Rainbirds: Yonder

Rainbirds: Yonder

Universal

VÖ: 25.04.2014

 

Wertung: 8/12

 

Die Rainbirds sind zurück. Nachdem das titellose Debütalbum der Band schon mit einer schönen Jubiläumsedition geehrt wurde, folgt nun mit „Yonder“ das neue Werk der Kapelle um Frontfrau Katharina Franck. Ganz schön viel Wasser ist da den Rhein runtergeflossen, seit die Band letztmalig auf der Bildfläche aufgetaucht ist. Die Fans der ersten Stunde sind mit Sicherheit aber noch da. Letztes Jahr tat sich Franck mit dem Schlagzeuger Bela Brauckmann und dem Elektronik-Musiker Gunter Papperitz zusammen um die Rainbirds zu reformieren. Eigentlich hatte die Sängerin eine eigene Retrospektive geplant, aber letztlich entstand ein Werk drei gleichberechtigter Musiker. „Yonder“ ist nun das Ergebnis. Gitarrist Dirk Berger und Bassist Markus Runzheimer vervollständigen übrigens das Line-up.

 

„Yonder“ ist natürlich ein Best Of, was aber letztlich nur den Fans auffallen dürfte. Der Rest wird bei „Blueprint“ kurz zucken und sich wundern, dass der Song nun in völlig neuem Klanggewand daherkommt. Dies gilt ja für alle Songs, nur, dass es außerhalb der Anhängerschaft – bis auf den erwähnten Megahit – keiner merken wird. Unter den Fans wird „Yonder“ mitunter sowieso zwiespältig aufgenommen werden und schnell Verrat an den alten Großtaten dieser bahnbrechenden Band gewittert. Geschenkt. Echt jetzt mal. Die Rainbirds im Jahre 2014 wollen einfach eine Retrospektive aufnehmen wo der Sound eben modifiziert wurde und die Stücke teilweise eine andere Richtung bekommen. Die feinen elektronischen Spielereien bei „Paperchase“ sorgen dafür, dass dieser Song auch im Hier und Jetzt angekommen ist. Leises Pluckern und Klackern macht die wunderschöne Ballade „Love Is A Better Word (White City Of Lights)“ gar zu einer kleinen Perle.

 

„Yonder“ - der Song – passt gar in die Klangwelt von The XX oder London Grammar. Ebenso „Seven Compartments“. Die Rainbirds biedern sich aber keineswegs bei dieser jungen Generation und ihrer Hörerschaft an, nein, so klingen sie wie die Vorreiter dieser Bewegung. Ein guter Popsong bleibt übrigens immer noch ein guter Popsong, siehe „Sacred“, egal ob im modernen Soundgewand oder leicht angestaubt. „Blueprint“ hat hier die volle Elektronikkeule verliehen bekommen, was einigermaßen in die Hose geht – aber was soll´s? Bei „Jamais Jamais“ passt der Anzug ja wieder. Das verträumte „Last Bus Out“ kann ebenso überzeugen, wie „Woman With A Golden Eye“. Mit den sphärischen Klängen bei „Wind Was Playing With My Hair“ wird es ein Stück esoterisch, aber dieser gleichzeitig verträumte Abschluss nimmt einen auch mit auf eine Reise – man muss nur wollen.

 

Fazit: „Yonder“ ist ein beeindruckendes Album, weil die Songs nichts von ihrer Brillanz eingebüßt haben und gerade textlich noch aktuell sind. Das neue Soundgewand steht den alten Songs unheimlich gut und wer diese Stücke nicht kennt, wird kaum auf die Idee kommen, dass es sich hier um ältere Songs handelt, die klanglich teilweise völlig anders arrangiert wurden und denen ein neues Soundgewand verpasst wurde. Ob die Rainbirds damit noch neue Fans gewinnen werden, wird die Zeit zeigen. Es wäre auf jeden Fall spannend zu sehen, ob die Band auch noch Neues bewerkstelligen könnte. Vielleicht gehört der Konjunktiv bald der Vergangenheit an und man wird freudig gänzlich neues Material in den Händen halten.

