Miles Davis: Birth Of The Cool (OST)

Miles Davis: Birth Of The Cool (OST)

Sony/Legacy

VÖ: 21.02.2020

 

Wertung: 9/12

 

Filme über Musikgrößen erfreuen sich gerade größter Beliebtheit. Vom Biopic bis hin zur Dokumentation gibt es da verschiedene Ansätze. Letztgenannte Variante hat man nun für Miles Davis gewählt. Der Film von Stanley Nelson ruft bei Fans und Kritikern allerdings gemischte Gefühle und Meinungen hervor: zu viele Längen, zu viele belanglose Kommentare, zu wenig Hintergründe über die Musik, zu wenig Zeit um Leben und Musik unterzubringen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch euphorische Kommentare und die Grammy-Nominierung in der Kategorie „Bester Musikfilm“ kommt auch nicht von ungefähr. Der Soundtrack dazu hat nun eine Menge zu bieten.

 

Wer jetzt glaubt, dass man hier ausschließlich Musik geboten bekommt, der irrt. Zwischen den Songs hat man auch einige Kommentare aus dem Film gepackt. Nicht in Gänze und auch nicht alle, aber trotzdem immer noch eine stattliche Anzahl. Es gibt immerhin 14 dieser kurzen Zwischenpassagen. Natürlich ist es bei den ersten Runden noch ganz spannend, was Herbie Hancock oder Carlos Santana über den Meister zu erzählen haben, aber nach und nach wirkt das doch etwas langatmig. So wird nämlich jedes Mal der Albumfluss unterbrochen.

 

Die Aufmachung ist eher spartanisch. Im Booklet sind wenige Informationen abgebildet. Man kann die Beteiligung der jeweiligen Musiker einzelner Tracks nachlesen und drei Fotos bewundern. Mehr gibt das dünne Heftchen leider nicht her. Liner Notes und ein paar Worte zum Film wären durchaus nett und angebracht gewesen.

 

Für die Titelauswahl ist ebenfalls Stanley Nelson verantwortlich. Der Mann hat hier ein ganz feines Händchen bewiesen und das Ding erstklassig kompiliert. Erfreulicherweise deckt das die komplette Karriere von Davis ab. Wer jetzt den Einstieg in das Genre und die Welt des Trompeters wagt, wird mit dieser Auswahl hier bestens bedient. Die Karriere von Davis war ja extrem lang und vielfältig und somit ist das schon ein Drahtseilakt, wenn man das alles abbilden möchte. Dies ist durchaus gut gelungen. Natürlich fehlen auch ein paar wichtige Songs, aber das liegt ja in der Natur der Sache. Man sollte aber nicht über das lamentieren, was nicht vorhanden ist, sondern sich vielmehr über die Vielfalt freuen.

 

Das reicht von den Anfängen bis zum Comeback in den 80ern und „Tutu“. Mit „Hail To The Real Chief“ gibt es sogar einen sehr interessanten und eigenwilligen neuen Song zu hören. Die unveröffentlichte Studioaufnahme wurde von einer All-Star-Formation aus ehemaligen Bandkollegen und Weggefährten eingespielt, darunter Marcus Miller, Emilio Modeste, Jeremy Pelt, Antoine Roney, John Scofield, Bernard Wright und Quinton Zoto.

 

Bei der Songanordnung ist man zunächst nicht chronologisch vorgegangen. So startet die Sause mit „Milestones“ von 1958, nur um im Anschluss bei „Donna Lee“ von 1947 zu landen. Dann geht es wieder zurück in die 50er und hier springt es von Song zu Song vor und zurück. Erst ab „The Pan Piper“ von 1970 folgt man einer chronologischen Reihenfolge. So oder so, man hört das größte Genie an der (Jazz-)Trompete. Davis zeichnete sich ja stets dadurch aus, dass er immer genau wusste, was ein Song brauchte und was nicht und lieber auch mal seine Trompete nicht spielte und ein paar Noten wegließ. „Birth Of The Cool“ führt einem das noch mal sehr eindrucksvoll vor Augen!

