Vince Neil: Tattoos & Tequila – Mein Weg aus der Hölle und zurück mit Mötley Crüe

Vince Neil: Tattoos & Tequila - Mein Weg aus der Hölle und zurück mit Mötley Crüe
Hannibal Verlag

VÖ: 01.03.2011

 

Wertung: 8/12


„The Dirt" dürfte eine der bekanntesten Biografien im Musikbereich sein. Das Buch über die Band Mötley Crüe hat sogar alle jene begeistert, denen die Band im Grunde ziemlich egal ist. Schnell sprach sich herum, dass man dieses Buch einfach gelesen haben muss. In gewisser Weise geht es nun in die nächste Runde. Diesmal kommt aber der Sänger der Truppe zu Wort. Vince Neil fühlte sich in „The Dirt" nämlich unterrepräsentiert und möchte nun seine Geschichte und seine Sicht der Dinge mitteilen. Überschneidungen bleiben natürlich nicht aus und so einige Stellen in diesem Buch beziehen sich ganz klar auf „The Dirt".


Vince Neil versucht gar nicht erst den Eindruck zu erwecken, als könne er selber ein solches Projekt stemmen. Ziemlich unverblümt teilt er gleich zu Beginn mit, dass er eigentlich an Legasthenie leidet und er nicht gerne schreibt. Macht ja nichts, denn wofür gibt es Ghostwriter bzw. Leute, die diesen Job für einen erledigen? Für „Tattoos & Tequila" hat Neil mit Mike Sager zusammengearbeitet. Diesen Umstand merkt man dem Werk aber in keinster Weise an. Als Leser hat man den Eindruck, dass Sager die vielen Gespräche mit Vince Neil wortwörtlich zu Papier gebracht hat. Der Schreibstil wirkt gar so, als würde Vince Neil zu einem sprechen. Vom Aufnahmegerät direkt ins Buch - so ist es richtig!


Das Buch hat einen überraschenden und positiven Aspekt. Es kommen viele alte Weggefährten zu Wort. Das ist jetzt nicht überraschend, denn dies ist bei vielen Büchern dieser Art so. Inhaltlich ist es überraschend, denn anscheinend wurde da nichts beschönigt und korrigiert und so bekommt man nicht nur die Sicht von Vince Neil auf dem Silbertablett geboten, sondern auch von den Menschen, über die er hier spricht. Gut, von den Mötley Crüe-Jungs darf man jetzt keine neuen Erkenntnisse erwarten, denn lediglich Nikki Sixx erklärte sich dazu bereit von Sager interviewen zu lassen. Dies bringt einen als Leser nicht unbedingt weiter, denn dass die Parteien ziemlich zerstritten sind, wusste man ja bereist. Vince Neil betont auch an so ziemlich jeder Stelle des Buches - sobald von der Band die Rede ist - dass ihn mit den anderen eine Art Hass-Liebe verbindet. Besonders was er über Tommy Lee und Nikki Sixx vom Stapel lässt bietet keinen Interpretationsspielraum. Gleichwohl sind seine Erzählungen über die Anfänge, die Freundschaft zu den anderen und wie alles begann doch recht liebevoll.


Interessant wird es immer dann, wenn die Leute abseits der Band zu Wort kommen. Das steht oftmals im krassen Gegensatz zu den Worten von Neil und wie er sich gerne selber sieht. Seine Geschäftspartner zeichnen da doch ein ganz anderes Bild. Oder seine vier Ehefrauen. Es ist schon komisch, dass diese in ihrer Wahrnehmung ein ganz anderes Bild von Vince Neil haben, wie er sich selber gerne sieht. Meist erzählen sie sowieso das komplette Gegenteil von dem, was er so zu sagen hat. Das trifft aber auch auf seine Familie zu. Wenn er von der Wohngegend berichtet, wo er aufgewachsen ist, dann ist da auch mal die Rede von Schüssen und Kugeln, die durch die Scheibe kamen. Das liest sich alles höchst dramatisch, seine Schwester hingegen weiß nichts von diesen Kugeln, sondern sie kann lediglich die Schüsse auf der Straße bestätigen, woraufhin die Familie in eine andere Gegend zog.


Seine Kumpels seiner ersten Band wissen zu berichten, dass Vince Neil eine immens treue Seele ist. Er hat sich die Entscheidung bei Mötley Crüe einzusteigen alles andere als leicht gemacht, obwohl im Lee und Sixx 250 Dollar die Woche geboten haben. Hier ist die Rede von einem sehr loyalen Neil. Wie die Geschichte ausgegangen ist, wissen wir schließlich. Kommt die Rede auf seine Kinder, dann hat man plötzlich einen sehr nachdenklichen Vince Neil vor sich. Die Zeit, als er mit siebzehn Vater wurde, wird dabei ebenso beleuchtet (er zog zu Hause aus, die Mutter seines Sohnes bei seinen Eltern ein) wie der tragische Tod seiner Tochter Skylar.


An „Tattoos & Tequila" hätte vermutlich jeder Psychologe Spaß. Seine Süchte kann sich Vince Neil nur schwer eingestehen. Dass er angetrunken mit dem Auto fuhr und einen Unfall baute, bei dem sein Freund Razzle das Leben verlor ist da nur der traurige Höhepunkt. Exzesse gibt es auf den 368 Seiten viele, viele nachzulesen. Beschönigt wird das nicht, man muss nur aufpassen, dass eben auch kein falscher Zungenschlag reinkommt. Wer neue Erkenntnisse und Hintergründe über die Musik von Neil erwartet, wird enttäuscht werden. Zwar ist das die Biografie von und über einen Sänger, aber um Musik geht es nur am Rande. Mit was anderem dürfte aber auch keiner gerechnet haben. Immerhin weiß man jetzt, dass er sich die Augenbrauen rupft, wenn er mal wieder lügen sollte. Solche Erkenntnisse kriegt man hier nämlich auch serviert.


Fazit: Was Vince Neil erlebt hat reicht für drei andere Leben. Schade nur, dass er sich an viele Begebenheiten gar nicht erinnern kann. Es reicht aber immer noch um damit ein ganzes Buch zu füllen - „Tattoos & Tequila". Hier erzählt der Sänger von Mötley Crüe in seiner Sprache seine Geschichte. Er gibt freimütig zu, dass er das Buch auch aufgrund von Geldsorgen schreiben lässt - wie so viele andere Sachen. Er hatte und hat eben einen sehr teuren Lebensstil und Unmengen von Drogen, Alkohol, Autos und Frauen kosteten eben Geld. Über all dies kann man in diesem sehr unterhaltsamen Buch lesen! Hat Spaß gemacht!


http://www.hannibal-verlag.de/
http://www.vinceneil.net/


Text: Torsten Schlimbach

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