Braucht man eine Einleitung für dieses Interview? Braucht man eine Einleitung für diese netten Menschen? Nein! Lest selbst! Eins sei allerdings noch angemerkt: Marta und Thorsten von Die Happy gehören zu den nettesten und unkompliziertesten Menschen, die einem in diesem Geschäft über den Weg laufen können!
Hallo, vielen Dank für eure Zeit. Ihr seid ja momentan komplett im Promostress.Ist das für euch eher eine lästige Pflichtübung oder macht das auch Spaß?
Marta: Ähm, lästig ist es nicht, Spaß macht es meistens. Am Ende des Tages, wenn man immer wieder erklären musste, warum das Album „[red box]“ heißt, dann ist das eher ermüdend. Es ist aber auch nicht lästig. Wir sind sehr stolz auf unser neues Werk und wir sind sehr glücklich, dass Interesse besteht und Leute gerne Sachen wissen wollen. Das gehört einfach dazu und das ist wie am Morgen die Zähne zu putzen. Das ist Part Of The Job.
Thorsten: Ich bin dankbar dafür und wenn es so viele Interviews gibt, zeigt es, dass die Leute Interesse daran haben, was wir machen. Das verschwindet dann nicht so in der Bedeutungslosigkeit. Es macht auch immer viel Spaß durch die Gegend zu reisen und für Radios, Zeitungen und Internetportale Interviews zu geben.
Marta: Wir machen es uns diesmal auch gemütlich. Wir fahren mit dem eigenen Auto, haben auch einen Hund dabei und müssen dann immer wieder einen Stopp einlegen und fahren von der Autobahn runter und gehen eine halbe Stunde spazieren. Bei diesem tollen Wetter ist das noch schöner und dann halten wir auch mal an um irgendwo einen Kaffee zu trinken – das ist einfach nett.
Euer neues Album “[red box" steht ja in den Startlöchern. Seid ihr vor einem Veröffentlichungstermin eigentlich noch nervös?
Marta: Ja! Thorsten, erzähl Du!
Thorsten: Ich freu´ mich immer, wenn das Album rauskommt, dann fängt es an, dass die Rezensionen kommen oder die Käufer schreiben dann bei Amazon oder iTunes rein, was sie davon halten. Es ist natürlich auch interessant, ob man in die Top 100 Charts kommt und wie hoch man da charten kann. Ich freue mich immer auf den Termin, weil ich dann auch hören kann, was die Leute davon halten. Aufgeregt glaube ich eher nicht. Es ist eher so eine Hibbeligkeit.
Wenn ich mir eure Bandwebsite angucke, dann nutzt ihr das Medium Internet ja reichlich, u.a. um eure Fans immer auf den neusten Stand zu bringen. Lest ihr euch denn im umgekehrten Fall auch durch das Netz um die Stimmungslage zu und über "[red box]” zu erkunden – sofern das Album veröffentlicht ist?
Marta: Also wir sind so eine richtige Band der Neuzeit. Ohne Internet geht gar nix. Wir beide sind da die Schlimmsten in der Band, schon internetabhängig und wenn wir nicht gerade einen Computer dabei haben, dann gucken wir wie blöde in unsere Handys rein – zum Glück gibt es diese Möglichkeit, Hauptsache wir haben 3G. Ich gucke da schon gerne. Es gibt Sachen, die ich nicht mehr mache, wie Diskussionen über Boulevardthemen, die an meine Adresse gehen. Solche Sachen lese ich schon lange nicht mehr. Aber – ähm – sonst interessiert es mich schon sehr.
Thorsten: Aus diesem Grund haben wir eine eigene Applikation bauen lassen – ein Die Happy App. Das ist leider nur für das iPhone, aber wir haben auch alle ein iPhone und von daher gab es kein Interessenkonflikt. Und damit können wir nur durch die App alle Portale abfrühstücken. Du musst dann nicht mehr bei allen Portalen wie Twitter, Facebook – und so ein Kram – alles neu eintragen, sondern man macht einen Eintrag und erreicht damit dann alle Portale. Gästebuch lese ich natürlich auch sehr gerne und die Fandiskussionen. Manchmal finde ich es immer erstaunlich, was die Leute alles wissen oder glauben zu wissen. Wenn wir z.B. Konzerte absagen, dann wissen die im Vorfeld schon, dass es wegen Popstars ist – obwohl es damit so gar nichts zu tun hat. Es gibt auch noch viel komplexere Zusammenhänge und die Leute können gar nicht verstehen, warum wir jetzt so handeln. Marta liest es nicht mehr, weil sie es meistens nicht objektiv genug betrachten kann. Ich finde es einfach nur amüsant. Manchmal ärgere ich mich auch, wenn die Leute wirklich ausfallend werden und einen wüst beschimpfen. Ich kann das dann nicht nachvollziehen, aber gut.
