Tyler, The Creator: Wolf
Sony
VÖ: 05.04.2013
Wertung: 8/12
Still war es um Tyler, The Creator geworden. Nachdem sich der ganze Rauch um Odd Future und eben das Aushängeschild gelegt hatte, blieb sowieso nur noch die Musik. Alles schrumpfte auf ein Normalmaß zusammen und doch war der ganze Hype natürlich auch berechtigt. Zwei Jahre ist es nun her, dass das gefeierte „Goblin“ das Genre einigermaßen auf den Kopf gestellt hat. Urplötzlich steht nun mit „Wolf“ ein neues Album von Tyler, The Creator in den Läden. Die Infos vorab waren eher spärlich und wer sich nicht täglich auf die Suche nach Neuigkeiten gemacht hat, wird von der Albumankündigung ziemlich überrascht gewesen sein. Selbige gab es übrigens als sein Buddy L-Boy dies übernehmen durfte – er sprang dazu mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug. Promotion ist eben alles, dicke Hose auch. In den zwei Jahren ist aber auch eine ganze Menge passiert. Earl Sweatshirt ist zurück und Frank Ocean räumte sowieso auf ganzer Linie ab. Braucht die Welt da überhaupt noch Tyler, The Creator?
„Wolf“ dürfte daran nun kaum Zweifel aufkommen lassen. In der Vergangenheit hat er durch seine Musik ja gerne seine Frustration und Wut kanalisiert. Auch sein neues Album geht in diese Richtung, allerdings ist das Ding musikalisch auch ziemlich ausgefeilt. Die Gästeliste ist selbstverständlich entsprechend lang. L-Boy ist dabei, Frank Ocean natürlich auch, Earl Sweatshirt muss man auch nicht lange suchen und mit Erykah Badu hat er sogar noch einen ganz dicken Fisch an Land gezogen. Die Aufzählung ist allerdings keineswegs abschließend. „Wolf“ würde aber auch ohne die ganzen Gastbeiträge sehr gut funktionieren. Dies ist einzig und alleine die große Show von Tyler, The Creator. War aber auch nicht anders zu erwarten.
In gewissem Sinne bringt dieses Album mal eben alles auf den Punkt, was das Genre die letzten zwei Jahrzehnte ausgemacht hat. „Rusty“ erinnert gar an die großen RZA Zeiten der 90er. Bei „Trashwang“ zeigt der Meister mal eben, wie man künstlerisch durchaus anspruchsvoll eine Piano-Bridge einbaut – die Hi-Hats nicht zu vergessen. „Domo 23“ legt über den Beat sogar noch ein paar Hörner. Dabei vergisst der Mann aber auch hin und wieder den Zuhörer mit Melodien zu umschmeicheln. „Cowboy“ richtet es sich allerdings in den Lauscherchen ganz gemütlich ein. Musikalisch erinnert das gar an eine Art Barpianojazz-Nummer – wäre da nicht der knochentrockene Beat.
Selbstverständlich ist Tyler, The Creator immer noch die coolste Sau in der Nachbarschaft. „Jamba“ geht in dieser Hinsicht keine Kompromisse ein und dann wirkt das auch noch so herrlich authentisch und nicht aufgesetzt. „Slater“ mit Frank Ocean ist zweifelsohne einer der ganz großen Momente auf diesem Album. Und dabei kriecht der Track nur auf einem minimalistischen Beat. Der Clanchef von Odd Future kann aber auch mal entspannt sein. „48“ geht fluffig rein und überzeugt mit einem wunderbaren Flow. Ansonsten wettert er auf diesem Album ja gerne mal gegen alles und jeden: die Kritiker kriegen ihr Fett ebenso weg, wie die Eltern, Lehrer, ach, eigentlich jeder, der Tyler auf den Sack geht. Er lässt auch keine Zweifel daran aufkommen, was ihm der ganze Ruhm bedeutet. Man muss natürlich als Genrevertreter so etwas im Portfolio stehen haben – meist kann man das sowieso nicht für voll nehmen. Hier liegen die Dinge allerdings anders und man nimmt ihm das durchaus ab.
„IFHY“ mit Pharrell haut ebenfalls erstaunlich gut hin. Die angeraute Stimme schleppt sich über diesen dunklen Klangteppich langsam dahin und beschwört im Grunde die Nacht herauf. Die kommt auch und zwar in Form von „Pigs“. Es ist allerdings keine schöne Nacht: Autos brennen, Sirenen heulen, Menschen schreien und die ganze Stadt ist im Aufruhr und Ausnahmezustand. Ausnahmezustand ist sowieso die perfekte Beschreibung für „Wolf“. Wer die klassische Struktur aus Versen, Bridge und Hook bevorzugt, wird mit diesem Album – wie auch schon mit dem Vorgänger „Goblin“ - seine liebe Mühe und Not haben. „Parking Lot“ plätschert da eher so dahin. Die Übergänge sind dabei oftmals auch fließend und so ist man plötzlich mittendrin in „Rusty“. Mit „Trashwang“ hat er im letzten Drittel allerdings auch noch mal ein Brett versteckt. Die ganze Posse kotzt einem regelrecht vor die Füße – sicher unangenehm. Mit „Lone“ wird es gar noch mal persönlich. Dies sind sowieso die stärksten Momente von „Wolf“ - nämlich immer dann, wenn der gute Tyler die Hosen runterlässt.
Fazit: Auch das dritte Album von Tyler, The Creator wird wieder geteiltes Echo hervorrufen. Der nervige Teenager, der sich über alles und jeden auskotzt ist noch nicht so ganz verschwunden. Backpfeifen werden wieder jede Menge ausgeteilt und der gute Tyler ist bisweilen wieder ordentlich angepisst. Auf der andere Seite nimmt man ihm das aber auch ab. Die Sounds und Songstrukturen machen es einem nicht leicht, da selbige so gut wie überhaupt nicht im Ohr hängen bleiben. Das macht aber auch den Reiz aus - und diese Reibeisenstimme, die man seit Tone Lōc nicht mehr gehört hat. Tyler, The Creator ist eben anders als die anderen Kinder – seine Musik sowieso.
Text: Torsten Schlimbach