ZZ Top: Raw (OST)
BMG
VÖ: 22.07.2022
Wertung: 10/12
Tipp!
Die Blu-ray der ZZ Top Dokumentation „That Little Ol´ Band From Texas“ wurde hier bei uns ja schon einigermaßen abgefeiert. Nun erscheint quasi der Soundtrack dazu. Das gute Teil trägt dabei den Titel „Raw“ nicht umsonst. ZZ Top klöppelten das Werk an einem einzigen Tag zusammen. Mit „Raw“ wird dann auch genau das ausgedrückt, denn die Songs sind roh und direkt. Ohne Schnörkel knallen einem die Songs entgegen. ZZ Top klingen dadurch ungestüm und recht frisch. Billy F. Gibbons hat das Werk produziert. Jake Mann und Gary Moon waren als Toningenieure dabei und Ryan Hewitt übernahm den Mix.
„Brown Sugar“ groovt sich zu Beginn durch die Wüste. Das macht schon unfassbar viel Spaß. „Just Got Paid“ scheppert direkt aus der Garage durch Texas. Das ist kernig und man hört den Jungs förmlich an, dass ihnen das Einspielen ungemein viel Freude bereitet haben muss. „La Grange“ wurde ebenfalls neu aufgenommen. Die Nummer ist immer gut, aber in dieser rohen Fassung kann man sie gleich noch mal ganz neu entdecken. Selbiges gilt natürlich auch für Tush. Dusty Hill in Hochform. Möge er in Frieden ruhen.
Selbst die Songs aus der glattgebügelten Bandphase erstrahlen noch mal in ganz neuem Glanz. Bei „Legs“ hätte man sich allerdings noch etwas mehr Mut zu Ecken und Kanten gewünscht. „Gimme All You Lovin´“ hat selbige. Die Gitarre heult endlich mal ohne den ganzen unnötigen 80ies Klimbim. Boogie und Blues geben der Nummer noch mal eine neue Wendung. Der langsame Schiebeblus von „Blue Jean Blues“, aber auch die rockige Variante bei „Certified Blues“ kommt gut. Mit „Tube Snake Boogie“ wird ein sehr kurzweiliges Album scheppernd beendet. Darauf einen Tequila – oder zwei.
Fazit: „Raw“ ist ein tolles Album. Die Songs von ZZ Top, die hier versammelt sind, kennt man zwar alle, aber eben nicht in diesem rohen Gewand. Die Band hatte hörbar Freude beim Einspielen. Kein Schnickschnack, nur erdiger, roher und schnörkelloser Rock and Roll, der mit den Spielarten Blues und Boogie angereichert wird. Josh Homme dürfte bei der Kapelle stets gut hingehört haben. „Raw“ passt zudem zum aktuellen Sommer! Laut hören!
Text: Torsten Schlimbach
ZZ Top: The Very Baddest Of (2CDs)
Rhino/Warner
VÖ: 20.06.2014
Wertung: 8/12
Die Motoren wurden in Texas wieder gut geölt und die Maschine läuft auf Hochtouren. Oder um es anders zu sagen: ZZ Top sind wieder auf der Straße. Die Band beehrt mit ihren Trucks selbstverständlich auch Deutschland und schlägt ihre Zelte in Köln, Stuttgart und Saarbrücken auf. Die Tour wird nun als Anlass genommen mit „The Very Baddest Of“ eine Werkschau von ZZ Top auf den Markt zu schmeißen. Über Sinn und Unsinn lässt sich natürlich wieder trefflich streiten, zumal es auch schon „The Very Best Of“ und „The Greatest Hits“ von ZZ Top gibt. Da die Band während ihrer langen Karriere aber auch bei drei Labels unter Vertrag stand, kriegt man auf der neuen Zusammenstellung immerhin einen Querschnitt daraus geboten. Leider hat man es verpasst das letzte Album „La Futura“ hier zu würdigen. Das ist schon ein bisschen seltsam, denn die Platte hat ja nun gerade mal zwei Jahre auf dem Buckel und war zudem vom Songwriting richtig gut, was man von der Produktion und dem Sound nicht unbedingt sagen kann.