Ihr hättet dann aber doch auch die Möglichkeit das aufzuklären und dann würde es in diese Richtung gar nicht erst Spekulationen geben.
Thorsten: Es gibt ein Konzert, was wir abgesagt haben und da steht dann dabei, dass es wegen einem Fernsehauftritt von Marta ist. Da wurde dann auch drüber debattiert, dass es wegen Popstars ist. Das ist, weil Marta bei der Stockcar-Challenge mitfährt. Es sieht dann augenscheinlich so aus, als wenn wir deshalb das Konzert abgesagt hätten. Die Überlegung ist aber eine ganz andere und ich sag´ es jetzt einfach mal: Es ist so, dass wir unbedingt TV Total haben wollten. Eine Band in unserem Status kriegt das einfach nicht. Die wollten aber unbedingt die Marta für das Stockcar-Rennen haben und dann haben wir gesagt: O.K., passt mal auf, wir wollen das und ihr wollt das und wir müssend dafür sogar eine Show absagen, aber dafür kriegen wir dann eben TV Total. Und die andere Überlegung ist natürlich, dass wir für Potsdam an die 100 Tickets zu diesem Zeitpunkt verkauft hatten und dann enttäuscht man vielleicht 100 Leute, die dann aber auch die Möglichkeit haben nach Berlin zu gehen. Nachholen ging aus Gründen des Clubs nicht, weil die das unbedingt an einem Samstag haben wollten und von daher konnten wir das Konzert gar nicht nachholen. Und wir haben dann überlegt, ob wir für die 100 Leute eine Show spielen oder machen wir zwei TV Shows, wo wir jeweils 1,5 Millionen erreichen. Da ist die Antwort dann aber auch relativ einfach.
Marta: Dazu muss ich dann auch sagen, dass mich manchmal, ähm, das sind Themen, mit denen ich nicht allzu viel Zeit verschwenden möchte. Die meisten Fans sind immer zufrieden mit dem was wir machen, weil die einfach hinter unserer Musik stehen. Wo wir uns hier gerade unterhalten, kann man das ja mal ansprechen. Also, dass jemand sagt, dass ich wahrscheinlich das Geld brauche und ich mich an Popstars verkaufe, das ärgert mich dann schon. Keiner kommt auf die Idee, dass mir das auch ganz einfach Spaß macht. Gerade die Fans, die mich so lange kennen oder sich als Fans schimpfen, kommen dann damit an – gut, es waren vielleicht zwei oder drei – und wollen ihre CDs wegschmeißen und sagen “ich verbrenne eure T-Shirts, ihr habt euch verraten”. Dann denke ich auch nur, gut, dann mach das. Ich will mich oft einfach nicht rechtfertigen. Warum soll ich mich für irgendwas rechtfertigen, was mir Spaß macht? Ich versuche es in einer Erklärung zu machen, aber irgendwie steht dann in Gästebüchern immer wie derselbe Kram. Ich meine, ich habe nichts verbrochen. Ich mache das was mir Spaß macht und verdiene damit noch ein bisschen Geld. Ich bin 36 Jahre alt und man soll es mit einer Band probieren lange erfolgreich zu sein. Es ist nicht einfach mit einer Band Geld zu verdienen. Und natürlich ist man froh, wenn man eine Arbeit macht, die Spaß bringt und wo man noch nebenbei Geld verdienen kann. Was ist daran verwerflich? Und dass mich diese Leute dann als Mensch anzweifeln, da denke ich mir dann auch, wo arbeitet ihr denn? Verkauft ihr euch in euren Bürojobs nicht? In der Kneipe hört man dann von diesen Leuten, dass sie ihren Chef und ihre Arbeit hassen, binden aber trotzdem jeden Tag wieder ihre Krawatte um und kriechen ihrem Chef in den Arsch, nur um den Job zu behalten, weil draußen schon 100 andere stehen, die auf diesen Job warten. Das sehen die Leute nicht, aber wenn ich irgendwas mache, was mir Spaß macht, dann ist das schlimm? Ich habe sehr viel Geld vom Playboy angeboten bekommen und habe es abgelehnt. So käuflich bin ich dann nicht, weil ich ganz einfach nicht daran glaube. Vielleicht eines Tages, wenn sie mir vielleicht eine Summe bieten, wo ich mir dann vielleicht ein Haus kaufen kann und nie wieder Sorgen habe, wovon ich meine Miete bezahlen kann. Und ich nur das zeige, was ich zeigen will. Weißt Du, die Leute kehren einfach nicht vor ihrer Haustür und hauen auf die anderen drauf. Deswegen lese ich die ganzen Sachen auch nicht, weil ich dafür einfach ein zu sensibles Mädchen bin.
