Bob Dylan: Shadow Kingdom
Sony
VÖ: 02.06.2023
Wertung: 12/12
Tipp!
Bob Dylan ist die Wundertüte des Musikgeschäfts. Letztes Jahr bot er in einer Art Film Noir-Atmosphäre seine frühen Songs dar. Nun ja, seine frühen Songs meint in diesem Fall einen Zeitraum von 1965 bis 1989. Vielleicht ist diese Bezeichnung dem speziellen Dylan Humor geschuldet, vielleicht meint er das aber auch tatsächlich bierernst. Bei Dylan ist eben alles möglich. Auch Interpretationen seiner bekannten Hits, die selbige nicht mehr erkennen lassen, weil sie völlig anders arrangiert wurden, die musikalische Umsetzung eine andere ist und die Phrasierung von Dylan sowieso alles auf den Kopf stellt. Fans lieben ihn dafür.
Die Sause vom letzten Jahr würde „Shadow Kingdom“ betitelt – natürlich, wie auch sonst? Der Anlass schrie nach einer akustischen Umsetzung. Ganz so strickt hat Dylan das allerdings nicht gehandhabt und somit wurde das alles halbakustisch in Szene gesetzt. In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass hin und wieder eine Telecaster dazwischen prescht. Die musikalische Führung obliegt in großen Teilen dem Akkordeon! „Tombstone Blues“ gerät so zu einem Höhepunkt der großartigen Arbeit von Dylan. Jetzt mag man einwenden, dass dieser Song ja schon immer ein Monument war. Natürlich, aber so entschleunigt wirkt das Stück noch mal erhabener und kriegt eine Grandezza verliehen, dass einem das Herz aufgeht.
Manchmal bedarf es aber auch gar keiner Worte, wie das großartige „Sierra´s Theme“ ganz zum Schluss ganz dick unterstreicht. Zurücklehnen, eintauchen und genießen! Und ja, die Mundharmonika wird auch wieder ausgepackt. Das wunderschöne „Queen Jane Approximately“ stellt dabei aber noch mal unter Beweis, dass dieses Instrument im Kontext eines Bob Dylan-Songs immer eine Bereicherung darstellt! „I´ll Be Your Baby Tonight“ shuffelt und rockt sich lässig durch drei Minuten. Was ist eigentlich mit der Stimme von Dylan los? So gut klang der Mann ja schon lange nicht mehr! Er barmt, flüstert und grollt sich in absoluter Hochform durch dieses Set.
Großartig ist „What Was It You Wanted“ umgesetzt worden! Der Song ist geisterhaft, geheimnisvoll, melancholisch, aber auch von einer Dringlichkeit durchzogen, die beim Hörer durchaus eine Gänsehaut verursachen könnte. Dylan, der alte Schamane hat es mal wieder geschafft. Er überrascht nicht nur, nein, seine Musik nimmt den geneigten Hörer wieder vollkommen gefangen. Er weiß eben, wie er das inszenieren muss, den Rest erledigt die Musik. „Forever Young“ kriegt auch noch mal ein neues Tempo und ein neues Arrangement verpasst. So bleibt auch dieser Schinken spannend. Das gilt selbstverständlich auch für „It´s All Over Now, Baby Blue“. So hält der Mann das für seine Fans, aber in erster Linie auch für sich selber interessant.
Fazit: Der Musiker Bob Dylan ist und bleibt eine Wundertüte und selbstverständlich eine Ausnahmeerscheinung. „Shadow Kingdom“ ist einfach großartig! Die reduzierten aber effektvollen Arrangements machen aus den Songs so manches Kleinod! Das ist ganz große Kunst eines Künstlers, der nicht stillsteht, selbst bei einem Blick in die eigene Vergangenheit. Man darf dankbar sein, dass man zu selben Zeit wie dieser Mann, der einen immer wieder zu überraschen vermag, lebt!
Text: Torsten Schlimbach
Bob Dylan: Travelin' Thru 1967-1969 – The Bootleg Series Vol.15
Sony
VÖ: 01.11.2019
Wertung: 12/12
Tipp!
Die Bootleg Serie von Boby Dylan zählt sicher zu einer der besten im gesamten Musikzirkus. Da wurde schon so mancher Schatz aus den Archiven gehoben. Fans dürften jedes Mal Freudentränen in den Augen haben. Man denkt ja (fast) mit jeder Veröffentlichung aus dieser Reihe, dass es nun tatsächlich nicht mehr besser werden kann. Und mit jeder neuen Veröffentlichung staunt man dann doch Bauklötze. So ist es auch mit der neuerlichen, fünfzehnten Runde. „Travelin' Thru 1967-1969“ hält 47 bislang unveröffentlichte Aufnahmen aus den Aufnahmesessions in Nashville bereit. Die schließt dann logischerweise auch die Alben „John Wesley Harding“, „Nashville Skyline“ und „Self Portrait“ mit ein. Höhepunkte dieses üppigen Sets sind aber ohne Zweifel die 69er Studiosession von Bob Dylan und Johnny Cash!
Auch „Travelin' Thru 1967-1969 – The Bootleg Series Vol.15“ ist wieder hervorragend gestaltet worden. In der bewährten Aufmachung hält der Schuber die CDs bereit, die jeweils thematisch angeordnet sind und noch mal eine eigene Hülle erhalten haben. Das Booklet ist abermals ein richtig dickes Büchlein geworden und reich bebebildert. Hier wird auch noch mal die Zusammenarbeit von Dylan und Cash umfangreich dokumentiert. Die Liner Notes stammen vom Musik-Historiker Colin Escott und von Johnny Cash-Tocher Rosanne Cash! Das alleine ist schon sein Geld wert!
Zunächst gibt es auf der ersten CD die John Wesley Harding Sessions. Sieben alternative Versionen gilt es da für den geneigten Hörer zu entdecken. Die Klangqualität ist übrigens ziemlich beeindruckend. Oftmals hat man bei solchen Geschichten ja mit sehr vielen Schwankungen des Materials zu tun und von dumpf bis leise ist das nicht immer ein Spaß. Bei diesen Stücken hier ist das komplett anders. Von „Drifter´s Escape“ ist Take 1 enthalten. Eine sehr beeindruckende Interpretation, die man schon so auf das Album hätte pressen können. Das zärtliche „Dreamed I Saw St. Augustine“ ist mit Take 2 vertreten. Herausragend ist die treibende Version von „All Along Watchtower“. Take 3 steht ganz im Fokus von Akustikgitarre und Mundharmonika.
