Kanye West: Yeezus
Universal
VÖ: 18.06.2013
Wertung: 7,5/12
Kanye West ist nach seinem eigenen Selbstverständnis der größte Star dieser Tage. Ein Mangel an Selbstbewusstsein ist bei ihm jedenfalls nicht auszumachen. Es wird zwar ein bisschen abenteuerlich, wenn er seine künstlerischen Ambitionen abseits des Musikgeschäfts in eine Reihe mit Picasso stellt, aber wie man auf dicke Hose macht weiß der Mann schließlich wie kaum ein anderer. Marketing und Promotion wird im Hause West ganz groß geschrieben. Dazu gehört dann auch, dass im Vorfeld seiner neuen Platte eben nicht die marktüblichen Mechanismen angeschmissen wurden. Im Mai hat er mal eben sein neues Video in zehn Großstädten auf Gebäudewände projizieren lassen. Danach ließ er es dann auch gleich wieder aus dem Internet verschwinden, denn er möchte schließlich nicht, dass seine Kunst in einer Reihe mit seinen Kollegen steht. Wenn dies alles die Kanzlerin wüsste, denn für die erste Dame im Staate ist das Internet schließlich Neuland – und Teufelswerkzeug vermutlich auch.
In der Vergangenheit hat er sich immer mehr dem Pop zugewandt, aber diese Phase soll nun endgültig vorbei sein. Jetzt ist wieder „Yeezy Season“ angesagt. Sein sechstes Studiowerk hat er dann auch folgerichtig „Yeezus“ genannt. Ein gewisser Hang zum Größenwahn ist schon erkennbar. Vielleicht kann Kanye West aber auch über Wasser gehen oder selbiges in Wein verwandeln. Zuzutrauen wäre es ihm jedenfalls. „Yeezus“ wurde zudem bis zur Veröffentlichung besser gehütet wie die Kronjuwelen der Königin. Wer ein Booklet oder Cover braucht, wird in dieser Hinsicht Abstriche machen müssen – gibt es nämlich nicht. Dafür wird die Hülle von diesem knalligen Aufkleber zusammengehalten und fällt dabei unter der Flut der ganzen Veröffentlichung optisch natürlich auf. West und sein Team wissen eben wie der Hase läuft.
Kanye West kann nicht singen und dies ist der einzige Grund, warum „Yeezus“ als HipHop- und Rapalbum geführt werden wird. Sein Flow auf diesen Tracks ist unvergleichlich und in dieser Hinsicht ist er sicher der größte Star dieser Tage. Ansonsten ist dieses Werk aber vollgepackt mit Elektronik und geht in eine gänzlich andere Richtung. Dies zeichnete sich in der Vergangenheit ja immer stärker ab. Ein Großteil der Song entstand in Paris, hat aber mit dieser Stadt herzlich wenig zu tun. Daft Punk waren aber dabei und somit passt es wieder. Skrillex und Konsorten dürften ihn zusätzlich inspiriert haben. Über weite Strecken ist dieses Werk aggressiv und `dirty`. Man weiß nicht wohin man zuerst hören soll. Dies ist ein Overkill für die Ohren, der seinesgleichen sucht. Rick Rubin hat ja auch irgendwie geholfen. Aber sicher nicht dabei das alles auf ein erträgliches Maß runterzuschrauben. Kanye West hat mit seinen (gefühlten) 398 Co-Produzenten dafür gesorgt, dass hier nicht in kleinen Dimensionen gedacht wird. Mehr. Mehr. Mehr.