 

Fazit: Der Soundtrack zum Film „Birth Of The Cool“ ist besonders für Neueinsteiger geeignet in die Welt von Miles Davis einzutauchen. Der Soundtrack ist karriereumspannend und bietet einen guten Überblick über die verschiedenen Schaffensphasen. Die Kommentare zwischen den Songs wirken auf Dauer etwas störend und bei der Aufmachung hätte man sich durchaus etwas mehr Mühe geben dürfen. Das sind aber nur kleine Abzüge in der B-Note!

 

https://www.milesdavis.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Miles Davis: Miles Ahead (OST)

Miles Davis: Miles Ahead (OST)

Sony

VÖ: 01.04.2016

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Miles Davis würde dieses Jahr seinen 90. Geburtstag feiern. Man nimmt dies nun zum Anlass, um einige Alben der Jazz-Legende zu veröffentlichen. Den Anfang macht nun „Miles Ahead“. Hierbei handelt es sich um den Soundtrack zum gleichnamigen Film. Das Biopic widmet sich allerdings nicht dem kompletten Leben und Schaffen des Ausnahmekünstlers, sondern beleuchtet vielmehr zwei Tage im Leben von Miles Davis. Oscar Gewinner Don Cheadle spielt den Jazz-Trompeter und gibt mit dem Film auch gleichzeitig sein Filmregie-Debüt. Der Soundtrack listet zwar 24 Tracks, aber darunter sind auch einige Wort- und Sprachfetzen aus dem Film zu finden. Neben 11 Song-Highlights aus dem Columbia- und Prestige-Katalog gibt es aber auch noch fünf neue Stücke, die der Grammy-dekorierte Jazz/Hip-Hop-Star Robert Glasper geschrieben und eingespielt hat.

 

Nach dem obligatorischen „Miles Ahed“ gibt es im direkten Anschluss mit „So What“ ein Meisterwerk par excellence. Das Stück fängt in Bandbesetzung an, ist aber weit von Free Jazz entfernt und verbreitet schon eine fluffige Atmosphäre. Es steigert sich natürlich und Miles Davis übernimmt die Führung, bis er bei der Hälfte für einen unscheinbaren Moment ganz alleine agiert. Danach geht es in dezente Raserei über, ohne dabei aber den Faden zu verlieren. Die Übergänge sind schon genial und zum Schluss landet man dann tatsächlich wieder bei der Ausgangssituation in ruhigen Jazz-Gefilden. Gibt es Prog-Jazz? „So What“ wäre definitiv ein Kandidat dafür.

 

Das sehnsüchtige „Solea“ zeigt eine ganz andere, melancholische Seite von Davis. Wie viel Traurigkeit und Sehnsucht kann ein einzelnes Instrument – hier natürlich die Trompete – vermitteln? Davis war ein wahrer Meister darin. „Seven Steps To Heaven“ ist auf seine Art sogar rockig, die wilden Läufe sind schon nicht so schlecht. Schade, dass das Stück nur als Edit auf dem Soundtrack einen Platz gefunden hat. Selbiges gilt auch für "Nefertiti". Von „Duran“ gibt es den bassgetriebenen sechsten Take. Lässig und cooles Stück. „Go Ahead John“ groovt wie Hölle und dürfte so manchen Künstler inspiriert haben. The Roots kommen einem dabei als Erstes in den Sinn. Die Gitarre ist in dieser Nummer ebenfalls als sensationell zu bezeichnen.

 

Die Songs von Robert Glasper fügen sich da sehr gut ein. „Junior´s Jam“ ist ein unglaublicher Ritt auf der Rasierklinge, während „Francessence“ schon in die Easy Listening Ecke geht. Selbstverständlich ist das noch Jazz, aber eben entspannt bis dorthinaus. Mit „What´s Wrong With That?“ gibt es sogar ein amtliches All Star-Projekt auf die Ohren. Gary Clark Jr., Esperanza Spalding und Antonio Sanchez, sowie die früheren Miles-Mitstreiter Herbie Hancock und Wayne Shorter machen daraus ein Treffen der Generationen. Ein toller Live-Jam! Mit „Gone 2015“ gibt es dann sogar einen Hit für das Radio. Hier hat Rapper Pharoahe Monch ganze Arbeit abgeliefert. Der Groove ist formidabel und gibt dem Song nicht nur die Struktur, sondern auch eine Identität. Großartiger Abschluss!

