Garbage: Bleed Like Me - Expanded Reissue

Garbage: Bleed Like Me - Expanded Reissue

BMG

VÖ: 05.04.2024

 

Wertung: 8,5/12

 

Das vierte Studioalbum von Garbage stand unter keinem guten Stern. Im Vorfeld gab es so einige Verwirrungen und Irrungen und auch von Krankheiten blieb man nicht verschont - von den internen Querelen ganz zu schweigen. Vier Jahre nach „Beautiful Garbage“ wählten die drei gereiften Herren und ihre Frontfrau einen etwas anderen Ansatz und die Saiten wurden zum Zerreißen gespannt – sprich „Bleed Like Me“ wurde ein Gitarrenalbum. Natürlich hatte das Quartett seine Identität nicht verraten, aber die sechs Saiten wurden hier doch ganz prominent in Szene gesetzt. Dies tat dem Sound durchaus gut und funktionierte als eine Art Frischzellenkur. Jetzt wird die ganze Sause erneut veröffentlicht. Aufgrund der großen Nachfrage gibt es das Album nun das erste Mal seit seiner ursprünglichen Veröffentlichung im Jahr 2005 auf Vinyl. Dies wurde komplett neu gemastert und die erweiterte Version enthält B-Seiten, Remixe und alternative Versionen.

 

Glücklich kann man sein, wenn man Butch Vig mit seinem prall gefüllten Telefonbuch in der Band hat. Vig räumte dann auch seinen Platz an den Drums und überließ Dave Grohl beim Opener „Bad Boyfriend“ die Felle. Das hört man, denn Grohl ist einfach der Meister des Grooves! Mit „Run Baby Run“ setzt man auf einen Ohrwurm, der nun wirklich alle Hitqualtäten auffährt, dabei aber stets im Garbage-Universum authentisch bleibt. Die treibende Single „Why Do You Love Me“ ist so schön hibbelig. Und ja, auch Balladen können Garbage: „It´s All Over But The Crying“ ist sogar ziemlich gut ausbalanciert und nicht überladen worden. Das kennt man von Garbage ja nun auch wirklich anders.

 

Politisch wurden Garbage bei „Metal Heart“, einer musikalischen Auseinandersetzung mit der damals herrschenden Irak-Politik. Dann gibt es auch mal viel Lärm wie mit „Sex Is The Enemy“. Das Ding geht als Alternativ-Rock – und hier liegt die Betonung nun wirklich auf Rock – über die Ziellinie. Bei „Happy Home“ schlägt das Pendel in eine ähnliche Richtung aus. „Nobody Can Win“ ist ein weiterer Track der den Fuß vom Gaspedal nimmt. Eine Akustikgitarre im Garbage-Kosmos ist nicht immer das Instrument, welches einem bei der Band als erstes in den Sinn kommt. Auf „Bleed Like Me“ wagte die Band sehr viel und gewann fast alles. Nein, das Album ist jetzt nicht als Meisterwerk in die Geschichtsbücher eingegangen und wurde auch nicht mit allen Musikpreisen dieser Welt überhäuft, aber auf eine besondere Art hatte sich die Band hier wiedergefunden und musikalisch auch ein Stückchen neuerfunden. Das Album nimmt daher durchaus eine Sonderstellung im Backkatalog ein.

 

Das Ruff Demo von „Badass“ ist ziemlich geil. Das ist direkter Punkrock der voll auf die Zwölf zielt. „Tell Me Where It Hurts“ ist komplett anders. Dies ist eine dieser Garbage-Halbballaden, die ziemlich opulent ausgearbeitet wurden. „Betcha“ schraubt dafür die elektronischen Spielereien deutlich hoch. Auch das gehört ja nun zur DNA der Kapelle. „Witness To Your Love“ ist im Bonusteil ein typischer, dennoch guter Garbage-Song! Gibt es zum Schluss auch noch als Akustik-Nummer. Ob man die ganzen Remixe nun braucht oder nicht sei mal dahingestellt. „Bad Boyfriend“ kann als Sting Like A Bee Remix jedenfalls punkten. „Never Be Free“ als Goth Mix hat auch was – schön düster.