Wie viel Melancholie man schon in einen ersten Take legen kann, zeigt sich mit dem schon perfekten wie berührenden „As I Went Out One Morning“. „I Am A Lonesome Hobo“ hat im vierten Take den typischen Dylan-Gesang und seine patentierte Phrasierung zu bieten. Die anderen Tracks waren gesanglich ein ganzes Stück klarer. Da ist beispielsweise der Kontrast zu „I Threw It All Away“ von den „Nashville Skyline Sessions“ sehr groß. „Lay, Lady, Lay“ gefällt mit einer etwas puristischen Ausarbeitung. Mit „Western Road“ gibt es übrigens einen komplett unbekannten Song aus den „Nashville Sessions“ zu hören. Warum man diese Nummer in den Archiven versteckt und vergessen hat, ist völlig unverständlich. Das ist eine absolute erstklassige Blues-Nummer. Was alles auf der Akustikgitarre möglich ist, kann man hier nachhören. Das passt doch gut zum lässigen „Peggy Day“ oder „Country Pie“. Letztgenannter Song ist eine Sternstunde von Dylan aus dieser Zeit.
Auf der zweiten CD geht es dann an das Eingemachte und die Zusammenarbeit Dylans mit Johnny Cash und beinhalten die sagenumwobenen Aufnahmesessions im Columbia Studio A in Nashville. Am 17. und 18. Februar 1969 trafen sich Dylan und Cash mit einer Band, bei der auch der Rock’n’Roll-Pionier und Gitarrist Carl Perkins auf sechs Tracks mitspielte, unter anderem bei seiner eigenen Komposition „Matchbox“.
Herausragend ist „Don´t Think Twice, It´s all Right/Understand Your Man“ von den Proben - gleichzeitig gespielt und gesungen, zollen sich die beiden gegenseitig Tribut. Die launigen Ansagen unterstreichen zudem, dass da zwei auf der Bühne und im Studio standen, die bestens miteinander auskamen. Bei „One Too Many Morning“ ist Cash mit seiner Stimme sehr dominant, was sich mit Take 1 von „Mountain Dew“ noch manifestiert. Dylan hält sich schon im zweiten Take zurück. Dafür ist Dylan bei dem schon erwähnten „Matchbox“ sehr präsent und auch Cash ist voll in seinem Element. Carl Perkins veredelt die Nummer sehr schön. „That´s All Right Mama“ ist ebenfalls von den Dreien wundervoll umgesetzt worden. Die Backingband macht zudem auch einen phantastischen Job. „Mystery Train/This Train…“ gibt dem Hörer einen Einblick in die gemeinsame Arbeit und zeigt, wie sich die beiden Herren auch die Songs draufschaffen mussten. „I Walk The Line“ und „Ring Of Fire“ fehlen übrigens auch nicht. Es sind Cash-Songs, da kann sich Dylan als Duettpartner noch so mühen. Klasse ist „Wanted Man“, während „Amen“ nur Stückwerk ist. In „Just A Closer Walk With Thee“ geht Cash voll und ganz auf. Die beiden Jimmie Rodgers Medleys sind wundervoöö umgesetzt worden. Von der Johnny Cash Show sind „I Threw It All Away“, „Living The Blues“ und „Girl From The North Country“ vor.
Von den „Self Portrait Sessions“ sind auch noch zwei Outtakes enthalten. Die sind übrigens der Hammmer. Dylan intoniert „Ring Of Fire“ in einer Art Western-Rock-Saloon-Version, wie es die Welt noch nicht gehört hat. Großartig! Großartig! Großartig! „Folsom Prison Blues“ hat er ebenfalls komplett neu arrangiert - sensationelle Interpretation! Die Aufnahmen Dylans mit der Bluegrass-Banjo-Legende Earl Scruggs für dessen PBS TV Special „Earl Scruggs: His Family and Friends“ runden das Set und die dritte CD ab. „To Be Alone With You“ ragt dabei heraus!
Fazit: Das gesamte Set ist herausragend und von historischem Wert. Dylan und Cash waren für den Augenblick ein perfektes Duo. Man hört, dass sich die beiden gut verstanden und gegenseitig schätzten. Es sind hier einige herausragende Interpretationen vertreten, die nun endlich auch zugänglich gemacht werden. Dies ist nicht nur für Dylan-Fans ein Fest!
Text: Torsten Schlimbach
Bob Dylan: Trouble No More – The Bootleg Series Vol. 13
Sony
VÖ: 03.11.2017
Wertung: 8,5/12
„The Bootleg Series“ von Bob Dylan ist zweifelsohne eine der besten Musikarchiv-Reihen die es gibt. Hier werden dem geneigten Zuhörer und Fan unglaublich viele Schätze vergangener Schaffensphasen zugänglich gemacht. Mit „Trouble No More“ werden nun in dieser Reihe die ungeliebten Dylan-Jahre beleuchtet. Bob Dylan wurde seinerzeit erleuchtet und hatte den Weg zu Gott gefunden. Die Konzerte jener Tage glichen eher einer Messe und die Klassiker blieben vor der Hallentür. Selbst unter dem harten Kern seiner Anhänger machte sich großer Unmut breit. Folglich wurden die Hallen, in denen Dylan gastierte, immer kleiner und selbst diese waren nicht ausverkauft. Mit der Albumtriologie „Slow Train Coming“, „Saved“ und „Shot Of Love“ – die sich von 79 bis 81 erstreckte – beschäftigte sich der Meister zu jener Zeit mit spirituellen Themen. Seine damalige Hinwendung zum Christentum hielt Einzug in die Songs.
Die Alben waren teilweise phlegmatisch und seltsam uninspiriert. Mitunter konnte man den Eindruck gewinnen, dass Dylan das Interesse am Aufnehmen verloren hatte und nur schnell das Material einspielen wollte. Dies ist insofern sehr schade, da er zu jener Zeit eine erstklassige Band im Rücken hatte und auch die Backgroundsänger eine absolute Bereicherung darstellten. Die Konzerte waren insofern wesentlich besser als sie damals bei der Kritik und den Fans wegkamen. Mittlerweile wird darauf aber auch gerne mit einem verklärten Blick geschaut. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte, denn es gab auch durchaus die eine oder andere Länge auf den Konzerten zu überstehen. All dies kann man nun in einer Box auf acht CDs plus einer DVD nachhören bzw. gucken.