 

Fazit: „Miles Ahead“ gewährt Neueinsteigern einen ersten Einblick in das Schaffen von Miles Davis. Für Fans dürften die neuen Tracks von Robert Glasper interessant sein, der mit dem Meister auf Augenhöhe agiert und für „What´s Wrong With That?“ ein richtig tolles Aufgebot an Musikern auf die Bühne geholt hat. Die Wortfetzen zwischen den Songs, die aus dem Film stammen, hätte man sich allerdings sparen können, dann wäre dieser Soundtrack noch mehr im Fluss geblieben. So oder so: ein richtig gutes Album!

 

https://www.milesdavis.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Miles Davis: Live At The Fillmore – The Bootlegs Series Vol. 3 (4 CDs)

Miles Davis: Live At The Fillmore – The Bootlegs Series Vol. 3 (4 CDs)

Sony/Legacy

VÖ: 21.03.2014

 

Wertung: 12/12

Tipp!

 

„Live At The Fillmore“ da war doch mal was?! Genau, es gab schon mal eine Doppel-LP mit diesem Titel und auf selbiger fanden sich die Aufnahmen von Miles Davis und seiner vier Auftritte vom 17. bis zum 20. Juni 1970. Da man dies für das damalige Format anpassen musste fiel ein Großteil der Schere zum Opfer. Der ganzen Geschichte wurde sowieso die Seele geraubt, denn was bitteschön soll man mit zusammengebastelten Medleys anfangen? Gerade bei Miles Davis war und ist es enorm wichtig, dass solche Aufnahmen eben komplett gehört werden können. Jetzt wurde sich der legendären Auftritte im New Yorker Fillmore East noch mal angenommen und diese Monumente des Jazz behutsam restauriert und erstmals wird das Material in Gänze nun als „Live At The Fillmore“ veröffentlicht und ist gleichzeitig der dritte Teil von „The Bootleg Series“.

 

Die vier CDs werden in einem dicken und stabilen Digipack geliefert. Die Aufmachung ist mal wieder vorzüglich und setzt Maßstäbe. Das Box-Set enthält ein 36-seitiges Booklet mit einem tollen Essay und vielen raren und unveröffentlichten Fotos. Gerade die Texte sind sehr erhellend. Carlos Santana(!) beleuchtet den Einfluss von Davis für den Jazz und Funk und der Rockmusik. Die Produzenten Richard Seidel und Michael Coscun äußern sich zu den Fillmore-Auftritten und gehen eingehend auf das noch nicht veröffentlichte Material ein. Michael Cuscuna geht in chronologischer Reihenfolge auf die Entwicklung des Ausnahmetrompeters in den 60ern ein, schreibt aber auch noch mal die Rolle und Wichtigkeit unabhängiger Radiosender jener Zeit nieder. Als Leser kann man sich schon eine ganze Zeit damit beschäftigen, langweilig wird es dabei nie! Alles in allem ist die Aufmachung sehr gelungen und ein echter Hingucker, welcher auch inhaltlich einen echten Mehrwert zu bieten hat.

 

Auf jeder der vier CDs gibt es ein Konzert aus dem Fillmore East in voller Länge zu hören. Zunächst fällt der – gerade auch in Anbetracht des Alters – formidable Ton auf. Das hat durchaus Referenzcharakter. Das Publikum ist zwar etwas nach hinten gemischt worden und man hört nach den jeweiligen Stücken und Improvisationen nur leisen Applaus aufbranden, aber das ist natürlich auch wiederum Geschmackssache. Man ist sowieso viel zu sehr von Davis und seinen Mitmusikern gefangen und die beeindruckende musikalische Umsetzung lässt einem hier und da die Kinnlade auf den Tisch klappen. Es streiten sich ja die Gelehrten, ob Davis zu Beginn der 70er seine stärkste Phase hatte. So sehr der Meister und sein Instrument auch im Blickpunkt stehen mögen, so sehr werden die Sets auch von den anderen Musikern getragen, die mehr als nur das Grundgerüst liefern. Gerade die perkussiven Elemente können überzeugen und drängen den Sound von Davis in eine ganz andere Richtung.