Im Grunde ist es wie immer bei solchen Veröffentlichungen: wer nur die Hits haben möchte, ist hier gut aufgehoben und kann dabei bedenkenlos auf die Einzel-CD zurückgreifen. Wer ein bisschen tiefer eintauchen möchte, der kriegt mit der 2CD-Version immerhin auch die Songs abseits der Singles oder Hits geboten. Abgesehen davon kann man die Doppel-Ausgabe zum Preis einer Einzel-CD erwerben, was wiederum die Kaufentscheidung erleichtern dürfte. Wer bereit ist da ein bisschen mehr zu investieren, sollte über das Box-Set vom letzten Jahr nachdenken, denn immerhin kriegt man dort für recht kleines Geld die Studio-Alben von 1970-1990 geliefert!
„The Very Baddest Of…“ wurde übrigens nicht chronologisch zusammengestellt. Zu Beginn hat man mit „Gimme All Your Lovin´“ gleich einen der ganz großen Hits von ZZ Top gestellt. Den gut abgehangenen Boogie-Rock gibt es später, wie mit „Just Got Paid“ oder „Waitin´ For The Bus“ von „Tres Hombres“. Der Bass pumpt, die Gitarre jault und die Mundharmonika lässt Mick Jagger vor Neid erblassen. Die Hitze von Texas wird musikalisch hier umgesetzt. Irgendwann in den 90ern war plötzlich die Rede von Stoner Rock. Kyuss sind aber sicher nicht die Erfinder, das dürfte bis zu ZZ Top zurückreichen. Überhaupt ist „Tres Hombres“ ein grandioses Werk, nicht umsonst gibt es mit „Jesus Just Left Chicago“ auch noch einen rockigen Stampfer, der seinen Ursprung im Blues hat. Wie Pistolenschüsse pfeift einem „Heard It On The X“ um die Ohren. In dieser komprimierten Form wird zudem die Behauptung wiederlegt, dass ZZ Top im Grunde immer nur einen Sound und einen Song aufnehmen würden. „Pearl Necklace“ von „El Loco“ geht doch deutlich in eine andere Richtung und bei „Velgro Fly“ von „Afterburner“ hat der 80ies Sound auch bei den Texanern Einzug gehalten.
Kurioserweise gibt es auf „The Very Baddest Of…“ mit „Viva Las Vegas“ auch einen Song aus „Greatest Hits“ zu hören. Da war die Band leider an einem Tiefpunkt angekommen und das hat nur noch bedingt mit dem stampfenden Boogie-Rock der Anfangstage zu tun. Mit „Pincushion“ in der Mitte der 90er fanden die drei Herren zumindest teilweise zurück zur alten Stärke. „Legs“ von 83 ist ebenfalls ein bekannter Hit der Kapelle, lässt aber keine Fragen mehr offen, wann denn das Stück entstanden ist. „Sleeping Bag“ ist da gar noch schlimmer. Die 80er mögen ZZ Top noch mal auf eine neue Stufe gehoben haben, der Sound und die Produktion sind allerdings fest in diesem Jahrzehnt verwurzelt und haben den Test der Zeit leider nicht bestanden – trotzdem ein Klassiker. Das trifft auch auf die Ballade „Rough Boy“ zu, die exemplarisch für so vieles aus den 80ern steht. Die staubige Wüste wurde gegen schwülstigen Kitsch eingetauscht. „Doubleback“, „My Head´s In Mississippi“ und der weitere Klassiker „Give It Up“ aus dem Album „Recycler“ werfen aber wieder den Motor an und damit geht es ab auf den Highway der untergehenden Sonne entgegen. Mit „Mescalero“ waren ZZ Top 2003 dann endlich wieder dort angekommen wo sie hingehören. Der Sombrero hängt lässig am Kaktus. Mit „Que Lastima“ unterstreicht die Band, dass Balladen auch anders funktionieren können und „As Time Goes By“ ist zum Schluss, in Anbetracht der langen Karriere, ein kleines Augenzwinkern. Schöner Abschluss.