Wer es komprimierter mag, der greift auf die 2CD-Version zurück. Ja, Dylan hatten zu Gott gefunden und wer dagegen eine Aversion hat, wird sich mit diesem Set sehr schwer tun. Der Lord wird gepriesen, (an)gerufen und gelobt. Dylan goes Gospel und zwar in seiner reinsten Form. Man höre sich nur „Solid Rock“ an. Besonders intensiv ist da die Version vom 23.10.1981. Der Backgroundgesang alleine ist schon für eine Gänsehaut gut. Beachtlich ist das Klangbild! Das darf man ja schon als sensationell einstufen, denn hier ist jede Nuance, auch jeder kleine Verspieler, auszumachen. Die einzelnen Instrumente verschwimmen zu keinem Brei, sondern stehen für sich alleine und legen ein beeindruckendes Zeugnis der damaligen, großartigen Performances ab!
Das mag Gospel sein, aber das rockt natürlich auch. Die Gitarre bei „Slow Train“ vom 16.11.1979 jault wie ein läufiger Straßenköter. Thematisch lassen Songs wie „I Belive In You“, „When He Returns“ oder „In The Garden“ sicher keine Fragen offen. Es dürfte klar sein, wer oder was hier besungen wird. Das ist hin und wieder, auch musikalisch, ermüdend und hat durchaus seine Längen. Dann wiederum ist das derart inspirierend, dass einem der Mund offenstehen bleibt. Und es stimmt sicher nicht, dass Dylan zu dieser Zeit den Rock völlig aus den Augen verloren hatte. Da ist ja auch sehr viel Blues dabei, „Are You Ready?“ ist da ein heimlicher Höhepunkt des Sets. Die Drums spielen sich in einen Rausch, der Bass ist Herz und Fundament und die Gitarre kommt aus den tiefsten Sümpfen angekrochen. Für den sakralen Unterbau sorgt die Orgel und der Backgroundgesang ist selbstredend für den Gospeleinschlag verantwortlich. Und der Meister? Ist – wie auf dem gesamten Set – klar und deutlich zu verstehen. Dies ist nämlich auch eine Besonderheit jener Jahre: Dylan nuschelte weniger und seine Worte kamen dann auch beim Zuhörer an. Die Ballade „Pressing On“ wirkt dann zwar, als würde man einem Gottesdienst lauschen, aber das gehört eben auch zu dieser Phase.
Die Aufmachung des 2CD-Sets ist abermals erstaunlich üppig ausgefallen – besonders vor dem Hintergrund, dass die Geschichte ja nur unwesentlich teurer als eine schnöde Einzel-CD ist. Ein stabiler Karton umschließt die CD-Hülle und das üppige Booklet. Wobei man hier im Grunde nicht von einem Booklet reden kann, denn dabei handelt es sich um ein kleines Büchlein, wie man es von den bisherigen Veröffentlichungen von „The Bootles Series“ her kennt. Das ist schon sehr hochwertig in der Verarbeitung. Ein sehr aufschlussreicher Text lässt einen noch tiefer in diese Dylan-Phase eintauchen und selbstverständlich gibt es auch noch viele Songinformationen. Viele Fotos, auch der Konzertkarten, runden das sehr schön ab.
Fazit: Die Jahre von 79 bis 81 sind – auch bei Fans – als ungeliebte Phase in die Dylan-Analen eingegangen. Der gute Bob wurde von Gott erleuchtet und ließ jeden daran teilhaben. „Trouble No More“ beleuchtet das nun alles noch mal in Rahmen von „The Bootleg Series“. Wer allerdings immer noch behauptet, dass Dylan zu dieser Zeit nicht gerockt hat, sollte sich mal „Shot Of Love“ anhören. Natürlich ist das alles sehr spirituell, aber der Sound ist formidabel und die Band (inklusive Backgroundgesang) hervorragend. Sehr viel Gospel, aber auch Blues und Rock gibt es da zu hören. Man kommt nicht umhin zu sagen, dass das durchaus einige Längen hat, dafür kann man die Worte des Meisters endlich mal verstehen. Diese Dylan- Jahre waren keineswegs verlorene Jahre! Die Aufmachung ist gewohnt überragend!
Text: Torsten Schlimbach
Bob Dylan: The Very Best Of
Sony
VÖ: 02.12.2016
Bob Dylan kommt aus der Feierei ja überhaupt nicht mehr heraus. Sein 75. Geburtstag stand 2016 an und dann kriegt er nächste Woche auch noch den Literaturnobelpeis verliehen. Bisher ein Novum! Mit „The Real Royal Albert Hall 1966 Concert“ erscheint nun auch noch ein bisher unveröffentlichtes Konzert vom 26. Mai 1966. Und dann wäre da natürlich auch noch die obligatorische „The Very Best Of“. Ja, das Weihnachtsgeschäft will ja auch noch mitgenommen werden. Aber liebe Leute von der Plattenfirma, muss man das denn wirklich mit "das Album zum Literaturnobelpreis" betiteln? Ernsthaft? Das ist ja schon wieder unfreiwillig komisch.
Und wie kann man bitteschön auf die Idee kommen, dass man einen der besten Backkataloge der Musikgeschichte mit einer CD abbilden kann? Das ist einfach ein Unding. Immerhin gibt es „The Very Best Of“ auch als Doppel-CD bzw. Deluxe Edition. 35 Songs hat man da zusammengestellt. Das Booklet ist natürlich eine Farce. Es gibt die Trackliste, drei bekannte Bilder und Werbung(!) für andere Dylan-Alben. Leute, Leute.
Die Songs sind natürlich allesamt über jeden Zweifel erhaben! Das gehört zum Kanon der Musikgeschichte und Kulturgut der Menschheit. „Like A Rolling Stone“ steht in vielen Bestenlisten ja nicht ohne Grund ganz vorne. „Blowin´ In The Wind“ wird an den Lagerfeuern dieser Welt auch im Jahre 2016 gesungen und in hundert Jahren wird das auch nicht anders sein. „Knockin´On Heaven´s Door“ und „All Along The Watchtower“ wurden bisher schon sehr oft von einer Vielzahl seiner Kollegen gecovert und natürlich zählen „Maggie´s Farm“, „I Shall Be Released“ oder „Forever Young“ zu den bekannten Dylan Songs. Immerhin wurde die Tracklist gut durchgemischt und auch seine neueren Arbeiten bedacht.
