Johnny Cash: Johnny Cash & The Royal Philharmonica Orchestra
Legacy/Sony
VÖ: 13.11.2020
Wertung: 8/12
Johnny Cash wird ja meistens in die Country-Schublade gesteckt. Der Mann war aber immer offen für andere Musikrichtungen und fühlte sich auch in den Genres Rockabilly, Gospel oder Americana sehr wohl. Die Aufzählung ist längst nicht abschließend, denn im Grunde waren ihm Scheuklappen sowieso zuwider. Johnny Cash respektierte auch über alle Maßen das Royal Philharmonica Orchestra. Sein Sohn John Carter Cash kam deshalb auf die Idee, ein Album mit den Songs seines Vaters zusammenzustellen, bei dem das Royal Philharmonica Orchestra die Songs veredeln sollte.
Wichtig bei einem solchen Projekt ist sicherlich die Songauswahl. So ein Album sollte auch nicht zu lang sein und mit Songs überfüllt werden. Ausgewählt wurden nun Lieder, die im Grunde ein Schnelldurchlauf durch die lange und umfangreiche Karriere darstellen. Johnny Cash könnte nun wahrlich auf einen beachtlichen Backkatalog zurückgreifen, wenn er denn ein solches Projekt zu Lebzeiten hätte starten wollen. Sein Sohn ist sich jedenfalls sicher, dass er dieses Album hier lieben würde.
Das Booklet hat umfangreiche Liner Notes und ein paar Fotos zu bieten. John Carter Cash hat dabei ebenso ein paar Worte verfasst, wie auch Don Reedman und Nick Patrick oder Duane Eddy. Natürlich gibt es auch Informationen zu den einzelnen Songs, die zumindest die beteiligten Musiker aufführen. Unter dem Strich ist das sehr ordentlich!
Mit „Man In Black“ hat man gleich einen ganz markanten und zentralen Titel von Cash an den Beginn gesetzt. Das Orchester spielt eine Art Eröffnung und dann geht es hinein in die bekannten Klänge und den Text, der erklärt, warum Cash immer in Schwarz gekleidet war. Die Streicher fügen sich erst nach und nach in den Sound ein und geben dem Stück tatsächlich einen frischen Anstrich. „Galway Bay“ passt sogar noch besser zu den Streichern, da der Track ja sowieso irisch angehaucht ist. „Girl From North Country“ wiederum – jenes sagenhafte Duett zwischen Dylan und Cash - hat man zum Glück nicht komplett zugekleistert und seine wundervolle Seele gelassen. „I Came To Believe“ ist von jeher ja schon etwas süßlich, jetzt verursacht der Zucker, der darüber geträufelt wurde, ja fast schon Karies. Bei „A Thing Called Love“ stimmt die Balance wieder. Wundervoll ist „The Loving Gift“ geworden. Das Duett mit June Carter Cash kriegt durch den sanften Streichereinsatz etwas Feierliches verliehen. „I Walk The Line“ darf natürlich auch nicht fehlen, hätte aber gerne durch Abwesenheit glänzen können. So richtig wusste man nichts damit anzufangen und so ist der Beitrag des Orchestras verzichtbar. Die Nummer hat man eindeutig auf das Album gepackt, weil diese so bekannt ist.
„Farther Along“ mit Duane Eddy ist dafür ganz groß! Da hat der alte Mann noch mal gezeigt, was in ihm steckt. Man hört, dass es eine Herzensangelegenheit ist! Da passen auch die Streicher wieder. „Flesh And Blood“ ist ebenfalls ganz nett, „The Gambler“ herausragend und „Ring Of Fire“ funktioniert in diesem Kontext sogar erstaunlich gut. Ganz zum Schluss gibt es „Highwayman“ von der gleichnamigen Supergroup bestehend aus Johnny Cash, Willie Nelson, Kris Kristofferson und Waylon Jennings in diesem Gewand zu hören – ein wunderbarer und passender Abschluss!
Fazit: Man sollte den Songs von Johnny Cash mit der zusätzlichen Unterstützung von The Royal Philharmonica Orchestra eine echte Chance geben. Die bekannten und weniger bekannten Lieder wurden nicht zugekleistert, sondern kriegen durch den dezenten Streichereinsatz einen frischen Anstrich, der den Songs sogar noch mal eine neue Richtung gibt. Ganz neue Hörgewohnheiten offenbaren sich da. Immer dann, wenn das Royal Philharmonica Orchestra die Songs unterstützt, haut das vollends hin. Sofern Orchestra aber dominiert, passt es nicht mehr so ganz, denn dafür hat man die Originale auch zu sehr im Ohr. Letztlich ist es aber ein sehr schönes Projekt, welches dem guten Johnny mitunter sehr zugesagt hätte.
