Jupiter Jones: Glory. Glory. Hallelujah (2CDs/DVD)
Sony
VÖ: 25.07.2014
Wertung: 9/12
Wie kaum eine andere deutsche Band haben die Jungs von Jupiter Jones zur Veröffentlichung der letzten Platte auf die Fresse bekommen. Erst wurden sie hofiert, dann geliebt und als dann jener Song kam, der zum Radiohit wurde, war es schon wieder nicht mehr ganz so schön und die Hüter des heiligen Indiegrals schwangen fleißig die Ausverkaufkeule. Und was machten Jupiter Jones? Sie gaben auch noch zu, dass sie gerne mit der Musik erfolgreich sein wollen. Na, so etwas aber auch! Ist das schlimm? Nein! Alte Fans wandten sich ab, neue kamen dazu. Jupiter Jones kamen aber trotzdem nicht zur Ruhe. Nicholas Müller mussten vor ein paar Monaten die Band aufgrund einer schweren Erkrankung verlassen. Nichts ging mehr. 2012 war von den bösen Geistern noch nichts zu merken und die vier Konzerte in Köln glichen einem Triumphzug. Davon kann man sich nun anhand des vorliegenden Materials überzeugen lassen. Es ist – soviel kann man an dieser Stelle jetzt schon verraten – eine der besten Veröffentlichung von Jupiter Jones!
10 Jahre. 4 Alben. 4 Abende. Jupiter Jones spielten in der schönsten Konzert-Location von Köln – vermutlich sogar der ganzen Republik – ihre bis dahin veröffentlichten Alben von vorne bis hinten durch. Das hieß auch: vom Rotz der Anfangstage bis zum Pop der Jetztzeit. Ein kühnes Vorhaben und Fans, die allen Abenden beiwohnten, werden noch ihren Enkelkindern davon erzählen. Alle Kritiker sollten sich dem Ding hier unvoreingenommen nähern und dann für immer schweigen. Jupiter Jones liefern hier ein ganz schönes Brett ab. „Glory. Glory. Hallelujah“ ist nun quasi das Beste daraus.
Eine Rundbühne in dem eigentlichen Zuschauerbereich des Theaters sorgte für eine zusätzliche Nähe zwischen Band und Publikum. Die Kameras wurden an strategische Punkte drum herum platziert. Dies bedeutete auch: unter der Bühne, da der Boden durchsichtig war, an den Instrumenten und oberhalb des ganzen Geschehens. Die 20 Songs werden so vorzüglich in das richtige Licht gerückt. Auch den einzelnen Bandmitgliedern ist man so sehr nahe. Hin und wieder ist das aber auch etwas anstrengend für die Augen und die Lichterkegel machen es einem auch nicht gerade leichter. Der Schnitt ist an manchen Stellen etwas hektisch, aber das ist sicher Geschmackssache. Für eine DVD ist die bildliche Umsetzung schon ganz ordentlich, aber nicht perfekt. Ein leichtes Graining ist da schon vorhanden und bei voller Ausleuchtung wirkt das Bild sehr unnatürlich. Der Schnitt hingegen ist gelungen, was mitunter nicht so einfach war, denn die Songs der vier Abende so zu schneiden, dass da eine Art Konzertfluss aufkommt, ist schon eine Herausforderung - zumal die Musiker ja schon durch die unterschiedliche Kleidung der vier Konzerte dies verhindern. Trotzdem hat man es im Schnittraum geschafft da eine Atmosphäre zu schaffen, die tatsächlich dem Zuschauer ein vollständiges und zusammenhängendes Set suggeriert. Warum man das nicht auch bei den CDs gemacht hat bleibt ein mittelgroßes Geheimnis. Dort werden die Songs ein- und ausgeblendet – nicht schön.