 

Fazit: Die Neuauflage von „Bleed Like Me“ richtet sich in erster Linie an Fans, klar. Trotzdem sollte jeder Musikliebhaber mal ein bis zwei Ohren riskieren. Abseits der ganz großen Hits haben Garbage hier nämlich ein gutes Album mit vielen Gitarren aufgenommen. Natürlich gibt es den üblichen Bandsound auch zu hören, alles andere wäre ja auch komisch. Trotzdem traute sich das Quartett mit diesem Werk ein Stück aus der Komfortzone und beschritt ein paar neue Pfade! Üppiges Bonusmaterial rundet das – mal mehr, mal weniger gelungen – alles in allem sehr schön ab!

 

https://www.garbage.com

 

Text: Torsten Schlimbach

Garbage: Anthology

Garbage: Anthology

BMG

VÖ: 28.10.2022

 

Wertung: 9/12

 

Garbage veröffentlichen die erste Songzusammenstellung seit 15 Jahren. Mittlerweile ist die Band längst eine feste Größe im alternativen Musikzirkus. Das war mal ganz anderes und man der Band mit dem Erscheinen des selbstbetitelten Debüts 1995 sicherlich keine allzu lange Haltbarkeit zugetraut. Dies hatte weniger mit der Musik zu tun, sondern eher mit der seltsamen Konstellation. Die drei US-Herren um Superstarproduzent Butch Vig und die eher unbekannte schottische Sängerin Shirley Manson wirkten eher wie ein Projekt denn eine Kapelle, welche die nächsten Jahrzehnte Musik machen wird. Das Debüt schoss bekanntlich durch die Decke und Garbage sind immer noch da. Erst letztes Jahr veröffentlichte die Band, an deren Zusammensetzung und Konstellation sich über die Jahre nichts verändert hat, mit „No Gods No Masters“ ein neues Album.

 

„Anthology“ spannt nun einen Bogen vom Debüt bis zur letztjährigen Platte. Mit dem raren Track „Witness To Your Love“ ist zudem der Appetithappen für die Fans enthalten. Ansonsten dürfte hier alles drauf sein, was man auf einer solchen Zusammenstellung vorfinden sollte. Die Band hat schon erstaunlich viele Hits zu bieten und wer selbige noch nicht komplettiert hat, weil nicht alle Alben den Weg in die Sammlung gefunden haben, wird damit natürlich bestens bedient werden. Dies ist ja mehr oder weniger auch der Zweck einer solchen Veröffentlichung – übrigens pünktlich zum beginnenden Weihnachtsgeschäft.

 

Haben die Songs den Test der Zeit bestanden? Es sind Welthits und Klassiker. Gerade die erste Hälfte von „Anthology“ ist ein Brett! „Vow“ läutet – wie einst – auch hier alles ein. Die Single war damals noch nicht sonderlich erfolgreich, aber „Only Happy When It Rains“, „Queer“, „Stupid Girl“ und „Milk“ wurden international schnell zu Hits. Gut, Deutschland hat das mal wieder verpennt. Die Alternativ-Bibel „Visions“ berichtete aber selbstverständlich über die Band von Butch Vig. Konzerte und Festivalauftritte steigerten den Bekanntheitsgrad zusätzlich. Der Sound von 95 ist nicht unbedingt gut gealtert, aber die Songs sind natürlich immer noch über jeden Zweifel erhaben.

 

Im Jahr 1998 folgte das Zweitlingswerk „Version 2.0“. Garbage festigten ihren Status und die düstere Single „Push It“, die im Refrain erstaunlich nah beim Industrial Rock von Marilyn Manson zu finden ist, ist längst ein Klassiker. „I Think I´m Paranoid“ hat Ohrwurmqualitäten und auch die Ballade „The Trick Is To Keep Breathing“, mit diesem fetten Bassmotiv und den Soundscapes, haben nichts an Faszination verloren. Danach konnte die Band nicht mehr an die ganz großen Erfolge anknüpfen und der kalkulierte Sound wirkte etwas zu glatt. Die James Bond-Nummer „The World Is Not Enough“ war aber ganz großes Kino und bringt auch heute noch das entsprechende Bond-Flair rüber.

