Roger Waters: Us + Them (DVD)
Sony/Legacy
VÖ: 02.10.2020
Wertung: 8/12
Roger Waters reiste im Rahmen der „Us + Them“-Tour rund um die Welt. Von Mai 2017 bis Dezember 2018 wurden 156 Konzerte gespielt. 2018 gastierte Waters für vier Abende in Amsterdam vor zigtausenden Fans. Daraus wurde eine Art Konzertfilm zusammengeschnitten, welcher auch schon in ausgesuchten Kinos zu sehen war. Waters hat zusammen mit Sean Evans die sensationelle Inszenierung dieser Bühnenshow auch für die heimischen vier Wände wunderbar aufbereitet. Evans nutzte für die Produktion das modernste digitale Equipment und die beste verfügbare Audiotechnik und das sieht und hört man sogar der DVD an!
Bei entsprechender Technik in den heimischen vier Wänden, kann man sich gepflegt aus dem Sessel pusten lassen. Die Surround-Soundanlage wird voll und ganz ausgenutzt, gar ausgereizt. Die Performance haut einen so noch mehr um. Schon das Intro und der Einstieg „Speak To Me“ sorgen für ein Grummeln in der Magengegend! Das ist schon sehr ordentlich!
Die Visualisierungen sind, wie bei Waters nicht anders zu erwarten, unglaublich ausdrucksstark und im wahrsten Sinne des Wortes bildgewaltig. Das dockt passend an das Sounddesign an. Es sind unglaubliche Bilder, die da auf den Zuschauer einprasseln. Mitten im Publikum kann es vorkommen, dass scheinbar eine gigantische Fabrik aus dem Boden kommt. Ein Spektakel sondergleichen. Mitunter werden die Köpfe der Backgroundsängerinnen per Illusion zum Schweben gebracht. Während die Band auf der Bühne „Money“ spielt, bewegen sich überdimensionierte Bildschirme in der Mitte der Halle oberhalb des Publikums auf und ab. Das Albumcover, mit den markanten und ikonischen Pyramiden von „Dark Side Of The Moon“, wird bei „Brain Damage“ und „Eclipse“ als riesige Lasershow dargestellt. Der Screen hat aber auch immer wieder unglaublich viel zu bieten. Visuell ist das schon beeindruckend!
Es passiert hier also eine ganze Menge - dies für das Heimkino einzufangen und aufzubereiten ist dann auch wiederum eine Kunst für sich. Hier wurde ganze Arbeit geleistet. Die Kameraführung ist eine Wohltat. Der Schnitt ebenfalls. Da gibt es keine schnelle Bildabfolge, sondern man kann auch mal auf die Details achten. Waters ist uneitel genug sich auch aus der Nähe filmen zu lassen. Das Publikum hat man auch immer wieder sehr nahe eingefangen. Die Emotionen der Fans kommen so auch auf der Couch an. Das Bild ist gestochen scharf. Der Kontrast ist gut eingestellt und die Farbgebung wirkt sehr natürlich. Der Schwarzwert darf auch als gut bezeichnet werden. Kompressionsfehler konnten zudem keine festgestellt werden.
Alles gut also? Das kommt ja immer auf den Blickwinkel an. Hat man Pink Floyd im Hinterkopf und weiß, was die Band live musikalisch draufhatte, dann wirkt das hier wie eine bessere Coverband. Die Wahl des Personals ist durchaus kritikwürdig. Jess Wolfe and Holly Laessig sind gute Sängerinnen, gar keine Frage, für „The Great Gig In The Sky“ aber gänzlich unpassend. Und ganz ehrlich, der verstorbene Keyboarder Rick Wright ist für die Floyd-Stücke einfach unersetzlich. Bo Koster kann sich da noch so mühen, an den prägenden Klang von Wright kommt das nicht heran. David Gilmour wird gleich mehrfach ersetzt. Es ist aber völlig egal, wie viele Gitarristen man da auf die Bühne stellt, denn das filigrane und feinfühlige Spiel von Gilmour vermag da keiner umzusetzen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen, das wird gut nachgespielt, es fehlt aber eben das Herz und Gefühl. Waters ist ja nicht dumm und deshalb hat er bei den Arrangements ordentlich rumgeschraubt und die Nummern dahingehend auch verändert. „Time“ geht da eindeutig als Gewinner hervor und die zusätzlichen perkussiven Elemente sind großartig! „Welcome To The Machine“ wird durch die zusätzlichen Gitarrenparts noch eine ganze Spur härter. Dies war ebenfalls ein guter Schachzug.
„Another Brick In The Wall“ mit den tanzenden Kindern ist in der ersten Hälfte der Höhepunkt! In der zweiten Hälfte holt er den Holzhammer raus und pestet mitunter ziemlich platt. Das ist teilweise so einfallslos wie die Versionen von „Dogs“ und „Pigs“. Er schießt hier einfach permanent über das Ziel hinaus. Natürlich war der Mann schon immer ein streitbarer Charakter und er sagt ja auch selber, dass es bei seinen Shows keine leichte Unterhaltung geben würde. Die Szene, als ein Fan Waters die Hand geben will und er ablehnt, weil er anscheinend einen Tick oder Angst vor Viren hat, sagt sicher viel über ihn aus. Ein ganz kurzer Blick hinter die Kulissen, sowie die beiden Songs „Comfortably Numb“ und „Smell The Roses“ gibt es in der Bonussektion.
Fazit: „Us + Them“ von Roger Waters hat viele Facetten zu bieten. Bild, Ton und die komplette Umsetzung sind top! Die Show selber ist durchaus beeindruckend. Waters hat genug Charisma und Bühnenpräsenz um auch die großen Hallen zum Rasen zu bringen. Die Band spielt die Songs letztlich aber nur nach und man vergisst das Gefühl. Die politischen Themen mögen wichtig sein, die Holzhammermethoden von Waters sind aber eher fragwürdig! Die positiven Aspekte überwiegen zwar, hin und wieder hat man bei „Us + Them“ aber auch leichte Bauchschmerzen. Vermutlich wollte Waters sogar solche Kontroversen hervorrufen.
Text: Torsten Schlimbach