Fazit: Natürlich kann man mit einer „The Very Best Of“ von Bob Dylan nicht viel falsch machen. Die hier vertretenen Songs sollte man schon kennen und im Schrank stehen haben. Das ist das Minimum. Im Grunde gehört aber in jede vernünftige Musiksammlung das eine oder andere Album von Dylan. Da gibt es doch so manches Meisterwerk, welches als Ganzes genossen gehört! Warum man jetzt „The Very Best Of“ allerdings noch mit dem Literaturnobelpreis in Verbindung bringen muss, sei dann doch mal kritisch hinterfragt. Hier wird auf das obligatorische Weihnachtsgeschäft geschielt – nicht mehr und nicht weniger. Das dürftige Booklet hat ja nicht mal einen Songtext zu bieten.
Text: Torsten Schlimbach
Bob Dylan: The Best Of The Cutting Edge 1965 -1966 The Bootleg Series Vol. 12
Sony
VÖ: 06.11.2015
Wertung: 12/12
Tipp!
Jetzt geht „The Bootleg Series“ also in die nächste Runde und mit dieser zwölften Ausgabe wird dann endlich der heilige Gral gefunden. Einstweilen zumindest. Die heilige Dreifaltigkeit, bestehend aus „Bringing lt All Back Home“, „Highway 61 Revisited“ und „Blonde On Blonde“ hat die Populärmusik nachhaltig beeinflusst und verändert. Diese Alben darf man mit Fug und Recht als essenziell bezeichnen. Die Kreativität schien bei Dylan und seiner Poesie zu dieser Zeit keine Grenzen zu kennen, denn immerhin entstanden diese drei Meisterwerk in einem Zeitraum von vierzehn Monaten. Mit „Blonde On Blonde“ war dann sogar noch ein Doppelalbum dabei. Dylan war zu jener Zeit auf dem Zenit angekommen und nicht umsonst befassen sich viele Bücher über Dylan nur mit diesen zwei Jahren oder einzelne Songs.
Man könnte ja jetzt auf die Idee kommen, dass eigentlich schon vieles aus der Phase über den einen oder anderen Kanal den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Weit gefehlt. „The Bootleg Series Vol. 12“ gibt es nun nämlich in der einfach gestrickten Variante „The Best Of The Cutting Edge“, aber eben auch in einer 6 CD-Version. Das ist sicher schon ganz nett, aber wer da richtig tief eintauchen will, der greift dann gleich zur 18(!) CD-Box, die man allerdings nicht bei den einschlägig bekannten Online-Shops bestellen kann. Wie dem auch sei, das ist auf jeden Fall mal eine Ansage und eine teure Angelegenheit obendrein. Weihnachten steht aber vor der Tür und da wird der geneigte Hardcore-Fan sicher schon seinen Wunschzettel geschrieben haben. Die Box ist allerdings auf 5.000 Stück limitiert. Schnell sein, liebes Christkind.
Als Zuhörer wird man in diese Phase der Produktivität reingeworfen und dies ohne Netz und doppelten Boden. Das Piano Demo von „I´ll Keep It With Mine“ alleine ist ja schon das Eintrittsgeld wert. Die obligatorische Mundharmonika darf da keinesfalls fehlen. Und natürlich hat dieses Set sehr viel Charme. Der Lachanfall bei „115th Dream“ zeigt, dass es zu dieser Zeit durchaus unbeschwert zuging. Wie Dylan dann noch mal solo und akustisch loslegt lässt einem kaum Zeit durchzuatmen. Da dürfte so manche Rapper vor Neid erblassen. Dylan feuert die Worte nur so raus, dass es einem die Schuhe auszieht. Der erste Take von „She Belongs To Me“ ist – wie so vieles hier – bis auf das Grundgerüst reduziert. Der erste Take von „Subterranean Homesick Blues“ ist derart zwischen Folk, Blues, Americana und Western ausgefeilt, dass man das Stück auch so auf Platte hätte pressen können. Zu bewundern gibt es sowieso sehr viel auf dieser Zusammenstellung. „Outlaw Blues“ ist einfach nur großartig.
Von den ganz großen Klassikern seines umfangreichen Kanons gilt es auch noch jede Menge zu entdecken. „Mr. Tamourine Man“ wird mit Band vorgetragen, der dritte Take ist allerdings auch nicht komplett. „Like A Rolling Stone“ - in der Box gleich mit einer eigenen CD vertreten – wird mit Take 5 (1:45 Minute!) und Take 11 gewürdigt. Und dann wäre da ja noch das Demo von „Desolation Row“, wo sich Dylan am Piano begleitet, sowie eine epische Fassung über elf Minuten eben jenes Meisterwerks.
„Visions Of Johanna“ ist auch so ein Höhepunkt des Sets. Man kennt die Version auf „Blonde On Blonde“, die nichts mit der hier vertretenen Fassung zu tun hat, denn Dylan versucht das Stück in Rockgefilde zu treiben. Lustig und erhellend sind die vielen Kommentare zwischen den Stücken, wo sich Bob Johnston dann auch schon mal nach den Namen erkundigen muss. Es gab zu dieser Zeit ja eben auch unglaublich viel neue Musik von Dylan, da konnte man im Studio eben noch nicht alles verinnerlichen. Manches war allerdings auch schon recht ausgereift, wie beispielsweise „I Want You“, denn die Version ist schon sehr nahe an der Albumvariante dran. „Just Like A Woman“ hingegen shuffelt sich noch fröhlich durch die Prärie. Beendet wird das Set mit „Highway 61 Revisited“ - also irgendwie jedenfalls.
Die Aufmachung des Sets ist ganz in der Tradition der bisherigen Veröffentlichungen dieser Reihe gehalten. Das dicke Büchlein gibt einem dann weitere Einblicke in den Produktionsprozess und diese immens kreative Phase von Dylan und lässt einen noch etwas tiefer in die damalige Zeit eintauchen. Ein Stück Zeitgeschichte wird auch auf diesem Wege kongenial eingefangen. Viele Fotos runden das dann wunderbar ab.