 

„Androgyny“ oder „Cherry Lips (Go Baby Go!)" sind aber schon ziemlich lässig und cool. Immer noch. Ein direkter Track wie „Run Baby Run“ tut dem Spätwerk auch ganz gut - Hitqualitäten, allerdings hatte sich das Musikgeschäft da schon wieder gedreht. „Witness Tio Your Love“ ist mit diesem düsteren Grundton übrigens ziemlich gut und passt hervorragend auf diese Zusammenstellung. Vom groovigen „Blood For Poppies“ bis zu den politischen „The Men Who Rule The World“ und „No Gods No Masters“ ist auch der Schluss der „Anthology“ hörenswert.

 

Fazit: Wie immer bei solchen Zusammenstellungen kann man nach dem Sinn und Unsinn fragen. „Anthology“ von Garbage zeichnet aber eine bis jetzt sehr beeindruckende Karriere nach und hat eine ganze Fülle von Hits zu bieten. Dies kommt in dieser Form natürlich bestens rüber, trotzdem ist die geballte Ladung schon beeindruckend. Wer in dieser Hinsicht also noch Lücken in seiner Sammlung hat, kann und sollte diese nun schleunigst schließen!

 

https://www.garbage.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Garbage: Beautiful Garbage (2021 Remaster Deluxe)

Garbage: Beautiful Garbage (2021 Remaster Deluxe)

BMG

VÖ: 01.10.2021

 

Wertung: 8,5/12

 

Garbage haben mit „No Gods No Masters“ gerade ein neues Album am Start, da folgt schon die nächste Veröffentlichung. Es ist schier unglaublich, dass „Beautiful Garbage“ nun schon 20(!) Jahre auf dem Buckel hat. Die Zeit rast. Wie auch schon die beiden Vorgänger, wird auch das dritte Werk der Dame und ihres Herrentrios mit einer Geburtstagsausgabe gewürdigt. Heutzutage kaum zu glauben, aber vor 20 Jahren waren Blogs tatsächlich noch nicht an der Tagesordnung. Shirley Manson berichtete wöchentlich über den Fortgang des damals neuen Albums in einem eigenen Blog. Damals ein Novum. Der ganze Aufnahmeprozess zog sich über ein ganzes Jahr hin. Die Band ist immer noch sehr stolz auf dieses Werk. Nun wird „Beautiful Garbage“ mit jeder Menge Bonusmaterial veröffentlicht! Einiges davon ist nun für die Hörerschaft gänzlich neu, da es sich hier um unveröffentlichte Songs handelt! Neben dem eigentlichen Album gibt „B-sides & Alternative Versionen“, sowie „Remixes“ als zusätzliche Schmankerl.

 

Ist „Beautiful Garbage“ nun gut gealtert oder eher nicht? Das Quartett hat im Grunde einen Trademark-Sound und die zum Teil überproduzierten Songs strahlen eine ganz besondere Ästhetik aus. Die Band hatte halt sehr früh ihren Sound gefunden und das ist ja nun alles andere als verwerflich. Duke Erikson, Steve Marker und Butch Vig wussten ja nun auch schon immer die ganze Studiotechnik zu nutzen und zauberten auch an den Reglern und Knöpfen. Mit Shirley Manson haben sie zudem eine Sängerin mit hohem Wiedererkennungswert in ihren Reihen.

 

Das Album fängt mit dem ziemlich lässigen „Shut Your Mouth“ an. Shirley Manson haucht, rappt und dann bricht der Refrain über einen herein, der nichts anderes als ein verdammter Hit ist. „Androgyny“ wurde damals ausgekoppelt. Eine typische Single, die dann auch ein bisschen nach Reißbrettentwurf klingt.  „Can´t Cry These Tears“ ist wie eine Hommage an die 60er! Die Glöckchen erinnern dabei gar an die Vorweihnachtszeit, während „Til The Day I Die“ wie Sau groovt. Das ist immer noch ganz groß und selbstverständlich ist das zwischen lauten Gitarren und nervösen Synthies ein verdammter Ohrwurm.

