K.I.Z.: Urlaub Fürs Gehirn
Universal
VÖ: 03.06.2011
Wertung: 7/12
Wenn sich K.I.Z. mit einem neuen Album zurückmelden, dann sollte man sich anschnallen. Es ist auch unbedingt zu empfehlen, sich die Gebrauchsanweisung vorher durchzulesen. Bei dieser Band ist alles anders. HipHop? Rap? Selbst die Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Manches erinnert gar an Deichkind. Unähnlich sind sich die beiden Formationen ja sowieso nicht. Ironie, Sarkasmus und tiefschwarzer Humor sind das Stichwort. Zarte Gemüter würden gar von Treffern unter der Gürtellinie sprechen.
Das neue Album „Urlaub Fürs Gehirn“ gibt mit dem Titel ja schon wieder die Richtung vor. Oberflächlich betrachtet muss man auch wieder die Synopsen auf Null fahren. K.I.Z. sind aber auch Schweinehunde. Erwarte immer das Unerwartete. Der Wahnsinn regiert und gibt dem Hörer die volle Breitseite mit. Die falsche Fährte wurde ja vorher schon gelegt. Die Interviews ließen ja eher auf ein völlig debiles und abgestumpftes Werk schließen. Tja, auch diese Finte ist K.I.Z. mal wieder gelungen. Zugegeben, man sollte die Platte nicht gerade auflegen wenn die Schwiegermutti mal wieder auf einen Spontanbesuch vorbeikommt. Die derbe Sprache könnte dann doch für etwas Verwirrung sorgen. Es wird eben kein Blatt vor den Mund genommen und wer sein Gehirn tatsächlich in den Urlaub schickt, dürfte mal wieder so einiges in den falschen Hals kriegen.
Musikalisch ist das – wie schon erwähnt – nicht immer leicht einzusortieren. Electro(-Punk) ist definitiv einer der Einflüsse, welcher sich immer mehr im K.I.Z.-Hause durchsetzt. So bleibt die Band wenigstens offen für Neues. Diese Eigenschaft sollte man als Hörer auch unbedingt mitbringen, denn sonst funktioniert „Urlaub Fürs Gehirn“ nicht! K.I.Z. halten der Gesellschaft mal wieder den Spiegel ganz nahe vor das Gesicht. Wer das alles bierernst nimmt ist eben selbst schuld. Das gilt natürlich auch für die Musik. Der Titeltrack „Urlaub Fürs Gehirn“ klingt nicht umsonst nach Akon, Usher und Konsorten. K.I.Z. sind aber auch verdammte Schlingel. Das elektronische „Heiraten“ fährt hingegen eine ganz andere Schiene.
Die Beats sind gut und die Produktion ist ziemlich fett. Aber trotzdem lebt das Album natürlich von den Themen und den Texten. „Doitschland Schafft Sich Ab“ haut da voll auf die Kacke und „Fleisch“ kommt fast anrührend daher - wenn eben die Thematik nicht so traurig wäre. „Abteilungsleiter Der Liebe“ ist doch mal wieder ein schön sarkastischer Abgesang auf den Stumpfsinn der Unternehmen. Wer denkt denn bitte auch mal an die Chefetagen? „Fremdgehen“ wäre ja eigentlich ein entspanntes Popliedchen, wenn, ja wenn eben der bissige Text nicht wäre. „Lach Mich Tot“ beschäftigt sich mit der Einsamkeit. Oberflächlich betrachtet ist alles im Lot und der Arm voller Stempel der angesagtesten Clubs der Stadt, aber guckt man genauer hin, dann bleibt nicht mehr viel übrig. Das ist sicher auch an all jene gerichtet, die in sozialen Netzwerken eine randvolle Freundesliste haben, im wahren Leben aber immer ein einsames Dasein fristen (müssen). Natürlich kann man sich auch einfach nur von der Musik treiben lassen und „H.I.T.“ abfeiern – wäre da eben nicht auch der Text. „Der Durch Die Scheibeboxxxer“ zielt dann vollends auf die Zwölf. Zudem gibt es auch hier Rückschlüsse zu früheren Alben. Überhaupt warten K.I.Z. mit so manchen Verweisen zum bisherigen Schaffen auf. Fans werden sich über die Insider freuen.
Fazit: Über K.I.Z. gab es bisher nur zwei Meinungen: absolut genial oder absoluter Mist. Daran wird auch „Urlaub Fürs Gehirn“ nichts ändern. Hier wird mal wieder alles durch den Kakao gezogen, was nur geht. Nur ist das noch Humor? Ist das überhaupt die Intention der Band? Wird der Gesellschaft nicht nur einfach der Spiegel vor das Gesicht gehalten und die Themenschraube noch ein Stückchen weiter angezogen? Man sollte sein Gehirn eben nicht in Urlaub schicken und K.I.Z. zuhören. Zwischen HipHop, Rap und Electro wird wieder ein Feuerwerk des Abartigen auf den Zuhörer losgelassen. Wer das Genre mag, sollte das neue Album antesten und den etwas anderen deutschen Sprechgesang bestaunen! Ich bleibe lieber bei Fishmob, denn man kann auch nicht alles unter dem Humor-Deckmantel verbuchen. So sind die Geschmäcker eben...
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Text: Torsten Schlimbach