 

http://www.rainbirds.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Rainbirds: Rainbirds 25th Anniversary Deluxe Edition

Rainbirds: Rainbirds 25th Anniversary Deluxe Edition

Universal

VÖ: 25.10.2013

 

Wertung: 10/12

Tipp!

 

Ältere Semester kriegen bei der Erwähnung des Namens Rainbirds immer noch glänzende Augen. Alle, die diese Band in der zweiten Hälfte der 80er entdeckt haben – und das waren aufgrund des Hits „Blueprint“ einige – werden sich lebhaft daran erinnern, was die Berliner Formation kulturell in der deutschen Popmusik auslöste. Lange ist es her und mittlerweile ist diese Band längst vergessen. Das titellose Debüt überstrahlt dabei den kompletten Backkatalog obwohl die Rainbirds immerhin bis 1999 Alben veröffentlichten. Dies interessierte wiederum nur noch den harten Kern der Fans. Jetzt wird das Erstlingswerk erneut veröffentlicht und mit reichlich Bonusmaterial üppig erweitert.

 

Die „25th Anniversary Deluxe Edition“ ist mitunter ein mutiges Unterfangen. Wer interessiert sich denn überhaupt noch für die Rainbirds und das Album? Auch, wenn dieses Werk zur damaligen Zeit ein kleines Ausrufezeichen setzen konnte, so ist es doch mehr als fraglich ob heute noch neue Käuferschichten gelockt werden können oder sich bei den ehemaligen Fans noch genug für diese schöne Edition interessieren. Da die Rainbirds nächstes Jahr aber wieder mit einem neuen Album durchstarten wollen, ist dies wohl ein guter Testballon. Mit der ursprünglichen Version der Rainbirds hat die Ausgabe 2014 aber nichts mehr zu tun und es ist mehr oder weniger das Projekt von Katharina Franck. Wie dem auch sei, dieses 2CD/DVD Package hätte auf jeden Fall viel Aufmerksamkeit verdient.

 

Als Prunkstück des Bonusmaterials erweist sich die DVD mit einem Auftritt der Band vom 16. Juni 1988 auf der Radrennbahn in Berlin-Weißensee innerhalb der Friedenswoche der Berliner Jugend. Sieben Songs gibt es zu sehen und hören. Veranstalter war die Künstleragentur der DDR. Die deutsche Geschichte sollte ja bekannt sein und von daher ist diese Sause hier gerade vor diesem Hintergrund nicht hoch genug zu bewerten. Damals war auch noch ein gewisser Rodrigo Gonzáles dabei, der später als Bassist bei Die Ärzte noch zu ganz anderen Ehren kommen sollte. Hier blitzt auch schon – neben all seiner ungestümen Bühnenperformance – sein künstlerisches Talent auf, denn der Multiinstrumentalist ist auch hinter dem Keyboard zu finden. Dieses Konzert der Rainbirds macht schon ungemein viel Spaß, denn die Musiker vermitteln selbigen. Da wird getanzt, gelacht und die Musik gelebt. Man merkt der Band jedenfalls an, dass sie diesen Auftritt genossen haben und mit viel Engagement bei der Sache waren. Gefilmt wurden meistens Franck und Gonzáles. Das riesige Areal wurde aus der Luft aber auch sehr oft eingefangen. Die Kameraführung ist zwar etwas bräsig, aber das tut dem guten Gesamteindruck keinen Abbruch. Neben dem Schlusssong „Blueprint“ - natürlich, was auch sonst? - sind es „Sea Of Time“ und der Opener „Asparently“, die besonders mitreißend dargeboten werden. Besser geht es nicht!