 

„Cup Of Coffee“ und „Drive You Home“ sind im Grunde ganz furchtbar kitschige Schmachtfetzen, werden aber durch Manson natürlich wieder zu etwas Besonderem. „Silence Is Golden“ bedient dafür all jene mit Hang zu gut produzierten Gitarrensongs. „Cherry Lips“ legt dann noch ordentlich Pop dazu. „Parade“ vereint diese Welten sogar und ist – na klar – ein Ohrwurm. „Nobody Loves You“ ist sehr langsam und „Untouchable“ sehr verspielt. Die Ballade „So Like Rosa“ lässt das Werk erstaunlich ruhig ausklingen.

 

Die B-Seiten und Raritäten CD hat dann mit dem schönen „Candy Says“, dem melancholischen „Use Me“ oder „Happiness Pt2“ für Fans bekanntes Material am Start, für Neueinsteiger aber durchaus den einen oder anderen tollen Song zu bieten. Die schöne Coverversion des Stones Klassikers „Wild Horses“ passt da gut ins Bild. Erstaunlich knackig spielt die Kapelle „Pride In The Name Of Love“ von U2. Das ist ja teilweise schon punkig. Garbage waren vor zwanzig Jahren mit U2 als Vorgruppe auf Tour. Dies ist auch nicht das erste veröffentlichte Cover eines U2 Songs von Garbage. „Who´s Gonna Ride Your Wild Horses“ wurde ebenfalls schon offiziell aufgenommen.

 

Der Rough Mix von „Androgyny“ ist ganz nett, die Demoversion von „Til The Day I Die“ interessant. Wobei man da fast nicht von Demo reden kann, so ausgearbeitet ist das schon. Dies gilt auch für „Silence Is Golden“, auch wenn der Gesang noch nicht vollendet ist. Von den Remixen sind „Shut Your Mouth (Jagz Kooner Radio Mix)“ und „Parade End Of Night Mix“ bisher unveröffentlicht. Electropop und typischer Garbage-Pop. Nett. Die anderen dreizehn Mixe sind mal gut und mal verzichtbar – wie das eben mit so Remixen ist. Ob man sich das öfters anhört, sei mal dahingestellt. Letztlich bildet aber auch das die Phase von „Beautiful Garbage“ ab.

 

Fazit: Das dritte Album von Garbage „Beautiful Garbage“ wird nun in einer umfangreichen Geburtstagsedition erneut veröffentlicht. Das Album ist immer noch absolut hörenswert, auch, wenn nicht jeder Song ein Volltreffer ist. Die vielen B-Seiten, Raritäten und Remixe – zum Teil unveröffentlicht – runden das Gesamtbild von diesem Werk sehr, sehr schön ab. Macht auch nach 20 Jahren noch Spaß zu hören!

 

Website: https://www.garbage.com

 

Text: Torsten Schlimbach

Garbage: No Gods No Masters

Garbage: No Gods No Masters

BMG

VÖ: 11.06.2021

 

Wertung: 8,5/12

 

Damals, Mitte der 90er, waren Garbage im Indie- und Alternativbereich Stars. Zunächst konzentrierte sich die Presse und das Interesse auf Butch Vig, der mit „Nevermind“ von Nirvana nicht nur das wichtigste Album jener Dekade produziert hat, sondern auch die Smashing Pumpkins, Sonic Youth oder Helmet in seinem Portfolio stehen und somit maßgeblichen Anteil an den wichtigen Rockalben jener Zeit hat. Der Fokus richtete sich dennoch schnell auf die Sängerin von Garbage. Shirley Manson war und ist ja auch eine überaus interessante Persönlichkeit und mit einem Charisma ausgestattet, wie es eben nur echte Leader haben. Die Herren Steve Marker, Duke Erikson und eben Butch Vig konnten sich umso mehr auf die Musik und die Produktion konzentrieren. Das siebte Studioalbum „No Gods No Masters“ wird nun allerdings wieder von allen promotet.