 

Oder wie es Carlos Santana auf den Punkt bringt: „Der Sound war der der Black Panther-Bewegung. Der Sound von Vietnam. Der Sound der Demonstranten, die zusammengeschlagen und beschossen wurden. Es war der Sound der Hippies und Straßenkämpfe und der Revolution des Bewusstseins … Man hört hier förmlich die Wut, Finsternis und den Wahn – alles Überbleibsel der 60er, die einerseits vorbei waren und doch noch nachwirkten.“ „Live At The Fillmore“ ist in der Tat hart, aggressiv und auf seine Art sogar ein Stück dem Rock and Roll zugewandt.

 

Mit „Spanish Key“ aus dem famosen „Bitches Brew“ gibt es auf der zweiten CD sogar eine Zugabe zu hören – eigentlich ein Novum im Miles Davis Universum, denn dies war bei seinen Auftritten eigentlich eine Rarität. Schon hieran kann man ablesen, dass er nicht nur extrem zufrieden mit dem Konzert war, sondern auch ein kleines Stück Spontanität Einzug hielt. Bei den darauf folgenden Abenden wurde die Setlist geändert. „If I Fall In Love Too Easily“ und „Sanctuary” sorgten hier für Begeisterung. Beim letzten Konzert wurde zudem noch das fast zehnminütige „Willie Nelson“ gespielt, welches er erst im selben Jahr im Januar aufgenommen hatte.

Als Bonustracks wurden drei Songs aus den Shows im Fillmore West ausgesucht. Sie gehörten zwar zum Live-Repertoire, wurden im Fillmore East allerdings nicht gespielt. Heraus sticht hier die 13-minütige Live-Version des von Hendrix beeinflussten „Miles Runs The Voodoo Down“.

 

Fazit: Miles Fans warten nun schon seit mehr als 40 Jahre auf diese Aufnahmen. Endlich gibt es die Konzerte aus dem Juni 70 aus dem Fillmore East in kompletter Länge (im März des selben Jahres fanden ja auch noch Konzerte statt). Abgemischt von Dave Darlington, gemastert von Mark Wilder und restauriert von Mark Wilder & Maria Triana ist das auf vier CDs schon ein Fest. Der Sound ist glasklar und jedes Instrument und jede Nuance klar und deutlich hörbar. Die Aufmachung ist zudem erstklassig. Die Bootleg Serie erhält mit dem dritten Titel somit ihren vorläufigen Höhepunkt!

 

http://www.milesdavis.com/us/home

 

Text: Torsten Schlimbach

Miles Davis Quintet: Live In Europe 1969 – The Bootleg Series Vol. 2 (3 CDs/DVD Set)

Miles Davis Quintet: Live In Europe 1969 – The Bootleg Series Vol. 2 (3 CDs/DVD)

Sony/Legacy

VÖ: 25.01.2013

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Das Set „Live In Europe 1967“ erfüllte sämtliche Fanträume und konnte auch die einschlägigen Fachmagazine und Kritiker begeistern. Jetzt wird auch das „dritte große Quintet“ mit einer neuen Veröffentlichung geehrt, die sich hinter dem Vorgänger nicht zu verstecken braucht. Mit Wayne Shorter, Chick Corea, Dave Holland und Jack DeJohnette hatte Miles Davis seinerzeit absolute Ausnahmekönner an seiner Seite, die heute noch die Fans mit der Zunge schnalzen lassen. In gewisser Weise wird hier Neuland betreten, da von diesem Quintet keine Studioaufnahmen existieren und dies somit die erste Veröffentlichung ihrer Art ist.

 

Zunächst fällt die geniale Optik ins Auge. Das Coverbild war beim Vorgänger nicht unbedingt eine Augenweide. Dies sieht jetzt schon ganz anders aus und durch die rote Farbgebung kommt das Bild des Meisters noch besser zur Geltung. Es dürfte auf der Hand liegen, dass dieses Digipack extrem dick ausgefallen ist, denn schließlich wollen drei CDs und eine DVD auch verstaut werden. Die Gestaltung des Booklets ist sowieso herausragend! Von Josef Woodard gibt es zudem ein ausführliches Essay. Seine Ausführungen sind eine literarische Collage aus Miles-Interviews des Jahres 1989 und Gesprächen mit den noch lebenden Bandkollegen, die bis ins Jahr 2012 reichen. Und wer sich Davis lieber an die Wand hängt, klappt die ganze Geschichte auseinander, denn dann entpuppt sich die Rückseite gar als Poster.