Auf der anderen Seite setzen sich die Leute so aber auch mit euch auseinander und das dokumentiert ja dann auch in gewisser Weise auch eine Liebe zu euch. Und eine Castingshow passt ja nicht unbedingt in eure musikalische Richtung.
Thorsten: Na ja, wenn man dann aber wüst beschimpft wird, dann hat das nix mehr mit Liebe zu tun. Das ist einfach verletzend. Ich versuche gegenüber den Menschen ja immer respektvoll aufzutreten und wenn einer eine andere Meinung hat, dann akzeptiere ich das. Man muss ja nicht groß mit dem befreundet sein. Ich muss auf der anderen Seite aber auch nicht jedem erzählen, dass er das größte Arschloch der Welt ist. So handhabe ich das und mich ärgert das dann auch.
Marta: Was mich halt ärgert ist, dass ich seit einem Jahr so eine kleine alternative Musiksendung mache – bei ZDFneo – was wirklich sehr alternativ ist und auch zum Image einer Rocksängerin passt. Das ist wirklich wie Arsch auf Eimer, aber das hat eben keiner registriert. Dazu gab es dann keine Diskussionen: Oh, hast du schon gesehen, was Marta da jetzt macht. Für Popstars werde ich dann beschimpft, aber die anderen Sachen, erwähnt keiner. Wenn ich Sachen mache, die für die in Ordnung sind, dann sagt keiner was. Wenn wir jetzt ein Popalbum gemacht hätten und ich würde im pinken Kleid irgendwo tanzen und auf Katy Perry machen, das wäre ein Komplettverrat für die Gruppe. Aber auch das wäre meine Entscheidung, wenn es mir Spaß macht. Ich muss damit leben, die nicht, die können nämlich einfach wegzappen.
Thorsten: Diese ganze Diskussion, um das mal abzuschließen, finde ich ja super. Das ganze letzte Jahr ist im Gästebuch nichts passiert und jetzt stündlich drei neue Einträge. Die Leute sprechen wieder über uns und das finde ich positiv.
Kommen wir von dem ganzen Popstars-Kram mal weg.
Marta: Danke! Ich habe das noch nie jemandem erzählt, aber ich musste das gerade einfach mal raus lassen. Danke! Tschuldigung!
Gerne, gerne.
Letztes Jahr ist eure sehr schöne Werkschau “Most Wanted” erschienen, dieses Jahr dann das neue Album. War das so geplant und wann habt ihr euch zusammengesetzt, um über eine neue Veröffentlichung zu sprechen?
Thorsten: Witzig war ja, dass wir vor zwei Jahren, am 17. Oktober in Prag gespielt haben, äh
Marta: Letztes Jahr.
Thorsten: Vor zwei Jahren.
Marta: Stimmt, stimmt.
Thorsten: Da haben wir dann gespielt, in der Location, wo ich Marta vor 17 Jahren kennengelernt habe. An diesem geschichtsträchtigen Ort passierte es dann, dass unser Label vergessen hat die Option zu ziehen und wir waren frei.
Marta: Stimmt!
Thorsten: Und seit dem Punkt ging eine andere Reise los. Wir haben dann noch das „Best Of“ mit der Sony zusammen gemacht. Wir wollten dann auch nicht, dass so ein klassisches „wir packen alle Singles drauf und versuchen noch ein paar Mark bei den Fans abzuholen“ dabei rauskommt. Wir haben dann irgendwie ein fettes Paket geschnürt. Wir haben die Songs teilweise neu aufgenommen, einen neuen Song mit „Rebel In You“ drauf geschmissen, wir haben ein ganzes Konzert gefilmt und wir haben da richtig viel Energie reingesteckt um „Most Wanted“ zu dem zu machen, was es jetzt ist.