Fazit: „The Very Baddest Of…“ braucht man nicht wirklich, denn im Grunde gibt es genug ähnliche Veröffentlichungen aus dem Hause ZZ Top. Das Box-Set vom letzten Jahr wäre dieser neuerlichen Zusammenstellung sowieso vorzuziehen. Da ZZ Top aber in jede gute Musiksammlung gehört, sollte man nun – sofern da noch eine Lücke zu finden ist – hier zugreifen. Es würde sich da die Doppel-CD empfehlen, denn so kann man noch ein bisschen tiefer in den Bandkosmos abtauchen – es lohnt sich. Ein bisschen schade ist es, dass das aktuelle Album völlig ausgespart wurde und man sich bei der Aufmachung überhaupt keine Mühe gegeben hat. So ist das eben manchmal bei Werkschauen…
Text: Torsten Schlimbach
ZZ Top: The Complete Albums 1970 – 1990 (10-CD-Box)
Rhino/Warner
VÖ: 07.06.2013
Wertung: 9/12
Vor vier Jahren feierten ZZ Top ihr 40-jähriges Jubiläum. Die Texaner zählen zu den wenigen Bands, die es geschafft haben nach den ganzen Jahrzehnten immer noch in Originalbesetzung Alben aufzunehmen und damit auf Tour zu gehen. Dusty Hill und Frank Beard waren bei der Gründung zwar nicht dabei, aber schon bei den ersten Albumaufnahmen komplettierten sie zusammen mit Billy Gibbons die Formation, die man als ZZ Top kennt. Über die Jahre hat sich eine ganze Menge Material angesammelt und gerade die erste beiden Dekaden haben so manchen Klassiker abgeliefert. Dieser Phase wird nun noch mal gehuldigt. In einer schmucken Box werden die ersten zehn Alben erneut veröffentlicht!
Diese Box ist gleich in mehrfach Hinsicht interessant. Wer ZZ Top erst jetzt für sich entdeckt, kann von den Anfängen bis hin zum Aufstieg zu Superstars auf einen Schlag alle Alben abgreifen. Da die ganze Geschichte mit knapp 30 Euro preislich auch ziemlich moderat ausgefallen ist, dürfen sich Neueinsteiger freuen. So günstig und so schnell kann man sich den Backkatalog sonst sicher nicht auf einen Schlag zulegen. Aber auch Fans kommen auf ihre Kosten. Die stabile Clamshell-Verpackung ist optisch natürlich ein Hingucker und macht sich gut in jedem Schrein. Die Alben werden dazu jeweils in einem Pappschuber geliefert, der dem Artwork des Original-Vinylcovers nachempfunden ist. „Tre Hombres“ und „Tejas“ liegen zudem noch in einem Klappcover bei – eine Replik des Originals. Booklets oder Liner Notes vermisst man allerdings, dies wäre sicher das berühmte Tüpfelchen auf dem i gewesen.
Für Fans gibt es aber noch einen ganz anderen Grund sich dieses schmucke Teil in die Vitrine zu stellen. Zum ersten Mal liegen nämlich die Original-Audio-Tap-Versionen von „First Album“, „Rio Grande Mud“ und „Tejas“ vor! Als das CD-Zeitalter seinerzeit angebrochen war, musste natürlich auch der Backkatalog der Band in neuem Glanz und Format erscheinen. Wer auch immer die Idee hatte, diese Alben neu abzumischen, hatte – vorsichtig ausgedrückt – allerdings nicht seinen besten Tag. Dies ging einher mit den erfolgreichen Scheiben der 80er: „Eliminator“ und „Afterburner“. Jetzt sollten auch die alten Alben in diesem Soundgewand erscheinen. Man machte dann alles falsch, was man falsch machen konnte. Die Songs wurden teilweise früher ausgeblendet, neue Effekte eingefügt und die Schlagzeugparts gleich komplett neu eingespielt. Man hatte wohl völlig vergessen, dass die Songs aber eben nicht für den Sound der 80er ausgelegt waren. Als „ZZ Top Sixpack“ kam die ganze Geschichte schließlich in die Läden. Da es bei „Degüello“ auch noch Rechtsprobleme aufgrund des Coversongs „Dust My Broom“ gab, hat man sich dieses Werk komplett gespart und dafür „El Loco“ drangeklatscht. Gut, dass man diese Fehler nun korrigiert – spät, aber nicht zu spät!