Text: Torsten Schlimbach
Johnny Cash: The Music Forever Words
Sony/Legacy
VÖ: 06.04.2018
Wertung: 8,5/12
Johnny Cash hat einen großen Songfundus hinterlassen, der Mann hat aber auch zeitlebens seine Gedanken zu Papier gebracht, aber dann nicht weiter mit Musik gefüllt. Darunter sind handgeschriebene Gedichte, Texte und Briefe zu finden. John Carter Cash, der Sohn von June und Johnny, hat das Material gesichtet und ausgewertet. Einige ausgewählte Texte befand er für derart gut, dass er einige Künstler dazu einlud, Musik dafür zu schreiben und schließlich als Song aufzunehmen. Ein Großteil wurde in der Cash Cabin in Hendersonville, Tennessee eingespielt. In den letzten zwei Jahren ist so ein Album entstanden, welches von John Carter Cash und Steve Berkowitz produziert wurde. „The Music Forever Words“ enthält nun sechzehn Songs und basiert auf dem Bestseller Buch Johnny Cash – Forever Words: The Unknown Poems.
Wie immer bei derartigen Projekten, ist die Qualität schwankend. Das Album wird von Kris Kristofferson und Willie Nelson mit „Forever/Still Miss Someone“ eröffnet. Die beiden waren enge Freunde von Johnny Cash und somit ist es nur logisch, dass die beiden auch den Songreigen starten. Es handelt sich hierbei übrigens um das letzte von Cash verfasste Gedicht. Kristofferson trägt das zu der von Nelson gespielten akustischen Gitarre vor.
Das Ehepaar Ruston Kelly und Kacey Musgraves hat „To June This Morning“ ganz dezent vertont. Das passt zu der Thematik, denn hierbei handelt es sich um einen Brief von Johnny an June. Die beiden Sänger legen sehr viel Herzblut in dieses kurze Stück. „Gold All Over The Ground“ wird von Brad Paisley interpretiert und klingt stark nach zeitgenössischer Countrymusik. „You Never Knew My Mind“ ist extrem zerbrechlich und wird von Chris Cornell großartig gesungen. Einer der Besten, der leider auch von uns gegangen ist.
„The Captain´s Daughter“ hätte Johnny Cash gefallen. Alison Krauss erinnert in ihrer Art des Gesangs hier an Nanci Griffith. Auffallend viele Songs sind eher zurückgenommen instrumentiert und bewegen sich auf melancholischen und leisen Sohlen. Da muss erst T Bone Burnett kommen und „Jellico Coal Man“ im Western-Style des Man In Black aufnehmen. „The Walking Wounded“ wird von Rosanne Cash herzzerreißend gesungen. Die sehnsuchtsvolle Instrumentierung sorgt ebenfalls für einen großen Kloß im Hals. Ganz stark. Die ältestes Tochter von Johnny Cash macht ihrem Vater alle Ehre!
John Mellencamp hat mit „Them Double Blues“ ein für ihn typisches, heiseres Stück aufgenommen und auch „Body On Body“ von Jewel klingt stark nach der Interpretin. Da bleibt vom guten Johnny nicht mal die Essenz übrig. Ist aber trotzdem eine schöne Nummer. Elvis Costello lässt „I´ll Still Love You“ musicalhaft erscheinen und auch die Dramatik, die Carlene Cater in „June´s Sundown“ legt, hat eher Musicalcharakter.
„He Bore It All“ von Dailey And Vincent hat endlich mal Pfeffer in der Countryhose. Das düstere „Chinky Pin Hill“ von I´m With You verfehlt seine Wirkung nicht. Das Stück steigt aus den Sümpfen empor. Robert Glasper bringt mit „Goin´, Goin, Gone“ noch etwas Groove rein. Das hat mit Johnny Cash nicht viel zu tun und erinnert eher an Prince. The Jayhawks holen den Ursprung des Country mit „What Would I Dreamer Do“ zurück, der mit der noch klassischeren Interpretation von „Spirit Rider“ und Jamey Johnson flankiert wird.