Wenn der gute Kanye mit „On Sight“ loslegt, dann gleicht das einer Dampfwalze. Mit voller elektronischer Wucht rollt der Mann über einen hinweg. Das haben The Prodigy zu ihren Glanzzeiten nicht besser hinbekommen. Jetzt dürfte auch dem Letzten klar sein, dass auf diesem Album einiges anders läuft. Der Hauptprotagonist dieser Platte scheint mächtig angepisst zu sein. Warum auch immer. Die Aggro-Schiene kann man natürlich auch wunderbar in das Schaufenster stellen. Dafür dürfte Herr West sicher gefeiert werden, aber mal ehrlich, das haben ganz andere Jungs vor zwanzig Jahren auch schon besser hinbekommen. „Black Skinhead“ ist natürlich ein ziemliches Brett. Mitten in die Fresse, voll auf die Zwölf. Wie ein rastloses Pferd fräsen sich die Beats ihren Weg und West röchelt wie der Beelzebub höchstpersönlich. „I Am A God“ öffnet schließlich das große, schwere Tor zur Hölle. Es brennt lichterloh. Der Urschrei hilft da wenig, denn es gibt kein Entkommen. Der Teufel mag sich getarnt haben, aber zum Schluss offenbart er dann doch noch seine hässliche Fratze. Und aus.
Danach wechselt die Platte in bisschen die Richtung. „New Slaves“ bricht mittendrin ab. Frank Ocean lässt ganz nett grüßen, dabei handelt es sich hierbei um ein Sample der ungarischen Band Omega. Und so fließt der Track ganz gemächlich seinem Ende entgegen. Durchatmen. Kanye West fährt runter. Was haben Bon Iver und Kanye West gemeinsam? „Hold My Liquor“! Der Song wabert leider enttäuschend und ziellos dahin. „I´m In It“ bollert und bollert und bollert und knallt ordentlich rein. Kanye West gefällt sich im Tanz auf der Rasierklinge. Und wer denkt, dass er mit „Blood On The Leaves“ auf die gute Seite der Macht herunterfällt, irrt aber gewaltig. Bitte nicht von den Pianoklängen täuschen lassen. Und zack, schlägt er wie Darth Vader zurück. Das Ende ist bekannt. Kanye West scheint auch auf alles und jeden böse zu sein. Zwei Herzen schlagen in seiner Brust, denn mit „Guilt Trip“ kriegt er noch mal die Kurve und gibt sich musikalisch fast schon versöhnlich. Aber nur für einen kurzen Moment. Sirenenartig legt er mit „Send It Up“ nach. Das Stück zehrt an den Nerven. Folter. Aber auch ein Kanye West sehnt sich nach Liebe und Anerkennung und somit gibt es mit „Bound 2“ als Abschluss einen Song, der bis zu seinen ersten Gehversuchen reicht: Soul. Und damit hat „Yeezus“ tatsächlich noch die Kurve zur guten Seite hinbekommen. Gerade noch so.
Fazit: Kanye West möchte alles, Kanye West kriegt alles, Kanye West ist alles. Mogul, Trendsetter, der Mann der Schuhe designt, malt, ein It-Girl an seiner Seit hat und nun auch sein ganz persönliches „Achtung Baby“, „Kid A“ oder „New Adventures In Hi-Fi“ aufgenommen hat. Allesamt Alben von den größten Bands der Welt. Kanye West möchte sich eben mit den ganz Großen messen. U2, Radiohead und R.E.M. haben natürlich nichts mit HipHop am Hut, „Yeezus“ aber auch nicht – sieht man mal vom typischen West-Flow ab. Das ist Avantgarde oder Electropunk der Marke The Prodigy mit Tricky im Boot. Kanye West möchte künstlerisch wertvoll sein, aber auch von allen geliebt werden. Darüber hat er sich zu viele Gedanken gemacht und das war von vorneherein dazu verurteilt zu scheitern. „Yeezus“ ist kein schlechtes Album, es fehlt aber die Seele und das ist der große Unterschied zu den genannten „Achtung Baby“, „Kid A“ und „New Adventures In Hi-Fi“. In der richtigen Stimmung kann „Yeezus“ aber auch den Tag retten! Der größte Star dieser Tage haut jedenfalls ordentlich auf den Putz. Ein Tanz mit dem Teufel! Nur, wer ist hier der Teufel?