Somit kriegt „First Album“ nun endlich den Soundanstrich, den diese Platte verdient hat. Erdiger Blues und Rock and Roll der Extraklasse. Anhand dieser Scheibe wird auch noch mal eindrucksvoll unterstrichen, wer die Vorbilder von ZZ Top waren und als Inspiration für den Bandnamen dienten: Z.Z. Hill und B.B. King! Die Weichen für die Zukunft wurden allerdings mit „(Somebody Else Been) Shaking Your Tree“ gelegt. Boogie, Rock and Roll und Texas-Flair sind schon allesamt vorhanden. „Brown Sugar“ wurde hingegen im Blues geboren, kriegt aber noch eine Prise Jimi Hendrix ab. Stoner Rock war viele Jahre später ja das nächste große Ding welches durch die Gazetten getrieben wurde. Im bluesgetränkten „Goin´ Down To Mexico“ ist der Grundstein allerdings schon gelegt worden. Im lässigen „Neighbor, Neighbor“ sowieso. „Certiefied Blues“ oder „Bedroom Thang“ mögen nur Fingerübungen sein, aber die Musikalität der drei Herren kommt gerade in diesem Klanggewand sehr gut zur Geltung.
„Rio Grande Mud“ startet mit „Francine“ relativ harmlos. Ein nettes Rockstück, welches aber nicht sonderlich hervorsticht. Ganz im Gegensatz zu „Just Got Paid“. Das Ding groovt wie Sau und unterstreicht nachhaltig wie eingespielt die Band zu diesem frühen Karrierezeitpunkt schon war. „Mushmouth Shoutin´“ watet durch die Sümpfe, dass man die Schwüle förmlich spürt. „Ko Ko Blue“ knüpft daran an, drückt aber das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Die Mundharmonika raubt einem zudem den Schlaf. Instrumentalstücke können ja doch Spaß machen. „Bar-B-Q“ passt zu Texas wie die obligatorischen Hüte. Mit dem knochentrockenen „Whiskey´n Mama“ legen ZZ Top abermals eine Steilvorlage für den Stoner Rock vor. Auch das zweite Album überzeugt vollends und dieser erdige Sound tut den Songs merklich gut.
Mit „Tres Hombre“ hauten ZZ Top danach einen weiteren Meilenstein raus. „Waitin´ For The Bus“ wirbelt den Staub der Straße auf, während „Jesus Just Left Chicago“ mit jeder Pore eine Coolnes an den Tag legt, als würde die Zeit stillstehen. „Hot, Blue And Righteous“ zeigt, dass die Band schon in dieser Phase wusste, wie man einen schönen Schiebeblues auf das Parkett zaubert. Und „Move Me On Down The Line“ ist einfach mal drauflos gerockt und doch lässt eine poppige Grundnote schon erahnen, zu was die Herren noch im Stande sein würden. ZZ Top wären aber nicht ZZ Top, wenn sie dem mit „Precious And Grace“ nicht einen Stampfer gegenüberstellen würden. „La Grange“ huldigt dann den Helden und ist ein erster Klassiker im Katalog. „Have You Heard?“ schafft zum Schluss das Kunststück die Oma ebenso glücklich zu machen, wie eben auch den Enkel. Trocken aus der Hüfte geschossen, aber auch eingängig genug, dass die älteren Herrschaften mit dem dicken Zeh mitwippen können.
Das folgende „Fandango!“ ist dann zweigeteilt. Die erste Seite ist nämliche eine Live-Aufnahme. Selbige entstand eher zufällig. Ein Hurrikane tobte gerade durch New Orleans und Teile des Equipments wurden im Veranstaltungsort abgestellt, welche dort eigentlich nichts zu suchen hatten. Das Band lief mit Zustimmung von ZZ Top während der Show zwar mit, war aber so nicht geplant. Man befand sich übrigens gerade auf einer Tour mit den Allman Brothers. Zu hören gibt es hier auch eine energiegeladene Version von „Jailhouse Rock“. Das „Backdoor Medley“ rückt einem danach die Frisur ordentlich zurecht. Der Band wurde zu diesem Zeitpunkt ja gerne vorgeworfen, dass sich die Songs nur wiederholen würden, aber wenn dies auf so wunderbare Weise wie mit „Mexican Blackbird“ geschieht, dann erfreut dies doch das Herz. Die Single „Tush“ ist zudem feinster Boogie mit ordentlich Rotz in der Stimme.
