Selig: Live @ Rockpalast (DVD)

Selig: Live @ Rockpalast (DVD)

Sony

VÖ: 09.11.2012

 

Wertung: 7/12

 

Deutschsprachige Popmusik hat sich in den 00er Jahren wieder etabliert und feiert momentan Erfolge, wie sie sich selbst die kühnsten Optimisten nicht vorstellen konnten. Das war nicht immer so. Das fürchterliche Gefasel der Oberlehrer von Deutschquoten für die Radiolandschaft klingelt uns allen ja immer noch im Ohr. Längst vergessen, dafür ist jetzt alles weichgespült und ohne Ecken und Kanten. Eigene Konturen oder ein paar Querköpfe sucht man da vergeblich. Das war nicht immer so! In den 90ern blühten im Untergrund die schönsten Perlen, die nach und nach auch alle an die Oberfläche traten und kleine und größere Erfolge feierten. Von Blumfeld über Tocotronic, Die Sterne oder die Nationalgalerie reichte der bunte Bandreigen. Und dann gab es da auch noch Selig!

 

Selig waren schon immer etwas anders, passten aber trotzdem perfekt in diese verrückte Zeit. Die Band bezeichnete die eigene Musik gerne als Hippie-Metal. Der Sound bestand aus einer ganz besonderen Mischung. Psychedelische Elemente gaben sich die Klinke mit klassischem Rock in die Hand. Led Zeppelin und The Doors dienten dabei offensichtlich ebenso als Inspirationsquelle wie auch die ganze Szene in Seattle. Grunge war das Gebot der Stunde und hat eben auch in Hamburg für Eindruck gesorgt.

 

Jetzt kann man sich diese verrückte Selig-Zeit zurück in das heimische Wohnzimmer holen. Und nicht nur Selig, sondern auch den altehrwürdigen Rockpalast. Was hat man doch alles durch dieses Format an musikalischer Bildung erfahren? Wunderbar, dass nun Material von verschiedenen deutschen Künstlern im Rahmen der Rockpalast-Reihe veröffentlicht wird. Von Selig gibt es den Auftritt der Berliner Wulheide vom 16.05.1996 zu sehen. Sechs Songs verdeutlichen, was diese Band damals für eine Stahlkraft und Aura hatte. Die Anzüge der Truppe können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Jungs eine Radautruppe waren, die den Rock and Roll gelebt hat. Besonders auf der Bühne. Da werden die Haare geschüttelt, gehüpft und gesprungen. Die musikalische Qualität hat darunter keineswegs gelitten und es ist schon höchst erstaunlich, dass die Jungs bei all den Randnotizen ganz genau wussten, was sie da veranstalteten. Zudem haben sie einen derart charismatischen Frontmann in ihren Reihen, dass selbst das größte Gelände zum kleine Club wird. Dies war 96 auch bitter nötig, da die Distanz vom Publikum zur Bühne doch schon recht groß war.

 

Anhand der Aufnahme kann man auch wunderbar nachvollziehen, wie sich in den letzten sechzehn Jahren das Konzertfilmgeschäft gewandelt hat. Damals gab es ein paar Kräne und Kameramänner und ein paar Lichteffekte, mehr brauchte es nicht. Die ganzen wahnwitzigen Schnitte und Kamerafahrten waren noch nicht mal im Ansatz vorhanden. Dies kann mit den heutigen Hochglanzproduktionen dieser Tage nicht mithalten, aber das Ereignis wird dann auch so wiedergegeben, wie es auch stattgefunden hat. „Kleine Schwester“ - Jan Plewka übrigens hier noch mit Langhaarperücke, Sonnenbrille und Stirnband – wirkt noch etwas verhalten und die Band groovt sich noch ein, aber spätestens bei „Ist Es Wichtig?“ gibt es kein Halten mehr. Der Höhepunkt des kurzen Auftritts ist das großartige „High“. Schade, dass nach „Such mich“ schon wieder alles vorbei ist. Als Extramaterial liegt dann noch „Ohne Dich“ vom Bizarre-Festival vom 17.08.96 vor. Ebenfalls gibt es noch ein Interview mit Jan Plewka und Christian Neander. Selbiges ist wenig erhellend, was allerdings nicht die Schuld der beiden Selig-Köpfe ist. Fragen nach der Kleidung oder Vergleiche mit Tocotronic geben eben auch wenig her. Als besonderes Schmankerl liegen dann noch die Videos dieser Ära der Bonussektion bei. Zunächst stand die S/W-Ästhetik im Vordergrund und die Band hatte auch kein Problem sich „nackt“ zu zeigen. Später wurde es bunter und die Band verkleidete sich auch gerne und dann wurde eben ein Video in Frauenkleidern gedreht. Die schönste filmische Begleitung war aber sicher „Bruderlos“.

 

Fazit: Die Selig DVD „Live @ Rockpalast“ zeigt die Band auf dem Höhepunkt des Schaffens in den 90ern. Ebenfalls ist die Tatsache schön, dass der Rockpalast zurück ist - wenn auch nur aus der Konserve. Letztlich ist es schade, dass nicht mehr Livematerial vorliegt und man die Geschichte mit den Videos auffüllen musste – obwohl es natürlich schön ist, diese noch mal zu sehen. Bild und Sound gehen in Ordnung und die Band gibt alles. Man hätte sich einfach noch weiteres Material gewünscht. Von Selig gibt es das bald, die Band veröffentlicht nämlich Anfang 2013 das neue Album „Magma“. Man darf sich also auf die Selig-Zukunft freuen!

 

http://www.selig.eu/

 

Text: Torsten Schlimbach

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