 

Die Bonus-CD ist zweigeteilt. Zunächst gibt es fünf Live-Songs zu hören. Den Anfang macht „Boy On The Beach“, aufgenommen am 5. Mai 1989. Der Sound ist überraschend gut bis brillant. Hier ist jede noch so feine Nuance klar und deutlich zu vernehmen. Vom Bass (an)getrieben haben die Gitarren freies Feld zur Entfaltung. Das hat ja fast schon Jam-Charakter. Dieser erdige Klang wertet das Stück zur cleanen Albumversion noch mal ungemein auf. Dieser Live-Teil setzt sich zudem noch aus drei Songs aus Berlin vom 12. Mai und „The Bird Up There“ aus Bocholt vom 3. Mai zusammen. Hier gibt es auch das wundervolle „Rainbirds“ auf die Ohren, welches im Original von Tom Waits stammt. Die instrumentale Klavierballade unterstreicht die Vielseitigkeit der Band nachhaltig. Das zerbrechliche und sehnsuchtsvolle „The Bird Up There“ fügt sich da nahtlos an. Große Nummer! Natürlich darf auch „Blueprint“ nicht fehlen. Der Song wird aber schneller als auf dem Album gespielt und sorgt somit für die entsprechende Ekstase.

 

Der zweite Teil dieser CD besteht aus Demos die alle von Katharina Franck zwischen 1986 und 1988 im Alleingang eingespielt und eingesungen worden sind. „I Know More Than You Know“ zeigt, dass das Songwriting schon sehr ausgereift war. Vom Sound darf man da allerdings keine Wunderdinge erwarten, das klingt als wäre es in der Mülltonne von Oskar aus der Sesamstraße eingespielt worden. „Sweet Thing“ ist alles andere als ausgereift, aber „We Make Love Falling“ hört man schon das Potenzial an. Das hektische „Heaven Is Everywhere But Here“ hätte zu Dubstep-Zeiten ein Hit werden können - da war Frau Franck wohl etwas zu früh dran. „Why“ hätte weiter ausgearbeitet vermutlich sogar ein Hit werden können. So oder so – es macht Spaß in diesen Arbeitsprozess einzutauchen.

 

Das Debüt-Album ist in erster Linie aufgrund des Überhits „Blueprint“ bekannt. Eigentlich schade, denn hier versammeln sich wirklich tolle Lieder, die zudem auch noch immens vielseitig arrangiert und ausgearbeitet sind. „Boy On The Beach“ beispielsweise oder „Apparently“. Das Timbre von Franck lenkt ja gerne mal von der Musik ab, aber man höre sich hier nur die Gitarrenfiguren an, die sind der helle Wahnsinn. Kein Posertum, schlicht brillant. Drums und Bass bilden eine Einheit und funktionieren wie ein Uhrwerk auf den Punkt genau. Vieles auf diesem Album mag zunächst sperrig klingen und entfaltet seine volle Schönheit erst beim zweiten oder dritten Durchlauf. Dafür klingt das Album überraschend zeitlos. „Balcony“ holt dabei noch ein bisschen den Jazz in das Zimmer „Make Love Falling“ erweist sich als Ballade mit einem großen Klangspektrum. Selbst ein vermeintlicher Rocksong entpuppt sich als vielschichtiges Musikstück – nachzuhören bei „I Could Be You (Could Be Me)“. Melancholie hat hier einen Namen: Rainbirds. Mit „Just A Simple Matter“ gibt es noch einen Bonussong, der auf dem Original noch fehlte. Nett, mehr aber auch nicht.

 

Fazit: Das Debüt-Album der Rainbirds war seinerzeit dem Rest der Republik meilenweit voraus. Warum das so ist, kann man jetzt noch mal in der Jubiläumsausgabe überprüfen. Ein zeitloses Stück deutscher Musikgeschichte! Das Bonusmaterial wurde liebevoll zusammengestellt und gewährt tiefe Einblicke in den damaligen Schaffensprozess. Die DVD ist dabei das Sahnehäubchen obendrauf. Ob die Rainbirds – runderneuert – nächstes Jahr daran anknüpfen können? Zu wünschen wäre es jedenfalls.

 

http://www.rainbirds.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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