„Tejas“ darf als erstes Album der neuen ZZ Top Zeitrechnung gewertet werden. Die Songs auf dieser Platte sind wesentlich strukturierter und nicht mehr so wild. Der Boogie und Blues tritt ein ganze Stück in den Hintergrund. „Arrested For Driving White Blind“ schafft allerdings auch den Spagat die Wurzeln nicht zu vernachlässigen, aber sich auch auf zu neuen Ufern zu machen. Das Double-Bassspiel und der treibende Bass von Dusty Hill wussten seinerzeit bei „El Diablo“ zu überraschen. ZZ Top hatten sich definitiv weiterentwickelt. Ordentlich Wah-Wah gibt es bei „Snappy Kakkie“ auf die Ohren. Dies alles war sicher Ausfluss der „Worldwide Texas Tour, denn zu dieser Zeit entstanden die Songs. „Enjoy And Get It On“ oder „Pan Am Highway Blues“ können allerdings auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das alles etwas saft- und kraftlos wirkt. „Ten Dollar Man“ bäumt sich gesanglich zwar noch mal auf, aber so wirklich inspiriert ist das auch nicht. Ein Übergangsalbum eben, wie es so viele Bands im Backkatalog haben.
Mit „Degüello“ ändert sich dann einiges. Nach „Tejas“ brauchte besonders Billy Gibbons eine Auszeit und trieb sich in Europa herum – ohne Kontakt zu den anderen beiden. Als man sich dann doch wieder zusammenfand, stellten Gibbons und Hill fest, dass sie sich beide während dieser Zeit nicht rasiert hatten – das ZZ Top Markenzeichen schlechthin wart geboren. „Degüello“ ist durchaus stärker wie der Vorgänger. „She Loves My Automobile“ kehrt eindeutig zu den Blueswurzeln zurück, gleichwohl bei „Cheap Sunglasses“ erstmals Synthesizer zu hören sind. Dies sollte den Sound von ZZ Top für die kommenden Jahre bestimmen. Das Stück ist aber derart trocken und erdig, dass es eine Freude ist. Der Bluesrock von „I´m Bad, I´m Nationwide“ weiß ebenso zu gefallen wie der Blues-Standard von „Dust My Broom“ - im Original von Robert Johnson. „Lowdown In The Street“ kommt dem Sound der folgenden Jahre schon sehr nahe, ist aber auch etwas zahnlos. Alles in allem ist dies noch mal ein Album, welches auf der Schwelle zu einem ganz neuen Sound steht und aufsteigende Tendenz zeigt.
Die Bärte wurden länger, der Sound dafür umso harmloser. „El Loco“ ist auch heute noch eine Enttäuschung. Die Band spielte mit Overdubs herum und Produzent Bill Ham schliff sämtliche Ecken und Kanten weg. Erstmals nahmen die einzelnen Mitglieder nicht im selben Raum auf. Man betrat neues Terrain. Herausgekommen sind Vollkatastrophen wie „I Wanna Drive You Home“, „Teen Foot Pole“ und die schmalzige und ganz schlimme Ballade „Leila“. Mit ZZ Top der Anfangszeit hat dies nun nichts mehr zu tun. Der Gesang zieht einem dazu noch die Schuhe aus. „Pearl Necklace“ vereinigt den ganzen Grusel von „El Loco“ in einem Song.