 

Die beste Aufmachung nützt natürlich nichts, wenn die Musik dann für die sprichwörtliche Tonne wäre. Ist sie in diesem Fall nicht – natürlich nicht! Bedenken sind bei derart rarem Archivmaterial immer angebracht, da die Aufnahmen ja schon einige Tage auf dem Buckel haben. Dererlei Überlegungen werden schon bei den ersten Töne von „Directions“ ins Jenseits befördert, da man es mit ganz speziellem und formidablem Material zu tun hat. CD1 und CD2 (Spielzeit: über 60 Minuten) beinhalten zwei Sets der Band beim „Antibes Jazz Festival“ vom 25. und 26. Juli 1969. Jede Nuance und jeder Ton sind zu hören. Herausragend sind mit „Milestones“ und „Footprints“ jene zwei Stücke, die in epische Längen gezogen werden. „Spanish Key“ weiß mit einem klugen Freispiel zu überzeugen und „No Blues“ entpuppt sich als ein Ritt auf der Jazzklinge.

 

CD3 hält ein Konzert vom 5. November der Veranstaltung „The Newport Jazz Festival in Europe“ in Stockholm bereit. Ansager ist George Wein, der Gründer und Produzent des Festivals. Es ist sicher nett hier ein paar andere Stücke zu hören, aber unter dem Strich sind fünf doch etwas mau und zudem ist „Masqualero“ nicht komplett zu hören. Das Herzstück dürfte „Bitches Brew“ in seiner Vielfalt sein und mit all diesem Irrsinn dürfte diese Nummer unerreicht bleiben. Davis war in Hochform, aber wie wichtig seine Mitstreiter waren, zeigt sich dann genau in den Momenten wo sich der Meister eine Pause gönnte und die anderen das Kind auch alleine schaukelten!

 

Die wunderbare Aufnahme aus der Philharmonie in Berlin entstand während der Berliner Jazztage am 07. November 1969. Schon die Ansage während der Umbaupause von John O´Brien-Docker ist sehr sehenswert. Die braune Lederjacke – oder naheliegender wäre ein Lederimitat – spiegelt sicher auch ein Stück den Zeitgeist wieder – wie auch die Frisuren, die es im Publikum zu bewundern gibt. Selbiges sitzt übrigens oberhalb der Bühne und verteilt sich rund um diese. Hat ein bisschen was von Gladiatoren wie die Herren Musiker da unten stehen. Es dauert auch nicht lange, da rinnt der Schweiß Davis in Strömen von der Stirn. Eingefangen wird das alles von ganz ruhiger Hand und die Kameras verweilen auch recht lange auf den jeweiligen Protagonisten. Wer nur die Produktionen der heutigen Zeit kennt, wird vermutlich auf dem Sofa einschlafen. Genau dies ist aber das Faustpfand, mit dem hier gewuchert werden kann. So kann man den Herren wenigstens auf die Finger gucken und staunen, was mit diesen Instrumenten alles möglich ist. Neben Davis ist Wayne Shorter derjenige, dem man gerne zuguckt. Was der Junge auf dem Saxofon veranstaltet hat, ist schon die ganze große Musikerkunst. Er sorgte immer wieder dafür, dass Davis die notwendigen Pausen einlegen konnte. Das Ambiente versprüht – zumindest aus der Konserve – den Charme einer Woolworth-Filiale. Alles in allem also ein Zeitdokument von historischem Charakter.

 

Fazit: Auch, wenn das dritte Quintet nicht ganz an die Ausgabe davor heranreichen mag – und hier mögen sich bitte die Gelehrten streiten – ist dieses Paket hein fantastisches Filetstück für den Jazzfan-Haushalt! Die erstmals offiziell veröffentlichten Livekonzerte besitzen historischen Wert und sind gerade klanglich – auch vor dem Hintergrund des Alters der Aufnahmen – eine kleine Offenbarung. Die DVD entpuppt sich diesmal als das Herzstück des Pakets, da die filmische Umsetzung dazu beiträgt noch tiefer in diesen Kosmos einzudringen!