 

Produziert wurde das neue Werk von Garbage und ihrem langjährigen Kollaborationspartner Billy Bush. Der Grundstein für „No Gods No Masters“ wurde schon lange vor der Pandemie gelegt.  Im Sommer 2018 traf man sich in der Wüste von Palm Springs in einem Haus, welches der Verwandtschaft von Steve Marker gehört. Es wurde gejammt und experimentiert und am Ende von zwei Wochen hatte das Quartett einige Demos fertig, ging aber wieder getrennte Wege. Man traf sich in Los Angeles um das Album schließlich fertigzustellen.

 

Das Ergebnis ist überraschend, denn so politisch waren Garbage eigentlich noch nie. Natürlich hat Shirley Manson aus ihrem Herzen noch nie eine Mördergrube gemacht und schon immer zu den verschiedensten politischen Themen klar und deutlich Stellung bezogen, aber ein politisches Album hat das Quartett in dieser Deutlichkeit noch nicht veröffentlicht. Der Zustand der Welt ist hundsmiserabel: Trump, #MeToo, Klimwandel, Black Lives Matter – es gibt viel zu besprechen.

 

Und musikalisch? Garbage verwalten keineswegs den eigenen Stil und die Band spielt auch nicht nur gelangweilt ihren Stiefel runter. Die Songs sind bissiger als die des doch etwas behäbigen Vorgängers. Das fängt schon mit „The Man Who Rules The World“ an. Willkommen zur Endzeitparty, auf der die Synthies jaulen. „The Creeps“ hat dann auch noch den Refrain dazu, der sich gerne im Ohr festsetzt. Der Rest flirrt und zuckt im elektronischen Gewitter. Natürlich ist das aalglatt und durchproduziert – aber das sind ja alle Songs von Garbage.

 

„Uncomfortably Me“ nimmt den Fuß vom Gaspedal und umschmeichelt sexy die Gehörgänge. „Wolves“ wurde ja auch schon vorab ausgekoppelt, nervt aber mit seinem hektischen Gewummer und dem Gesang. Das düstere „Waiting For God“ ist da wesentlich ansprechender. Manson haucht und greint und die Musik schleppt sich perfekt dazu über die vier Minuten. „Godhead“ klingt gar wie ein Song von Marilyn Manson. Das Flüstern von Frau Manson während der Strophen kommt dem ihres Namensvetters schon sehr nahe. Die elektronischen Elemente der Musik, aber auch der harte Beat, sind sowieso fast schon unter Industrial Rock zu verbuchen. „Anonymous (XXX)“ bleibt zumindest der Melancholie treu, während „A Woman Destroyed“ der vertonte Wahnsinn über fünfeinhalb Minuten ist. Die Nummer wirkt bedrohlich, zieht einen als Zuhörer aber in ihren Bann. Ist das der Abstieg in die Hölle? Die Glocken scheinen jedenfalls zum letzten Geleit zu läuten. „Flipping The Bird“ geht anschließend wieder etwas mehr in Richtung der klassischen Garbage. Der Titelsong „No Gods No Masters“ vereint im Grunde alle Seiten des Albums in einem Track. Die Mischung aus Computerspielromantik und Ohrwurm sorgt dann für das Hitpotenzial des Songs. Nachdenkliche Töne beenden das Album schließlich mit und bei „This City Will Kill You“.

 

Fazit: „No Gods No Masters“ wird ganz sicher keine jungen Leute hinter dem Ofen hervorlocken. Geht auch gar nicht, denn dafür sind die Mitglieder von Garbage auch viel zu alt. Ja, auch Shirley Manson taugt da nicht mehr als direktes Vorbild. An dem Album ist trotzdem überhaupt nichts peinlich – im Gegenteil. Es ist ein modernes, poliertes Werk, mit guten Songs, die mehr im elektronischen Bereich denn im Rock verhaftet sind. Es darf dabei auch gerne mal düster und wütend auf den Putz gehauen werden – es geht ja auch um das Ganze, nämlich die großen Themen unserer Zeit!