Marta: So eine komplette Visitenkarte von uns, ein großes Showcase.
Thorsten: Obwohl wir gar nicht mehr bei der Sony waren, wollten wir einfach, dass ein geiles Werk entsteht. Damals war aber schon klar, dass es zu einem kleinen Label geht und wir zurück zu Tom Büscher gehen, der uns damals zu BMG geholt hat. Der hat uns damals 1999 auch unter Vertrag genommen und ein Jahr später hat er uns dann eröffnet, dass er von der BMG weg ist. Wir sind damals wegen ihm zu BMG gegangen. Er hat dann so ein kleines Label gegründet, welches er immer noch erfolgreich führt und nach zehn Jahren hat sich unser Weg zum zweiten Mal gekreuzt. Es hat eben alles irgendwie so super geil ineinander gepasst und letztes Jahr haben wir uns dann zusammengesetzt, sind zu Marta nach Prag und haben angefangen das Album zu schreiben. Der Plan stand dann auch schnell, denn es war klar, dass das Album im September kommt und wir im Oktober auf Tour gehen. Der Plan stand seit über einem Jahr. Irgendwann kam dann ZDFneo dazu und im Frühjahr kam dann die Anfrage von Popstars. Wir dachten dann hey, gerade scheint uns die Sonne wieder aus dem Arsch. Dass das Album hart werden wird, war schon zu Beginn klar. Der Weg war klar.
Marta: Wir haben auch schon als wir „Most Wanted“ gemacht haben, angefangen für das neue Album zu schreiben. Das „Rebel In You“ war eigentlich schon für das neue Album. Wir wussten dann, dass wir wieder ein bisschen Zeit haben und nicht wieder direkt etwas veröffentlichen wollen. Da hatten wir dann ein bisschen mehr Zeit, ich hatte ja auch noch mein Musical in Prag. Danach fingen wir dann aber so richtig an. Das war dann im Oktober, als die Jungs nach Prag gekommen sind. Da haben wir dann auch „Dance For You Tonight“ geschrieben.
Thorsten: Ja genau. Der war dann auch so richtungsweisend, so wo es hingehen soll.
Marta: Bei meinem Papa im Studio
“[red box]” ist sehr gitarrenlastig und es kracht – bis auf “Anytime” – sehr ordentlich. War diese Richtung eigentlich von Anfang an klar oder hat sich das erst nach und nach ergeben?
Thorsten: Es sollte kompromisslos sein, weil wir auch lange versucht haben im Radio stattzufinden. Das ist natürlich schwierig und da ist man irgendwann an der Grenze zu Nickelback. Das ist schwierig, weil man natürlich auch immer noch eine harte Rockband sein wollte und natürlich auch war. Und dann wundert man sich immer, wie es sein kann, dass eine Band wie Linkin Park oder Billy Talent da dauernd im Radio laufen. Billy Talent laufen da rauf und runter und die sind ultra brachial. So eine Band wie wir, findet da aber nicht statt. Wir dachten dann irgendwann, wir hätten den perfekten Radiosong geschrieben, den dann aber kein einziges Radio gespielt hat. Uns wurde dann klar, dass dies der falsche Weg ist. Wir haben uns dann gedacht, dass wir wieder einfach das machen müssen, was wir wollen, nämlich rocken! Und zwar kompromisslos und hart! Das ist jetzt dabei rausgekommen. Wir haben dann auch ein internes Credo rausgegeben, welches da heißt: Die Happy scheißt auf euch. Wir lassen uns da nicht mehr reinreden und das Label hat uns einfach machen lassen und das ist dabei entstanden.
Ist der Labelwechsel dann in gewisser Hinsicht wie eine Befreiung für euch?
Marta: Definitiv! Ich meine, man hört das immer von den Plattenfirmen und wir dachten, wir können damit gut umgehen, aber wir konnten es nicht. Dieser Druck „Ich höre immer noch keine Single. Ich höre da auch keine Ballade. Guckt mal, in Amerika hat gerade jemand das Lied für Britney Spears geschrieben, wenn ihr das nehmen würdet“. Weißt Du, diese Laberscheiße. Das belästigt einen einfach. Und obwohl du es nicht machen willst, auch nicht machen wirst und der Plattenfirma sagst, leckt mich doch am Arsch, ist dieser Druck in dir. Man denkt dann auch, dass man solche Songs schreiben kann und muss.