Fazit: Johnny Cash hat eine Vielzahl seiner Gedanken aufgeschrieben. Es geht dabei oftmals um seine drei Kernthemen: Gerechtigkeit, Glaube und Freiheit. Sein Sohn hat Teile des Materials zur Verfügung gestellt und von namhaften Musikern und zum Teil auch Weggefährten seines Vaters aufnehmen lassen. Die beteiligten Künstlern schrieben dazu oftmals sehr reduzierte, leise und nachdenkliche Musik. In seinen besten Momenten geht dieses Album unter die Haut und ist eine tiefe Verbeugung vor Johnny Cash und seinem Schaffen durchaus angemessen.
Text: Torsten Schlimbach
Johnny Cash: Koncert V Praze – In Prague Live
Sony
VÖ: 05.02.2015
Wertung: 8/12
Und schon steht uns die nächste Veröffentlichung von Johnny Cash ins Haus. Mit „Koncert V Praze – In Prague Live“ gibt es ein weiteres Konzert von ihm zu hören. Der Mitschnitt entstand während seiner Tour durch die Tschechoslowakei am 11. April 1978. Die Einladung für vier Konzerte kam direkt von der Regierung. Cash hatte zunächst wohl Zweifel, ob denn seine Musik hinter dem eisernen Vorhang überhaupt funktionieren würde und es dort ein Publikum für ihn geben würde. Aus heutiger Sicht wissen wir, dass diese Zweifel völlig unbegründet waren. Natürlich war seine Musik bekannt, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass seine Platten einfach ins Land geschmuggelt wurden. Die Shows waren nach zwei Tagen ausverkauft und mehr als 40.000 Menschen kamen um ihn zu sehen.
Johnny Cash war selbstverständlich nicht alleine unterwegs und konnte auf die Unterstützung der Tennessee Three und der Carter Family bauen. Der Mitschnitt des Konzerts wurde ursprünglich (und ausschließlich) 1983 in der Tschechoslowakei als Schallplatte über das einheimische Label Supraphon veröffentlicht. Für Fans war das also lange Jahre eine gesuchte Rarität. Es sollte bis 2012 dauern, bis die Aufnahme im Rahmen des Deluxe-Box-Sets „Johnny Cash: The Complete Columbia Album Collection“ wieder zugänglich gemacht wurde. 2015 gab es dann im Rahmen des Record Store Day eine limitierte Vinyl-Version in transparentem Rot. Jetzt wird „Koncert V Praze – In Prague Live“ nun erstmals außerhalb der Box auf CD aufgelegt.
Da die Geschichte nun nicht mehr ganz so exklusiv ist, wird die zwölf Track starke CD nun für knapp zehn Euro angeboten. Trotzdem hätte man sich gerne etwas mehr Mühe bei der Aufmachung geben dürfen! Das Faltblättchen ohne weiteren Mehrwert ist schon sehr ärgerlich und ein Schlag in das Gesicht eines jeden Käufers. So vergrault man auch noch den letzten zahlenden Käufer von diesem Format.
Die Musik ist selbstredend großartig. Die Zuschauer wurden – sofern es sich dabei überhaupt um Originalaufnahmen handelt – sehr stark in den Hintergrund gemischt und man hört im Grunde nur die Musiker und den Gesang. Die Aufnahme ist in dieser Hinsicht allerdings als brillant zu bezeichnen. Der warme und erdige Klang sticht schon beim galoppierenden Auftakt von „Ring Of Fire“ hervor. Mit dem elegischen „Folsom Prison Blues“ folgt gleich der nächste Höhepunkt. Das typische Country-Stück „I Still Miss Someone“ lässt einen danach wieder etwas Luft holen. Vor der Rockabilly-Nummer „Big River“ erzählt Cash noch von der Bedeutung und Faszination, die Elvis ausgeübt hat. Das wunderschöne „Cowboy Medley“ zeigt auf eindrucksvolle Art und Weise, dass sich Cash damals erneut auf einem Höhepunkt seiner Karriere befand. Die Instrumentierung – besonders das Piano – kommt klar und deutlich daher.
