Kiss: Rocks Vegas Nevada (CD/DVD)
eagle vision/Universal
VÖ: 26.08.2016
Wertung: 7/12
Wenn es eine Band verstanden hat, wie modernes Marketing funktioniert, dann ist es Kiss. Vorneweg natürlich die beiden Gründungsmitglieder Paul Stanley und Gene Simmons. Nichts, was es von der Band nicht gibt. In der jüngeren Vergangenheit traten sie zudem so ziemlich in allen relevanten Formaten auf, die der US-Markt hergibt. Die Popularität ist somit mal wieder auf einem Höhepunkt angelangt. Die Kiss Army ist den vier Herren immer noch in großer Anzahl treu ergeben. Wen interessiert es da noch, dass die zuletzt veröffentlichten Alben maximal solide waren. Dass Ace Frehley und Peter Criss, die beiden anderen Gründungsmitglieder, längst durch Tommy Thayer und Eric Singer ersetzt wurden – geschenkt! Das 40-jährige Bandjubliäum wurde gefeiert wie eh und je. Auch im Joint at Hard Rock Hotel & Casino in Las Vegas. Die Sause liegt nun als CD/DVD und Blu-ray vor.
Natürlich ist dieses Produkt voll auf der Höhe der Zeit. Das Bild ist für eine DVD gestochen scharf. Der Schwarzwert ist sehr gut und die Farben wirken bei voller Ausleuchtung der Bühne – und bekanntlich gibt es bei Kiss sehr viel Licht und Feuerwerk – sehr natürlich. Auch der Schnitt ist gut. Nicht zu hektisch und doch wird da eine Dynamik erzeugt, die einen denken lassen soll, dass man es da noch mit jungen Musikern zu tun hat. Lassen wir mal den hundsmiserablen Übergang von „Hell Or Hallelujah“ zu „God Of Thunder“ außen vor. Die Schminke überdeckt natürlich so manches Fältchen und der Zahn der Zeit, auch was den Aktionsradius betrifft, hat an den alten Herren ganz schön genagt. Der Sound ist natürlich richtig fett und das Schlagzeugspiel von Singer kommt da sehr gut zur Geltung. Viele Schwenks in das Publikum gibt es übrigens auch. Abgesehen von den Kindern, die wie ihre Idole geschminkt sind, ist das schon eine Veranstaltung eines gesetzteren Publikums. Rock and Roll-Veteranen sieht man da eher nicht.
Und genau das ist das Problem von Kiss. Natürlich kann man jetzt anführen, dass das ja immer etwas von einer Musicalaufführung hatte, aber wenn man den Auftritt aus Las Vegas mit anderen visuellen Veröffentlichung dieser Band vergleicht, dann wirkt das hier schon wie eine Tribut-Show oder als hätte eine Coverband sich an Kiss versucht. Es gab mal eine Zeit, da hatten die Leute tatsächlich – so habe ich mir sagen lassen – Angst vor Kiss. Die Aufnahme hier wirkt fast schon niedlich bis lächerlich. Vielleicht hat man es auch schon zu oft gesehen. Klar, irgendwann fliegt Gene Simmons über das Publikum und Paul Stanley steht über selbigem hoch oben. Ständig explodiert etwas, es knallt und Funken sprühen. Die beachtliche Ledwand im Hintergrund setzt das alles zusätzlich schön in Szene und doch kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Veranstaltungsort das Flair einer Schulaula verströmt.
Bricht man das mal nur auf die Musik herunter, dann ist das schon recht ordentlich. Vom obligatorischen „Detroit Rock City“ über das unterschätzte „Psycho Circus“ bis hin zu „Deuce“ und natürlich „God Of Thunder, welches von Simmons in altbekannter Manier zelebriert wird und bei dem das Kunstblut fließt, „Black Dog“, „Shout It Out Loud“ und dem Rausschmeißer „Rock And Roll All Nite“ ist das schon recht gut. Frehley ist allerdings nicht zu ersetzen und Thayer ist nur eine Kopie. Singer tut dem Sound aber hörbar gut und darum kriegt er auch noch folgerichtig seinen Auftritt im Rampenlicht, wenn da sein Podest in die Höhe gefahren wird. Im Bonusteil darf er ungeschminkt „Beth“ singen. Hätte man sich sparen können. Alles in allem ist der Akustik-Auftritt der Band vor einer Handvoll Fans sympathisch und nett anzuschauen. Dem Set liegt dann der Zusammenschnitt aus Vegas dann auch noch als Audio-CD bei.
Fazit: Kiss touren sich den Popo ab. Kiss wissen wie sie allen möglichen Krempel an die Frau und den Mann bringen. So kann man beispielsweise ein „Meet & Greet“, welches vor den Konzerten stattfindet, für schlappe 1.000 Dollar erwerben – das Konzertticket ist selbstverständlich nicht enthalten! Wie so ein aktuelles Konzert und eine Akustik-Session aussieht, kann man nun auf dem vorliegenden Set „Rocks Vegas Nevada“ begutachten. Bild und Ton sind gut, allerdings wirkt der Auftritt nur noch wie ein Schatten vergangener Tage. Die Audio-CD kann da ohne die visuelle Komponente mehr überzeugen – aber das ist ja nicht das, was man von Kiss will, oder?
Text: Torsten Schlimbach