Text: Torsten Schlimbach
Kanye West: Presents G.O.O.D. Music Cruel Summer
Universal
VÖ: 21.09.2012
Wertung: 8/12
Kanye West schafft jetzt das Kunststück ein Album unter seinem Namen zu veröffentlichen und doch ist „Cruel Summer“ nichts anderes als eine Compilation. Über die einschlägigen Portale konnte man schon vor längerer Zeit vernehmen, dass da etwas im Busch ist. Es wurde spekuliert, diskutiert und erste vermeintliche Tracklisten machen die Runde. Bessere Promotion kann es eigentlich nicht geben, Ziel also erreicht! Bei diesem Album handelt es sich übrigens um eine Zusammenstellung seines Label G.O.O.D Music und da man im West Lager schließlich nicht kleckert sondern schwer ranklotzt, sind auch gleich alle Künstler, die hier unter Vertrag stehen, auf diesem Album vertreten.
Und wie es sich gehört, wird auf „Cruel Summer“ auch gleich ordentlich die Werbetrommel für das Label gerührt und zum Schluss von „New God Flow“ der Name „G.O.O.D. Music“ mehrfach skandiert. Wer ist hier die Nummer 1? Genau! Die Abkürzung steht ja für nichts anderes wie Getting Out Our Dreams und dies ist für das gesamte Album ziemlich zutreffend. Die erste Single „Mercy“ macht in dieser Hinsicht ja schon keine Gefangenen und mit Big Sean, Pusha T und 2 Chainz wird ordentlich einer raus gehauen. Gerade auf die Beteiligung von 2 Chainz war die Fachwelt gespannt, da der Senkrechtstarter gerade in aller Munde ist. Und jetzt weiß man auch warum: er liefert sich zum Schluss des Tracks mit Yeezy ein (Wort)Duell, welches man so schnell nicht vergessen wird. Schon alleine dafür lohnt sich dieses Album.
Wie es bei derartigen Compilations oftmals der Fall ist, ist für jeden Geschmack etwas dabei. Die zwölf Tracks passen allerdings wunderbar zusammen und von „To The World“ bis „Don´t Like“ ist das eine fluffige Angelegenheit und die Scheibe besticht mit einem guten Flow. „Sin City“ - übrigens mit dem großartigen John Legend – schafft das Kunststück vom Pop zum straighten Hip-Hop und wieder zurück. Die Beats sind fast minimalistisch und die Synthesizer nie zu präsent. „The One“ spielt gar mit perkussiven Elementen. Kanye West, Big Sean, 2 Chainz & Marsha Ambrosius scheinen sich für diese Nummer alle Zeit der Welt zu nehmen und wirken gar tiefenentspannt.
Einer der Höhepunkte von „Cruel Summer“ ist allerdings eine ganz andere Nummer. „Creepers“ mit Kid Cudi überrascht zwischen Hip-Hop, sphärischen Klängen und Beats, die in Richtung Ska und Reggae gehen – ungewöhnlich! Ungewöhnlich gut! Selbst der Allerweltspop von „Bliss“ kommt im Gesamtkontext der Platte recht gut und stimmig daher. Damit dies aber keine Angelegenheit wird, bei der die gemäßigten Töne regieren, gibt es ja noch Tracks wie „Don´t Like“, bei dem wunderbar das Tempo verschleppt wird, „Clique“ mit Kanye West, Jay-Z und Big Sean – muss man mehr sagen? - oder „The Morning“ bei denen genug auf dicke Hose gemacht wird. Alles also da!
Fazit: Über „Cruel Summer“ wurde im Vorfeld viel diskutiert und eine gewisse Erwartungshaltung geschürt. Eine Enttäuschung ist dieses Album ganz sicher nicht und Kanye West präsentiert hier die versammelte Mannschaft seines G.O.O.D. Music Labels. In Anbetracht der Vielzahl der beteiligten Künstler hat die Platte sogar einen erstaunlich guten Flow und lässt sich gut am Stück hören. Es gibt keine Ausreißer nach unten oder oben – alles ist im Fluss. Braucht man nicht unbedingt, ist aber trotzdem eine gute Zusammenstellung die so schnell nicht im Schrank verschwindet!
http://soundcloud.com/umusic-backstage/sets/g-o-o-d-music-cruel-summer/
Text: Torsten Schlimbach