Natürlich darf „I Walk The Line“ nicht fehlen. Ist ja auch der größte Hit mit der größten Nachfrage, wie Cash vorab zu berichten weiß. Höhepunkt dieser CD dürfte das „Railroad Medley“ sein, welches sich über zehn Minuten ausbreitet. „Hey Porter“ nimmt innerhalb noch mal eine besonders energetische Rolle ein. Die Carter Family kommt zum Schluss mit dem schmissigen „Wabash Cannonball“ zum Einsatz. Ein toller Schlusspunkt!
Fazit: „Koncert V Praze – Live In Prague“ enthält sehr gute Live-Aufnahmen vom 11. April 1978. Johnny Cash und seine Mittmusiker waren in Hochform und präsentierten die Songs ganz famos. Der Klang der Aufnahme ist ebenfalls sehr gut – sofern man das nur auf die Musik bezieht. Ein echtes Livegefühl stellt sich da nicht ein, weil das Publikum kaum zu hören ist. Die Aufmachung ist allerdings eine große Enttäuschung und das Booklet eigentlich eine Farce.
Text: Torsten Schlimbach
Johnny Cash: Live In Denmark 1971
Sony
VÖ: 08.01.2016
Wertung: 10/12
Tipp!
1971 trug Johnny Cash maßgeblich zur Musikfernsehkultur in den USA bei. Mit den Musikern seiner Fernsehshow tourte er zu dieser Zeit auch durch Europa. Wo immer die Damen und Herren auch aufschlugen, es glich einem Triumphzug. Zur Besetzung gehörte Rockabilly-Legende Carl Perkins, natürlich die Tennessee Three, die Statler Brothers und die Familie seiner Frau June Carter Cash. Das dänische Fernsehen fragte bei Cash an, ob er sich vorstellen könne mit dieser Mannschaft auch für eine TV-Übertragung und Aufzeichnung in kleinem Rahmen zu spielen. Der gute Johnny fand die Idee wohl derart charmant, dass er zusagte. „Live In Denmark 1971“ wird nun erstmals auf CD veröffentlicht.
Der Sinn dieser neuerlichen Veröffentlichung erschließt sich allerdings nicht vollends, denn immerhin wurde dieses Ereignis bereits auf DVD unter die Leute gebracht. Mitunter ist dies auch die bessere Wahl, denn die heimelige Wohnzimmeratmosphäre ist schon sehr sehenswert. Vor wenigen Zuschauern liefen die Musiker nämlich zur Höchstform auf und zeigten sich locker und gelöst. Von Johnny Cash gibt es bekanntlich sehr viel Material aus TV-Aufzeichnungen, aber dieser Auftritt in Dänemark gehört ganz sicher zu seinen Sternstunden!
1971 war er nicht nur exzellent bei Stimme, sondern auch derart mit sich im Reinen, dass er seiner Band und den Musikern sehr viele Freiräume einräumte. Alle durften auch mal Solo musizieren. Hört man sich die CD jetzt noch mal in Gänze an, dann ist das Repertoire schon sehr beeindruckend! Die musikalische Vielfalt ist zudem extrem breit gefächert. Natürlich ist das Countrymusik, aber es gibt eben auch Western, Spirituals und Rockabilly zu hören! Und dies alles bei brillantem Sound! Die kurzweiligen und manchmal brüllend komischen Ansagen lockern die Sause zwischendurch immer wieder auf und lassen dies zu einer kurzweiligen Angelegenheit werden.
„Blue Suede Shoes“ wird von Perkins mit richtig viel Verve vorgetragen – einfach nur Wow! Die Statler Brothers dürfen mit „Bed Of Roses“ und besonders „Flowers On The Wall“ zeigen, warum sie den Grammy auf dem Kaminsims stehen hatten. Und natürlich darf auch die Carter Family mal ran. Die herzliche Ansage von Cash vorher kann man ihm so unbesehen abnehmen. Wie er Mother Maybelle ankündigt geht zu Herzen und das hat Stil. Folgerichtig wird danach „A Song To Mama“ intoniert.