 

https://www.garbage.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Garbage: Strange Little Birds

Garbage: Strange Little Birds

PIAS/Rough Trade

VÖ: 10.06.2016

 

Wertung: 8,5/12

 

In den 90ern war im Indie- und Alternativbereich bekanntlich eine ganze Menge los und möglich. Als Kurt Cobain starb, schien auch das Interesse am Rock mal wieder verschwunden zu sein. Die Welt hatte – ohne es zu wissen – auf Garbage gewartet. Das selbstbetitelte Debütalbum ging durch die Decke. „Stupid Girl“, „Only Happy When It Rains“, „Queer“ und „Milk“ waren die Hits der Stunde. Aushängeschild war Butch Vig, da der Mann hinter der Schießbude als Produzent nicht nur für Nirvana so manches Meisterwerk betreut hatte. Schnell merkte man aber, dass da mit Shirley Manson eine echte Rampensau am Mikro stand, die zudem auch noch so manches druckreife Zitat abliefert. Die beiden Gitarristen Duke Erikson und Steve Marker spielten in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle. Mit „Version 2.0“ und den Hits  „Push it“, „I Think I'm Paranoid“  und „The Trick Is To Keep Breathing” legte die Band kongenial nach. Danach wurde die Kapelle von einigen privaten Schicksalsschlägen gebeutelt und die nachfolgenden Alben spielten in der breiten Wahrnehmung kaum noch eine Rolle. Die längste Pause zwischen zwei Alben sollte sich dann von 2005 bis 2012 hinziehen – die dazwischen veröffentlichte Werkschau nicht mitgezählt. Jetzt gibt es mit „Strange Little Birds“ endlich den Nachfolger zum 2012er Werk.

 

Mit „Strange Little Birds“ gehen Garbage auf jeden Fall schon mal in das Rennen um den Titel des „hässlichsten Albumcovers des Jahres“. Entscheidend ist ja auf dem Platz, so eine alte Fußballerweisheit. Und auf dem Platz, sprich auf dem Album und mit der Musik, können Garbage schon punkten. Es ist zwar kein Kantersieg, aber so mancher schöner Spielzug ist dann doch enthalten. Hin und wieder verwaltet das Quartett aber auch nur den Spielstand oder schindet Zeit. Das ist sicherlich legitim. In dem Alter hat man ja nun auch nicht mehr die Puste und neue Tricks kommen auch nur noch spärlich dazu. Die Band weiß um die eigenen Stärken und die werden gekonnt ausgespielt. Der Sound ist unnachahmlich und Shirley Manson ist immer noch – zumindest bei der Studioproduktion – ein Zaubermäuschen. Da schafft sie es sogar noch das unglaublich kitschige, langweilige, dröge und fürchterliche „Teaching Little Fingers To Play“ geheimnisvoll klingen zu lassen. Na gut, Depeche Mode haben solche musikalischen Grausamkeiten ja mittlerweile salonfähig gemacht.

 

Aber keine Sorge, es gibt sie, die Perlen. Eine davon wurde mit „Sometimes“ gleich an den Anfang gesetzt. Die Nummer pluckert sich geheimnisvoll aus den Boxen und erinnert an die Nine Inch Nails zu Zeiten von „Fragile“! Schade, dass man den Pfad der Düsternis dann mit „Empty“ direkt wieder verlassen hat. Dafür feuert einem die Band hier ihren Trademarksound entgegen. Das Ding macht schon Spaß und als Fan fühlt man sich da sehr heimisch. Mit „Blackout“ geht es dann direkt mal mit der nächsten Überraschung weiter. Bevor der Gesang von Manson die Szenerie bestimmt, könnte man glatt auf die Idee kommen, dass dies ein neuer Track von The Cure wäre. Bis hierhin ist das ein tolles, gar überraschendes Album. Mit dem dunklen, bassgetriebenen „If I Lost You“ wird das fortgesetzt. Die Feinheiten gilt es im Hintergrund zu entdecken. Das eigentlich ruhige Stück hat nämlich sehr viele Spielereien versteckt.