 

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Text: Torsten Schlimbach

Miles Davis Quintet: Live In Europe 1967 (3CDs/DVD Set)

Miles Davis Quintet: Live In Europe 1967 (3CDs/DVD Set)

Sony

VÖ: 16.09.2011

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Der Name Miles Davis alleine veranlasst ja schon zu einem Schnalzen mit der Zunge. Der Mann mit der Trompete war für sich gesehen ja schon eine Show. Wie bei jedem großen Künstler sind es aber oftmals auch die Leute im Hintergrund, die für das gewisse Extra sorgen und noch ein paar Prozente mehr aus den Hauptakteuren heraus kitzeln können. Im Falle von Miles Davis ist dies nicht anders und in der zweiten Hälfte der 60er hatte er wohl seine Traumbesetzung mit nach Europa genommen.

 

Wayne Shorter am Saxophone, Ron Carter am Bass, Tony Williams hinter dem Schlagzeug und Herbie Hancock am Piano versetzen Jazzfreunde in schiere Entzückung. Die Begleitband von Miles war eben so viel mehr als nur der musikalische Klangteppich im Hintergrund. Die drei Herren standen in ihrem Bereich dem Genie Davis in kaum etwas nach. Den Herren wird ja nicht umsonst nachgesagt, dass es sich dabei um die beste Jazzformation gehandelt hätte.

 

Nun kommt ein opulentes Paket in den Handel, welches sich genau damit befasst. „The Bootleg Series Vol.1“ wird Fanherzen schlaflose Nächte bereiten. Hier wurde nämlich an nichts gespart. Die Aufmachung ist ganz vorzüglich und wird dieser historischen Veröffentlichung voll und ganz gerecht. Das umfangreiche Booklet mit vielen Bildern und neuen Liner Notes ist schon ein Fest für sich. Die vergilbte Optik fängt sogar ein bisschen den Zeitgeist von damals wieder ein.

 

Es sind aber letztlich die drei CDs und die DVD die dieses Paket so wertvoll machen. Man kann hier gar von Aufnahmen von historischem Wert sprechen. Es handelt sich hierbei schließlich um erstmals veröffentlichte und authorisierte Liveaufnahmen des Newport Jazz Festival in Europe. Die 67er Konzerte beinhalten Livesongs seiner Studioalben der Jahre 65-67. Auf den CDs befinden sich die kompletten Konzerte aus Antwerpen, Kopenhagen und Paris. Für die Fans ist dabei natürlich von immenser Bedeutung, was aus dem Klang dieser Aufnahmen herausgeholt wurde. Natürlich wurden die einzelnen Tracks remastert und trotzdem ist es höchst beachtlich, wie sauber, klar und druckvoll jedes einzelne Instrument und jede Nuancen zu hören sind! Auch, wenn das Paket als Bootleg Series betitelt wird, so ist es alles andere als das! Klanglich ist das absolut topp!

 

Auf der DVD findet man die Konzerte aus Karlsruhe und Stockholm. Dies ist übrigens die einzige filmische Dokumentation des Second Great Quintet aus den Jahren 1965 bis 1968! Das ganze liegt ins schwarzweiß Bildern vor, was dem Genuss aber keinen Abbruch tut, sondern die Eindrücke gar noch verstärkt. Die Musiker kommen zunächst einzeln auf die Bühne und werden von der Stimme aus dem Off vorgestellt. Davis kommt natürlich als Letzter raus und dann geht es los. Hoch konzentriert machen sich diese vier Herren ans Werk. Es ist schon ergreifend und beeindruckend zu sehen, wie sie sich in die Musik hinein fühlen. Das schaffen nur ganz Große!

 

Fazit: Dieses Paket gehört in jeden Miles Davis und Jazzfan-Haushalt! Die erstmals offiziell veröffentlichten Livekonzerte besitzen historischen Wert und zeigen die Musiker auf einem der vielen Höhepunkte ihrer Karriere. Sie spielen traumwandlerisch sicher zusammen und heben die Jazz-Musik auf eine neue (Live-)Ebene. Der Sound ist übrigens – in Anbetracht des Alters der Aufnahmen – Extraklasse!

 

http://www.milesdavis.com/us/home

 

Text: Torsten Schlimbach

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