Natürlich darf auch das obligatorische Duett mit seiner June nicht fehlen. So rotzig wie die Dame aber bei „Darlin Companion“ singt, stiehlt sie ihrem Johnny ganz schön die Show. Ihn wird das aufrichtig gefreut haben und er wird vor Stolz geplatzt sein. Natürlich ist auch sein eigenes Material von Klassikern durchzogen. Hat man jemals eine bessere Version von „A Boy Named Sue“ gehört? „I Walk The Line“ reitet durch die Prärie, als wäre eine ganze Büffelherde im Anmarsch. Das Stück hat ordentlich Schmiss. Das Kris-Kristofferson-Cover „Me And Bobby McGee“ zählt gar zu den heimlichen Höhepunkten der Darbietung. Johnny Cash war in dieser Karrierephase einfach bestens bei Stimme. Und natürlich darf das obligatorische „Man In Black“ nicht fehlen. Herausragend sind auch die Stücke „No Need To Worry“, „Rock Of Ages“ und „Children, Go Where I Send Thee“, denn hier sind auch die Statler Brothers und die Carter Family dabei (bei letztgenannter Nummer auch Carl Perkins) und der Chor und die Gruppendynamik sind schon toll. Das hat glatt was von einem Jam. Vermutlich ist es das auch.
Fazit: „Live In Denmark 1971“ ist eine Sternstunde der Liveauftritte von Johnny Cash. Wer die Möglichkeit hat, sollte sich unbedingt die DVD besorgen, denn man muss die Musik nicht nur hören, sondern das Ereignis in kleinem Rahmen auch sehen. Die Musiker sind locker und gelöst und liefern hier ein beeindruckendes Set ab. Die Musik selber ist über jeden Zweifel erhaben. Die Songauswahl ist ganz famos und der Sound brillant. Johnny Cash war hier mal wieder auf dem Zenit seines Könnens und das übertrug sich auch auf alle anderen Beteiligten. Dieses Livedokument gehört definitiv in jedes Musiksammlung!
Text: Torsten Schlimbach
Johnny Cash: Out Among The Stars
Sony/Legacy
VÖ: 21.03.2014
Wertung: 9/12
Wie groß muss wohl ein Musikerarchiv sein, wenn man darin gleich ein komplettes Album vergessen kann. Im Falle von Johnny Cash versteht es sich von ganz alleine, dass dies fast unüberschaubar groß und gut gefüllt sein muss. John Carter Cash hatte nach dem Tod seiner Eltern also alle Hände voll zu tun. Es galt nicht nur die weitreichenden Archive seiner Mutter und seines Vaters zu sichten, auch die Archive von Sony Music wollten katalogisiert werden. Dabei fand man nun einen ganz besonderen Schatz, der seit gut und gerne dreißig Jahren im Tresor schlummert und dort vergessen wurde. „Out Among The Stars“ ist ein vollwertiges Johnny Cash Album welches er 1981 in den Columbia Studios in Nashville, Tennessee und 1984 in den 1111 Sound Studios aufgenommen hat. Erst jetzt ist die Platte im Rahmen der Katalogisierung wieder aufgetaucht. Sachen gibt es!
Natürlich liegt der Gedanke nahe, dass man hier schnell ein paar Outtakes, Demos oder ähnlichen Kram als neu verkaufen will. Dies wäre immerhin nicht das erste Mal und ganz sicher auch nicht das letzte Mal. Bei „Out Among The Stars“ liegen die Dinge aber tatsächlich ein bisschen anders. Die Bänder tauchten nämlich erstmals 2012 auf. Die Songs wurden in den 80ern ursprünglich von Billy Sherrill produziert und jetzt immer noch für sehr gut befunden. Klar, was soll man da auch anderes sagen, denn schließlich will man damit ja auch Kohle verdienen? Mit Co-Produzent und Archivar Steve Berkwoitz engagierte John Carter Cash ein paar erstklassige Musiker, um das Album in den Cash Cabin Studios in Hendersonville wiederherzustellen.
Man ist aus der Vergangenheit ja einiges gewohnt und oftmals liegt ein etwas fauler Geruch über derartigen Veröffentlichungen. Man kann jetzt auch bei „Out Among The Stars“ nicht mit Gewissheit sagen, was denn nun noch Originalaufnahme ist und was nun nachbearbeitet wurde. Hört man sich diese zwölf Songs an – den Bonus Track lassen wir da mal außen vor – spielt das aber überhaupt keine Rolle. Das Material ist gut, bisweilen sogar sehr gut. Da stellt sich schon die Frage, warum Cash die Songs damals nicht einfach veröffentlicht hat? Dies war ja sowieso nicht gerade die beste Phase seiner Karriere und das vorliegende Material hätte doch das Zeug gehabt dies schlagartig zu ändern!