 

„Night Drive Lonelines“ ist ein weiterer, düsterer Song im Midtempobereich. Die Nummer hat einen schönen Groove und wird zum Refrain hin opulent ausgearbeitet. „Even Though Our Love Is Doomed“ bleibt musikalisch beim Thema. Garbage haben auf diesem Album in den ruhigen und düsteren Songs tatsächlich ihre stärksten Momente. Das wird zwar keine neuen Fans generieren, aber darum geht es ja vermutlich auch nicht mehr. „Magnetized“ und (noch mehr) „We Never Tell“ erinnern ja auch wieder an die Garbage der 90er Jahre. Das rockt. Das ist nett. Das macht Spaß. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Live werden die Songs sicher so richtig abgehen. „So We Can Stay Alive“ probiert sich dann noch mal an allerlei elektronischem Gedöns aus und kommt dann doch noch recht krachig daher – laut hören! -, bevor mit dem schon erwähnten „Teaching Little Fingers To Play“ der einzige Ausfall des Albums folgt. „Amends“ beendet „Strange Little Birds“ wie es mit „Sometimes“ begonnen wurde: düster und geheimnisvoll. Ein Gewitter braut sich da zusammen und entlädt sich dann auch noch vollends.

 

Fazit: Garbage legen mit „Strange Little Birds“ ein sehr, sehr ordentliches Album vor. Der Trademarksound ist an der einen oder anderen Stelle natürlich deutlich auszumachen. Es gibt aber auch viele düstere Momente, die sich langsam aufbauen. Man sollte dieses Album mal Trent Reznor vorspielen, er wird es mögen. Fans werden an  „Strange Little Birds“ sehr viel Freude haben. Es gibt ja auch eine Menge zu entdecken und die Feinheiten sind in den Details versteckt. Man sollte das Album mitunter auch richtig laut hören, denn dann entfaltet sich seine volle Pracht. Punktsieg und Titelambitionen sind da klar zu erkennen.

 

https://www.garbage.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

Garbage: Not Your Kind Of People (Deluxe Edition)

Garbage: Not Your Kind Of People (Deluxe Edition)

Stunvolume/Cooperative Music/Universal

VÖ: 11.05.2012

 

Wertung: 7,5/12

 

Vieler Worte bedarf es nicht. Garbage sind zurück! Nach sieben langen Jahren des Wartens veröffentlicht die Band wie aus dem Nichts „Not Your Kind Of People“. Aufgenommen wurde die Platte vor gut einem Jahr in Los Angeles. Die Band ist ja dafür bekannt nicht viele Worte zu verlieren und vermutlich ist dies auch ein Grund dafür, dass es letztlich so lange gedauert hat. Um das Innenverhältnis und das Bandgefüge soll es ja nicht unbedingt immer gut bestellt gewesen sein. Man munkelt auch noch von Querelen mit dem Label. Ob dies nun aufgearbeitet wurde oder nicht sei mal dahingestellt. „Not Your Kind Of People“ knüpft jedenfalls nahtlos an den bisherigen Backkatalog an.

 

Fans dürfen sich also freuen, denn im Grunde ist alles wie gehabt. „Not Your Kind Of People“ könnte auch aus den 90ern sein. Shirley Manson, Butch Vig, Duke Erikson und Steve Marker haben in typischem Garbage-Soundgewand ein recht stimmiges Werk auf die Beine gestellt. Was auffällt ist der enorme Aufwand der hier betrieben wurde. Dies stellt sogar alles bisherige in den Schatten. Mit anderen Worten, Butch Vig hat über die Jahre aus dem einstigen Schrank mit Effekten eine ganze Siedlung gemacht und das auch alles benutzt. „Not Your Kind Of People“ ist nämlich gnadenlos überladen und das erdrückt die eigentlich guten Popsongs doch an der einen oder anderen Stelle.