Thorsten: Das erfordert auch so viel Energie, diesen Song dann eben nicht zu machen, anstatt sich mit der Plattenfirma darauf zu konzentrieren, dass man nach vorne geht. Da verpufft so viel Energie an völlig falscher Stelle.
Marta: Wir haben einen Monat lang bei Gun gekämpft, dass wir diesen einen Song nicht machen. Die kamen immer wieder und immer wieder. Ich denke an dieses Album nicht gerne zurück, weil das und die Arbeit daran eben so heftig war. Der Kreis schließt sich jetzt, dass wir mit Tom Büscher wieder arbeiten konnten. Der hat uns nicht einmal da reingeredet. Nicht ein einziges Mal!
Thorsten: Wir fingen an die ersten sechs Songs aufzunehmen ohne, dass er ein Demo gehört hat. Er sagte dann, macht mal, ihr wisst ja wie es geht. Das ist einfach eine ganz andere Basis.
Marta: Wir gehen jetzt auch auf die 40 zu.
Thorsten: Gefühlt aber Ende 20.
Marta: Und wir wissen, wie, wo und wann wir am besten sind. Bei mir war das zumindest super Freiheit. Man muss nicht mehr darüber nachdenken, ob ein Lied zu schräg, zu laut oder so ist. Nö, einfach, was uns gefällt. Das hört man dem Album auch an.
Trotz aller Härte, sind gerade Songs wie “Superstar” oder “Black Vicious Monster” sehr melodisch. Hat sich das beim Schreiben so ergeben oder seid ihr das Album bewußt so angegangen?
Marta: Das bin ich. Ich finde, Gitarren sollten schrammeln bis die Finger bluten, aber der Gesang sollte melodisch sein. Ich kann zwar auch schreien, aber im Gesang bin ich besser.
Thorsten: Man denkt immer an das Olympiastadion. Gut, die Ränge sind voll – ich denke da auch an den Opener „Mesmerized“ – und wenn man sich dann ein volles Stadion vorstellt, das ist geil. Wir denken immer so in Hymnen.
Fordern euch so Massen heraus? Ich habe euch mal in den 90ern als Vorband von dem Doppel Monster Magnet/Queens Of The Stone Age gesehen.
Marta: Ah!
Thorsten: Das war 2000
Ah, 2000 war das. Jedenfalls kannten euch die Leute kaum und die waren eher distanziert und es kamen in Bezug auf Marta die üblichen Sprüche, aber schon beim dritten Song hatte ihr die Menge dann doch gekriegt. Fordert euch also so eine Meute, die euch eher ablehnend gegenübersteht, heraus?
Marta: Definitiv! Definitiv! Ich weiß noch – daran denken wir immer gerne zurück. Ich weiß jedenfalls noch, dass wir in der Schweiz auf einem Gothic-Festival gespielt haben. Alle weiß geschminkt und schwarz angezogen. Samt und Leder und dann wir da zwischen drin, die so Poprock machen. Ich, die fröhlich hüpfende Weiblichkeit – wie mich mal jemand beschrieben hat. Wir dachten nur, dass dies richtig übel wird. Unser Name – Die Happy – war das einzige was zum Festival gepasst hat. Als wir anfingen zu spielen guckten die Leute sehr skeptisch. Nach dem dritten Lied sagte ich dann „Hey Leute, ich weiß, dass wir hier irgendwie falsch sind, aber egal, betrachtet uns wie das Brot zwischen der Weinprobe“. Da fingen alle an zu lachen und ab da ging es dann. Die sahen, dass wir einfach Spaß haben und ich werde dieses Konzert einfach nie vergessen, wie da komplett andere Menschen zu unserer Musik getanzt haben. Es gab tolle Rezensionen und mancher dieser Grufties kommt immer noch zu unseren Konzerten. Da hat mich die Masse schon herausgefordert.
Thorsten: Man weiß manchmal schon, dass es heute wieder schwierig wird, aber dann ist da Marta, die versucht jeden einzelnen zu provozieren und abzuholen. Ich glaube, das ist auch ihre große Stärke.
Marta: Ich gucke die Leute immer an. Gut, bei Rock Am Ring ist es mir nicht gelungen jeden anzugucken.
Wer kam auf die Idee ausgerechnet “Survivor” zu covern?