„Out Among The Stars“ ist überraschend vielfältig und doch klingt die gesamte Atmosphäre wie aus einem Guss. Das rührselige „I Came To Believe“ darf da durchaus als klassischer Cash-Song der späteren Jahre bezeichnet werden. Der Song „Out Among The Stars“ schafft es eher eine Brücke von den Anfängen bis in die 70er zu schlagen. Die recht üppige Instrumentierung – da dürfte einiges erst in der jüngeren Vergangenheit dazu gekommen sein – tut der Nummer sehr gut. Das schmissige „Baby Ride Easy“ ist ein sehr gutes Standard-Duett mit June Carter Cash. „She Used To Love Me A Lot“ ist in seiner Schroffheit und spärlichen Ausstattung noch am ehesten ein Vorbote von dem, was Johnny Cash noch mal im Herbst seiner Karriere neuen Ruhm einbrachte. „After All“ könnte danach glatt als Gospel durchgehen und „I´m Movin´ On“ mit Waylon Jennings rockt gar. „If It Told You Who It Was“ wartet mit dem typischen Sprechgesang auf, den Cash im Verlaufe seiner langen Karriere immer wieder als Stilmittel genutzt hat und „Call Your Mother“ und besonders „I Drove Her Out Of My Mind“ knüpfen noch mal an die großen Erfolge an, denn das Zeug dazu hätten die Stücke durchaus. Es gibt mit „Don´t You Think It´s Come Our Time“ übrigens noch ein weiteres Duett mit June Carter Cash – hebt die Welt nicht aus den Angeln, auf der anderen Seite waren die beiden zusammen einfach immer eine Bank und ein eingespieltes Team. Lediglich der Bonustrack „She Used To Love Me A Lot“ im JC/EC Mix passt da nicht so richtig rein und wurde deutlich nachbearbeitet, hat aber durchaus seinen Reiz.
Fazit: „Out Among The Stars“ hat jetzt dreißig Jahre in irgendeinem Tresor vor sich hin gegammelt. Es wurde Zeit, dass man diesen kleinen Schatz von Johnny Cash nun der Welt präsentiert. Es ist ein erstaunlich gutes und schlüssiges Album geworden, welches eine Brücke von seinen Anfängen bis zu seinen ganz späten Karrierejahren schlägt. Dies ist keine Verwertung von der Resterampe, sondern funktioniert tatsächlich als vollwertiges Album. Sachen gibt es...
Text: Torsten Schlimbach
Johnny Cash: Bootleg Vol IV – The Soul Of Truth
Sony
VÖ: 30.03.2012
Wertung: 8/12
In den späten 70ern und den 80ern war Johnny Cash künstlerisch nicht mehr relevant. Die schwierigen Jahre seiner Sucht schien er zwar überwunden zu haben, aber längst hatten ihn andere auf der Überholspur hinter sich gelassen. Musikalisch hat er zu jener Zeit sowieso ein paar merkwürdige und fragwürdige Dinge gemacht und auf die Menschheit losgelassen. Seine Stimme war natürlich ungebrochen und es war auch nicht alles schlecht. Hey, wir reden hier immerhin vom Man In Black. Rick Rubin küsste ihn dann künstlerisch wieder wach und verhalf ihm zudem zu einem ganz neuen Publikum. Der Rest ist längst in die Geschichtsbücher der Musik eingegangen.
Die wilden Jahre lagen also hinter ihm, doch was tun? Cash widmete sich zu dieser Zeit verstärkt der Spiritualität und dem Glauben. „Bootleg Vol. IV – The Soul Of Truth“ beschäftigt sich nun eindrucksvoll mit dieser Phase und ist ein verspätetes Geburtstagsgeschenk an die zahlreichen Fans. Am 26. Februar wäre Cash 80 Jahre alt geworden.
Von Johnny Cash dürften unzählige Aufnahmen irgendwo in diversen Schubladen und Archiven schlummern. Bei so mancher müssten sicher erst noch das Datum bestimmt und die Rechte geklärt werden. „Bootleg Vol. IV“ beinhaltet nun gleich ein ganzes Album, welches Cash für Columbia einspielte, aber nie veröffentlichte. Hierbei handelt es sich um „A Believer Sings The Truth“. Aus diesem Fundus erschienen 1982 kurioserweise die Hälfte auf dem Label Gospel-Label-Priority Records. Die Songs selber datieren aus dem Jahre 1979. 1984 wurden dann unter dubiosen Umständen noch mal vier Tracks veröffentlicht. Für dies vorliegende Veröffentlichung ist man nun hingegangen und hat die zwanzig Songs genau so auf die CD gepackt, wie sie eigentlich ursprünglich erscheinen sollten.
