Mark Knopfler: Privateering (2CDs)
Universal
VÖ: 31.08.2012
Wertung: 10/12
Tipp!
Mark Knopfler musste erst in der zweiten Hälfte seiner Karriere ankommen um das Wagnis eines Doppel-Albums einzugehen. Der Mann weilt mittlerweile mehr als sechs Jahrzehnte auf diesem Planeten und einen Großteil davon hat er als Musiker, Sänger und Songschreiber verbracht. Knopfler sieht sich selber ja hauptsächlich als Geschichtenerzähler. Über die Jahre hat er mit so ziemlich jedem Künstler von Rang und Namen gearbeitet. Seine gemeinsame Tour mit Bob Dylan ist ja noch in frischer Erinnerung. In diesem Jahr wurde er bei den Ivor Novello Awards mit einem Lifetime Achievement Award ausgezeichnet. Der Mann muss sich und dem Rest der Welt mit Sicherheit nichts mehr beweisen. Gar nichts!
Diese komfortable Lage scheint wie eine Befreiung auf Knopfler zu wirken. Er sagt selber, dass er so viele Songs wie nie zuvor rumliegen hat. „Ja, je älter ich werde, desto größer wird dieser Drang, neue Songs zu schreiben. Wer weiß, ob das nun daran liegt, dass ich befürchte, mir könnte die Zeit davonlaufen; ich weiß es nicht. Das alles erfüllt mich jedenfalls mehr denn je – das Schreiben der Songs, die Studioarbeit, die Auftritte, ich genieße jeden einzelnen Aspekt davon. Und ich hab so viele Songideen herumfliegen, dass man fast schon aufpassen muss, wo man hintritt.“ „Privateering“ ist nun also das schwierige Doppel-Album, denn wie die Musikgeschichte gezeigt hat, waren derartige Ambitionen meist zum Scheitern verurteilt und es gibt tatsächlich nur eine Handvoll, die das Kunststück geschafft haben, auch tatsächlich über die volle Distanz zu überzeugen.
Ein Freibeuter wird Mark Knopfler dieses Leben sicher nicht mehr. Ebenso wenig schippert er nun mit einem Kahn über die Weltmeere. Mark Knopfler nimmt sich aber alle Freiheiten der Welt musikalisch das zu tun, was ihn mit Glück erfüllt – und wozu er Lust hat. Das ist in erster Linie Blues, Folk, Country und Americana! „Privateering“ ist gar ein klassisches Singer- und Songwriteralbum! Und was für eins! Es ist jetzt müßig zu überlegen, welches nun sein bestes Album war oder ist. Ob er mit den Dire Straits besser war oder ob er gar bei seinen vielen Kollaborationen seine besten Leistungen abgeliefert hat. Dies alles spielt für „Privateering“ keine Rolle! Diese zwanzig Songs und Geschichten sind ganz formidabel. Einen richtigen Ausfall sucht man auf diesem Album vergeblich.
Ganz klar, diese beiden Silberlinge sind für ältere Semester gemacht. Ein junges Publikum wäre damit auch hoffnungslos überfordert. Kein Beat wummert, die Instrumentierung ist meist recht leise und nach Party klingt das auch nicht. Dafür sind alle Instrumente fein austariert und produktionstechnisch ist das eine Meisterleistung. Dies kommt besonders dem feingliedrigen, filigranen Gitarrenspiel entgegen. Jeder Lick und jeder Zwischenton sind ein Genuss. Und dies in einer Zeit, wo die Regler nur noch bis zum Anschlag nach oben geschoben werden. Knopfler zeigt, dass es eben auch ganz anders geht.
Musikalisch hat er endgültig den Blues! Trotzdem findet er auch immer noch andere Wege. So reitet er mit „Redbud Tree“ die staubige Straße im Americana Gewand entlang. „Haul Away“ ist ein wunderschöner Folksong mit irischem Einschlag und könnte gar ein altes, traditionelles Stück sein. Der Titelsong – „Privateering“ - geht tatsächlich in eine musikalische Richtung, die an die alten Sailor Songs erinnert. Knopfler packt dazu die Akustische aus. Seine markante Stimme treibt die Nummer auf stürmischer See unaufhörlich voran. Die wunderschöne Ballade „Miss You Blues“ im Dylan-Stil der 70er kommt danach genau richtig. „Corned Beef City“ lässt dann noch mal das kleine Rockmonster aus der Kiste springen. Tom Petty und seine Heartbreakers lassen an dieser Stelle ganz schön grüßen! Immer wieder packt er sein verträumtes Gitarrenspiel aus, auf das er ein Patent anmelden könnte. „Go, Love“ ist da nur ein Beispiel. Derartige Songs schüttelt Knopfler vermutlich mitten in der Nacht aus dem Handgelenk – im Halbschlaf!
„Kingdom Of Gold“ ist zwar reichlich pathetisch, wem diese – abermals irisch angehauchte – Ballade nicht zu Herzen geht, hat an dieser Stelle vermutlich einen Stein. Das Stück hat etwas sakrales und passt perfekt zu den nahenden Herbststürmen. Der Westernrock von „Got To Have Something“ wird mit einer ganz formidablen Mundharmonika begleitet. Das Piano dürfte zu Zeiten von Billy the Kid ähnlich geklimpert haben. Und dann immer wieder diese typische Knopflergitarre. Die Stones suchen seit mindestens drei Jahrzehnten nach so einem Song! Hat „Radio City Serenade“ tatsächlich eine Trompete am Start? Aber dies ist überhaupt eine der großen Stärke dieser Platte - die immense Vielseitigkeit: Fideln, Bouzouki, Mandoline, Akkordeon, Saxophon oder Klarinette sind ja keine ständigen Begleiter der Populärmusik.
„I Used To Could“ ist ein erstklassiger Bluessongs und ein Stampfer wie „Gator Blood“ kommt auch ohne Lautstärke als Rocksong ins Ziel. Es sind die vielen kleinen, ruhigen und unspektakulären Momente – wie bei „Blood And Water“ - die dieses Album zu etwas Besonderem machen. Der Blues von „Today Is Okay“ sorgt schließlich dafür, dass aus einem guten ein sehr gutes Album wird!
Fazit: Schön, wenn sich ein Musiker sämtliche künstlerischen Freiheiten der Welt nimmt und nehmen kann! Mark Knopfler hat dies mit seinem ersten Doppel-Album „Privateering“ getan! Das Ergebnis ist ein formidables Alterswerk zwischen Blues, Folk, American, Country und traditionellen irischen Klängen. Man kann diese Platte mit vielen blumigen Worten beschreiben, das Beste wird aber sein: ANHÖREN! Empfehlenswert!
Text: Torsten Schlimbach