Bryan Ferry: Live In Lyon (DVD)
Edel
VÖ: 20.09.2013
Wertung: 9/12
Bryan Ferry gehört seit mehr als vierzig Jahren zu den schillernden und innovativen Persönlichkeiten der Musikgeschichte. Besonders in den 70ern setzten er und Roxy Music Maßstäbe und galten fortan als Pioniere für ein ganzes Genre. Mittlerweile ist Ferry in die Jahre gekommen, liefert aber in schöner Regelmäßigkeit streitbare Alben ab. Seine musikalischen Veröffentlichungen regen immer noch zu heftigen Diskussionen an, gleichwohl natürlich der Staffelstab längst an eine jüngere Generation weitergegeben wurde und ein junges Zielpublikum schon lange nicht mehr erreicht werden kann. Will er aber sicher nicht, denn für die Revolutionen sind die jungen Musiker zuständig - Bryan Ferry hat in seiner Karriere schließlich schon genug geleistet. Jetzt legt er mit „Live In Lyon“ das visuelle Zeugnis seiner heutigen Schaffenskraft ab.
2011 zog er mit seiner Band rund um den Globus und präsentierte den Zuschauern seine letzte Arbeit: „Olympia“. Der Auftritt in Lyon fand im altehrwürdigen römischen Amphitheater statt. Eine bessere Umgebung lässt sich kaum finden um ein Konzert mitzuschneiden. Mit „Olympia“ hat das allerdings nur noch etwas am Rande zu tun, da es lediglich drei Songs der Platte in das Set geschafft haben. Was soll er auch bei dem Backkatalog machen? „Live In Lyon“ ist somit auch nicht weniger als eine Werkschau des Briten!
Man muss Bryan Ferry und sein Team mal loben. Das Bühnenbild ist schon sehr stilvoll! Die Leinwand im Hintergrund erstreckt sich zwar fast komplett über selbige, erschlägt einen aber keineswegs. Auch die vielen Einspieler fügen sich sehr gut in die Show ein. Selbstverständlich wird auf der Leinwand auch die Band mit all ihren Facetten in Großaufnahme gezeigt. Überhaupt ist es diese ganz famose Band, die diese Show trägt. Machen wir uns nichts vor, die Stimme von Ferry ist hörbar in die Jahre gekommen und kann ganz sicher nicht mehr mit früheren Aufnahmen mithalten. Dies merkt man aber kaum, da die Arrangements und die Instrumentierung hervorragend sind. Ferry ist sowieso der geborene Entertainer. Er überzeugt mit Stil und Charme! Neben seiner vorzüglichen Band hat Ferry noch zwei Backgroundsängerinnen und zwei Tänzerinnen dabei. Hin und wieder kommt das einem Musical oder einer Varietee-Show gleich, aber über weite Strecken steht eben die Musik im Vordergrund. Der Saxophon-Spielerin wird dabei sehr viel Raum zur Entfaltung eingeräumt. Überhaupt tänzelt der Meister immer dann an den Bühnenrand, wenn es angebracht ist und er seinen Musikern den verdienten Applaus überlassen möchte. Da ist einer im Reinen mit sich und seiner Kunst!
Dargeboten werden viele Klassiker seiner Karriere, von Roxy Music bis zu seinem Soloschaffen. Von „I Put A Spell On You“ über das fantastische „You Can Dance“, „Oh Yeah!“, „Tara“ und natürlich „Avalon“, „Let´s Stick Together“ oder „Jealous Guy“ reicht der Songreigen. Dies wird meist gespielt wie man es von den Alben kennt. Die kühle Ästhetik geht dabei glücklicherweise verloren und weicht einem warmen Grundton. Die Songs gewinnen live unglaublich dazu. Eine sehr schöne Rocknote schleicht sich da ein. Besonders „All Along The Watchtower“ ist zu nennen. Die beachtlichste Coverversion wird aber ausgerechnet mit einem Neil Young Klassiker gespielt. „Like A Hurricane“ mit einem sehr großen Saxophon-Anteil überzeugt auf ganzer Linie! Respekt!
Gefilmt wurde mit ruhiger Hand und dies setzt sich auch beim Schnitt fort. Das Bild hinterlässt einen positiven Eindruck und lässt für eine DVD sicher keine Wünsche offen. Close-ups aber auch das komplette Gelände sind immer wieder zu sehen. Der Sound ist in Ordnung und auch das Bonusmaterial ist eine schöne Geschichte. Was sich unter dem vielsagenden Titel „The Making Of Olympia“ verbirgt, kann man sich zwar denken, aber meist halten solche Geschichten ja nicht, was sie versprechen – hier schon. Man kriegt da einen sehr schönen Einblick in den Entstehungsprozess und ist als Beobachter im Studio dabei. Viele O-Töne vervollständigen das Bild. Mit dabei sind u.a. Flea, Dave Stewart und David Gilmour!
Fazit: Bryan Ferry mag nicht mehr die stimmliche Brillanz früherer Tage erreichen, aber das macht nichts. Guckt man sich die „Live In Lyon“ DVD an, dann sieht man, dass er das mittlerweile locker mit anderen Dingen wettmachen kann. Diese DVD-Produktion ist schon großes Tennis – in allen Bereichen. Die schönste Erkenntnis dabei dürfte aber sein, dass die Musik voll und ganz im Fokus steht!
Text: Torsten Schlimbach