Mit „Wings In The Morning“ startet die erste CD gar schrecklich. Das ist schlimmster Schlager. Den „Gsopel Boogie“ hätte sich Cash ebenfalls besser gespart. Mit „Over The Next Hill (We´ll Be Home)“ und ganz besonders mit „He´s Alive“ hat er aber zwei richtige Perlen aufgenommen. Besonders die letztgenannte, düstere Nummer lässt erahnen, was noch alles in Cash steckt. Gut, der Halleluja-Singsang von June Carter Cash im Background ist gewöhnungsbedürftig, aber alles in allem ist das ein tolles Stück.
Man findet hier natürlich viele traditionelle Songs wieder. „I´ve Got Jesus In My Soul“ versetzt den Hörer dann auch nach New Orleans. Der Text ist allerdings auch nicht jedermann Sache. “Diese Musik bildete für meinen Vater ein spirituelles Fundament, sie ließ ihn zum Glauben finden …“, schreibt John Carter in den Liner Notes zu BOOTLEG VOL. IV, „… Der Glaube wiederum gab ihm Stärke und Beharrlichkeit. Mein Vater war sich sicher, seine Bestimmung zu kennen und christliche Musik bestärkte ihn in dieser Gewissheit. Er hat in seinem Leben Songs aus vielen Stilrichtungen interpretiert, aber nie klang er so wahrhaftig wie in seinen Gospels und Spirituals.“
Bei „Strange Things Happening Every Day“ packt er den Gospel in ein rockiges Gewand. Man muss diese Seite von Cash aber schon sehr mögen, sonst kriegt das gar einen missionarischen Anstrich, der dann auch nerven kann. Da passt ein schon fast klassisch interpretiertes Stück wie „Lay Me Down In Dixie“ mit Cindy Cash schon besser. Aber was heißt das schon? Cash war eben sehr vielseitig und dazu gehören dann eben auch „Oh Come, Angel Band“ oder „That´s Enough“. „Truth“ dürfte Fans erfreuen, das Ding ist bisher nämlich unveröffentlicht. Cash spricht und betet mehr, denn er singt. Für das Gesamtbild mag das nett sein, insgesamt aber auch verzichtbar.
Als Fundgrube für Schatzjäger entpuppt sich die zweite CD. Die ersten zwölf Songs wurden 75 für ein bis heute unbetiteltes Album eingespielt. „Back In The Fold“ und „Look Unto The East“ zeigen Cash – trotz reichlich Streicher – in Hochform. Bei „Would You Recognize Jesus“ und „That´s Just Like Jesus“ zeigt sich, dass Cash diese Themen auch in ein musikalisches Gewand packen konnte, welches im gerecht wurde. Feine Sache. Klassisches Storytelling der Marke „Keep Me From Blowing Away“ steht einträglich neben „Don´t Give Up On Me“ welches Cash auch als großen Crooner ausweist. Das Duett „Far Side Banks Of Jordan“ mit seiner June Carter Cash ist sowieso eine sichere Bank. Dafür liebte man die beiden! Auf CD 2 warten mit den Titeln der vergriffenen LP Johnny Cash—Gospel Singer weitere Raritäten und Schmankerl auf einen. Die Platte wurde 1983 für Priority Records, das Gospel-Label von Columbia, aufgenommen. Den Abschluss von BOOTLEG VOL. IV bilden vier Outtakes aus den Aufnahmesessions dieses Longplayers.
Die in der Reihe “The Johnny Cash Bootleg Series” erscheinenden CDs wurden von den Produzenten Gregg Geller (Grammy-nominiert für die Compilation: „Johnny Cash – The Legend“) und Steve Berkowitz (mehrfacher Grammy-Preisträger, u.a. für: „Martin Scorsese Presents The Blues“) zusammengestellt. Das House Of Cash-Archiv in Hendersonville, Tennessee diente als Quelle für viele Raritäten aus dem musikalischen Nachlass des Künstlers, die den Grundstein für die „Bootleg Series“ legten.