Fazit: „The Best Of The Cutting Edge 1965 -1966 The Bootleg Series Vol. 12“ ist, der Titel lässt es mehr als nur erahnen, eine Zusammenstellung der eigentlichen Werkschau dieser Dylan-Phase, deren üppigste Ausgabe dann gleich 18 CDs zu bieten hat! Der Inhalt ist für die Populärmusik von unschätzbarem Wert! Für den Zuhörer ist es so, als würde man mit Dylan im Studio stehen und an dem Aufnahmeprozess teilhaben. Faszinierend und auf seine Weise sicherlich einzigartig. Essenziell in jeglicher Hinsicht und dies nicht nur für Hardcore-Fans!
Text: Torsten Schlimbach
Bob Dylan: The Basement Tapes Complete – The Bootleg Series Vol. 11
Sony
VÖ: 31.10.2014
Wertung: 10/12
Tipp!
Um die Sessions von Bob Dylan und seiner Band aus dem Jahre 1967 ranken sich viele Mythen und Geschichten. Die sogenannten „Basement Tapes“ beschäftigen die Kritiker und Fans seit vielen Jahrzehnten und es werden immer wieder neue Dinge überliefert. Man erzählt sich da wahre Wunderdinge und es war bis jetzt immer ein Traum, dass die daraus resultierende Musik in Gänze zugänglich gemacht wird. Hoffnungen in dieser Hinsicht waren die letzten Jahre durchaus berechtigt, denn spätestens seit die grandiose „Bootleg Series“ in losen Abständen veröffentlicht wird, deuteten immer wieder einige Zeichen in diese Richtung. Bisher fehlten allerdings einige Aufnahmen und somit schien dieses Unterfangen dann doch fast unmöglich. Dass es nun doch klappt, liegt an folgender Tatsache: die Originalbänder wurden einer sorgfältigen Restauration unterzogen, wovon einige erst kürzlich entdeckt wurden!
Es ist ja hinlänglich bekannt, dass sich Dylan im Juli 66 bei einem Motorradunfall schwer verletzte. Zur Genesung zog er sich komplett zurück und verschwand somit erstmals wieder aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Gemeinsam werkelte er im Kellergeschoss eines kleinen Hauses in New York mit Robbie Robertson, Rick Danko, Richard Manuel, Garth Hudson und Levon Helm an vielen Songs herum. Dieser Prozess zog sich über mehrere Monate hin und am Ende konnten die Herren auf mehr als 100(!) Songs zurückblicken. Darunter waren viele Traditionals und Coverversionen zu finden, aber auch schon sehr viele Dylan-Songs, die später zu Klassikern werden sollten.
Was damals an dem Aufnahmeort, der Big Pink getauft wurde, entstand, beschäftigt die Dylanologen bis zum heutigen Tag. 1975 wurden zwar schon mal 16 Songs auf einem Doppelalbum mit dem Titel „The Basement Tapes“ veröffentlicht – allerdings auch mit acht Tracks von The Band, ohne Dylan – aber erst jetzt dürften alle glücklich strahlen, denn die ganze Geschichte wird nun in einer aufwendigen 6-CD-Box veröffentlicht, die optisch sowie inhaltlich keine Wünsche mehr offen lassen dürfte.
Von der ganzen Sause gibt es nun aber auch noch eine Art „Best Of“, was immerhin auch noch 38 Songs bedeutet! Wie es bei dieser wunderbaren Serie üblich ist, gibt es ein wirklich herausragendes Booklet, welches in kleiner Buchform geliefert wird. Das macht alles einen sehr wertigen Eindruck. Das dicke (Hochglanz-)Papier hält einige rare Bilder und einen sehr erhellenden Text für den geneigten Käufer bereit. Schon hiermit kann man sich über Stunden beschäftigen.
Von den Songs darf man jetzt klanglich keine Quantensprüngen erwarten. Von vielen Tracks findet man hier aber wunderbar restaurierte Versionen wieder. Ein Teil der Songs wurde gar erstmals digital bearbeitet. Wer Dylan schätzt, wird sich in diese Veröffentlichung verlieben. Es gibt so beispielweise von „I Shall Be Released“ eine frühe Version zu hören, die sich textlich von den bekannten Veröffentlichungen des Stücks unterscheidet. „Blowin´ In The Wind“ liegt in einer Country-Version vor, die einem die Schuhe auszieht. Selbstverständlich bisher ebenfalls nicht veröffentlicht. Oder „Folsom Prison Blues“ mit seiner mitreißenden Art – ein Hochgenuss. „One Too Many Morning“ und „I Don´t Hurt Anymore“ sind schon Gründe genug sich diese neuerliche Ausgabe der „Bootleg Series“ anzuschaffen – brillant. Die vielen alternativen Versionen sind genial. Von „Odds And Ends“ über „Too Much Of Nothing“, „You Ain´t Going Nowhere“ bis hin zu „Don´t Ya Tell Henry“ wurde hier eine Schatzkiste geöffnet, die viele Menschen sehr glücklich machen wird.
Fazit: Es ist geschafft! Bis auf ganz wenige und unbrauchbare Aufnahmen ist jetzt endlich alles von Dylan veröffentlicht, was damals in Big Pink aufgenommen wurde. „The Basement Tapes“ ist endlich komplett! Die abgespeckte Version ist aber schon sehr hörenswert. Der Sound wurde liebevoll restauriert, kann aber natürlich nicht mit heutigen Produktionen mithalten, hat dafür aber unglaublich viel Seele. Manche Stücke werden nun erstmals veröffentlicht, andere liegen in aufregenden, alternativen Versionen vor. Essenziell und für jeden Dylanologen ein absolutes Muss!
Text: Torsten Schlimbach
Bob Dylan: The 30th Anniversary Concert Celebration (Deluxe Edition)
Sony
VÖ: 28.02.2014
Wertung: 10/12
Tipp!
Am 16. Oktober 1992 traf sich im New Yorker Madison Square Garden die erste Garde der Rockmusikanten um den König aus den eigenen Reihen zu ehren. Bob Dylan hatte geladen und alle sind sie gekommen. Gefeiert wurde das 30. Jubiläum von Bob Dylans erstem Album auf Columbia Records. Die Show dauerte mehr als vier Stunden und wurde weltweit übertragen. Das historische Musikevent in Starbesetzung wurde in einem neuen High-Definition-Videomaster mit digital optimiertem Ton umgesetzt und ermöglicht es nun, dass die Sause zum ersten Mal auf DVD und Blu-ray erscheint. Die CD-Ausgabe darf dabei natürlich auch nicht fehlen, angereichert mit Bonusmaterial.