Die Songauswahl ist prächtig und anhand dieser kriegt man einen guten Überblick über das Schaffen von Jupiter Jones. Es ist alles dabei: Punk, Rock und Pop. Die Mischung ist gut und der Spannungsbogen, der da aufgebaut wird, holt jeden Zuschauer ab. Wer sich da noch Gedanken über den Ausverkauf macht, dem ist nicht mehr zu helfen. Man sieht und hört, dass die Musiker und deren Gäste eine Menge Spaß an dem haben, was sie da tun. Dies gilt insbesondere für Marco Hontheim hinter der Schießbude. Der Junge ist schon alleine das Eintrittsgeld wert. Fixpunkt von Jupiter Jones ist Niocholas Müller. Mit seiner rauchigen Stimme trägt er die schnellen und langsamen Stücke durch das Gloria. Er hat Freude daran. Die Zuschauer fressen ihm förmlich aus der Hand und übernehmen auch mal ganz alleine den Gesang. Müller saugt dies förmlich auf. Es ist sehr schade, dass er aufgrund seiner Angstzustände nicht mehr auf der Bühne stehen möchte, denn dort gehört der Mann einfach hin.
Von „Kopf hoch und Arsch in den Sattel” oder „Reiss die Trauer aus den Büchern” ist das eine Wucht und Band und Fans bilden eine Einheit. Trompete, Flügelhorn und Posaune bereichern „Eine Landjugend”
oder „Weitergehen“. Roda Bade ist als Duettpartnerin mit von der Partie. „Nordpol/Südpol” ist Gänsehaut pur. Das wunderschöne „Berlin” unterstreicht zudem, dass das Songwriting stimmt. Und ja,
„Still“ ist natürlich auch vertreten. Alles gut – sehr gut sogar!
Fazit: Mit „Glory. Glory. Hallelujah“ beenden Jupiter Jones ein Kapitel, gar ein ganzes Buch. Jetzt wird mit Sven Lauer eine neue Geschichte geschrieben. Bei allem Respekt, Nicholas Müller kann man nicht ersetzen, denn dieses wunderbare Set hier lässt daran keine Zweifel aufkommen. Es sind starke Songs, die wundervoll in Szene gesetzt wurden. Ein paar kleine Schwächen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese vier Konzerte, von denen es hier die Quintessenz zu hören und sehen gibt, für Jupiter Jones und deren Fans unvergesslich bleiben werden. Schön, dass dies 2012 aufgenommen wurde. Der Veröffentlichungszeitpunkt ist allerdings merkwürdig, aber das soll ja nicht unsere Sorge sein!
Text: Torsten Schlimbach
Jupiter Jones: Das Gegenteil Von Allem
Sony
VÖ: 11.10.2013
Wertung: 8,5/12
Da haben sich die Bauern aus der Eifel aber ein schönes Ei in das Nest gelegt. Plötzlich sind Jupiter Jones die Bösen. Sie dürfen nicht mehr mitspielen und die Indiekids verweigern ihnen den Zutritt in ihren Kreis der Auserwählten. Zu viel ist passiert. Vor allem ist Jupiter Jones ein Hit passiert. Einfach so. Andere wiederum sagen, dass dies von Anfang an Kalkül war. Wie dem auch sein, man wedelte lustig mit dem Schild auf dem in großen Lettern Ausverkauf geschrieben stand. Dabei wird ja oftmals vergessen, dass „Still“ ein großes Popding ist – zugegeben, mit zu viel Radioeinsatz, aber dafür kann die Band ja nichts. Das Album dazu hatte durchaus seine Schwächen, aber hierfür wurden Jupiter Jones von den Fans der ersten Stunde ja nicht geteert. Was ein einzelner Song doch alles ausmachen kann. Jetzt also „Das Gegenteil Von Allem“. Gibt es das? Die Platte dürfte jedenfalls das Gegenteil von erfolglos werden und dies trotz des aktuell schwierigen Marktes, da das Weihnachtsgeschäft längst angelaufen ist und jede Woche zig große Namen neue Alben veröffentlichen.