Erstaunlicherweise kriegten ZZ Top mit dem achten Werk die Kurve. „Eliminator“ verkaufte sich alleine in den USA weit im zweistelligen Millionbereich. Der Rolling Stone nahm die Platte in die Liste der 500 besten Alben der Musikgeschichte auf und die Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame haben die Jungs ebenfalls diesem Werk zu verdanken. „Gimme All Your Lovin“ ist ja längst ein Klassiker und „Sharp Dressed Man“ ebenso legendär. Das Gitarrensolo hierin gilt zudem als eines der besten aller Zeiten. Mit „I Need You Tonight“ unterstreicht die Band, dass man in den 80ern angekommen ist, die Wurzeln aber keinesfalls vernachlässigen muss. „I Got The Six“ rockt sich dann auch noch wunderbar durch die Prärie. „Legs“ fällt ja auch irgendwie in die Klassikersparte, ist allerdings auch ein Stück mit den unschönen Auswüchsen des Jahrzehnts. Insgesamt ist das sicher ein sehr ordentliches Album, aber garantiert kein zeitloses, denn dafür ist es viel zu sehr im Sound der 80er gefangen. Mit „Bad Girl“ gibt es zum Schluss aber noch mal eine klassische Ansage!
„Afterburner“ setzt diese Richtung danach fort und könnte genauso als „Eliminator II“ durchgehen. Der Einsatz der Synthesizer tritt nun verstärkt in den Vordergrund und Dusty Hill gibt hier sein Bestes. „Sleeping Bag“ oder „Stages“ mögen zwar Hits gewesen sein, sind im Vergleich zum Blues-Boogie-Rock der Band aus früheren Zeiten allerdings nur traurige Anbiederungen an den Zeitgeist. Insgesamt wurden sieben(!) Songs aus der Platte ausgekoppelt – ZZ Top waren nun Superstars. Malen nach Zahlen, denn „Rough Boy“ bediente eine ganz neue Generation an Fans, versucht durch den Text allerdings auch die alten bei der Stange zu halten. Und so Pseudorocker wie „Can´t Stop Rockin´“ und „Dipping Low (In The Lap Of Luxury)“ gehen auch komplett den Bach runter. Alles in allem ein relativ furchtbares Album, welches natürlich voll und ganz dem Zeitgeist entsprochen hat. Der Erfolg sprach damals natürlich für die Band.
Mit „Recycler“ wurde es dann zum Glück wieder besser. ZZ Top haben hier den klinisch sauberen Weg der Vorgänger wieder verlassen. „Lovething“ und „Penthouse Eyes“ finden zurück zum Blues. Besonders „My Head´s In Mississippi“ lässt die Truppe zur alten Stärke auflaufen. So ganz befreit spielte die Band aber auch nicht auf, denn „Give It Up“ passt doch eher in die Disoc anstatt in die verrauchten Club. Auch „Doubleback“ geht in diese Richtung und biedert sich so beim Mainstream an. Ein Rocktrack wie „Burger Man“ schafft es aber die Identität der Band nicht zu verleugnen. Nach diesem Album wurde im Hause ZZ Top sowieso alles eine Hausnummer kleiner.
Fazit: Rhino/Warner legen mit „The Complete Albums 1970 – 1990“ von ZZ Top nun die ersten beiden Dekaden der Bärtigen in einer schmucken Box neu auf. Schön, dass die ersten Alben auch endlich im damaligen Soundgewand zu hören sind und nicht in der furchtbaren Nachbearbeitung der 80er! Die 70er waren sowieso eine immens starke Phase der Band. Erdiger Bluesrock, knochentrockener Boogie und staubiger Stoner Rock geben sich hier die Klinke in die Hand. Danach wurde es nicht besser, aber erfolgreicher. Zusätze hat man sich hier gespart: sprich kein Booklet, keine Liner Notes und auch keine Bonussongs, aber bei einem Preis von knapp 30 Euro gibt es da nichts zu meckern. Alles in allem wurde hier ein sehr schönes Paket geschnürt!
