Runrig: Stepping Down The Glory Road (The Chrysalis Years 1988 – 1996)
EMI
VÖ: 28.06.2013
Wertung: 8,5/12
Die Band Runrig feiert dieses Jahr ein ganz besonderes Jubiläum. Seit vierzig Jahren macht sich die Gruppe von der schottischen Insel Skye auf ihre Songs in die Welt zu tragen. Großbritannien liegt der Band zu Füßen, aber auch in Deutschland konnten sie sich über die Jahre eine sehr treue Anhängerschaft erspielen. Gegründet wurde die Folk-Rock-Band einst von den Brüdern Rory Macdonald und Calum Macdonald. Über die Jahre sah man viele Bandmitglieder kommen und wieder gehen. Der Posten des Sängers war allerdings ab 74 fest mit Donnie Munro besetzt. Der Mann avancierte zum Aushängeschild von Runrig und drückte der Formation seinen Stempel auf. 1997 stieg er aus, die Gründe wurden bisher nie so richtig genannt. Runrig sind seitdem eine andere Band, gleichwohl die Popularität ungebrochen zu sein scheint. In Deutschland konnten Runrig danach sogar einige ihrer besten Charts-Platzierungen erreichen.
Jetzt erscheint eine dicke Box mit allen sechs Alben, die Runrig beim Chrysalis Label veröffentlichten. Angereichert wird die Geschichte mit zahlreichen Bonustrack, Extended Versions und einem Booklet mit umfangreichen Liner Notes von Iain Macdonald, sowie einigen Fotos und einer kleinen Discography. Fans haben die Alben natürlich längst im Schrank stehen, aber für alle anderen stellt diese Box eine schöne Gelegenheit dar, sich das Schaffen der Jahre 88 bis 96 nach Hause zu holen. Warum eigentlich 88? „The Cutter And The Clan“ erschien doch bereits 87? Nun denn, Hauptsache die Platte ist hier enthalten.
„The Cutter And The Clan“ ist eigentlich schon eine kleine „Best Of“ Sammlung. Hier reiht sich Hit an Hit. Leider ist der Drumsound im typischen 80er Gewand gehalten und sehr schwach auf der Brust. „Pride Of The Summer“ ist mittlerweile ein Klassiker. Hoch die Tassen und ab zur Feier. „Hearts Of Golden Glory“ huldigt nicht nur den Helden der schottischen Highlands und Geschichte, nein, der Track ist auch eine der Hymnen schlechthin. „Alba“ singt ein Lobeslied auf Schottland, während einige andere Songs („The Cutter“, „Rocket To The Moon oder „The Only Rose“) sich den im Exil lebenden Schotten widmen. Kanada ist dabei immer wieder ein Thema. „Protect And Survive“ ist eine Abrechnung mit der modernen Welt und eine Hymne für die Natur. Hiervon gibt es auch dann auch noch die Lang- und die Liveversion. „Hearts Of Golden Glory“ und „Pride Of The Summer“ liegen zudem auch noch in mitreißenden Liveversionen vor. „Loch Lomond“ darf natürlich nicht fehlen und wird ebenfalls in einer epischen Livefassung dargeboten. Schon alleine für diese Platte lohnt sich die Anschaffung dieser Box.
Auch „Searchlight“ lieferte seinerzeit einige Kracher ab. Umso mehr fällt dabei allerdings auch auf, dass das übrige Material da nicht ganz mithalten kann. Runrig sind hier auf der Suche nach einem Mittelweg, verzetteln sich aber auch allzu oft. Da wollte die Band anscheinend den Mainstream bedienen, was aber nur bedingt funktioniert hat. „Every River“ ist beispielsweise ein Song aus der Schlagerkiste, den man beim sonntäglichen Kaffee bei der Oma gut auflegen kann. Umso deutlicher stechen das großartige „News From Heaven“, das forsche „Tear Down The Walls“ und der Klassiker „Only The Brave“ heraus. Der namensgebende Song dieser Box darf mit „Stepping Down The Glory Road“ von der „Capture The Heart“ EP auch nicht fehlen. Die ganzen EPs dieser Zeit sind auf dieser Veröffentlichung übrigens auch zu finden und stellen insgesamt einen sehr schönen Mehrwert dar.
„The Big Wheel“ stellt eine Mischung aus Foll-Rock und Folk-Balladen dar. Auch hier haben sich Runrig eher an massenkompatiblen Songs orientiert. Der erhobene Zeigefinger ist dabei immer allgegenwärtig und neben den obligatorischen Hymnen an die Heimat gibt es die üblichen Protestsongs, die sich vornehmlich mit der Natur auseinandersetzen. Insgesamt ist dies ein Album ohne Ausreißer – weder in die eine, noch die andere Richtung. Die Songs sind oftmals sehr verspielt und träumerisch, so wie man es von Runrig eben kennt. „Abhainn An t-Sluaigh“ sticht da noch am ehesten heraus. Augen schließen und genießen!
Mit „Amazing Things“ lieferten Runrig noch mal ein ganz großes Werk im Beitwandsound ab. Alle Songs wurden mit tonnenweise Pathos angestrichen. Schon der Titeltrack ist eine Art Blaupause für alles, was diese Band ausmacht. „Wonderful“ unterstreicht, dass eine glatte Produktion nicht unbedingt die schlechteste Idee sein muss. Die Gitarrenklänge haben sie sich zudem ein bisschen bei The Edge von U2 abgeguckt. „Canada“ und „Àrd“ zählen mitunter zum Besten, was diese Band bis dahin gemacht hatte. Das Instrumentalstück „On The Edge“ bringt das musikalische Geschehen noch mal auf eine ganz neue Ebene. Die Esoterikschiene ist da allerdings auch nicht mehr weit entfernt.
Mit „Mara“ neigte sich die Ära mit Donnie Munro so langsam ihrem Ende entgegen. Die Geschichte dieser Platte ist auch schnell erzählt, denn die Songs sind durch die Bank langweilig. Damit waren Runrig endgültig in der Esoterikecke angekommen. Dieses Konzeptalbum wirkt sehr angestrengt und uninspiriert. „Nothing But The Sun“ bringt das ganze Dilemma auf den Punkt. Immerhin zeigt die Band hier noch mal, dass der Mut für Experimente durchaus noch vorhanden war, scheitert aber letztlich an der lahmen Umsetzung.
Die letzte CD beginnt mit den guten EPs „Rhythm Of My Heart“ und „The Greatest Flames“ und landet schließlich beim letzten Live-Album „Once In A Lifetime“. Dieses Album gilt ja mittlerweile als klassisches Livewerk von Runrig. Warum dies so ist erschließt sich nicht so ganz. Die Band hat ja ausgesprochene Bühnenqualitäten, von der Stimmung, die sie erzeugen kann, kommt hier aber nicht sonderlich viel herüber. Dafür ist dieses Album von 88 klanglich erstaunlich gut gealtert.
Fazit: „Stepping Down The Glory Road“ ist in der Zusammenstellung eine sehr schöne Box - optisch allerdings weniger, da sehr altbacken. Neben den Alben der Chrysalis Jahre gibt es auch noch die Singles und EPs als Schmankerl dazu. Hier kann man also stundenlang auf Entdeckungsreise gehen. Bei Runrig war zu dieser Zeit alles möglich! Vom ambitionierten Folk-Rock, über Balladen bis hin zur Esoterikkiste ist alles dabei. Wer da noch Lücken in seiner Sammlung hat oder Runrig erst jetzt entdeckt, kann für recht wenig Geld richtig absahnen.
Text: Torsten Schlimbach