Dido: Girl Who Got Away (2CD Deluxe Edition)
Sony
VÖ: 01.03.2013
Wertung: 7,5/12
An die langen Pausen zwischen zwei Alben von Dido haben sich die Fans längst gewöhnt. Obwohl die Londonerin schon eine gefühlte Ewigkeit im Musikzirkus höchst erfolgreich mitmischt, ist „Girl Who Got Away“ nun erst ihr viertes Werk. Diesmal hatte sie einen höchst erfreulichen Grund dem ganzen Business für längere Zeit fernzubleiben. Ein Jahr widmete sie sich nur ihrem Nachwuchs und hatte mit Sicherheit alle Hände voll zu tun und war vollkommen ausgelastet. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurde das gesamte Album dann aber in Angriff genommen und beendet.
Trotzdem ist eine derart lange Auszeit - immerhin mehr als drei Jahre - natürlich auch nicht ganz ohne Risiko. Das Rad dreht sich schließlich immer schneller weiter und ständig schießen irgendwo neue Hoffnungsträgerinnen aus dem Boden, die das Musikgeschäft mal wieder retten werden. Auf dem Thron, auf dem Dido einst saß, haben es sich längst jüngere Sängerinnen gemütlich eingerichtet. Eine junge Zielgruppe dürfte sie ebenfalls kaum noch erreichen, der Bus ist längst weg. Was bleibt da noch? Ein stattliche Anzahl an Fans, die Dido über die Jahre ganz sicher die Treue gehalten haben. Und selbstverständlich ihr Konsenspop, auf den sich die Bänker und Beamten ebenso einigen können wie die Hausfrauen dieser Welt. „Girl Who Got Away“ wird wieder viele Menschen zufrieden stimmen – keine Frage.
Dido unterstreicht mit diesem Album mal wieder ihre ganz besondere Gabe. Sie ist ja nicht gerade für ein besonderes Stimmvolumen bekannt. Sie fiel und fällt auch eher durch die leiseren Töne auf. Trotzdem ist ihr Gesang und ihre Stimme derart markant, dass man auch hier wieder jeden Song sofort ihr zuordnen kann. Wo Dido draufsteht, ist eben auch Dido drin – so einfach ist es manchmal. Sie guckt eben nicht auf ihre Mitbewerberinnen und orientiert sich auch nicht an Trends und Strömungen. „Girl Who Got Away“ wird die Fans ganz sicher wieder begeistern, denn die junge Mutter legt hier ein Album vor, welches in bekanntem Fahrwasser schippert.
Natürlich hat auch diese Platte ihre Berechtigung. Dido hat eben ihren eigenen Stil, den sie immer leicht variiert und so hält sie es für sich und die Zuhörer spannend. Die Oberhand scheinen mal wieder die Moll-Töne zu haben. Trotzdem weiß sie hier auch das Leben zu feiern. Der Titelsong „Girl Who Got Away“ ist wie ein Frühlingstag nach einem langen Winter. Es liegt vielleicht noch ein bisschen Schneematsch auf den Straßen, der Tau macht sich auf den Wiesen und Feldern breit und der Morgennebel verschwindet nur ganz langsam in der aufgehenden Sonne. Und doch zwitschern schon die ersten Vögel und es riecht nach Frühling. Die Stimmung ist wieder positiver. Auf diesem Album geben sich wieder elektronische Elemente und herkömmliche Instrumente die Klinke in die Hand. Früher hatte Dido Eminem dabei, heute das neue Wunderkind Kendrick Lamar („Let Us Move On“).
So ganz ist die Zeit in der Welt von Dido aber auch nicht stehengeblieben und somit gibt es bei „Blackbird“ dezente Dubstep-Anleihen. „End Of Night“ ist sogar extrem tanzbar. Hier fällt auch mal wieder auf, dass die Dame und ihr Team es irgendwie immer schaffen, dass so ein Song nicht überladen wird. Weniger ist manchmal eben doch mehr! Ach ja, Balladen gibt es natürlich auch wieder. Millionen Menschen lieben Dido schließlich dafür! Das schöne „Sitting On The Roof Of The World“ dürfte in dieser Hinsicht die Erwartungen gar noch übertreffen. Hat man Dido je derart intim und mit sich im Reinen gehört? Unspektakulär und doch so wirkungsvoll – eine weitere große Stärke. Wäre man böse, dann könnte man auch davon sprechen, dass „Go Dreaming“ als Hintergrundberieselung taugt. Tut dieses Stück – wie eigentlich das komplette Album – auch! Muss ja kein Nachteil sein. Mit „Day Before We Went To War“ entlässt einen Dido mit großer Schwermut aus ihrem vierten Album.
Man sollte übrigens gleich zur Deluxe Edtion greifen. Die zweite CD hält doch einiges an Mehrwert bereit. Ob der Remix von „Let Us Move On“ nun dazu zählt, sei mal dahingestellt. Der Track kommt so allerdings etwas forscher daher und ist nicht so penetrant wie so viele andere Zweitverwertungen. „All I See“ mit Peter Miser entpuppt sich als ziemliches Brett und ist vom Songaufbau auch gut durchdacht. „Just Say Yes“ hantiert sogar abermals mit Dance-Elemente herum. „Let´s Runaway“ wäre auch auf dem eigentlichen Album nicht negativ aufgefallen und mit „Everything To Lose“ im Armin Van Buuren Remix gibt es noch mal neues Futter für den Dancefloor. „Lost“ beendet dann den Songreigen noch mal nachdenklich und auf bekanntem Terrain. Wer Dido schätzt, wird jedenfalls mit der zweiten CD keine Enttäuschung erleben.
Fazit: „Girl Who Got Away“ von Dido liefert die erwartete und bekannte Kost. Diese ist keinesfalls schlecht und Fans werden unter Garantie auch sehr großen Gefallen an den Songs finden. Dido nimmt mit ihrer Art des Gesangs immer noch eine Ausnahmestellung ein. Das klingt zunächst alles höchst unspektakulär, aber dieser minimalistische Popansatz ist ja nicht verkehrt, gerade vor dem Hintergrund, dass viele Künstler einen anderen Weg einschlagen. Die Deluxe Edition hat noch mal sechs Extrasongs am Start, die mehr als Ausschussware sind!
Text: Torsten Schlimbach