Text: Torsten Schlimbach
ZZ Top: La Futura
Universal
VÖ: 07.09.2012
Wertung: 8,5/12
ZZ Top sind seit mehr als vier Jahrzehnten im Geschäft, legten zuletzt aber eine ziemlich lange Pause ein. Neun Jahre wartete man nun auf ein neues Studioalbum. In dieser Zeit hat sich das Geschäft schon mehrfach gedreht, neu erfunden, Trends hervorgebracht und wieder begraben. Bands sind gekommen und wieder von der Bildfläche verschwunden. Für ZZ Top spielt das alles sowieso keine Rolle, denn die drei Jungs leben seit 42 Jahren in einer ganz eigenen Zeitrechnung. Manchmal aber auch in der falschen, denn wenn man ehrlich ist, dann gibt es im ZZ Top Backkatalog auch so manche Vollkatastrophe, die sich im Nachhinein als musikalischer Rohrkrepierer entpuppt hat. „La Futura“ gehört nicht dazu und wird es auch nie!
Produziert wurde das Ding übrigens von Rick Rubin und Billy F Gibbons! Über Rubin und seine Art zu arbeiten ranken sich viele Gerüchte – einige mögen den Tatsachen entsprechen, andere sicher weniger. Fakt ist, fast alles wo der Mann seine Hände im Spiel hat, ist gelungen. Ob sein Anteil an „La Futura“ nun besonders ausgeprägt ist, sei mal dahingestellt. Anscheinend war er genau richtig! Die Platte ist knochentrocken produziert. Keine unnötigen Spielereien, nur Rock and Roll! Spezialisiert wurde sich dabei vornehmlich auf den Blues und doch haftet dem Album auch eine gewisse Garagenmentatlität an. Weniger gelungen ist allerdings die Lautstärke, da diese hin und wieder doch arg übersteuert ist. Schade, da wurde eine Chance vertan, aber das trifft mittlerweile ja auf viele Produktionen aus dem Rockbereich zu.
Dies war es aber auch fast schon, was es an „La Futura“ zu kritisieren gibt. Gut, die Ballade „Over You“ ist purer Kitsch und das überschreitet die Schmerzgrenze schon gewaltig. Aber das war es wirklich jetzt. Die übrigen neun Songs lassen einen mit offenem Mund zurück. Die drei betagten Herren rocken derart auf den Punkt, dass einem die Spuke wegbleibt. Dabei hört sich die Platte dann nicht mal altbacken an. Nach so einem Bluesstampfer wie „Heartache In Blue“ suchen die Stones seit – sagen wir mal den 70ern – kriegen so eine Nummer aber nicht mehr auf die Reihe! Das Mundharmonikaspiel ist schon allererste Sahne.
Der knarzige Auftakt mit „I Gotsta Get Paid“ dürfte gar zum Besten gehören, was die Band je gemacht hat. Ein gewisser Quentin Tarantino freut sich immer wieder über Songs mit einer derartigen Atmosphäre. Sein nächster Film kommt bestimmt. Was ist das? Western? Blues? Rock? Die Nummer groovt jedenfalls wie Hölle. Das Motto von ZZ Top lautet ja „You just can´t lose with the Blues“ und dies unterstreichen sie gleich mehrfach. „Chartreuse“ oder „Consumption“ hören sich dabei dann gar so an, als hätte Neil Young & Crazy Horse jetzt eine Vorliebe für den Blues entdeckt. Dazu dann noch ein knochentrockenes Rockstück wie „Flyin´ High“ und fertig ist endlich mal wieder eine ZZ Top Platte die rockt. Es knirscht zwischen den Zähnen und man kann den Staub förmlich auf der Haut spüren. „Big Shiny Nine“ ist zwar etwas einfallslos aber auch nicht wirklich schlecht. Mit „Have A Little Mercy“ schütteln die Jungs allerdings noch mal einen lässigen Grover aus dem Ärmel, der es in sich hat.
Fazit: Das hätte man ZZ Top nicht mehr unbedingt zugetraut. „La Futura“ ist nach 42 Jahren im Geschäft noch mal ein dickes Ausrufezeichen. Blues und Rock geben sich die Klinke in die Hand und sind oftmals derart auf den Punkt gebracht, dass einem das Herz aufgeht. Leider etwas zu übersteuert und mit einem Ausreißer nach unten. Das tut dem guten Gesamteindruck allerdings keinen Abbruch! „La Futura“ ist eine der musikalischen Überraschungen des Jahres – zumindest wenn man sich von der Scheibe nicht viel versprochen hat.
Text: Torsten Schlimbach