Jupiter Jones sind angekommen. Angekommen am Ziel der Träume und im Mainstream. Da ist es, das böse Wort. Ist es das? Vielleicht liegt ja auch einfach ein Irrtum bei den Anhängern der ersten Stunde vor und Jupiter Jones waren nie die kleinen Dorfpunks. Vielleicht projizierten die Leute auch einfach immer etwas völlig anderes auf die vier Musiker. Diese haben jedenfalls nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie mal als Berufsmusiker den Lebensunterhalt verdienen wollen. Wer diesen Wunsch hat, muss natürlich auch so manchen Kompromiss eingehen, denn nur mit Punk- und Hardcorebrechern ist das für eine deutsche Band eigentlich utopisch. Was bedeutet dies nun alles für „Das Gegenteil Von Allem“? Wie viel Jupiter Jones steckt wirklich darin? Was ist authentisch und was nicht? Ganz ehrlich, das ist doch alles eine riesengroße Scheiße! Was zählt ist auf´m Platz. Gute Musik bleibt gute Musik. Punkt. Aus. Basta. Wer Musik veröffentlicht möchte auch Geld damit verdienen, denn sonst kann man auch direkt im Proberaum für ein paar Freunde spielen. Das war bei Sonic Youth nie anders, bei den Stones sowieso nicht und das ist auch bei Jupiter Jones der Fall. Mit „Das Gegenteil Von Allem“ sind sie musikalisch wohl erstmals vollends dort angekommen wo sie immer hinwollten – beim Pop.
Eine Ausnahme gibt es: „Denn Sie Wissen Was Sie Tun“. Der Brecher, bei dem Ferris MC mitgrölen darf was die Stimmbänder hergeben und Jennifer Weist ebenfalls mitmischt, ist da die rühmliche Ausnahme. Worum es sich thematisch da dreht ist klar, muss man sich nur mal angucken, mit wem Jupiter Jones und Jennifer Rostock aneinandergeraten sind. Diese Vollspacken kriegen hier aber keine Plattform und bleiben namentlich daher unerwähnt. Das war es, der Rest ist mehr oder weniger im Pop anzusiedeln. So wie es auch beispielsweise Kettcar sind. Und guck an, kamen die nicht einst auch aus der Punkecke? But Alive! Potzblitz, so kann es gehen.
„Das Gegenteil Von Allem“ fällt übrigens durch eine textliche Tiefe auf, die bei Jupiter Jones gerne vergessen wird und die den schon genannten Kettcar nicht unähnlich ist. Die erste Single „Rennen + Stolpern“ ist natürlich nur ein Aufguss von „Still“. Die Dinger ähneln sich schon sehr stark. Für sich genommen ist „Rennen + Stolpern“ aber dann doch wiederum nicht so schlecht. Ach, diese Jungs wissen schon wie der Hase läuft. „4-9-6 Millionen“ ist der fröhliche Türöffner des Albums. Und dann trifft einen die Melancholie doch mit voller Wucht. Und wer eine Platte in den ersten Sätzen mit dem Wort Töle beginnt, zählt sowieso zu den Guten. Wollen wir doch auch mal festhalten.
„Treppenwitz“ ist ein wunderbarer Song mit ein paar verschrobenen Ideen, man muss der Band nur mal richtig zuhören. „Anderthalb Sommer“ rockt doch, wer behauptet das Gegenteil? Kein Punkrock, klar, dann eben Poprock. „Hunderttausend Typen Wach“ ist dann die kitschige Ballade, auf die man schon gewartet hat. Das dürfen Jungs natürlich nur heimlich und unter der Bettdecke hören. Ist es nicht schön? „Zuckerwasser“ klingt genau wie der Titel, etwas süßlich, ist in den Strophen mit seinem Americana-Folk durchaus gelungen. „Glücklich (Wir Müssen Üben)“ mäandert danach allerdings etwas ziellos vor sich hin. Mit einer tollen Hookline und Melodie kriegen sie bei „Die Landung“ aber wieder die Kurve. „Momentaufnahme 3 (Schrödingers Dilemma)“ vereint quasi die ganze Welt von Jupiter Jones in einem Song. Für Fans von Kettcar. Mit „Alles Was Ich Weiss“ wird man aus dem Album gekehrt. Leise. Nachdenklich. Poppig. Toll.
Fazit: Ja, Jupiter Jones legen mit „Das Gegenteil Von Allem“ - weitestgehend – ein Popalbum vor. Verrat? Ausverkauf? Mitnichten, Jupiter Jones wollten nie etwas anderes. Es sind gute Lieder. Die Ausarbeitung über zehn Wochen im Studio hat sich ausgezahlt. Wer mit guter Musik nichts anfangen kann und lieber in sein Kissen heult und den alten Zeiten nachtrauert, bitteschön. Alle anderen dürfen sich auf ein oftmals melancholisches Popalbum freuen. Fans von Jupiter Jones kauften auch Kettcar.
Text: Torsten Schlimbach