Hört man sich diese Reiusse nun an, dann wird man den Eindruck nicht los, dass da erfreulicherweise ordentlich am Ton geschraubt wurde. Die ganze Kiste kommt jetzt wesentlich druckvoller und fetter daher. Die ursprüngliche Geschichte war in dieser Hinsicht ja leider etwas schwach auf der Brust. Man muss sich nur mal die Konzertversion von „Don´t Think Twice, It´s Alright“ von Eric Clapton anhören, da geht einem ja das Herz auf. Klarer Sound und fein austariert. Jedes Instrument ist deutlich auszumachen und dann auch noch mit ordentlich Wumms dahinter. So soll es sein. Auf der ersten CD gibt es als Bonus auch noch den Soundcheck dieser Nummer von Clapton zu hören. Sehr schön. Ebenfalls liegt noch „I Believe In You“ in einer sehr reduzierten Version von Sinead O´Connor vor – auch vom Soundcheck. Eine sehr schöne und rohe Fassung, inklusive Klarinette. Als CD-Abschluss ist das allerdings eine seltsame Wahl, da dieser Platz doch eigentlich dem Meister gehören sollte, dem dieser ja auch mit „Girl From The North Country“ reserviert war.
Höhepunkte gibt es hier viele. „All Along The Watchtower“ von Neil Young gehört sicher dazu. Sehr schön ist auch „My Back Pages“ mit Roger McGuinn, Tom Petty, Neil Young, Eric Clapton, George Harrison und natürlich Bob Dylan. Da fehlt ja nur noch Bruce Springsteen und es wären alle versammelt gewesen. „Rainy Day Women #12 & 35“ ist natürlich wie gemalt für Tom Petty. Musikalisch hält er sich da ganz an die Vorlage und auch stimmlich orientiert er sich da sehr stark bei Dylan, was ja keine Überraschung sein dürfte. Schön, wie die Fans zum Refrain immer wieder miteinsteigen.
Eddie Vedder und Mike McCready sind übrigens die Einzigen die hier dabei sind, die aus einer ganz anderen Musikergeneration stammen und eine elegische Version von „Masters Of War“ abliefern. Kein anderer außer Lou Reed konnte „Foot Of Pride“ interpretieren. Er macht den Song zu einem – na klar – Lou Reed Ding. John Mellencamp und Kris Kristofferson dürfen auf so einer Party natürlich auch nicht fehlen. Das musikalische Gerüst dieser Veranstaltung besteht aus drei Mitgliedern von Booker T. & The M.G.'s, G.E. Smith an der Gitarre sowie Jim Keltner und Anton Fig an den Drums. Besser geht es kaum!
Fazit: „The 30th Anniversary Concert Celebration (Deluxe Edition)“ ist in der Reissue Fassung eine sehr schöne Überraschung. Der Sound scheint deutlich verbessert, es gibt zwei Bonustracks und die Riege der auftretenden Künstler ist natürlich ganz exquisit. Im Grunde sollte man sich die ganze Sause natürlich auch angucken und somit direkt zu den beiden DVDs oder der Blu-ray greifen.
Text: Torsten Schlimbach
Bob Dylan: Another Self Portrait (1969 – 1971) The Bootleg Series Vol. 10
Sony
VÖ: 23.03.2013
Wertung: 11/12
Tipp!
Bob Dylan hat es seinen Fans zu Beginn der 70er nicht gerade leicht gemacht. „Self Portrait“ rief seinerzeit viele Emotionen hervor, positive waren selten dabei. Die Kritiker zerrissen das Album nach allen Regeln der Kunst und selbst die Hardcorler mussten sich eingestehen, dass dieser Zuckerguss kaum etwas mit den großartigen Platten des Meisters aus dem zurückliegenden Jahrzehnt zu tun hatte. Was bezweckte Dylan damit? Ein gewisses Kalkül könnte dahinter gesteckt haben und vielleicht hatte er es auch einfach nur satt das Sprachrohr einer ganzen Generation zu sein. Wenige Monate später rückte er die Verhältnisse mit „New Morning“ wieder gerade, aber da war das Kind einstweilen schon in den Brunnen gefallen.
Jetzt darf der geneigte Dylan-Fan Bauklötze staunen, denn „Another Self Portrait“ rückt die Verhältnisse wieder gerade. Die zehnte Runder von „The Bootleg Series“ ist abermals eine Offenbarung und ein weiteres Mosaiksteinchen um die Welt von Dylan zu verstehen. Natürlich wird – gerade vor dem Hintergrund von „Self Portrait“ - die Verwirrung nur wieder größer werden. Bei richtiger Zählung liegen dann auch siebzehn Songs von „Self Portrait“ hier vor – alle sind besser wie das veröffentlichte Pendant auf dem eigentlichen Album. Man kann einfach nur zum dem Schluss kommen, dass Dylan vor 43 Jahren ganz bewusst für seine Fans ein unhörbares Werk aufgenommen hat. Der ganze Kleister, die schrecklichen Overdubs und der ganze unnötige Krimskrams fehlt gänzlich. Entsprechend ist hinter den einzelnen Tracks dann auch der Zusatz Without Overdubs zu finden. Siehe da, die Songs sind in ihrer nackten Reduziertheit fantastisch!
Dazu gesellen sich alternative Versionen und unveröffentlichte Stücke. „New Morning“ und „Nashville Skyline“ (mit einer alternativen Version von „Country Pie“) sind ebenfalls bedacht worden. Mit den Demoversionen von „Went To See The Gypsy“ und „When I Paint My Masterpiece“, sowie zwei Aufnahmen vom Isle Of Wight Festival, wird „Another Self Portrait“ komplettiert. Und noch eine ganz andere Tatsache wird abermals unterstrichen: Dylan kann singen! Er muss es natürlich wollen, sowie bei „This Evening So Soon“. „Only A Hobo“ ist gesanglich auch ganz vorzüglich. Ansonsten kann man diese Nummer immer dann hervorholen, wenn man mal wieder die Frage beantworten soll, wie denn wohl die uramerikanische Musik so klingt. „Minstrel Boy“ dürfte diese Frage auch ausreichend beantworten, ist klanglich allerdings keine Offenbarung. In dieser Hinsicht ist die Qualität von „Another Self Portrait“ variierend und der Bogen wird von ganz okay bis gut gespannt. Das entspannte „I Threw It All Away“ dürften nur die Dylanologen dem Meister zuordnen. Hier legt er ja fast schon Croonerqualitäten an den Tag.
