ein Gesicht gab. Auch die optische Verwandlung von Daltrey vom braven Briten zum wilden Rockstar wird thematisiert.
Spannend sind auch die Einblicke in den Studioprozess. Der große Anteil von Produzent Kit Lambert wird dabei noch mal sehr schön unter die Lupe genommen. Kurioses wird dabei ebenso zu Tage gefördert. Dass der Gesang so deutlich im Vordergrund stand (Daltrey fand es nach eigener Aussage furchtbar und er hätte sich mehr Hall auf dem Gesang, wie es bei Townshend der Fall war, gewünscht) wurde ja immer Lambert zugeschrieben. Dabei hat er diese Entscheidung, die Pete Townshend, wie er hier sagt, toll fand, garnicht getroffen. Lambert war da schon nicht mehr im Studio und hatte diesen Part einfach Damon Lyon-Shaw überlassen. Der Wahnsinn war bei The Who eben immer allgegenwärtig - so drückt es jedenfalls Daltrey aus.
Dies wird hier alles sehr spannend und kurzweilig erzählt und mit vielen Aufnahmen der damaligen Zeit garniert. Auf die verschiedenen Songs und die Hintergründe der Geschichte über den tauben, stummen und blinden Tommy wird natürlich ausführlich eingegangen. Nachdenkliche Töne werden aber auch angeschlagen, nämlich dann, wenn Pete Townshend von dem Missbrauch an ihm im Kindesalter erzählt, an den er sich nur noch sehr schemenhaft erinnern kann.
Als Bonusmaterial gibt es einen 33minütigen Beitrag aus der deutschen Fernsehshow „Beat Club“ zu sehen. Die S/W-Aufnahmen wurden zwar liebevoll restauriert, sind teilweise aber nur schemenhaft. Zwischen Songs wie „Pinball Wizard“, „Sally Simpson“ oder „Tommy´s Holiday Camp" mit einem großartigen Keith Moon, gibt es noch Interviewsequenzen mit Pete Townshend, der dort das Konzept von „Tommy“ noch mal erläutert.
Fazit: Wer sich für die Entstehungsgeschichte eines der wichtigsten Konzeptalben der Rockgeschichte, aber auch für den Werdegang von The Who, interessiert, wird an „Sensation – The Story Of Tommy“ seine helle Freude haben. Dies ist mehr als nur ein kleiner Einblick hinter die Kulissen, denn es wird auf sehr kurzweilige Art und Weise auf den Entstehungsprozess dieses Album eingegangen. Das Bonusmaterial aus dem „Beat Club“ ist von Seiten des Bilds und des Tons jetzt keine Offenbarung, aber dafür von historischen Bedeutung. Unter dem Strich eine empfehlenswerte Blu-ray!
Text: Torsten Schlimbach