 

Die drei Herren schaffen es immer wieder, die eigentlich harmlosen Melodien zu verzerren und regelrecht zu entstellen. Garbage haben eben einen ganz eigenen Sound. Selbst ohne den Gesang von Shirley Manson kann man eine Garbage Nummer meist nach ein paar Sekunden erkennen. Hin und wieder weicht das aber auch etwas auf. „Blood For Poppies“ wirkt zumindest in den Strophen ordentlich entschlackt und der Groove erinnert gar an das Reggae-Genre. Im Refrain wird aber wieder alles aufgefahren, was die Effektküche hergibt und dann wabert und zirpt es an allen Ecken und Enden.

 

Angriffslustig geben sie sich. „I was trapped like a prisoner in my skin/I was punished like an animal for my sins“ aus "Control" wird dann auch musikalisch richtig in Szene gesetzt. Dampfwalzensound können Garbage eben wie keine zweite Popband. Es geht aber auch anders, wie sie mit dem verspielten und entrückten Titelsong „Not Your Kind Of People“ zeigen. In psychedelische Gefilde wagen sie sich dort zwar vor, vernachlässigen dabei aber keineswegs die Melodien und Manson singt wie ein Alien von einem fernen Planeten.

 

„Felt“ reicht gar bis in die 80er zurück und erinnert an My Bloody Valentine. Steht ihnen gut und hier machen die nebeligen Soundschwaden auch Sinn. „I Hate Love“ kommt hingegen schnell und direkt auf den Punkt, während das sphärische „Sugar“ durch Zeit und Raum gleitet. Dagegen wirkt ein „Battle In Me“ reichlich blutleer. Klar, das Ding soll vordergründig rocken und zeigen, dass die älteren Herrschaften das immer noch können, aber eigentlich wird hier nur auf dicke Hose gemacht und gezeigt, was man alles durch Echogeräte jagen kann und der Effektschrank so hergibt. Gnadenlos überproduziert! Überhaupt fällt auf, dass dies bei den schnelleren Stücken leider immer wieder der Fall ist und sie da irgendwie die richtige Ausfahrt verpasst haben. Bei der Ballade „Beloved Freak“ haut das einfach besser hin, da dort nur die verspielte Note unterstrichen wird, ansonsten aber von Frau Manson sicher getragen wird.

 

Die Bonustracks der Deluxe Edition sind überraschend gut und geben im Großen und Ganzen wieder, für was Garbage im Jahr 2012 stehen. „The One“ klingt dann auch wie die Schnittmenge der gesamten Platte. Dampfwalze, Synthies, Effekte, Echo und ein Vamp am Mikrofon. „What Girls Are Made Of“ rockt sich hingegen düster durch den Zauberwald. Da klingt so ein ganz kleines bisschen eine The Cure Gitarre durch. Auch die schöne Ballade „Bright Tonight“ erinnert an Robert Smith - allerdings in seiner fröhlichen Phase. „Show Me“ beendet dann die Garbage Ausgabe 2012 etwas lahm und ziellos. Ist ein bisschen von allem, kann sich aber nicht wirklich für eine Richtung entscheiden. Die Scheibe beginnt mit dem Discogeboller von „Automatic Systematic Habit“ aber auch mit einem Totalausfall und somit schließt sich dann doch wieder der Kreis.

 

Fazit: Garbage legen nach langer Pause mit „Not Your Kind Of People“ ein überraschend stimmiges Album vor, welches an der einen oder anderen Stelle aber auch viel zu viel Klimbim, Zaubertricks und Effekte auffährt. So ist das, wenn man drei Produzenten in der Band hat. Ihrem eigenen Stil und Sound bleiben sie aber treu und so gibt es auch auf dieser Platte wieder jede Menge verzerrter Popsongs.

 

http://garbage.com/

 

Text: Torsten Schlimbach

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