„Time Passes Slowly“ kommt in dieser alternativen Versionen regelrecht roh daher. Kaum ein anderer Künstler kann das mit einer derartigen Leichtigkeit aus dem Ärmel schütteln. Auch nicht der andere große Amerikaner, der die letzten Jahre eine ähnliche wie Dylan Verehrung erfährt wie. Wo bei Bruce Springsteen schon der Schweiß rinnt, muss Dylan die Heizung höher drehen, damit ihm nicht kalt wird. Wer ist nun der Boss?
Mit dem rührigen „If Not For You“ und besonders dem wundervollen Country-Stück „If Dogs Run Free“ legt er ein rührendes, aber keineswegs rührseliges Zeugnis ab, dass er auch die Herzen der Menschen immer erreichen konnte. Ein Schätzchen ist selbstverständlich das unveröffentlichte „Working On A Guru“ mit seinem leichten Rock-Twang, welches er zusammen mit George Harrison spielt. Klasse! Bei der Pianoversion von „When I Paint My Masterpiece“ ist Dylan ganz bei sich. Nur er und sein Instrument. Die Bläsersektion von „New Morning“ lässt den Song zu einer kleinen Sternstunde werden. Man kann es nicht oft genug sagen, alles von „Another Self Portrait“ ist besser wie die ursprünglichen Veröffentlichungen. Für jede Sammlung essenziell – nicht nur für die Dylan-Sammlungen dieser Welt.
Die Aufmachung ist natürlich gewohnt hervorragend. Ein dicker Pappschuber umschließt die CD-Hülle und deren Inhalt und das umfangreiche Booklet sehr sicher. Ein Vorwort gibt es ausgerechnet von Greil Marcus, der seinerzeit fragte, was denn der Scheiß mit "Self Portrait" nun soll. Mit dem Booklet kann man sich über Stunden beschäftigen. Viele Fotos und ein erhellender Text geben Einblick in die damalige Welt von Dylan. Ein gewisser Frank Turner scheint sich optisch übrigens immer mehr dem Dylan jener Tage anzunähern – dies nur mal als Einwurf am Rande. Insgesamt ist diese formidable optische Umsetzung erneut ein Fest!
Fazit: „Another Self Portrait (1969 – 1971) The Bootleg Series Vol. 10“ gleicht einer Offenbarung. In dieser Rohheit und diesem reduzierten Gewand gehören die furchtbaren Versionen endlich der Vergangenheit an. Dylan ist ganz bei sich und mit sich und seiner Welt im Reinen. Großartige Versionen, alternative Takes, Demos und unveröffentlichtes Material lassen „Another Self Portrait“ zu einem weiteren Höhepunkt der Bootleg Serie werden. Die beiden CDs gehören in dieser Reihe auf jeden Fall in die Top 3! Pflichtveranstaltung!
Text: Torsten Schlimbach
Bob Dylan: Tempest (Deluxe Edition)
Sony
VÖ: 07.09.2012
Wertung: 11/12
Tipp!
Bob Dylan hat in seiner langen, langen Karriere viele prägende und wegweisende Alben aufgenommen und veröffentlicht. Bei ihm sind die guten und sehr guten Platten schon weniger wert als bei seinen Kollegen. Es gab aber auch mal eine Zeit, da hat er öfters daneben gegriffen und da war auch so manche Vollkatastrophe dabei. Dies gehört glücklicherweise der Vergangenheit an und für seine letzten Veröffentlichungen wurde er mit Lob und Anerkennung förmlich überschüttet. Fast schon unheimlich, was der Mann da im Herbst und Winter seiner Karriere aufnimmt. „Tempest“ ist nun drei Jahre nach „Together Through Life“ der nächste Volltreffer.
Wie bei kaum einem anderen Künstler sind die Texte immens wichtig. Dylan, der alte Zyniker! Oder doch Dylan, der alte Romantiker? Augenzwinkern oder ist das alles für bare Münze zu nehmen? Wie immer, kann man den Meister in die ein oder die andere Richtung interpretierten. Eins ist sicher, „Tempest“ ist ein ziemlich düsteres Album und doch gibt es auch immer wieder das berühmte Licht am Ende des Tunnels. Es geht um Mord, um Totschlag, Irrungen und Wirrungen. Und um den Untergang der Titanic.
Sein letztes Album „Together Through Life“ war eher die brave Platte zum Sonntagskaffee. „Tempest“ ist das genaue Gegenteil. Angriffslustig, rau, roh und ein bisschen dreckig. Angepasst war der alte Dickkopf ja noch nie, aber mal eben 45 Strophen beim Titeltrack „Tempest“ runter zu singen hat selbst er noch nicht geschafft. Richtig, einen Refrain gibt es nicht! Nicht mal im Ansatz! Trotzdem werden die knapp vierzehn Minuten nie langweilig. Dafür sorgt schon die reichhaltige Instrumentierung. In dieser Hinsicht ist das gesamte Album gar als klassisch zu bezeichnen. Banjo, Mandoline, Akkordeon gehören neben Drums, Bass, Gitarre und Schlagzeug selbstverständlich auch dazu!
„Tempest“ ist zwar der längste Song der Platte, aber auch „Narrow Way“, „Scarlet Town“, „Tin Angel“ und „Roll On John“ sind allesamt über sieben Minuten lang - „Tin Angel“ schafft es sogar die neun Minuten zu knacken. Man ahnt, dass der alte Poet und Dichter seinen Zuhörern eine ganz Menge zu erzählen hat. Gammler, Spieler Outlaws und die Gestrandeten der Gesellschaft – alle sind sie wieder da. Und John Lennon in „Roll On John“, übrigens keine Hommage.