Fazit: Wie im Leben von Johnny Cash gibt es auch auf „Bootleg Vol. IV“ Licht und Schatten. Gospel und Spiritualität ist in Kombination eben gewöhnungsbedürftig und manchmal nimmt das missionarische Züge an. Zum Glück strahlt das Licht hier aber deutlich heller. Es ist klar, das die 51 Songs nicht allesamt überzeugen, aber wenn, dann richtig. Insgesamt erweist sich diese Veröffentlichung – gerade für Fans – als wahre Fundgrube, denn es befindet sich doch sehr viel rares oder unveröffentlichtes Material darunter. Die erste Hälfte der zweiten CD ragt dabei heraus und schon alleine dafür lohnt sich die Anschaffung. Insgesamt wird die Reihe würdig fortgesetzt. Mehr davon!
Text: Torsten Schlimbach
Johnny Cash: Bootleg Vol. III (Live Around The World) Doppel-CD
Sony
VÖ: 07.10.2011
Wertung: 9/12
Die Bootleg Serie von Johnny Cash geht in die nächste Runde. Erneut hat man ein randvolles Paket geschnürt, welches den Fans den Man In Black so präsentiert, wie man ihn am besten erleben sollte: live. Über 50 Songs hat man hier aus den Archiven gehoben und auf zwei CDs verteilt. Wie es in dieser Reihe üblich ist, kann man auch dieses feine Teil zum relativ kleinen Preis erwerben. Abermals ist es sehr schön zu sehen, dass dies nicht zu Lasten der Aufmachung geht, denn das Booklet wurde mit jeder Menge Fotos angereichert und kann auch bei den Liner Notes punkten.
Was natürlich zählt ist die Musik. Hier muss man bei der klanglichen Qualität einige Abstriche hinnehmen. Das dürfte allerdings auf der Hand liegen, denn es handelt sich in letzter Konsequenz eben um Bootleg-Charakter. Daraus wurde aber nie ein Hehl gemacht und somit ist das durchaus zu verschmerzen. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass die ersten Aufnahmen aus dem Jahre 56 stammen und die Technik damals ja nun alles andere als ausgereift war. Es wird ja auch im weiteren Verlauf besser, denn immerhin hat man auf „Bootleg Vol. III“ 23 Jahre untergebracht.
Wenn man sich mit der Karriere von Johnny Cash näher beschäftigt, wird man schnell feststellen, dass der Mann keineswegs für die normalen Konzertauftrittsorte zu haben war. Klar, die Geschichten über seine legendären Gefängniskonzerte kennen wir alle, aber das war ja noch längst nicht alles. Dies kann man auf den beiden CDs hier wunderbar nachvollziehen. 39 Tracks der ganzen Kiste sind übrigens bisher nie offiziell veröffentlicht worden.
Man kann sicher nicht behaupten, dass es alltäglich ist, dass ein Präsident der Vereinigten Staaten auf einer CD zu hören ist. Hier ist es Richard Nixon, der Johnny Cash und dessen Auftritt am 17. April 1970 im weißen Haus ankündigt. Gespielt hat er dort dreizehn Nummern, darunter den Hit „A Boy Named Sue“, aber auch ein traditionelles Volkslied wie „Wreck Of The Old ´97“. Selbst nach Vietnam hat es ihn im Januar 69 verschlagen. Die Aufnahme von „Ring Of Fire“ wird von Fans gerne mal auf die Suchlisten nach ganz oben gesetzt. Es sind aber nicht nur die bekannten Songs wie „I Walk The Line“ oder „Folsom Prison Blues“, die hier das Salz in der Suppe sind, sondern die Traditionals, Coverversionen und spirituelle Songs. Die Version von „Hey Porter“ vom 2. Oktober 1976 zeigt Cash in seinem dritten Frühling und gibt die unbändige Livekraft des Mannes wieder.
Fazit: Johnny Cash hat zwar unzählige Studioalben aufgenommen, wer den Mann aber so erleben möchte, wofür er gelebt hat, der kommt um seine vielen Liveauftritte nicht herum. Mit „Bootleg Vol. III“ werden nun weitere unveröffentlichte Schätze aus dem vielseitigen Liver-Repertoire von Johnny Cash gehoben. Man spürt förmlich, welche Magie von einem Cash-Konzert ausgegangen sein muss und dies nicht nur aufgrund der vielen (hörbaren) Begeisterungsstürme. Das alles ist Johnny Cash pur!
Text: Torsten Schlimbach