Marta: Ich! Ich mochte nie Coverlieder. Coverlieder können ein Segen und ein Fluch sein. Ich weiß noch bei Alient Aint Farm, die dieses Michael Jackson Lied gecovert haben, die wollten das gar nicht als Single haben, aber die Collegeradios haben das dann gespielt. Ich glaube, mittlerweile sind die auch wieder in der Versenkung verschwunden.
Thorsten: Die haben gerade ein geiles Album gemacht.
Marta: Aber in Amiland. Auf jeden Fall kann das einige Türen öffnen, man kann damit aber auch schnell zum One Hit Wonder werden. Wir saßen gerade im Auto auf dem Weg zu einer Probe in Berlin und dann fiel mir dieses Lied ein. Ich weiß nicht mal warum, es lief auch nicht im Radio. Keine Ahnung. Vielleicht hat meine Mama mir einen Link geschickt. Ich sagte dann „Jungs, lasst uns „Survivor“ covern“. Unser Schlagzeuger ist dann direkt eingestiegen und Thorsten auch und dann haben wir probiert. Es kostet ja nichts. Ich habe dann den Text runtergeladen und das hat einfach tierisch Bock gemacht. Wir haben dann ein Demo gemacht und an unseren Manager geschickt. Und an den Produzenten. Alle haben zu uns gesagt, dass es eine geile Idee ist. Wir haben dann darüber nachgedacht, ob es wirklich auf das Album soll oder wir es nur live spielen.
Thorsten: Wir covern gerne live.
Marta: Auf jeden Fall. Jedenfalls haben wir gedacht, dass wir seit 17 Jahren Erfolge und auch Misserfolge erlebt und überlebt haben. Wir haben uns mit vielen Bands die Autobahn geteilt und die sind längst ausgestiegen. Wir sind immer noch da. Du weißt wie es ist. Man ist mal oben, dann wieder unten. In den schwierigen Zeiten haben dann manche Bands aufgegeben, die dann lieber einem richtigen Job nachgehen wollten oder Kinder gekriegt haben. Wir haben dann trotzdem weiter gemacht. Wenn es eng war, dann war das eben so. Wir haben dann auch mal wieder ein paar Gitarren verkauft, dass man wieder über die Runden kommt und dann war es wieder besser. Es war und ist ein stetiger Kampf, aber wir sind eben Survivor und deshalb hat es der Song dann auch auf das Album geschafft.
Schreibt ihr eure Songs eigentlich noch auf klassischem Wege oder nutzt ihr da auch die neuen Medien und schickt euch Songfragmente hin und her?
Marta: Sowohl als auch. Trotzdem müssen die Ideen immer im Proberaum bearbeitet werden. Es schreibt zwar jeder alleine zu Hause. Die Jungs machen super Demos, ich mache scheiß Demos, weil ich mich mit der Technik nicht auskenne und nicht Gitarre spielen kann und dann treffen wir uns jammen dann weiter.
Ihr seid ja Perfektionisten – wie man so hört – knallt es da im Studio auch mal richtig oder läuft das alles harmonisch ab?
Marta: Er!
Thorsten: Im Studio knallt es nicht, weil der Produzent dann eben das letzte Wort hat, aber beim Schreiben knallt es dann auch schon mal. Wenn so unterschiedliche Charaktere miteinander Musik machen, dann bleibt das nicht aus. Trotzdem sollte man immer respektvoll miteinander umgehen.
Wie lange hat der Aufnahmeprozess eigentlich gedauert?
Thorsten: So ein Jahr. Wir haben aber immer mal wieder was geschrieben.
Sind eure Texte eigentlich Fiktion? “Help Me” klingt z.B. sehr persönlich.
Marta: Die sind zum großen Teil autobiografisch. Manche Sachen dichte ich dazu, wenn ich mal nicht will, dass die Leute wissen, über wen es ist. Das sind meistens die nicht so netten Lieder. Bei den netten wissen die Leute schon, für wen das ist. Ich gebe dann nicht super alles preis und will dann auch ein Stück für mich behalten. Aber die Texte sind schon sehr autobiografisch. Oder ich nehme eine Geschichte, was meiner Freundin passiert ist und mache daraus dann zwei Geschichten. Komplett ausgedacht habe ich mir eigentlich nur „Stay With Me“.
Was inspiriert euch denn für Musik? Ich bin z.B. überrascht, was Marta bei Popstars an Songs kennt und anscheinend schätzt. Das ist ja teilweise sehr weit von Die Happy entfernt.
