Helge Schneider: Lass knacken, HELGE, HELGE, der Film! (Blu-ray)

Helge Schneider: Lass knacken, HELGE, HELGE, der Film! (Blu-ray)

Universal

VÖ: 28.08.2015

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Helge Schneider dürfte wohl der Musiker sein, der in diesem Land am meisten unterschätzt wird. Der Mann ist Multiinstrumentalist und zwar von der begnadeten Sorte. Als Jazzmusiker nehmen ihn die meisten Leute ja auch nie richtig wahr. Seine Fans wissen natürlich um seine Fähigkeiten. Helge Schneider macht es den Zuhörern aus dem Mainstream aber auch nicht leicht, auch wenn er genau da mal für eine kurze Stippvisite vorbeigeschaut hat. Er ist einfach unberechenbar und genau das erlebten auch alle, die im Berliner Tempodrom 2014 dabei waren. Diese Sause liegt nun als DVD und Blu-ray vor. Willkommen in der Welt des letzten großen Künstlers – mit Betonung auf Künstler – den dieses Land zu bieten hat.

 

Mittlerweile ist der Mann 60 Jahre jung und hat ein Großteil davon auf den Bühnen verbracht. Seine Art des Vortrags hat er über diesen langen Zeitraum perfektioniert, aber nie sonderlich geändert. Die Bühnenfigur Helge Schneider hat sich nicht ge- und verändert. Warum auch? Vieles wird eben improvisiert, aber auch dahinter steckt wohl harte Arbeit. Die Veranstaltung im Berliner Tempodrom zeigt den guten Helge auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Er selber ist davon nicht so richtig überzeugt, denn er teilt den Zuschauern auch mit, dass es auch einige Dinge an diesem Abend zu hören gibt, die eigentlich scheiße sind, er es aber wegen ein paar Leuten eben doch spielen müsste – die anderen könnten ja weghören. So ist er, der Helge. Von Schabernack bis Dadaismus reicht da die Palette. Die Übergänge sind meist fließend.

 

Und auch hier gilt: unbedingt auf die Details achten! Sein Lederanzug, den er – laut eigener Aussage noch mal aus dem Keller geholt hat und der jetzt total nach Schimmel stinkt – lenkt von den wesentlichen Dingen ab. Ebenso sein Butler, der ihm immer wieder Tee reichen muss. Was sind denn eigentlich die wesentlichen Dinge, kann man sich jetzt fragen. Es ist die Musik, die auch von einer hervorragenden Band begleitet und gespielt wird. Bei Helge Schneider wird sogar das Einstöpseln des Gitarrenkabels zur Musik. Die Performance lässt das zunächst aber garnicht erkennen. Natürlich gibt es da viel Jazz auf die Ohren, aber eben auch Blues, Rock und Klassik. Beethoven oder Mozart. In Helges Zauberschrank ist alles möglich. Er zelebriert das und das wirkt alles so leichtfüßig, dass man es kaum glauben kann. Spontanität steht bei ihm ganz oben auf der Liste. Da werden gleich ganze Textzeilen von Songs komplett neu gedichtet. Vielleicht ist das aber auch alles hart einstudiert worden. Bei Schneider weiß man eigentlich nie so genau woran man gerade ist.

 

Und genau dafür gibt es ein paar Einspieler, die – man höre und staune – einen Helge Schneider präsentieren, der nicht in die Klamaukkiste greift, sondern tatsächlich ein paar ernsthafte – natürlich im Rahmen seiner Möglichkeiten – Hintergrundinformationen liefert.

 

Inhaltlich ist „Lass knacken, HELGE, HELGE, der Film!“ eine kleine Werkschau seines Schaffens! Ein bunter Strauß und eine Palette aus vierzig Jahren. Man darf sich da über „Hast du eine Mutter“, „Der Meisenmann“, „Hunderttausend Rosen“ und natürlich „Katzeklo“ freuen. Aber wie schon erwähnt: die Texte werden herrlich umgedeutet, gar neu erfunden. Dazwischen erfahren wir dann Dinge aus seinem Leben. Wer wusste schon, dass er eine Maurerlehre gemacht hat und in der Berufsschule mit dem Bruder von Mozart, Jürgen Mozart, abgehangen hat? Dazu absolviert Sergej Gleitman noch tänzerische Einlagen oder Rollenspiele, die, nun ja, man muss es mit eigenen Augen sehen. Die 145 Minuten sind sehr kurzweilig und Helge Schneider präsentiert sich als galanter Gastgeber.

 

Der Schnitt ist übrigens sehr, sehr gut. Mit ruhigem Händchen ist man da zu Werke gegangen und so ist man als Zuschauer mitten im Geschehen drin und kriegt da keinen Augenkrebs. Ganz wunderbar ist das! Das Bild ist gut, natürliche Farben, hervorragender Schwarzwert und auch der Sound überzeugt. Die Bonus-CD beinhaltet eine gekürzte Fassung des bereits veröffentlichten Auftritts aus der Grugahalle in Essen. Wer es noch nicht kennt, kann das ja mal so mitnehmen.

 

Fazit: „Lass knacken, HELGE, HELGE, der Film!“ bringt vieles aus dem Schaffen von Helge Schneider zu ganz neuen Ehren, da auch die alten Kamellen umgetextet und musikalisch erweitert oder neu arrangiert werden. Das ist wie immer nahe am Klamauk und der Genialität zu verorten. Der Mann und seine Band hauen die ganze Bandbreite musikalischen Könnens heraus. Dazu gibt es den einen oder anderen Satz mit der Humorkeule eines Helge Schneiders. Es macht Spaß und ist bei bester Qualität kurzweilige Unterhaltung mit auf seine Art – man mag es kaum glauben – Tiefgang! Eine der besten Veröffentlichungen der letzten Jahre aus dem Hause Helge Schneider!

 

https://www.helge-schneider.de/

 

Text: Torsten Schlimbach

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