Musikalisch ist dieser antiquiert erscheinende Sound vermeintlich in ein Retrogewand gekleidet. Ist er das wirklich? Dylan offenbart hier einmal mehr seine tiefe Liebe und Verbundenheit zur amerikanischen Musik: Folk, Country, Jazz, Singer/Songwriter oder schlicht und ergreifend Americana. „Duquesne Whistle“ nimmt den Hörer zunächst bei der Hand und lässt diesen zu Jazzklängen ganz sanft in die Platte gleiten. Die Ballade „Soon After Midnight“ offenbart anschließend gar eine noch schönere Seite. Dann ist aber Schluss. Zu „Narrow Way“ bellt, krächzt und zischt Dylan wie man es von seinen letzten Konzerten kennt. Das Stück rockt und rollt – so simpel ist das. „Pay In Blood“ gehört gar zum Besten, was der Meister das letzte Jahrzehnt gemacht hat. Und der alte Kauz weiß doch, wie man einen Song arrangieren muss, damit es künstlerisch wertvoll ist, aber eben auch mal zugänglich. Seine Singstimme bildet einen guten Kontrast dazu, die verabschiedet sich nämlich fast gänzlich. „Early Roman Kings“ beschwört den Blues, wie es auch ein John Lee Hooker getan hat. Das düstere „Tin Angel“ strahlt dazu durch eine spärliche Instrumentierung und seinen spröden Charme eine große Erhabenheit aus. Und hier wird einem noch mal eindrucksvoll vor Augen geführt, warum Dylan diese Ausnahmestellung genießt.
Fazit: Dylan hat mittlerweile 35 Alben aufgenommen. Er hat allerdings lange nicht mehr so angriffslustig geklungen wie mit „Tempest“. Diese düstere Platte ist bisweilen episch. Der rohe und raue Sound ist meilenweit vom versöhnlichen letzten Album entfernt. Ein beeindruckendes Spätwerk! Die Deluxe Edition im Schuber enthält übrigens mehr als 30 Reproduktionen von Bob-Dylan-Zeitschriftencovern aus den ersten zehn Jahren seiner Karriere! Dies gleicht das spärliche Booklet – neben dem Cover die einzige Enttäuschung von „Tempest“ - wieder aus!
http://www.bobdylan.com/us/home
Text: Torsten Schlimbach
Bob Dylan: Pure
Sony
VÖ: 21.10.2011
Wertung: 10/12
Tipp!
Mit Bob Dylan Alben um die Weihnachtszeit ist das immer so eine Sache. Weihnachtszeit? Das Musikgeschäft rüstet sich jedenfalls so langsam für die Gaben unter der Tanne und genau das ist oft eine ziemlich traurige Angelegenheit. „Best Of“, „Greatest Hits“ und „Ultimate Collection“ Zusammenstellungen überfluten mal wieder den Markt. Von Bob Dylan gibt es unzählige solcher seltsamen und zweifelhaften Alben. Musste da nun abseits seiner regulären Platte schon wieder so ein Ding sein? Ja, verdammt! „Pure“ ist nämlich völlig anders.
Über die Beweggründe kann man natürlich jetzt streiten, klar. Auf der anderen Seite hat man sich ganz viel Mühe gegeben. Dies ist keine der üblichen Werkschauen und wer nur mal eben die siebzehn bekanntesten Songs vom Meister haben möchte, der sollte hier nicht zugreifen. Auf „Pure“ gibt es nämlich die Perlen! Dieses Album lädt zu einer Entdeckungsreise in den Dylan Kosmos ein. Wer nicht gerade ein ausgesprochener Anhänger des großen Poeten ist und eben nicht alles im Schrank stehen hat, wird dieses Album als kleine Schatztruhe ansehen können. Die üblichen Verdächtigen gibt es woanders, hier gibt es Dylan ungeschliffen, roh und rar!
Der Albumtitel gibt ja schon die Richtung vor. Man hat sich also tatsächlich etwas dabei gedacht als man sich an die Zusammenstellung machte. Der Untertitel „An Intimate Look At Bob Dylan“ kommt auch nicht von ungefähr. Das hat alles Hand und Fuß. Zudem hat man der ganzen Geschichte einen dramaturgischen Aufbau verpasst. Der rote Faden ist also immer vorhanden. Mit anderen Worten, man hat „Pure“ nicht chronologisch angeordnet, sondern auf den Albumfluss geachtet. Dies ist insofern beachtlich, da hier fast fünf Dekaden Bob Dylan zu finden sind.
„Pure“ bietet dem geneigten Fan und solchen, die es noch werden möchten, Raritäten und Songs, die eben nicht so im Fokus standen und stehen, am laufenden Band. Das geht schon mit dem bluesigen und dunklen „Trouble In Mind“ los. Die Nummer wurde bisher nicht offiziell auf CD veröffentlicht. Das ist insofern interessant, da bei dem Stück von 79 Mark Knopfler mit dabei ist. Dylan klingt aggressiv wie selten und der Frauenchor im Hintergrund entpuppt sich als die großen Voodoo-Beschwörerinnen. Danach geht es zurück zu den Anfängen. „Girl From The North Country“ ist immerhin von 63 – nur Dylan. Mundharmonika und seine Gitarre, mehr brauchte es nicht. Weiter geht der Zeitsprung ins Jahr 89. Dies ist ja die Dekade, die nicht gerade zu den glorreichen von Dylan zu zählen ist. Das eindringliche „Most Of The Time“ ist allerdings mal wieder eine seiner Sternstunden. Der ruhige Stil und die Zusammenarbeit mit Daniel Lanois haben sich doch als gute Wahl erwiesen. „Billy 1“ dürfte hingegen ein Song sein, der Springsteen den Weg gewiesen hat. Zudem unterstreicht Dylan hier, dass er sehr wohl in der Lage ist, seinen Gesang zu variieren. Auch neuere Stücke wie „Sugar Baby“ von 2001 oder „This Dream Of You“ von 2008 unterstreichen, dass der Mann immer noch zu den ganz Großen zu zählen ist. Wenn man erklären müsste, wie Amerika wohl musikalisch vertont klingen würde, dann könnte man „Tomorrow Night“ nennen ohne dabei die Gesichtsfarbe zu wechseln. Ja Bob, Hank und Woody wären stolz auf Dich! Selbst die Balladen funktionieren. „Born In Time“ mit Bruce Hornsby am Piano ist ganz groß!
Fazit: „Pure“ ist die etwas andere Zusammenstellung und genau aus diesem Grund eine sehr erfreuliche Geschichte. Man bekommt viele Raritäten oder Lieder geboten, die eben nicht so bekannt sind. Das enorm große Spektrum von Dylan wird ganz dick unterstrichen! Das dürfte eine der besten Compilations des Meisters sein! Wer noch nicht alles im Schrank stehen hat, kriegt somit endlich mal ein paar Schmankerl geboten. Selbst für Fans lohnt sich die Anschaffung – und wenn es nur wegen der Knopfler-Geschichte ist. Feine Sache!
Text: Torsten Schlimbach