Marta: Wie was zum Beispiel?
Na, den ganzen Popkram eben.
Marta: Du meinst wie Rihanna und Katy Perry und so?
Ja genau, solche Sachen eben. Ich würde Dich in dieser Ecke nicht unbedingt vermuten.
Marta: Wenn ich viel mit dem Auto unterwegs bin, dann kann ich nicht nur CDs hören und dann brauche ich zwischendurch immer mal wieder das Radio. Ich habe immer schon Popmusik gemocht, kaufe die CDs zwar nicht, aber ich mag die schon gerne. Rockbands inspirieren mich tatsächlich am meisten. Thorsten hat mir gestern die neue von Papa Roach vorgespielt, die im August irgendwann rausgekommen ist und das war so „ja geil, das macht am meisten Bock“.
Thorsten: Die sind so laut, da frage ich mich immer, wie solche Bands es schaffen, da noch mal einen Punch mehr rauszukriegen.
Wie denkt ihr eigentlich über das Internet? Segen oder Fluch?
Marta: Definitiv ein Segen. Wie gesagt, wir sind eigentlich schon vom Internet abhängig.
Ich meine auch in Bezug darauf, dass das Internet für den Untergang der Musikindustrie verantwortlich gemacht wird.
Marta: Na ja, die haben das ja kommen sehen. Die sind arm geworden, aber das sind ja nicht die Einzigen, denn die Musiker sind es auch. Wir müssen unseren Gürtel auch enger schnallen. Aber das ist eben so. Dann muss man sich andere Dinge ausdenken. Letztlich ist so der Lauf des Lebens.
Interessant, die Frage stelle ich nämlich immer und ich habe noch nie einen Musiker erlebt, der das verflucht hat.
Thorsten: Man ist eben 24 Stunden erreichbar. Ich bin ein Typ, der sich keine physischen Tonträger mehr kauft. Ich kaufe immer digital, weil ich einfach zu wenig Platz habe. Vinyl liebe ich noch, aber sonst nur noch digital. Ich habe diese Woche noch mit einer Freundin darüber gesprochen, weil unser Album bei Myspace komplett gehört werden kann. Eine Woche lang. Sie sagte dann, dass man das Album bei Myspace so einfach klauen könnte. Ja, aber wenn die Leute das Album da klauen, würden sie es eben auch woanders machen und es sowieso nicht kaufen. Die Leute wissen eben den Wert der Musik nicht mehr zu schätzen. Die müssen zwar alles haben, aber das war es auch dann. Es gibt dann doch noch so Geschichten wie dieses große Portal, wo man dann 10 € im Monat bezahlt und dann kann man auf alles zugreifen. Ich glaube, das wird noch ein großes Problem für die Musikindustrie.
Aber das ersetzt ja alles nicht das haptische Erlebnis, das gehört ja auch dazu.
Marta: Da bist Du einer der Wenigen, der das so sieht.
Thorsten: Von Bands, die ich sammle, kaufe ich auch alles, aber dann am liebsten Vinyl. Das ist haptisch dann noch mal ganz anders. Ich steh schon mehr auf Vinyl als auf CD.
Marta: Ich bin in meinem Leben schon 30 bis 40 Mal umgezogen und ich habe so viele Kisten mit CDs, ich habe einfach kein Platz mehr, deshalb kaufe ich nur noch über iTunes.
Als nächstes steht eure Tour an. Hat sich die Liveband Die Happy über die Jahre eigentlich verändert?
Thorsten: Wir sind geiler geworden.
Marta: Fauler und fetter.
Thorsten: Fetter auch. Aber auch geiler. Ich meine jetzt nicht musikalisch geil, sondern so körperlich geil. Nein, witzigerweise haben wir jedesmal die Diskussion, ob wir mit Tracks auftreten oder ohne. Diesmal werden wir wieder mit so Dubs im Hintergrund spielen – schmeißen wir vielleicht nach drei Tourtagen auch wieder raus – aber das ist schon ein schönes Hörerlebnis und es ist schön, mal wieder etwas anderes zu machen. Ansonsten sind wir eigentlich ziemlich stark zusammengewachsen. Wir können ziemlich gut zusammen grooven.
Dann Danke ich euch für das lange Gespräch und eure Zeit!
Marta: Wir bedanken uns bei Dir.